König Parīkṣit stellte Śukadeva Gosvāmī als nächstes eine Frage, deren Inhalt für das Verstehen transzendentaler Themen von großer Bedeutung ist. Sie lautete: »Das vedische Wissen befaßt sich hauptsächlich mit den drei Eigenschaften oder Erscheinungsweisen der materiellen Natur - wie kann es sich also mit der Transzendenz befassen, die jenseits der Reichweite der materiellen Erscheinungsweisen liegt? Wie kann sich, wenn doch der Geist materiell und die Artikulation gesprochener Worte materieller Klang sind, das vedische Wissen, das durch materielle Klänge die Gedanken des Geistes wiedergibt, mit der Transzendenz befassen? Wenn man eine Sache beschreiben will, muß man ihren Ursprung, ihre Eigenschaften und ihr Wirken beschreiben. Das ist nur dadurch möglich, daß man mit dem materiellen Geist denkt und materielle Worte spricht. Obwohl das Brahman, die Absolute Wahrheit, keine materiellen Eigenschaften besitzt, reicht unser Sprechvermögen nicht über die materiellen Eigenschaften hinaus. Wie also kannst du das Brahman, die Absolute Wahrheit, mit deinen Worten beschreiben? Ich kann mir nicht vorstellen, wie es möglich sein soll, die Transzendenz durch das Vernehmen materieller Worte zu verstehen.«
König Parīkṣit stellte seine Frage in der Absicht, von Śukadeva Gosvāmī zu erfahren, ob die Veden die Absolute Wahrheit letztlich als unpersönlich oder als persönlich beschreiben. Wenn man im Verstehen der Absoluten Wahrheit fortschreitet, erkennt man drei Aspekte: das unpersönliche Brahman, den Paramātmā im Herzen eines jeden und schließlich den Höchsten Persönlichen Gott Śrī Kṛṣṇa.
Die Veden behandeln drei Aktivitätsbereiche. Der erste Bereich wird karma-kāṇḍa genannt und umfaßt Handlungen nach den Anweisungen der Veden, durch die man allmählich so weit geläutert wird, daß man seine wesenseigene Stellung erkennt; der nächste Bereich wird als jñāna-kāṇḍa bezeichnet und besteht aus Vorgängen, die Absolute Wahrheit durch Spekulation zu verstehen, und der dritte Bereich heißt upāsanā-kāṇḍa oder die Verehrung des Höchsten Persönlichen Gottes und manchmal auch der Hauptgötter. Die Verehrung der Halbgötter wird in den Veden nur denen empfohlen, die die Beziehung der Halbgötter zum Persönlichen Gott verstehen. Der Höchste Persönliche Gott hat viele Teile; die einen bezeichnet man als svāṁśa, Seine persönlichen Erweiterungen, und die anderen als vibhinnāṁśa, die Lebewesen. All diese Erweiterungen, sowohl die svāṁśa als auch die vibhinnāṁśa, gehen vom Höchsten Persönlichen Gott aus. Die svāṁśa-Erweiterungen werden Viṣṇu-tattva genannt, die vibhinnāṁśa-Erweiterungen jīva-tattva. Auch die Halbgötter zählen zum jīva-tattva. Die bedingten Seelen werden gewöhnlich in das Geschehen der materiellen Welt gesetzt, damit sie der Sinnenbefriedigung nachgehen können, und daher wird, wie die Bhagavad-gītā erklärt, zur Einschränkung derer, die stark nach bestimmten Arten der Sinnenbefriedigung trachten, manchmal die Verehrung von Halbgöttern empfohlen. Menschen, beispielsweise, die unbedingt Fleisch essen wollen, dürfen nach den vedischen Anweisungen erst dann Fleisch essen, wenn sie das Bildnis der Göttin Kalī verehrt und ihr nach den karma-kāṇḍa-Regeln eine Ziege (kein anderes Tier) geopfert haben. Dies soll jedoch nicht zum Fleischessen auffordern, sondern erlaubt es lediglich jemandem, der sich des Fleischgenusses nicht enthalten kann, ihm unter bestimmten einschränkenden Bedingungen zu frönen. Die Verehrung der Halbgötter ist also nicht dasselbe wie die Verehrung der Absoluten Wahrheit; vielmehr gelangt man durch die Verehrung der Halbgötter dahin, den Höchsten Persönlichen Gott indirekt anzuerkennen. Dieses indirekte Anerkennen wird in der Bhagavad-gītā als avidhi bezeichnet. Avidhi bedeutet »nicht vorbehaltlos anerkannt«. Weil die Verehrung der Halbgötter nicht vorbehaltloser Anerkennung entspringt, betonen die Unpersönlichkeitsphilosophen den unpersönlichen Aspekt der Absoluten Wahrheit. König Parīkṣits eigentliche Frage lautete: »Was ist das endgültige Ziel des vedischen Wissens - die Konzentration auf den unpersönlichen Aspekt der Absoluten Wahrheit oder die Konzentration auf den persönlichen Aspekt? Schließlich entziehen sich sowohl der unpersönliche als auch der persönliche Aspekt des Höchsten Herrn unserem materiellen Vorstellungsvermögen. Der unpersönliche Aspekt des Absoluten, das leuchtende Brahman, ist nichts anderes als die Ausstrahlung der persönlichen Gestalt Kṛṣṇas; sie strahlt über die ganze Schöpfung des Herrn, und den Teil der Ausstrahlung, der von der materiellen Wolke verhüllt wird, bezeichnet man als den erschaffenen Kosmos der drei materiellen Eigenschaften sattva, rajas und tamas. Wie können diejenigen, die sich in diesem bewölkten Teil, nämlich in der materiellen Welt befinden, die Absolute Wahrheit durch Spekulation verstehen?«
Als Antwort auf König Parīkṣits Frage erwiderte Śukadeva Gosvāmī, daß der Höchste Persönliche Gott den Geist, die Sinne und die Lebenskraft sowohl zum Zwecke der Sinnenbefriedigung auf der Wanderung von einem Körper zum anderen wie auch als Möglichkeit zur Befreiung von den materiellen Bedingungen geschaffen habe. Der Geist, die Sinne und die Lebenskraft können, mit anderen Worten, also entweder zur Befriedigung der Sinne und damit zur Wanderung von Körper zu Körper oder zur Befreiung gebraucht werden. Die vedischen Anweisungen sollen der bedingten Seele die Möglichkeit zu einer durch Prinzipien geregelten Sinnenbefriedigung geben und ihr dadurch zugleich helfen, zu höheren Lebensbedingungen zu gelangen; wenn dann schließlich ihr Bewußtsein gereinigt ist, kann sie ihre ursprüngliche Position verstehen und heim, zurück zu Gott, gehen.
Die Lebenskraft besitzt Intelligenz. Man muß daher seine Intelligenz gebrauchen, um Geist und Sinne zu beherrschen. Wenn der Geist und die Sinne durch den richtigen Gebrauch der Intelligenz geläutert sind, ist die bedingte Seele befreit. Wird die Intelligenz jedoch nicht richtig verwendet, d. h. nicht dazu, Sinne und Geist zu beherrschen, wandert die bedingte Seele auf der Suche nach Sinnenbefriedigung weiter von Körper zu Körper. Ein anderer Punkt, den Śukadeva Gosvāmī in seiner Antwort deutlich herausstellte, ist die Tatsache, daß der Herr den Geist, die Sinne und die Intelligenz der individuellen Lebenskraft geschaffen hat. Es wird jedoch nicht gesagt, daß die Lebewesen an sich jemals erschaffen wurden. Wie die leuchtenden Partikel der Sonnenstrahlen immer zusammen mit der Sonne existieren, bestehen die Lebewesen als Teile des Höchsten Persönlichen Gottes ewig. Obwohl die bedingten Seelen als Teile des Höchsten Herrn ewig bestehen, werden sie manchmal in die Wolke der materiellen Auffassung vom Leben und damit in die Finsternis der Unwissenheit gesetzt. Alle vedischen Anweisungen sind dazu bestimmt, einem in dieser finsteren Lage Erleichterung zu verschaffen. Wenn die Sinne und der Geist des bedingten Lebewesens schließlich völlig gereinigt sind, erreicht es wieder seine ursprüngliche Position, Kṛṣṇa-Bewußtsein genannt, und das ist die Befreiung.
Das erste sūtra im Vedānta-sūtra stellt die Frage nach der Absoluten Wahrheit: athāto brahma-jijñāsā, »Was ist die Natur der Absoluten Wahrheit?« Das nächste sūtra antwortet, daß es die Natur der Absoluten Wahrheit ist, die Ursache aller Dinge zu sein. Alles, was wir wahrnehmen, auch im materiellen, bedingten Leben, ist nichts weiter als eine von Ihm ausgehende Erweiterung. Die Absolute Wahrheit schuf den Geist, die Sinne und die Intelligenz. Also kann die Absolute Wahrheit nicht ohne Geist, Intelligenz und Sinne sein. Schon allein das Wort »schuf« deutet darauf hin, daß Er transzendentale Intelligenz besitzt. Wenn ein Mann z. B. ein Kind zeugt, wird das Kind Sinne haben, weil auch der Vater Sinne hat. Das Kind kommt mit Händen und Füßen zur Welt, weil auch der Vater Hände und Füße hat. Deshalb sagt man, der Mensch sei nach Gottes Ebenbild geschaffen. Die Absolute Wahrheit ist also die Höchste Persönlichkeit, die einen transzendentalen Geist, transzendentale Sinne und transzendentale Intelligenz besitzt. Wenn der Geist, die Intelligenz und die Sinne der bedingten Seele von der materiellen Verunreinigung frei geworden sind, kann sie die ursprüngliche Gestalt der Absoluten Wahrheit als Person verstehen.
Die vedischen Anweisungen erheben die bedingte Seele nach und nach von der Erscheinungsweise der Unwissenheit zur Erscheinungsweise der Leidenschaft und von dort zur Erscheinungsweise der Tugend. In der Erscheinungsweise der Tugend hat man genügend Licht, die Dinge so zu sehen, wie sie sind. Ein Beispiel mag diesen Vorgang verdeutlichen: Aus der Erde wächst ein Baum; vom Baum erhält man Brennholz, und mit dem Brennholz kann man ein Feuer entfachen. Beim Anzünden entsteht zuerst Rauch, dann Wärme und schließlich Feuer. Das Feuer kann für viele Zwecke verwendet werden, und daher ist Feuer das erstrebte Ziel. In übertragenem Sinne sieht man als erstes, daß auf der gröbsten materiellen Stufe des Lebens die Erscheinungsweise der Unwissenheit vorherrscht. Mit der allmählichen Entwicklung vom Barbarendasein zum zivilisierten Leben weicht diese Unwissenheit, und man kann somit sagen, daß jemand, der zu einer zivilisierten Lebensweise gelangt ist, sich in der Erscheinungsweise der Leidenschaft befindet. Auf der Stufe des Barbarendaseins, in der Erscheinungsweise der Unwissenheit, werden die Sinne auf sehr grobe Weise befriedigt, und in der Erscheinungsweise der Leidenschaft oder auf der zivilisierten Stufe des Lebens geschieht dies in verfeinerter Form. Erreicht man jedoch die Erscheinungsweise der Tugend oder Reinheit, kann man verstehen, daß sich die Sinne und der Geist nur deshalb mit materiellen Tätigkeiten befassen, weil sie von einem widernatürlichen Bewußtsein bedeckt sind. Wenn dieses widernatürliche Bewußtsein allmählich in Kṛṣṇa-Bewußtsein umgewandelt wird, tut sich einem der Pfad zur Befreiung auf. Es ist also nicht unmöglich, mit den Sinnen und dem Geist der Absoluten Wahrheit näherzukommen. Die richtige Schlußfolgerung lautet vielmehr, daß Sinne, Geist und Intelligenz im groben Zustand der Verunreinigung zwar nicht imstande sind, das Wesen der Absoluten Wahrheit wahrzunehmen, daß man aber mit ihnen, wenn sie geläutert sind, verstehen kann, was die Absolute Wahrheit ist. Der Reinigungsvorgang ist hingebungsvolles Dienen oder Kṛṣṇa-Bewußtsein.
In der Bhagavad-gītā wird eindeutig gesagt, daß es das Ziel des vedischen Wissens ist, Kṛṣṇa zu erkennen, und Kṛṣṇa wiederum ist durch liebevolles Dienen zu verstehen, das mit Hingabe beginnt. Auch wird in der Bhagavad-gītā gesagt, daß man ständig an Kṛṣṇa denken muß. Man muß Kṛṣṇa ständig dienen, Ihn stets verehren und sich vor Ihm verneigen. Nur durch diesen Vorgang kann man in das Königreich Gottes eingehen. Daran besteht kein Zweifel.
Wenn man durch hingebungsvolles Dienen in der Erscheinungsweise der Tugend erleuchtet ist, wird man von den Erscheinungsweisen der Unwissenheit und Leidenschaft befreit. Das Wort ātmane bezeichnet die Stufe, auf der man die brahmanischen Eigenschaften erlangt hat und deshalb die als Upaniṣaden bekannten vedischen Schriften studieren darf. Die Upaniṣaden beschreiben auf vielerlei Weise die transzendentalen Eigenschaften des Höchsten Herrn. Die Absolute Wahrheit, der Höchste Herr, wird auch nirguṇa genannt. Das bedeutet jedoch nicht, daß Er keine Eigenschaften hat. Nur weil Er Eigenschaften hat, können die bedingten Lebewesen Eigenschaften haben. Der Sinn des Studiums der Upaniṣaden ist die Erkenntnis, daß die transzendentalen Eigenschaften der Absoluten Wahrheit den materiellen Eigenschaften der Unwissenheit, Leidenschaft und Tugend völlig entgegengesetzt sind. Dahin soll das Verständnis der Veden führen. Große Weise, wie die vier Kumāras, von denen Sanaka der Führende ist, folgten diesen Prinzipien des vedischen Wissens und gelangten so allmählich von der Auffassung des Unpersönlichen zur Verehrung des Höchsten Herrn als Person. Es wird uns daher empfohlen, dem Beispiel solch großer Persönlichkeiten zu folgen. Śukadeva Gosvāmī ist eine dieser großen Persönlichkeiten, und seine Antwort auf Mahārāja Parīkṣits Frage ist daher maßgeblich. Wer den Fußstapfen solch großer Persönlichkeiten folgt, kann mit Sicherheit den Pfad der Befreiung sehr leicht beschreiten und kehrt schließlich heim, zurück zu Gott. Auf diese Weise kann man in der menschlichen Form des Lebens die Vollkommenheit erreichen.
Śukadeva Gosvāmī sagte weiter zu Parīkṣit Mahārāja: »Mein lieber König, ich will dir nun als Antwort auf deine Frage eine Geschichte erzählen. Diese Geschichte ist von großer Bedeutung, da sie mit Nārāyaṇa, dem Höchsten Persönlichen Gott, zusammenhängt. Sie schildert ein Gespräch zwischen Nārāyaṇa Ṛṣi und dem großen Weisen Nārada. Nārāyaṇa Ṛṣi hält sich noch heute in Badarīkāśrama im Himalaya auf und wird als Inkarnation Nārāyaṇas angesehen. Als einst Nārada, der große Geweihte und Asket unter den Halbgöttern, wieder einmal verschiedene Planeten bereiste, verspürte er den Wunsch, den Asketen Nārāyaṇa in Badarīkāśrama zu besuchen und ihm seine Ehrerbietungen zu erweisen. Nārāyaṇa Ṛṣi, die Inkarnation Gottes als großer Weiser, unterzieht sich schon seit Beginn der Schöpfung schweren Bußen und Opfern, um die Bewohner Bhāratavarṣas [* Name des Planeten Erde *] zu lehren, wie man die höchste Stufe der Vollkommenheit erreichen, d. h. zu Gott zurückkehren kann. Die Entbehrungen und Bußen, die er sich auferlegt, sind beispielhaft für alle Menschen.«
Badarīkāśrama liegt im nördlichsten Teil des Himalaya und ist mit ewigem Schnee bedeckt. Religiöse Inder besuchen heute noch, während des Sommers, wenn es nicht so heftig schneit, diesen Ort. Einst hielt sich Nārāyaṇa Ṛṣi, die Inkarnation Gottes, in dem Dorf Kalāpagrāma auf, wo er mit vielen Gottgeweihten, die keine gewöhnlichen Weisen waren, zusammensaß. Schließlich erschien auch der große Weise Nārada in ihrer Mitte, und nachdem er Nārāyaṇa Ṛṣi seine Ehrerbietungen erwiesen hatte, stellte er diesem die gleiche Frage, die König Parīkṣīt später an Śukadeva Gosvāmī richtete. Nārāyaṇa Ṛṣi beantwortete daraufhin Nāradas Frage, indem er den Fußstapfen seiner Vorgänger folgte. Er erzählte, wie diese Frage einst auf dem als Janaloka bekannten Planeten erörtert wurde. Janaloka liegt über den Svargaloka-Planeten wie dem Mond und der Venus. Auf diesem Planeten leben große Weise und Heilige, und auch sie erörterten einst die Frage nach dem richtigen Verständnis vom Brahman und Seiner wirklichen Identität.
Der große Weise Nārāyaṇa sprach also: »Mein lieber Nārada, ich will dir von einer Begebenheit erzählen, die sich vor langer, langer Zeit zutrug. Es hielten einst die Bewohner der himmlischen Planeten eine große Zusammenkunft ab, der fast alle bedeutenden brahmacārīs beiwohnten und so auch die vier Kumāras Sanat, Sanāndana, Sanaka und Sanātana. Gegenstand ihres Gesprächs war das Verständnis von der Absoluten Wahrheit, dem Brahman. Du selbst warst bei dem Treffen nicht zugegen, da du damals gerade meine Erweiterung Aniruddha besuchtest, welcher auf der Insel Śvetadvīpa lebt. In jener Versammlung sprachen die großen Weisen und brahmacārīs sehr ausführlich über die gleiche Frage, die auch du mir gestellt hast, und was dabei vorgebracht wurde, war wirklich sehr interessant. Ihr Gespräch bewegte sich auf einer so hohen Ebene, daß selbst die Veden nicht imstande waren, die auftretenden komplizierten Fragen zu beantworten.«
Nārāyaṇa Ṛṣi sagte zu Nārada also, daß dieselbe Frage, die er ihm gestellt habe, bereits bei der Zusammenkunft auf Janaloka besprochen worden sei. Das ist der Weg, Dinge durch die paramparā oder Schülernachfolge zu verstehen. Mahārāja Parīkṣit stellte Śukadeva Gosvāmī eine Frage; Śukadeva Gosvāmī bezog sich bei seiner Antwort auf Nārada, der seinerseits Nārāyaṇa Ṛṣi gefragt hatte. Nārāyaṇa Ṛṣi, schließlich, berief sich bei seiner Antwort auf noch höhere Autoritäten auf dem Planeten Janaloka, wo dieses Thema von den großen Kumāras Sanat, Sanātana, Sanaka und Sanandana erörtert worden war. Diese vier brahmacārīs sind anerkannte Gelehrte der Veden und śāstras. Ihr unbegrenzter, von Entsagungen und Bußen gestützter Wissensschatz wird an ihrem erhabenen und vorbildlichen Charakter deutlich. Sie sind voll liebenswürdiger Sanftheit und machen keinen Unterschied zwischen Freunden, Gönnern oder Feinden. Da Persönlichkeiten wie die Kumāras in der Transzendenz verankert sind, stehen sie über allen materiellen Betrachtungen. Materiellen Dualitäten stehen sie stets gleichgültig gegenüber. Bei den Erörterungen, die die vier Brüder miteinander führten, wählten sie einen von ihnen, Sanandana, zum Sprecher, und die drei anderen Brüder wurden seine Zuhörer.
Sanandana sagte: »Nach der Auflösung der gesamten kosmischen Manifestation geht die gesamte Energie und die ganze Schöpfung in ihrer Kernform in den Körper Garbhodakaśāyī Viṣṇus ein. Dann schläft der Herr lange, lange Zeit, und wenn der Schöpfungsakt wiederum notwendig wird, versammeln sich die Veden in Person um Ihn und beginnen, Ihn zu preisen, indem sie Seine wundervollen transzendentalen Spiele schildern. Dies ist mit dem Wecken eines Königs vergleichbar. Wenn der König morgens noch schläft, versammeln sich auserwählte Sänger um das Schlafgemach und beginnen, seine Heldentaten zu besingen, und während der König den Ruhm seiner Taten hört, erwacht er ganz sanft.
Die vedischen Vortragskünstler, die Veden in Person, singen also: »O Unüberwindlicher, Du bist die höchste Persönlichkeit. Niemand kommt Dir gleich oder ist größer als Du, Es gibt niemanden, dessen Taten ruhmreicher sein könnten als die Deinen. Sei gepriesen! Sei gepriesen über alles! Durch Deine transzendentale Natur besitzt Du alle sechs Füllen in vollem Ausmaß, und daher kannst Du alle bedingten Seelen aus der Gewalt māyās befreien. O Herr, wir flehen Dich inständig an, dies gütigerweise zu tun. Weil alle Wesen Deine Teile sind, sind sie von Natur aus glückselig, ewig und voller Wissen, doch in ihrer eigenen Unvollkommenheit versuchen sie, Dich nachzuahmen und selbst der höchste Genießer zu werden. Damit widersetzen sie sich Deiner höchsten Herrschaft und werden zu Frevlern. Aufgrund ihrer Vergehen hat sich die materielle Energie ihrer angenommen, worauf ihre transzendentalen Eigenschaften der Ewigkeit, Glückseligkeit und Weisheit von den Wolken der drei materiellen Eigenschaften verhüllt wurden. Die aus den drei materiellen Eigenschaften geschaffene kosmische Manifestation ist wie ein Gefängnis für die bedingten Seelen. Die bedingten Seelen kämpfen verzweifelt darum, der materiellen Gefangenschaft zu entkommen, und je nach ihrer jeweiligen Lebenslage sind sie zu bestimmten Tätigkeiten verpflichtet. All ihre Tätigkeiten gründen sich auf Dein Wissen. Man kann nur fromme Werke tun, wenn man durch Deine Gnade dazu angeregt wird. Deshalb kann niemand den Einfluß der materiellen Energie überwinden, ohne bei Deinen Lotosfüßen Zuflucht zu suchen. Wir, als vedisches Wissen in Person, dienen Dir ständig, indem wir den bedingten Seelen helfen, Dich zu verstehen.«
Dieses Gebet der Veden in Person macht deutlich, daß die Veden dazu bestimmt sind, den bedingten Seelen zu helfen, Kṛṣṇa zu erkennen. Die versammelten śrutis oder Veden in Person priesen den Herrn immer wieder, indem sie »Jaya! Jaya!« sangen. Dies deutet darauf hin, daß der Herr für Seine Herrlichkeit gepriesen wird. Die wichtigste Seiner glorreichen Eigenschaften ist Seine grundlose Gnade gegenüber den bedingten Seelen, die sich darin zeigt, daß Er sie aus der Gewalt der materiellen Natur zu Sich zurückzurufen versucht.
Es gibt unzählige Lebewesen in den verschiedenartigsten Körpern, von denen einige sich bewegen und andere ortsgebunden sind. Das bedingte Dasein dieser Lebewesen hat seine Ursache allein darin, daß sie ihre ewige Beziehung zum Höchsten Persönlichen Gott vergessen haben. Wenn das Lebewesen über die materielle Natur herrschen und Kṛṣṇa nachahmen will, wird es sogleich von der materiellen Energie gefangen und bekommt je nach Wunsch einen Körper aus den 8 400 000 verschiedenen Arten. Obgleich es ständig die drei Leiden des materiellen Daseins ertragen muß, hält sich das verblendete Lebewesen fälschlich für den Herrn über alles, was es wahrnimmt. Im Bann der materiellen Energie, die sich in den drei materiellen Eigenschaften offenbart, ist es so sehr verstrickt, daß es nicht die geringste Möglichkeit hat, frei zu werden, wenn der Herr ihm nicht gnädig ist. Das Lebewesen kann den Einfluß der materiellen Erscheinungsweisen der Natur nicht durch eigene Anstrengungen überwinden; doch weil die materielle Natur unter der Aufsicht des Höchsten Herrn wirkt, steht Er über ihrem Herrschaftsbereich. Außer Ihm sind alle Lebewesen, angefangen mit Brahmā, bis hinunter zur Ameise, durch die Berührung mit der materiellen Natur überwältigt worden.
Weil der Herr die sechs Füllen Reichtum, Kraft, Ruhm, Schönheit, Wissen und Entsagung in Vollkommenheit besitzt, steht Er als einziger nicht im Bann der materiellen Natur. Solange das Lebewesen nicht Kṛṣṇa-bewußt ist, kann es sich nicht dem Höchsten Persönlichen Gott nähern; doch der Herr kann dem Lebewesen in Seiner Allmacht von innen her als Überseele Anweisungen geben. In der Bhagavad-gītā (9.27) empfiehlt der Herr: »Alles, was du tust, tue es für Mich; alles, was du ißt, opfere es erst Mir; alles, was du als Spende geben willst, gib es zuerst Mir, und alle Opfer und Bußen, die du tun willst, tue sie für Mich«. Durch diese Anweisungen werden die karmīs dorthin geführt, allmählich Kṛṣṇa-Bewußtsein zu entwickeln. Ebenso führt Kṛṣṇa auch die Philosophen dahin, sich Ihm zu nähern, indem Er sie zwischen Brahman und māyā unterscheiden lehrt. Wenn man schließlich im Wissen gereift ist, gibt man sich Kṛṣṇa hin. Kṛṣṇa Selbst sagt in der Bhagavad-gītā (7.19): »Nach vielen, vielen Geburten gibt der weise Philosoph sich Mir hin.« Die yogīs werden dahin geführt, über Kṛṣṇa im Herzen zu meditieren, und wenn sie sich durch diesen Vorgang fortgesetzt im Kṛṣṇa-Bewußtsein üben, können sie aus der Gewalt der materiellen Energie frei werden. Doch die Gottgeweihten werden, wie in der Bhagavad-gītā erklärt wird, weil sie dem Herrn von Anfang an mit Liebe und Hingabe dienen, vom Herrn geführt, so daß sie sich Ihm ohne Schwierigkeiten und ohne Abweichung nähern können. Nur durch die Gnade des Herrn kann man die Bedeutung des Brahman, die des Paramātmā und die Bhagavāns verstehen.
Die Worte der Veden in Person besagen eindeutig, daß uns die vedischen Schriften einzig dafür gegeben sind, ein Verständnis von Kṛṣṇa zu bekommen. Auch in der Bhagavad-gītā (15.15) wird bestätigt, daß es allein Kṛṣṇa ist, der durch alle Veden zu erkennen ist. Kṛṣṇa genießt ständig, sei es in der materiellen oder in der spirituellen Welt; weil Er der Höchste Genießer ist, besteht für Ihn kein Unterschied zwischen der materiellen Welt und den spirituellen Welten. Die materielle Welt setzt den gewöhnlichen Lebewesen Schranken, denn diese werden stets von ihr beherrscht; doch weil Kṛṣṇa auch die materielle Natur beherrscht, bestehen für Ihn nicht die Hindernisse, die sie den Lebewesen setzt. Die Veden erklären daher an mehreren Stellen in den Upaniṣaden: »Das Brahman ist ewig und voll von allem Wissen und aller Glückseligkeit, doch der eine Höchste Persönliche Gott weilt im Herzen jedes Lebewesens.« Durch Seine Fähigkeit, alles zu durchdringen, vermag Er nicht nur in die Herzen der Lebewesen einzugehen, sondern auch in die Atome. Als Überseele lenkt Er alle Tätigkeiten der Lebewesen. Er lebt in ihnen allen und beobachtet ihr Tun, wobei Er ihnen erlaubt, nach ihren Wünschen zu handeln, und ihnen dann die Ergebnisse ihrer Tätigkeiten zukommen läßt. Er ist die Lebenskraft in allem, und doch ist Er transzendental zu den materiellen Eigenschaften. Er ist allmächtig; Er stellt alles in meisterhafter Weise her, und durch Sein erhabenes, natürliches Wissen vermag Er jeden unter Seine Führung zu bringen. Somit ist Er der Meister eines jeden. Manchmal zeigt Er Sich auch auf dem Erdplaneten, doch weilt Er zugleich überall in der Materie. Als Er den Wunsch hatte, Sich durch viele Formen zu erweitern, warf Er einen Blick über die materielle Natur, worauf unzählige Lebewesen erschienen. Alles wurde durch Seine höhere Energie erschaffen, und alles in Seiner Schöpfung scheint vollkommen, ohne Unzulänglichkeit, gemacht worden zu sein.
Diejenigen, die aus der materiellen Natur befreit werden möchten, müssen daher den Höchsten Persönlichen Gott, die endgültige Ursache aller Ursachen, verehren. Er ist mit der Gesamtmasse der Erde zu vergleichen, aus der unter anderem eine Vielzahl an Töpfen hergestellt wird: Die Töpfe werden zuerst aus Erde angefertigt, dann stehen sie auf der Erde, und wenn sie zerbrochen sind, gehen ihre Bestandteile wieder in die Erde ein. Doch obgleich der Höchste Persönliche Gott die ursprüngliche Ursache aller verschiedenen Manifestationen ist, messen die Unpersönlichkeitsanhänger dem vedischen Ausspruch sarvaṁ khalv idam brahma, »alles ist Brahman«, besondere Bedeutung bei. Die Unpersönlichkeitsphilosophen übersehen jedoch die vielfältigen Manifestationen, die aus der höchsten Ursache, dem Brahman, hervorgehen. Sie sehen nur, daß alles vom Brahman ausgeht, daß alles nach der Zerstörung wieder in das Brahman eingeht, und daß der dazwischenliegende Zustand der Manifestation ebenfalls Brahman ist. Obwohl die Māyāvādīs glauben, der Kosmos sei vor der Schöpfung im Brahman gewesen, er bleibe nach der Schöpfung im Brahman und werde nach der Zerstörung wieder in das Brahman eingehen, wissen sie nicht, was das Brahman eigentlich ist. Diese Tatsache wird deutlich in der Brahma-saṁhitā wiedergegeben, wo es heißt, daß die Lebewesen, Raum, Zeit und die materiellen Elemente, wie Feuer, Erde, Himmel, Wasser und Geist, die gesamte kosmische Manifestation bilden, die als bhūr bhuvaḥ svaḥ bekannt ist und von Govinda manifestiert wird. Sie erblüht durch die Kraft Govindas, geht nach der Vernichtung in Govinda ein und wird in Ihm bewahrt. Brahmā sagt deshalb: »Ich verehre Govinda, die ursprüngliche Persönlichkeit, die Ursache aller Ursachen.«
Das Wort ›Brahman‹ weist auf den größten von allen hin, auf den Erhalter alles Bestehenden. Die Unpersönlichkeitsphilosophen fühlen sich zur Größe und Weite des Himmels hingezogen; doch weil sie nur ein geringes Maß an Wissen haben, fühlen sie sich nicht zur Größe Kṛṣṇas hingezogen. Indes werden wir selbst im alltäglichen Leben von der Größe einer Person und nicht von der Größe eines Berges angezogen. Im Grunde kann der Begriff ›Brahman‹ nur für Kṛṣṇa gebraucht werden; deshalb sagt Arjuna in der Bhagavad-gītā (10.12-13), daß Kṛṣṇa der Parambrahman ist, der höchste Ruheort alles Existierenden.
Kṛṣṇa ist der Höchste Brahman, weil Er über grenzenloses Wissen, grenzenlose Kräfte, grenzenlose Stärke, grenzenlosen Einfluß, grenzenlose Schönheit und die Eigenschaft grenzenloser Entsagung verfügt. Das ist der Grund, weshalb das Wort ›Brahman‹ nur auf Śrī Kṛṣṇa bezogen werden kann. Arjuna bestätigt, daß Kṛṣṇa der Parambrahman ist, da das unpersönliche Brahman die Ausstrahlung ist, die von Kṛṣṇas transzendentalem Körper ausgeht. Alles ruht auf dem Brahman, doch das Brahman ruht auf Kṛṣṇa. Deshalb ist Kṛṣṇa das endgültige Brahman oder der Parambrahman. Die materiellen Elemente gelten als die niederen Energien Kṛṣṇas, denn durch ihre Wechselwirkung findet die kosmische Manifestation statt, ruht auf Kṛṣṇa und geht nach der Zerstörung als Seine feine Energie wieder in Ihn ein. Kṛṣṇa ist somit die Ursache der Manifestation wie auch der Auflösung.
Sarvaṁ khalv idaṁ brahma bedeutet, daß alles Kṛṣṇa ist; so sehen Ihn die mahā-bhāgavatas. Sie sehen alles in Beziehung zu Kṛṣṇa. Die Verfechter der Unpersönlichkeitslehre behaupten, Kṛṣṇa sei zu vielen geworden, und daher sei alles Kṛṣṇa und die Verehrung von irgend etwas Beliebigem sei eine Verehrung Kṛṣṇas. Dieser falschen Behauptung wird von Kṛṣṇa Selbst in der Bhagavad-gītā widersprochen. Es heißt dort nämlich, daß Er, obwohl alles eine Umwandlung Seiner Energie ist, nicht in allem persönlich gegenwärtig ist. Er ist zugleich gegenwärtig und nicht gegenwärtig. Durch Seine Energie ist Er überall gegenwärtig, doch als der Ursprung der Energie ist Er nicht überall gegenwärtig. Diese gleichzeitige Gegenwart und Nichtgegenwart ist für unsere derzeitigen Sinne unfaßbar. Doch in der Śrī Iśopanisad wird am Anfang eine deutliche Erklärung gegeben, die besagt, daß der Höchste Herr so vollkommen ist, daß Sich Seine Persönlichkeit nicht im mindesten ändert, obwohl unbegrenzte Energien und deren Umwandlungen aus Ihm hervorgehen. Da Kṛṣṇa die Ursache aller Ursachen ist, sollten daher die Intelligenten Zuflucht bei Seinen Lotosfüßen suchen.
Kṛṣṇa gibt jedem den Rat, sich einfach Ihm allein hinzugeben, und das ist letztlich die Aussage aller vedischen Anweisungen. Weil Kṛṣṇa die Ursache aller Ursachen ist, wird er von allen Weisen und Heiligen durch das Befolgen der regulierenden Prinzipien verehrt. Wenn große Persönlichkeiten meditieren wollen, meditieren sie über die transzendentale Gestalt Kṛṣṇas im Herzen. Auf diese Weise befassen sich die Gedanken großer Persönlichkeiten stets mit Kṛṣṇa. Wenn die Gedanken der Gottgeweihten sich mit Kṛṣṇa beschäftigen, sprechen die so Bezauberten eben einfach nur von Kṛṣṇa.
Von Kṛṣṇa zu sprechen oder zu singen wird kīrtana genannt. Auch Śrī Caitanya empfiehlt »kīrtanīyaḥ sadā hariḥ«, was bedeutet, ständig an Kṛṣṇa zu denken und nur von Ihm, und nichts anderem, zu sprechen. Das wird Kṛṣṇa-Bewußtsein genannt. Kṛṣṇa-Bewußtsein ist so erhaben, daß jeder, der diesen Vorgang aufnimmt, zur höchsten Vollkommenheit des Lebens erhoben wird, eine Vollkommenheit, die den Gedanken der Befreiung weit übersteigt. In der Bhagavad-gītā (9.34) rät Kṛṣṇa deshalb jedem, ständig an Ihn zu denken, Ihm hingebungsvolle Dienste zu erweisen, Ihn zu verehren und Ihm Ehrerbietungen darzubringen. Auf diese Weise wird der Gottgeweihte völlig »Kṛṣṇa-isiert« und geht schließlich, da er stets im Kṛṣṇa-Bewußtsein verankert ist, zurück zu Kṛṣṇa.
Wenn auch in den Veden die Verehrung der Halbgötter als individuelle Teile Kṛṣṇas empfohlen wird, muß man doch wissen, daß diese Anweisungen nur für weniger intelligente Menschen gelten, die noch immer vom materiellen Sinnengenuß angelockt sind. Ein Mensch dagegen, der die Bestimmung des menschlichen Lebens auf vollkommene Weise erfüllen will, sollte einfach Śrī Kṛṣṇa verehren; das wird für ihn alles vereinfachen und ihm den völligen Erfolg seines menschlichen Lebens gewährleisten. Obgleich sowohl Himmel als auch Wasser als auch Land Bestandteile der materiellen Welt sind, steht man natürlich viel sicherer auf dem Land als in der Luft oder auf dem Wasser. Ein intelligenter Mensch stellt sich deshalb nicht unter den Schutz der Halbgötter, obwohl sie Teile Kṛṣṇas sind. Er steht vielmehr auf dem festen Boden des Kṛṣṇa-Bewußtseins. Das gibt ihm einen soliden und sicheren Stand.
Die Unpersönlichkeitsanhänger geben manchmal das Beispiel, daß man auch auf dem Land stehe, wenn man sich auf einen Stein oder Holzklotz stelle, denn der Stein oder das Holz lägen ja auf der Erdoberfläche. Doch ihnen sei erwidert, daß man, wenn man unmittelbar auf der Erde steht, einen sichereren Stand hat als auf einem Holzklotz oder Stein, die auf der Erde liegen. Zuflucht beim Paramātma oder beim unpersönlichen Brahman zu suchen ist, mit anderen Worten, nicht eine so sichere Sache wie die direkte Zuflucht bei Kṛṣṇa im Kṛṣṇa-Bewußtsein. Die Stellung des jñāni und des yogī ist deshalb nicht so sicher wie die des Gottgeweihten. Kṛṣṇa sagt deshalb in der Bhagavad-gītā (7.20), daß nur jemand, der »seine Vernunft verloren« hat, die Halbgötter verehrt. Und über Menschen, die sich zum unpersönlichen Brahman hingezogen fühlen, sagt das Śrīmad-Bhāgavatam: »Mein lieber Herr, diejenigen, die sich einbilden, durch intellektuelles Spekulieren befreit worden zu sein, sind in Wirklichkeit nicht von der Unreinheit der materiellen Natur befreit, da sie noch nicht Zuflucht bei Deinen Lotosfüßen finden konnten. Obwohl sie zum transzendentalen Daseinszustand im unpersönlichen Brahman aufsteigen mögen, fallen sie mit Sicherheit wieder von dieser hohen Stufe, da sie es versäumten, nach Deinen Lotosfüßen zu streben.« Śrī Kṛṣṇa erklärt also, daß die Verehrer der Halbgötter nicht sehr klug sind, da ihnen nur vergängliche und erschöpfliche Ergebnisse zuteil werden. Ihre Anstrengungen sind die wenig intelligenter Menschen. Der Herr versichert, daß Sein Geweihter keinen Fall zu fürchten braucht.
Die Veden in Person fuhren in ihrem Gebet fort: »Lieber Herr, wenn man ohnehin einen Höherstehenden verehren muß, sollte man sich um des rechten Verhaltens willen der Verehrung Deiner Lotosfüße zuwenden, denn Du bist der alle Schöpfung, Erhaltung und Auflösung letztlich Regelnde. Du beherrscht die drei Welten bhūr, bhuvaḥ und svaḥ; Du beherrschst die vierzehn höheren und niederen Welten, und Du bist der Beherrscher der drei materiellen Eigenschaften. Halbgötter und im spirituellen Wissen fortgeschrittene Menschen hören und chanten ständig über Deine transzendentalen Spiele, denn dies hat die besondere Kraft, die angesammelten Reaktionen auf ein sündhaftes Leben auszulöschen. Intelligente Menschen tauchen ein in den Ozean Deiner nektargleichen Taten und hören über sie mit großer Ausdauer. Auf diese Weise werden sie schon nach kurzer Zeit von der Verunreinigung durch die materiellen Eigenschaften befreit und brauchen sich keinen schweren Opfern und Bußen zu unterziehen, um Fortschritte im spirituellen Leben zu machen. Das Chanten und Hören über Deine transzendentalen Spiele ist der einfachste Weg zur Selbstverwirklichung. Einfach durch das ergebene Hören Deiner transzendentalen Botschaft reinigt man sein Herz von allen unreinen Dingen, und so festigt sich das Kṛṣṇa-Bewußtsein im Herzen des Gottgeweihten.
»Auch die große Autorität Bhīṣmadeva war der Ansicht, daß das Chanten und Hören über den Höchsten Persönlichen Gott die Essenz aller vedischen Rituale ist. Lieber Herr, ein Gottgeweihter, der sich durch Tätigkeiten im hingebungsvollen Dienst erheben möchte, vor allem durch Hören und Chanten, entkommt schon sehr bald der Gewalt der Dualitäten des materiellen Daseins. Durch diese einfache Art der Buße und Entsagung wird die Überseele im Herzen des Gottgeweihten sehr erfreut und gibt ihm Anweisungen, so daß er zurück nach Hause, zurück zu Gott, gehen kann. In der Bhagavad-gītā wird gesagt, daß jemand, der all seine Handlungen und Sinne in den Dienst des Herrn stellt, voller Frieden wird, da die Überseele mit ihm zufrieden ist. So wird der Gottgeweihte transzendental zu allen Dualitäten wie Hitze und Kälte oder Ehre und Schmach. Befreit von allen Dualitäten erfährt er ständig transzendentale Glückseligkeit und leidet nicht länger unter Sorgen und Ängsten, die aus dem materiellen Dasein entstehen. Die Bhagavad-gītā bestätigt, daß sich ein Gottgeweihter, der ständig ins Kṛṣṇa-Bewußtsein vertieft ist, keine Sorgen um seine Erhaltung und seinen Schutz zu machen braucht. Da er ständig ins Kṛṣṇa-Bewußtsein vertieft ist, erreicht er schließlich die höchste Vollkommenheit. Für die Zeit, die er sich noch in der materiellen Welt befindet, lebt er sehr friedvoll und glücklich, ohne alle Sorgen und Ängste, und nachdem er den Körper aufgegeben hat, kehrt er zurück nach Hause, zurück zu Gott. Der Herr erklärt in der Bhagavad-gītā (8.21): 'Mein höchstes Reich ist ein transzendentaler Ort, aus dem niemand, der ihn einmal erreicht hat, in die materielle Welt zurückkehrt. Jeder, der auf der Stufe der Vollkommenheit steht, da er sich in jenem ewigen Reich in Meinem hingebungsvollen Dienst beschäftigt, hat die höchste Vollendung des menschlichen Lebens erreicht und braucht nicht wieder in die leidvolle materielle Welt zurückzukehren.'
»Lieber Herr, die Lebewesen müssen sich ganz einfach im Kṛṣṇa-Bewußtsein betätigen, Dir ständig hingebungsvolle Dienste durch vorgeschriebene Vorgänge, wie Hören und Chanten, darbringen und Deine Anordnungen ausführen. Wenn sich ein Mensch nicht im hingebungsvollen Dienst oder Kṛṣṇa-Bewußtsein beschäftigt, ist es sinnlos, daß er überhaupt Lebenszeichen von sich gibt. Gewöhnlich gilt ein Mensch als lebendig, solange er noch atmet; doch ein Mensch ohne Kṛṣṇa-Bewußtsein ist mit dem Blasebalg einer Schmiedewerkstatt zu vergleichen. Der große Blasebalg ist ein Sack aus Tierhaut, der Luft ein- und auspumpt, und ein Mensch, der lediglich in seinem Körper, einem Sack aus Haut und Knochen, dahinvegetiert, ohne sich dem liebenden hingebungsvollen Dienst im Kṛṣṇa-Bewußtsein zuzuwenden, ist nicht besser als ein Blasebalg. In ähnlicher Weise wird das lange Leben eines Nichtgottgeweihten mit dem eines Baumes verglichen, seine Gefräßigkeit mit der von Hunden und Schweinen und sein Genuß im Geschlechtsleben mit dem der Schweine und Ziegen.«
»Die kosmische Manifestation wurde möglich, weil der Höchste Persönliche Gott als Mahā-Viṣṇu in die materielle Welt einging. Die gesamte materielle Energie wird durch den Blick Mahā-Viṣṇus in Bewegung gesetzt, und erst dann beginnen die Wechselwirkungen der drei materiellen Eigenschaften. Hieraus sollte man schließen, daß uns alle materiellen Gegebenheiten, die wir zu genießen suchen, durch die Gnade des Höchsten Persönlichen Gottes zur Verfügung stehen.
»Im Körper gibt es fünf verschiedene Daseinszustände, die man als annamaya, prāṇamaya, manomaya, vijñānamaya und schließlich ānandamaya bezeichnet. Am Anfang des Lebens ist jedes Lebewesen nahrungsbewußt. Ein Kind wie auch ein Tier ist nur dann zufrieden, wenn es etwas Gutes zu essen bekommt. Diese Bewußtseinsebene, auf der das Hauptziel darin besteht, gut zu essen, wird als annamaya bezeichnet. Anna bedeutet Nahrung. Als nächstes folgt die Stufe, auf der man sich des Lebens bewußt ist. Wenn man leben kann, ohne angegriffen oder getötet zu werden, wähnt man sich glücklich. Diese Stufe nennt sich prāṇamaya oder »das Bewußtsein, daß man existiert.« Wenn man sich, nach dieser Stufe, auf der verstandesmäßigen Ebene bewegt, nennt man dieses Bewußtsein manomaya. Die Angehörigen der materialistischen Zivilisation befinden sich hauptsächlich auf diesen drei Bewußtseinsebenen: annamaya, prāṇamaya und manomaya. Das erste Anliegen zivilisierter Menschen ist wirtschaftliche Entwicklung, darauf folgt das Bestreben, sich gegen Vernichtung zu verteidigen, und die dritte Bewußtseinsstufe ist gedankliches Spekulieren, d. h. das philosophische Streben nach den Werten des Lebens.
»Wenn man durch Fortschritte auf der philosophischen Ebene die intellektuelle Betrachtungsweise erreicht und versteht, daß man nicht der materielle Körper, sondern spirituelle Seele ist und sich somit auf der vijṇāna-Stufe befindet, kommt man durch Fortschritte im spirituellen Leben zur Erkenntnis des Höchsten Herrn, der Höchsten Seele. Wenn man seine Beziehung zu Ihm entwickelt und hingebungsvolles Dienen ausführt, wird diese Stufe Kṛṣṇa-Bewußtsein oder die ānanda-maya-Stufe genannt. Ānandamaya ist das glückselige Leben in Wissen und Ewigkeit. Im Vedānta-sūtra heißt es ānandamayo 'bhyāsāt. Sowohl der Höchste Brahman als auch das untergeordnete Brahman, d. h. sowohl der Höchste Persönliche Gott als auch die Lebewesen, sind von Natur aus voller Freude. Solange sich die Lebewesen auf den vier niederen Stufen des Daseins, nämlich annamaya, prāṇamaya, manomaya und vijñānamaya, bewegen, befinden sie sich im materiellen Leben. Doch sobald man die Stufe der ānandamaya erreicht, wird man zu einer befreiten Seele. Diese ānandamaya-Stufe wird in der Bhagavad-gītā als brahma-bhūta-Stufe erklärt. Es heißt dort, daß es auf der brahma-bhūta-Stufe keine Sorge und kein Verlangen gibt. Diese Stufe beginnt, wenn man allen Lebewesen gleichgesinnt wird, und daraufhin entwickelt sie sich zur Stufe des Kṛṣṇa-Bewußtseins, auf der man sich ständig danach sehnt, dem Höchsten Persönlichen Gott zu dienen. Dieses Verlangen nach Fortschritt im hingebungsvollen Dienen ist keinesfalls das gleiche wie das Verlangen nach Sinnenbefriedigung im materiellen Dasein. Das heißt, Wünsche bleiben auch im spirituellen Leben, doch sind sie dann rein. Wenn unsere Sinne rein werden, werden sie von den materiellen Bewußtseinsebenen annamaya, prāṇamaya, manomaya und vijñānamaya frei und bleiben fest auf der höchsten Ebene ānanda-maya, der Stufe des glückseligen Lebens im Kṛṣṇa-Bewußtsein, verankert. Die Māyāvādī-Philosophen glauben, ānandamaya sei ein Zustand, bei dem man in den Höchsten eingegangen sei. Ihrer Auffassung nach bedeutet ānandamaya das Einswerden der Überseele und der individuellen Seele. Doch in Wahrheit bedeutet Einheit nicht, in den Höchsten einzugehen und seine individuelle Existenz zu verlieren. In das spirituelle Dasein einzugehen bedeutet, daß das Lebewesen seine qualitative Einheit mit dem Herrn hinsichtlich seiner Ewigkeits- und Wissensaspekte erfährt. Doch die wirkliche ānandamaya- oder glückselige Stufe wird erst erreicht, wenn man sich in hingebungsvollem Dienst beschäftigt. Dies wird in der Bhagavad-gītā (18.54) mit den Worten mad-bhaktiṁ labhate parām bestätigt, die besagen, daß die brahma-bhūta- oder ānandamaya-Stufe nur dann vollkommen ist, wenn zwischen dem Höchsten und den untergeordneten Lebewesen ein Austausch von Liebe stattfindet. Solange der Mensch nicht zu dieser ānandamaya-Stufe kommt, ist sein Atmen wie das »Atmen« des Blasebalgs in der Schmiede, seine Lebensdauer wie die eines Baumes und er selbst nicht besser als die niederen Tiere wie Kamele, Schweine oder Hunde.
Zweifellos kann das Lebewesen niemals vernichtet werden; doch ist es so, daß es in niederen Lebensformen ein leidvolles Dasein fristet, wohingegen es, wenn es im hingebungsvollen Dienst für den Herrn tätig ist, sich auf der freudvollen oder ānandamaya-Stufe des Lebens befindet. Die erwähnten verschiedenen Ebenen stehen alle in Beziehung zum Höchsten Persönlichen Gott. Obgleich sowohl der Höchste Persönliche Gott als auch die Lebewesen unter allen Umständen existieren, besteht ein Unterschied zwischen ihnen. Der Höchste Persönliche Gott nämlich befindet Sich immer auf der ānandamaya-Ebene, wohingegen die untergeordneten Lebewesen wegen ihrer Winzigkeit als fragmentarische Teilchen des Höchsten Herrn gefährdet sind, auf tiefere Daseinsebenen herabzufallen. Obwohl der Höchste Herr wie auch die Lebewesen auf allen Daseinsstufen bestehen, ist der Höchste Persönliche Gott immer transzendental zu unseren Lebensauffassungen, seien wir materiell bedingt oder bereits befreit. Die ganze kosmische Manifestation wird durch die Gnade des Höchsten Herrn möglich, sie besteht durch die Gnade des Höchsten Herrn, und wenn sie vernichtet wird, geht sie wieder in das Dasein des Höchsten Herrn ein. Somit ist der Höchste Herr das höchste Dasein und die Ursache aller Ursachen. Es ergibt sich daher die Schlußfolgerung, daß unser Leben, wenn wir kein Kṛṣṇa-Bewußtsein entwickeln, nichts weiter als Zeitverschwendung ist.
Diejenigen, die zu materialistisch sind und nicht die Natur der spirituellen Welt verstehen können, vermögen auch nicht, das Reich Śrī Kṛṣṇas zu erkennen. Für solche Menschen haben große Weise einen yoga-Vorgang empfohlen, bei dem man mit der Meditation beim Bauch beginnt und allmählich zu höheren Ebenen der Meditation aufsteigt, was mūlādhāra- oder maṇipūraka-Meditation genannt wird. Mūlādhāra und manipūraka sind technische Bezeichnungen für die Eingeweide. Grob-materialistische Menschen glauben, wirtschaftlicher Fortschritt sei von größter Bedeutung, denn sie stehen unter dem Eindruck, das Lebewesen existiere nur durch Essen. Sie übersehen dabei, daß wir so viel essen können, wie wir wollen, und dennoch die Nahrung, wenn sie nicht verdaut wird, nur Leiden, wie Verdauungsstörung und Übersäuerung, hervorruft. Um die Nahrung zu verdauen, benötigen wir die Hilfe einer höheren Energie, die in der Bhagavad-gītā als vaiśvānara beschrieben wird. Śrī Kṛṣṇa erklärt in der Bhagavad-gītā, daß Er in der Form der vaiśvānara für die Verdauung sorgt. Der Höchste Persönliche Gott ist alldurchdringend; daher ist es nicht weiter verwunderlich, daß Er auch als vaiśvānara gegenwärtig ist.
Kṛṣṇa ist tatsächlich überall gegenwärtig. Der Vaiṣṇava kennzeichnet seinen Körper deshalb mit Tempeln Viṣṇus; er malt zuerst einen tilaka-Tempel auf den Bauch, dann einen auf die Brust, dann einen auf den Halsansatz zwischen den Schlüsselbeinen, dann einen auf die Stirn und kommt so allmählich zur Schädeldecke, dem brahma-randhra. Die Namen der dreizehn Tempel aus tilaka, die den Körper des Vaiṣṇava kennzeichnen, sind folgende: Auf der Stirn befindet sich der Tempel Śrī Keśavas, am Bauch der Tempel Śrī Nārāyaṇas, an der Brust der Tempel Śrī Mādhavas, am Halsansatz, zwischen den beiden Schlüsselbeinen, der Tempel Śrī Govindas, an der rechten Hüftseite der Tempel Śrī Viṣṇus, am rechten Arm der Tempel Śrī Madhusūdhanas, rechts vom Schlüsselbein der Tempel Trivikramas, in ähnlicher Weise an der linken Hüftseite der Tempel Vāmanadevas, am linken Arm der Tempel Śrīdharas, links vom Schlüsselbein der Tempel Hṛṣīkeśas, am Nacken der Tempel Padmanābhas, am unteren Teil des Rückens der Tempel Dāmodaras, und an der Schädeldecke schließlich befindet sich der Tempel Vāsudevas. So meditiert man über die Gegenwart des Herrn in den verschiedenen Teilen des Körpers; doch für die, die keine Vaiṣṇavas sind, empfehlen große Weise Meditation über die körperliche Auffassung vom Leben - über die Eingeweide, das Herz, den Hals, die Augenbrauen, die Stirn und dann die Schädeldecke. Einige Weise in der Nachfolge des großen Heiligen Aruṇa meditieren über das Herz, da die Überseele mit dem Lebewesen im Herzen weilt. Diese Tatsache wird in der Bhagavad-gītā im 15. Vers des Fünfzehnten Kapitels bestätigt, wo der Herr erklärt: »Ich weile im Herzen eines jeden.«
Für den Vaiṣṇava ist der Schutz des Körpers für den Dienst des Herrn Bestandteil des hingebungsvollen Dienens. Im Gegensatz zu ihm halten die groben Materialisten den Körper für das Selbst. Sie verehren den Körper durch den yoga-Vorgang der Meditation über einzelne Körperteile, wie maṇipūraka, dahara und hṛdaya, wobei sie langsam zum brahma-randhra an der Schädeldecke gelangen. Wenn ein vortrefflicher yogī die Vollkommenheit in der Ausübung des besagten yoga-Vorgangs erreicht hat, begibt er sich zuletzt durch den brahma-randhra zu einem beliebigen Planeten in den materiellen oder spirituellen Welten. Auf welche Weise sich der yogī auf einen anderen Planeten versetzt, wird ausführlich im Zweiten Canto des Śrīmad-Bhāgavatam beschrieben.
In diesem Zusammenhang empfiehlt Śukadeva Gosvāmī den Anfängern, den virāta puruṣa, d. h. die gigantische universale Form des Herrn zu verehren. Jemandem, der nicht glauben kann, daß der Herr mit gleichem Erfolg in der transzendentalen Bildgestalt, der arcā-Form, verehrt werden kann, oder der nicht imstande ist, seinen Geist auf diese Form zu konzentrieren, wird geraten, die universale Form des Herrn zu verehren. Der untere Teil des Universums wird als die Füße und Beine der universalen Form des Herrn angesehen, der mittlere Teil gilt als Sein Nabel oder Bauch, die höheren Planetensysteme, wie Janaloka und Maharloka, sind das Herz des Herrn und das höchste Planetensystem, Brahmaloka, wird als der obere Teil Seines Hauptes betrachtet. Es gibt vielerlei Vorgänge, die von den Weisen, entsprechend der Bewußtseinsstufe der Verehrenden, empfohlen werden; doch das endgültige Ziel aller Meditations- und yoga-Vorgänge ist die Heimkehr, die Rückkehr zu Gott. Wie in der Bhagavad-gītā (8.21) erklärt wird, braucht niemand, der den höchsten Planeten, das Reich Kṛṣṇas, oder auch einen der Vaikuṇṭha-Planeten erreicht, jemals wieder in das leidvolle materielle Leben zurückzukehren.
Die vedischen Schriften empfehlen uns deshalb, die Lotosfüße Śrī Viṣṇus zum Ziel all unserer Bemühungen zu machen: tad viṣṇoḥ paramaṁ padaṁ. Viṣṇuloka oder vielmehr die Viṣṇu-Planeten befinden sich über allen materiellen Planeten. Diese Vaikuṇṭha-Planeten sind als sanātana-dhāma bekannt, und sie sind ewig. Sie werden niemals vernichtet, auch nicht bei der Zerstörung der materiellen Welt. Die Schlußfolgerung lautet, daß ein Mensch, der die Bestimmung seines Lebens durch Verehrung des Höchsten nicht erfüllt und nicht zu Gott zurückkehrt, den eigentlichen Sinn des menschlichen Lebens verfehlt hat.
Das nächste Gebet der Veden in Person an den Herrn handelt von Seinem Eingehen in die verschiedenen Arten des Lebens. In der Bhagavad-gītā wird im Vierzehnten Kapitel gesagt, daß in jeder Lebensart und -form das spirituelle winzige Teil des Herrn anwesend ist. Der Herr Selbst erklärt in der Bhagavad-gītā, daß Er der samengebende Vater aller Arten und Formen von Lebewesen ist, und deshalb sind diese als Söhne des Herrn anzusehen. Das Eingehen des Höchsten Herrn in jedes Herz als Paramātmā verwirrt die Unpersönlichkeitsphilosophen bisweilen, da in ihrer Vorstellung die Lebewesen dem Höchsten Herrn ebenbürtig sind. Sie glauben, weil der Höchste Herr zusammen mit der individuellen Seele in die verschiedenen Körper eingehe, bestehe kein Unterschied zwischen dem Herrn und den individuellen Lebewesen. Sie stellen die herausfordernde Frage: »Warum sollen die individuellen Seelen den Paramātmā, die Überseele, verehren?« Ihrer Auffassung nach befinden sich die Überseele und die individuelle Seele auf derselben Ebene; sie sind eins, ohne einen Unterschied. Doch wie im 15. Vers des Fünfzehnten Kapitels der Bhagavad-gītā erklärt wird, besteht durchaus ein Unterschied zwischen der Überseele und der individuellen Seele. Dort sagt der Herr nämlich, daß Er dem Lebewesen übergeordnet ist, obwohl Er mit ihm im gleichen Körper weilt. Er gibt der individuellen Seele von innen Anweisungen und Intelligenz. In der Gītā wird eindeutig erklärt, daß der Herr der individuellen Seele Intelligenz gibt, und daß sowohl Erinnerung als auch Vergessen auf den Einfluß der Überseele zurückzuführen sind. Niemand kann unabhängig vom Einverständnis der Überseele handeln. Die individuelle Seele handelt entsprechend ihrem früheren karma, an das sie vom Herrn erinnert wird. Es ist die Eigenschaft der individuellen Seele zu vergessen, doch der Herr in ihrem Herzen erinnert sie daran, was sie in ihrem vorherigen Leben tun wollte. Die Intelligenz der individuellen Seele manifestiert sich wie das Feuer im Holz. Obwohl Feuer immer Feuer ist, richtet sich seine Größe nach der Größe des Holzes, durch das es brennt. In ähnlicher Weise verhält es sich mit der individuellen Seele: Obwohl sie immer qualitativ eins mit dem Höchsten Herrn ist, entfaltet sie sich entsprechend ihrem jeweiligen Körper.
Der Höchste Herr, die Überseele, ist als eka-rasa bekannt. Eka bedeutet ›eins‹, und rasa ›Geschmack‹. Der Höchste Herr ist in Seiner transzendentalen Stellung stets voller Ewigkeit, Glückseligkeit und Wissen. Seine eka-rasa-Stellung wandelt sich nicht im geringsten, wenn Er zum Zeugen und Ratgeber der individuellen Seele in jedem individuellen Körper wird.
Die individuelle Seele, angefangen mit Brahmā, bis hinunter zur Ameise, entfaltet ihre spirituelle Kraft je nach ihrem jeweiligen Körper. Die Halbgötter gehören zur gleichen Kategorie wie die individuellen Seelen in den Körpern von Menschen oder niederen Tieren. Die Intelligenten verehren deshalb nicht die Halbgötter, die nur winzige Vertreter Kṛṣṇas sind und sich in bedingten Körpern manifestieren. Die individuelle Seele kann ihre Kräfte und Energien nur entsprechend der Größe und Beschaffenheit ihres Körpers entfalten. Der Höchste Persönliche Gott dagegen kann Seine vollen Kräfte in jeder Form oder Gestalt ohne Einschränkung manifestieren. Die These der Māyāvādī-Philosophen, nach der Gott und die individuelle Seele ein und dasselbe sind, bleibt unannehmbar, da die individuelle Seele ihre Kräfte und Energien nur gemäß der Entwicklung der verschiedenen Körper zu entfalten vermag. Die individuelle Seele im Körper eines Säuglings z. B. kann niemals die Kraft und Energie eines erwachsenen Mannes aufbringen; der Höchste Persönliche Gott Śrī Kṛṣṇa jedoch konnte sogar als kleines Kind auf dem Schoß Seiner Mutter Seine ganze Kraft und Energie entfalten, was sich zeigte, als Er Pūtanā und andere Dämonen, die Ihm etwas antun wollten, tötete. Die spirituelle Kraft des Höchsten Persönlichen Gottes wird daher als eka-rasa im Sinne von ›unveränderlich‹ bezeichnet. Der Höchste Persönliche Gott ist also der einzig Verehrenswerte. Diejenigen, die nicht durch den Zwang der materiellen Natur verunreinigt sind, sind sich dessen völlig bewußt, d. h. nur die befreiten Seelen können den Höchsten Persönlichen Gott verehren. Weniger intelligente Māyāvādīs wenden sich der Verehrung von Halbgöttern zu, da sie die Halbgötter mit dem Höchsten Persönlichen Gott gleichsetzen.
Die Veden in Person brachten dem Herrn weiter ihre Ehrerbietungen dar: »Lieber Herr«, beteten sie, »diejenigen, die nach vielen Geburten und Toden weise geworden sind, beginnen, in vollkommenem Wissen, Deine Lotosfüße zu verehren.«
Dies wird in der Bhagavad-gītā (7.19) bestätigt, in der Kṛṣṇa erklärt, daß sich eine große Seele, ein mahātmā, nach vielen, vielen Leben dem Herrn hingibt, da er erkannt hat, daß Vāsudeva, Kṛṣṇa, die Ursache aller Ursachen ist.
Die Veden fuhren fort: »Weil uns Geist, Intelligenz und Sinne von Gott gegeben sind, gibt es für uns, wie bereits erklärt wurde, wenn diese Werkzeuge gereinigt sind, keine andere Möglichkeit, als sie im hingebungsvollen Dienst des Herrn zu beschäftigen.« Die Verstrickung des Lebewesens in verschiedene Lebensformen ist auf seinen Mißbrauch von Geist, Intelligenz und Sinnen zu materiellen Handlungen zurückzuführen. Die verschiedenartigen Körper werden dem Lebewesen als Ergebnisse seiner Handlungen gegeben, und sie werden nach dem Wunsch des Lebewesens von der materiellen Natur geschaffen. Weil das Lebewesen eine bestimmte Art von Körper begehrt und verdient, wird ihm dieser auf Anordnung des Höchsten Herrn von der materiellen Natur gegeben.
Im Dritten Canto des Śrīmad-Bhāgavatam wird erklärt, daß das Lebewesen unter der Aufsicht höherer Autorität in den Samen eines männlichen Wesens versetzt und später in den Schoß eines entsprechenden weiblichen Wesens gezeugt wird, so daß es dort einen ganz bestimmten Körper entwickeln kann. Das Lebewesen gebraucht seine Sinne, seine Intelligenz, seinen Geist und seine anderen Körperwerkzeuge nach eigenem Belieben auf bestimmte Weise und entwickelt so eine bestimmte Art von Körper, in dem es gefangen wird. So wird das Lebewesen, je nach den Umständen, in die verschiedensten Lebensarten versetzt, sei es in den Körper eines Halbgottes, Menschen oder Tieres. In den verschiedenen Schriften wird erklärt, daß die Lebewesen, die in verschiedenen Lebensformen gefangen sind, individuelle Teile des Höchsten Herrn sind. Die Māyāvādī-Philosophen halten das Lebewesen für den Paramātmā, der jedoch in Wahrheit das Lebewesen als Freund begleitet. Weil der Paramātmā, der lokalisierte Aspekt des Höchsten Persönlichen Gottes, und das individuelle Lebewesen gemeinsam im gleichen Körper weilen, tritt zuweilen das Mißverständnis auf, es gebe keinen Unterschied zwischen ihnen. Jedoch besteht ein gewaltiger Unterschied zwischen der individuellen Seele und der Überseele, und dieser Unterschied wird im Varāha Purāṇa folgendermaßen dargelegt: ›Der Höchste Herr hat zwei Arten von ewigen Teilen, einmal das Lebewesen, das vibhinnāmśa genannt wird, und den Paramātmā oder die vollständige Erweiterung des Höchsten Herrn, die man als svāṁśa bezeichnet. Die vollständige Erweiterung des Höchsten Persönlichen Gottes, svāṁśa, ist ebenso mächtig wie der Höchste Persönliche Gott Selbst. Es besteht nicht der geringste Unterschied zwischen der Macht der Höchsten Person und der Seiner vollständigen Erweiterung als Paramātmā, wohingegen die vibhinnāṁśa-Teile nur über einen geringen Teil der Kräfte des Herrn verfügen. Das Nārāyaṇa-pañcarātra erklärt, daß die Lebewesen, die die mittlere oder marginale Energie des Herrn bilden, zweifellos von gleicher spiritueller Natur sind wie der Herr Selbst, daß sie aber, im Unterschied zu Ihm, dazu neigen, von materiellen Eigenschaften befleckt zu werden. Weil das winzige Lebewesen dazu neigt, dem Einfluß der materiellen Eigenschaften zu erliegen, nennt man es jīva. Manchmal wird der Höchste Persönliche Gott auch ›Śiva‹ oder ›der ganz und gar Glückverheißende‹ genannt. Der Unterschied zwischen Śiva und jīva liegt darin, daß der ganz und gar glückverheißende Höchste Persönliche Gott niemals von den materiellen Eigenschaften berührt wird, wohingegen die winzigen Teile des Höchsten Persönlichen Gottes von den Eigenschaften der materiellen Natur beeinflußt werden können.
Obwohl die Überseele im Körper des individuellen Lebewesens ein vollständiges Teil des Höchsten Persönlichen Gottes ist, muß Er von dem individuellen Lebewesen verehrt werden. Große Weise haben daher erkannt, daß der Vorgang der Meditation so beschaffen sein muß, daß das individuelle Lebewesen seine Aufmerksamkeit auf die Lotosfüße der Überseele, der Gestalt Viṣṇus, richten kann. Das ist wirklicher samādhi. Das Lebewesen kann nicht durch eigene Kraft aus der materiellen Verstrickung befreit werden. Es muß deshalb beginnen, den Lotosfüßen des Herrn oder vielmehr der Überseele in seinem Innern mit Hingabe zu dienen. Śrīla Śrīdhara Svāmī, der große Kommentator des Śrīmad-Bhāgavatam, verfaßte einen in diesem Zusammenhang wunderbaren Vers, der sinngemäß folgendermaßen lautet: »Mein lieber Herr, ich bin ewig Dein Teil; jedoch bin ich von den materiellen Kräften gefangen worden, die ebenfalls von Dir ausgehen. Als Ursache aller Ursachen bist Du in meinen Körper in Form der Überseele eingegangen, und so habe ich das Recht, mich mit Dir des höchsten glückseligen Lebens in Wissen zu erfreuen. Deshalb, mein lieber Herr, gib mir bitte den Befehl, Dir in Liebe zu dienen, so daß ich wieder in meine ursprüngliche Lage transzendentaler Glückseligkeit versetzt werde.«
Große Persönlichkeiten verstehen, daß ein Lebewesen, das in der materiellen Welt gefangen ist, nicht durch eigene Kraft freikommen kann. Mit festem Vertrauen und voll Hingabe vertiefen sich solch große Persönlichkeiten darin, dem Herrn transzendentale Dienste in Liebe darzubringen. Das ist die Aussage der Veden.
Die Veden in Person fuhren fort: »Lieber Herr, es ist sehr schwer, vollkommenes Wissen von der Absoluten Wahrheit zu erlangen. In Deiner Güte gegenüber den gefallenen Seelen erscheinst Du, o Herr, in mannigfachen Inkarnationen und vollbringst vielerlei Taten. Manchmal erscheinst Du sogar als historische Persönlichkeit der materiellen Welt, und deine transzendentalen Spiele werden sehr schön in den vedischen Schriften geschildert. Solche Spiele sind so anziehend wie der Ozean transzendentaler Glückseligkeit. Die meisten Menschen haben die natürliche Neigung, Erzählungen zu lesen, in denen gewöhnliche jīvas gepriesen werden; wenn sie sich jedoch zu den vedischen Schriften hingezogen fühlen, die Deine ewigen Spiele beschreiben, tauchen sie wahrhaftig in den Ozean der transzendentalen Glückseligkeit. Wie ein Erschöpfter erfrischt wird, wenn er in einen See taucht, wird eine bedingte Seele, die allen materiellen Tuns wirklich müde ist, neu belebt und vergißt alles Elend materiellen Tuns, wenn sie einfach in den Ozean Deiner transzendentalen Spiele taucht. Schließlich geht sie dann in den Ozean transzendentaler Glückseligkeit ein. Die intelligentesten Gottgeweihten widmen sich daher keiner anderen Methode der Selbstverwirklichung außer hingebungsvollem Dienst und den neun verschiedenen Vorgängen des hingebungsvollen Lebens, vor allem Hören und Chanten. Wenn diese Gottgeweihten über Deine transzendentalen Spiele hören und chanten, ist ihnen sogar die transzendentale Glückseligkeit gleichgültig, die man bei der Befreiung oder dem Eingehen in die Existenz des Höchsten erfährt. Solchen Gottgeweihten liegt also nicht einmal etwas an sogenannter Befreiung, ganz zu schweigen von materiellen Tätigkeiten, durch die man zur Sinnenbefriedigung auf die himmlischen Planeten erhoben werden will. Reine Gottgeweihte suchen nur die Gesellschaft von paramahaṁsas, von großen, befreiten Gottgeweihten, damit sie fortwährend über Deine Herrlichkeit hören und chanten können. Um dies tun zu können, sind die reinen Gottgeweihten bereit, auf alle Annehmlichkeiten des Lebens, wie ein bequemes Familienleben und sogenannte Gesellschaft, Freundschaft und Liebe, zu verzichten. Diejenigen, die vom Nektar der Hingabe gekostet haben, indem sie sich an der transzendentalen Klangschwingung des Chantens über Deine Herrlichkeit - »Hare Kṛṣṇa, Hare Kṛṣṇa, Kṛṣṇa Kṛṣṇa, Hare Hare - Hare Rāma, Hare Rāma, Rāma Rāma, Hare Hare« - erfreuten, machen sich nichts aus jedweder anderen spirituellen Glückseligkeit oder aus materiellen Annehmlichkeiten, die dem reinen Gottgeweihten weniger bedeuten als das Stroh in der Gasse.«
Die Veden in Person fuhren fort: »Lieber Herr, wenn es jemandem gelingt, Geist, Sinne und Intelligenz durch hingebungsvollen Dienst in völligem Kṛṣṇa-Bewußtsein zu läutern, wird der Geist zum Freund. Andernfalls ist der Geist stets ein Feind. Wenn der Geist im hingebungsvollen Dienst des Herrn beschäftigt ist, wird er ein guter Freund des Lebewesens, weil er dann ständig an den Höchsten Herrn denken kann. Du, o Herr, hast zu allen Zeiten eine liebevolle Beziehung zum Lebewesen, und wenn daher der Geist in Gedanken an Dich vertieft ist, erfährt man sofort die wahre Zufriedenheit, nach der man sich Leben für Leben gesehnt hat. Wenn der Geist auf die Lotosfüße des Höchsten Persönlichen Gottes gerichtet ist, befaßt man sich nicht länger mit einer niederen Art der Verehrung, noch versucht man, Selbstverwirklichung durch billige Mittel zu erreichen. Ein Lebewesen, das versucht, einen Halbgott zu verehren, oder irgendeinem anderen Weg zur Selbstverwirklichung folgt, wird ein Opfer der sich ständig wiederholenden Geburten und Tode. Man kann sich nicht vorstellen, wie sehr sich ein solches Lebewesen erniedrigt, wenn es in solch abscheuliche Lebensformen wie die der Katzen und Hunde eingeht.«
Śrī Narottama dāsa Ṭhākura sang in einem seiner Lieder, daß Menschen, die sich nicht dem hingebungsvollen Dienst des Herrn zuwenden, sondern an philosophischer Spekulation und fruchtbringenden Tätigkeiten Gefallen finden, die giftigen Ergebnisse dieser Handlungen trinken müssen. Solche Menschen sind dazu gezwungen, in bestimmten Lebensformen wiedergeboren zu werden und widerliche Gewohnheiten, wie Fleischessen und Berauschung, anzunehmen. Materialistische Menschen verehren im allgemeinen den vergänglichen materiellen Körper und vergessen darüber das Wohl der spirituellen Seele im Körper. Manche von ihnen suchen zur Verbesserung der Annehmlichkeiten für den Körper bei der materialistischen Wissenschaft Zuflucht, und manche beginnen, die Halbgötter zu verehren, um zu einem der himmlischen Planeten erhoben zu werden. Ihr einziges Ziel im Leben ist es, dem materiellen Körper Annehmlichkeiten zu verschaffen, worüber sie die Bedürfnisse der spirituellen Seele vergessen. Solche Menschen werden in den vedischen Schriften als selbstmörderisch bezeichnet, denn die Anhaftung an den materiellen Körper und seine Freuden zwingen das Lebewesen, immer wieder Geburt und Tod durchzumachen und die materiellen Qualen als scheinbar unumgänglich zu ertragen. Die menschliche Form des Lebens bietet einem die Möglichkeit, seine wirkliche Identität zu verstehen, und deshalb wenden sich die wirklich Intelligenten dem hingebungsvollen Dienst zu, um Geist, Sinne und Körper ohne Abweichung im Dienst des Herrn zu beschäftigen.
Die Veden in Person fuhren fort: »Lieber Herr, es gibt viele yoga-Mystiker, die sehr gelehrt sind und darauf bedacht, die höchste Vollkommenheit des menschlichen Lebens zu erreichen. Sie widmen sich dem yoga-Vorgang, bei dem man die Lebensluft im Körper beherrscht, während sie den Geist auf die Gestalt Viṣṇus richten und streng die Sinne zügeln. Doch selbst nach vielen mühseligen Entsagungen, Bußen und Opfern erreichen sie letzten Endes auch nur das gleiche Ziel wie diejenigen, die Dir feindlich gesinnt sind. Das heißt, die yogīs und die großen, spekulierenden Philosophen erreichen schließlich die unpersönliche Brahman-Ausstrahlung, die auch von den Dämonen, Deinen erklärten Feinden, erreicht wird. Dämonen wie Kaṁsa, Śiśupāla und Dantavakra gingen ebenfalls in die Brahman-Ausstrahlung ein, denn sie meditierten ständig über Dich, den Höchsten Persönlichen Gott.
Frauen wie die gopīs, die an Dir, o Kṛṣṇa, hingen, waren von Deiner Schönheit bezaubert und ihre innerliche Meditation über Dich war durch Lust hervorgerufen worden. Sie wollten von Deinen Armen umschlossen werden, die der wundervollen runden Form nach Schlangenkörpern gleichen. Ebenso richten auch wir, die vedischen Hymnen, unseren Geist auf die Lotosfüße Deiner Herrlichkeit. Frauen wie die gopīs meditieren über Dich von Lust getrieben, und wir meditieren über Deine Lotosfüße, weil wir zurück nach Hause, zurück zu Dir gehen möchten. Auch Deine Feinde richten ihren Geist auf Dich, da sie immer daran denken, wie sie Dich töten können, und die yogīs nehmen schwere Bußen und Strengen auf sich, um in Deine unpersönliche Ausstrahlung einzugehen. Alle diese unterschiedlichen Menschen erreichen, obgleich sie ihre Gedanken auf verschiedene Weise konzentrieren, entsprechend ihrer jeweiligen Betrachtungsweise spirituelle Vollkommenheit, da Du allen Gottgeweihten gleichgesinnt bist.«
Śrīdhara Svāmī verfaßte einen wunderbaren, in diesem Zusammenhang sehr treffenden Vers: »Mein lieber Herr, immer an Deine Lotosfüße zu denken ist sehr schwierig. Es ist dies nur großen Gottgeweihten möglich, die bereits Liebe zu Dir entwickelt haben und sich Dir im transzendentalen liebevollen Dienst widmen. Mein lieber Herr, ich wünsche mir, daß auch mein Geist sich irgendwie Deinen Lotosfüßen zuwenden möge, und sei es nur für kurze Zeit.«
Welche spirituelle Vollkommenheit jeweils die unterschiedlichen Spiritualisten erreichen, wird in der Bhagavad-gītā (4.11) erklärt, in der der Herr sagt, daß Er Seinem Geweihten die erstrebte Vollkommenheit in dem Maße gewährt, wie dieser sich Ihm hingibt. Die Unpersönlichkeitsphilosophen, die yogīs und die Feinde des Herrn gehen in Seine transzendentale Ausstrahlung ein; doch die Verehrer des Persönlichen, die den Fußstapfen der Einwohner Vṛndāvanas folgen, d. h., die sich strikt auf dem Pfad des hingebungsvollen Dienens halten, werden in das persönliche Reich Kṛṣṇas, Goloka Vṛndāvana, oder zu einem der Vaikuṇṭha-Planeten erhoben. Sowohl die Unpersönlichkeitsverehrer als auch die Persönlichkeitsverehrer gelangen also in das spirituelle Reich oder in den spirituellen Himmel, doch wird den Unpersönlichkeitsverehrern nur ein Platz in der unpersönlichen Brahman-Ausstrahlung des Herrn gewährt, wohingegen die Persönlichkeitsverehrer, je nach ihrem Wunsch, dem Herrn in einer bestimmten Beziehung zu dienen, auf einem der Vaikuṇṭha-Planeten oder auf dem Vṛndāvana-Planeten aufgenommen werden.
Die Veden in Person sagten, daß jene, die nach der Schöpfung der materiellen Welt geboren wurden, unmöglich die Existenz des Höchsten Persönlichen Gottes verstehen können, indem sie ihr materielles Wissen bemühen. Ebensowenig wie jemand die Lebenslage seines Urgroßvaters verstehen kann, der lange vor seiner Geburt lebte, können wir den Höchsten Persönlichen Gott Nārāyaṇa, Kṛṣṇa, nicht begreifen, der ewig in der spirituellen Welt lebt. Im Achten Kapitel der Bhagavad-gītā wird deutlich erklärt, daß man Gott, der Höchsten Person, der ewig in Seinem spirituellen Königreich (sanātana-dhāma) weilt, nur durch hingebungsvolles Dienen näherkommen kann.
Was die materielle Schöpfung betrifft, so ist in ihr Brahmā das erstgeschaffene Lebewesen. Vor Brahmā gab es kein Lebewesen in der materiellen Welt; sie war leer und finster, bis er auf der Lotosblume geboren wurde, die aus dem Nabel Garbhodakaśāyī Viṣṇus wuchs. Garbhodakaśāyī Viṣṇu ist eine Erweiterung Kāraṇodakaśāyī Viṣṇus. Kāraṇodakaśāyī Viṣṇu wiederum ist eine Erweiterung Saṅkarṣaṇas, und Saṅkarṣaṇa ist eine Erweiterung Balarāmas. Balarāma schließlich ist eine unmittelbare Erweiterung Śrī Kṛṣṇas. Nach der Schöpfung Brahmās wurden zwei Arten von Halbgöttern geboren: zum einen Halbgötter wie die vier Kumāras - Sanaka, Sanātana, Sananda und Sanat-kumāra -, die das Beispiel geben, der Welt zu entsagen, und zum anderen Halbgötter wie Marīci und seine Nachkommen, die die materielle Welt genießen sollen. Von diesen beiden Arten von Halbgöttern wurden nach und nach alle anderen Lebewesen im Universum, einschließlich der Menschen, hervorgebracht. Deshalb ist jedes Lebewesen in der materiellen Welt, selbst Brahmā, die anderen Halbgötter und die rākṣasas, als jung anzusehen, und zwar in dem Sinne, daß sie alle erst vor kurzer Zeit geboren wurden. Wie jemand, der erst vor kurzem in einer Familie geboren wurde, unmöglich seine Vorfahren kennen kann, so kann jemand in der materiellen Welt nicht die Stellung des Herrn in der spirituellen Welt verstehen; denn die materielle Welt wurde erst vor kurzer Zeit geschaffen. Obwohl die Manifestation der materiellen Welt, nämlich die Zeitelemente, die Lebewesen, die Veden und die groben und feinen Elemente von langer Existenzdauer sind, wurden sie doch alle irgendwann einmal geschaffen. Alles, was in dieser erschaffenen Welt hergestellt wird oder als Mittel gilt, die ursprüngliche Ursache der Schöpfung zu verstehen, ist als neuzeitlich anzusehen.
Durch einen Vorgang der Selbstverwirklichung oder Gotteserkenntnis, der aus fruchtbringendem Tun, philosophischem Spekulieren oder yoga-Mystik besteht, kann man daher der höchsten Quelle aller Dinge nicht näherkommen. Bei der vollständigen Vernichtung der Schöpfung, wenn weder die Veden noch die materielle Zeit, noch die groben und feinen Elemente bestehen und alle Lebewesen in einem unmanifestierten Zustand in Nārāyaṇa ruhen, werden all diese Vorgänge null und nichtig und können nichts bewirken. Hingebungsvoller Dienst dagegen wird für immer in der ewigen spirituellen Welt weitergeführt. Der einzig wirkliche Vorgang der Selbstverwirklichung oder Gotteserkenntnis ist daher hingebungsvolles Dienen, und wenn man mit diesem Vorgang beginnt, beginnt man den eigentlichen Vorgang zur Gotteserkenntnis. Deshalb verfaßte Śrīla Śrīdhara Svāmī den erwähnten Vers, der die Tatsache hervorhebt, daß die höchste Ursache alles Bestehenden, der Höchste Persönliche Gott, so groß und unbegrenzt ist, daß das Lebewesen nicht vermag, Ihn durch materielle Errungenschaften zu verstehen. Jeder sollte aus diesem Grund zum Herrn darum beten, ewig in Seinem hingebungsvollen Dienst beschäftigt sein zu dürfen, so daß man durch Seine Gnade die höchste Ursache der Schöpfung verstehen kann. Die höchste Ursache der Schöpfung, der Höchste Herr, offenbart sich nur Seinen Geweihten. Im 3. Vers des Vierten Kapitels der Bhagavad-gītā verkündet der Herr Arjuna: »Mein lieber Arjuna, weil du Mein Geweihter und Mein vertrauter Freund bist, will Ich dir nun den Vorgang offenbaren, durch den Du mich verstehen kannst.« Die höchste Ursache der Schöpfung, den Höchsten Persönlichen Gott, können wir also nicht durch unsere eigene gedankliche Bemühung verstehen. Wir müssen Ihn statt dessen durch hingebungsvollen Dienst erfreuen; dann wird Er Sich uns offenbaren, und wir können Ihn bis zu einem gewissen Maß begreifen.
Es gibt verschiedene Arten von Philosophen, die versucht haben, die höchste Ursache durch verstandesmäßiges Spekulieren zu erfassen. Man nennt sie ṣaḍ-darśana und unterscheidet sie im allgemeinen nach sechs Arten. Sie alle sind Māyāvādīs, Anhänger des Unpersönlichen, und haben versucht, ihre eigene Auffassung durchzusetzen, obwohl sie dann später Kompromisse schlossen und erklärten, alle Auffassungen führten zum gleichen Ziel, und daher sei jede Auffassung richtig. Doch wie aus den Gebeten der Veden in Person hervorgeht, ist keine ihrer Meinungen richtig, denn der Vorgang, durch den sie sich ihr Wissen aneigneten, wurde in der zeitweiligen materiellen Welt ersonnen. Sie alle haben den eigentlichen Punkt verfehlt: Der Höchste Persönliche Gott, die Absolute Wahrheit, kann allein durch hingebungsvollen Dienst verstanden werden.
Eine Gruppe von Philosophen, die als Mīmāṁsaka bekannt sind und von Weisen wie Jaimini vertreten werden, ist zu dem Schluß gekommen, daß jeder sich frommen Werken oder seinen vorgeschriebenen Pflichten widmen solle, da er so die höchste Vollkommenheit erreichen werde. Doch dieser Auffassung wird im Neunten Kapitel der Bhagavad-gītā widersprochen, wo Śrī Kṛṣṇa im 21. Vers erklärt, daß man durch fromme Werke zwar zu den himmlischen Planeten gelangen kann, daß man sich aber, sobald das Verdienst für fromme Werke aufgebraucht ist, wieder von dem Genuß des höheren materiellen Lebensstandards auf den himmlischen Planeten trennen und zu den niederen Planeten zurückkehren muß, wo die Lebensdauer äußerst kurz und die Ebene materiellen Glücks von niederer Art ist. Die genauen Worte, die in der Bhagavad-gītā gebraucht werden, lauten: kṣīṇe puṇye martya-lokaṁ viśanti. Daher ist die Schlußfolgerung der Mīmāṁsaka-Philosophen, fromme Handlungen führten einen zur Absoluten Wahrheit, nicht richtig. Ein reiner Gottgeweihter hat zwar die natürliche Neigung, fromm zu handeln, doch kann niemand die Gunst des Höchsten Persönlichen Gottes nur durch frommes Handeln erlangen. Durch frommes Handeln mag man von der durch Unwissenheit und Leidenschaft erzeugten Verunreinigung geläutert werden, doch das erreicht ein Gottgeweihter ohnehin, der ständig die transzendentale Botschaft in Form der Bhagavad-gītā, des Śrīmad-Bhāgavatam und ähnlicher Schriften hört. Aus der Bhagavad-gītā erfahren wir, daß selbst ein Mensch, der nicht das vorbildliche Maß frommer Werke erfüllt, aber absolut im hingebungsvollen Dienst beschäftigt ist, den sicheren Pfad zur spirituellen Vollkommenheit beschreitet. Auch heißt es in der Bhagavad-gītā (10,10), daß jemand, der sich mit Liebe und Vertrauen im hingebungsvollen Dienst beschäftigt, von innen her vom Höchsten Persönlichen Gott gelenkt wird. Der Höchste Herr gibt dem Gottgeweihten als Paramātmā, als spiritueller Meister im Herzen, genaue Anweisungen, wie er allmählich zurück heim, zurück zu Gott, gelangen kann. Die Schlußfolgerung der Mīmāṁsaka-Philosophen ist also nicht die Wahrheit, die einen zum rechten Verständnis führen kann.
Ähnlich den Mīmāṁsaka gibt es Sāṅkhya-Philosophen, d. h. Metaphysiker oder materielle Wissenschaftler, die die kosmische Manifestation mit Hilfe ihre selbsterfundenen wissenschaftlichen Methoden studieren und nicht die Höchste Autorität Gottes als den Schöpfer der kosmischen Manifestation anerkennen. Statt dessen gelangen sie zu dem falschen Schluß, daß bestimmte Reaktionen materieller Elemente die ursprüngliche Ursache der Schöpfung seien. Die Bhagavad-gītā jedoch erkennt diese Theorie nicht an. Es wird in der Gītā (9.10) unmißverständlich gesagt, daß hinter allem, was im Kosmos geschieht, die lenkende Hand des Höchsten Persönlichen Gottes ist. Diese Tatsache wird auch in dem vedischen Ausspruch asad vā idam agra āsīt bestätigt, der besagt, daß der Ursprung der Schöpfung schon vor der kosmischen Manifestation existierte. Materielle Elemente können daher nicht die Ursache der materiellen Schöpfung sein. Die materiellen Elemente werden zwar als materielle Ursachen anerkannt, aber die endgültige Ursache ist der Höchste Persönliche Gott. Deshalb erklärt die Bhagavad-gītā (9.10), daß die materielle Natur unter Kṛṣṇas Führung wirkt.
Die Schlußfolgerung der atheistischen Sāṅkhya-Philosophie geht dahin, daß auch die Ursache selbst illusorisch sein müsse, weil die materiellen Welten als Auswirkung zeitweilig und illusorisch seien. Die Sāṅkhya-Philosophen neigen zur Lehre vom Nichts; in Wirklichkeit jedoch ist die ursprüngliche Ursache der Höchste Persönliche Gott, und die kosmische Manifestation ist die zeitweilige Manifestation Seiner materiellen Energie. Wenn diese zeitweilige Manifestation vernichtet wird, bleibt ihre Ursache, die ewige spirituelle Welt, bestehen wie zuvor. Sie wird deshalb auch sanātana-dhāma, das ewige Reich, genannt. Die Schlußfolgerung der Sāṅkhya-Philosophen ist also unrichtig.
Weiterhin gibt es eine Art von Philosophen, deren Führer Gautama und Kaṇāda sind. Sie sind nach eingehendem Studium der Ursachen und Wirkungsweisen der materiellen Elemente zu dem Schluß gekommen, daß Atomverbindungen die ursprüngliche Ursache der Schöpfung seien. Die heutigen materiellen Wissenschaftler vertreten die gleichen Ansichten wie einst Gautama und Kaṇāda, die die Theorie des paramānuvāda aufstellten. Ihrer Theorie kann jedoch nicht zugestimmt werden, da die ursprüngliche Ursache alles Bestehenden niemals unschöpferische Atome sein können. Dies wird sowohl in der Bhagavad-gītā und im Śrīmad-Bhāgavatam als auch in den übrigen Veden bestätigt, in denen es unter anderem heißt: eko nārāyaṇa āsīt. »Allein Nārāyaṇa existierte vor der Schöpfung.« Das Śrīmad-Bhāgavatam erklärt ebenso wie das Vedānta-sūtra, daß die ursprüngliche Ursache empfindet und Sich sowohl direkt als auch indirekt aller Dinge innerhalb der Schöpfung bewußt ist. In der Bhagavad-gītā (10.8) erklärt Kṛṣṇa: ahaṁ sarvasya prabhavaḥ. »Ich bin die ursprüngliche Ursache aller Dinge.« Und: mattaḥ sarvaṁ pravartate. »Von Mir wird alles manifestiert.« Es mag also durchaus sein, daß Atome die Grundverbindungen der materiellen Manifestation bilden, doch diese Atome wurden vom Höchsten Persönlichen Gott erzeugt. Deshalb kann die Philosophie Gautamas und Kaṇādas nicht befürwortet werden. In ähnlicher Weise halten die Unpersönlichkeitsphilosophen, die zu den Anhängern Aṣṭāvakras und des späteren Śaṅkarācārya gehören, die unpersönliche Brahman-Ausstrahlung für die Ursache allen Seins. Nach ihrer Theorie ist die materielle Manifestation zeitweilig und unwirklich, das unpersönliche Brahman hingegen Wirklichkeit und als solches der Ursprung. Doch auch diese Theorie ist nicht annehmbar, denn, wie der Herr Selbst in der Bhagavad-gītā (14.27) sagt, ruht die Brahman-Ausstrahlung auf Seiner Persönlichkeit. In der Brahma-saṁhitā wird bestätigt, daß das leuchtende Brahman aus den Strahlen besteht, die von Kṛṣṇas Körper ausgehen. Daher kann das unpersönliche Brahman nicht die ursprüngliche Ursache der kosmischen Manifestation sein. Die ursprüngliche Ursache ist der allvollkommene, empfindungsfähige Persönliche Gott, Govinda.
Die gefährlichste Theorie der Unpersönlichkeitsanhänger besagt, daß Gott, wenn Er als Inkarnation erscheint, einen materiellen, von den drei Erscheinungsweisen der materiellen Natur geschaffenen Körper annehme. Diese Māyāvādī-Theorie wurde von Śrī Caitanya als übelste Blasphemie verurteilt. Er sagte, daß jeder, der den transzendentalen Körper des Persönlichen Gottes für eine Schöpfung der materiellen Natur halte, sich des größten Vergehens gegen die Lotosfüße Śrī Viṣṇus schuldig mache. Ebenso erklärt die Bhagavad-gītā (9.11), daß nur die Dummköpfe und Schurken den Persönlichen Gott verspotten, wenn Er in menschenähnlicher Gestalt erscheint. Śrī Kṛṣṇa, Śrī Rāma und Śrī Caitanya verhalten Sich nämlich wie Menschen unter den Menschen.
Die Veden in Person verurteilen die unpersönliche Auffassung als eine grobe Entstellung der Wahrheit. In der Brahma-saṁhitā wird der Körper des Höchsten Persönlichen Gottes als ānanda-cin-maya-rasa beschrieben, d. h., der Höchste Persönliche Gott hat einen spirituellen, keinen materiellen Körper. Er kann mit jedem Teil dieses Körpers nach Belieben alles genießen, und deshalb ist Er allmächtig. Die Teile eines materiellen Körpers können nur jeweils eine bestimmte Funktion erfüllen. Zum Beispiel können die Hände etwas festhalten, aber man kann mit ihnen nicht sehen oder hören. Weil der Körper des Höchsten Persönlichen Gottes ānanda-cin-maya-rasa oder sac-cid-ānanda-vigraha ist, kann Er mit jedem Seiner Körperteile alles genießen und alles tun.
Die Annahme, der spirituelle Körper des Herrn sei materiell, ergibt sich zwangsläufig aus dem Bestreben, den Höchsten Persönlichen Gott der bedingten Seele gleichzusetzen. Die bedingte Seele hat nämlich einen materiellen Körper, und wenn man daher verkündet, Gott habe ebenfalls einen materiellen Körper, läßt sich die unpersönliche Theorie, nach der der Höchste Persönliche Gott und das Lebewesen ein und dasselbe sind, sehr leicht vertreten.
Die Wahrheit sieht jedoch anders aus. Wenn der Höchste Persönliche Gott erscheint, entfaltet Er Seine mannigfaltigen Spiele, und doch besteht kein Unterschied zwischen Seinem Kinderkörper, mit dem Er auf dem Schoß Seiner Mutter Yaśodā lag, und Seinem sogenannten Erwachsenenkörper, mit dem Er gegen große Dämonen kämpfte. Schon in Seinem Körper als kleines Kind kämpfte Er mit der gleichen Kraft gegen Dämonen wie Pūtanā, Tṛṇāvarta und Aghāsura, mit der Er in Seiner Jugend Dämonen wie Dantavakra, Śiśupāla und andere vernichtete. Wenn eine bedingte Seele im materiellen Leben ihren Körper wechselt, vergißt sie alles über ihren vorherigen Körper, doch, wie wir aus der Bhagavad-gītā (4.5) erfahren, vergaß Kṛṣṇa, da Er einen sac-cid-ānanda-Körper hat, nicht, daß Er Millionen von Jahren zuvor den Sonnengott in den Lehren der Bhagavad-gītā unterwiesen hatte. Weil der Herr also sowohl zur materiellen wie auch zur spirituellen Existenz transzendental ist, ist Er auch als Puruṣottama bekannt. Daß Er die Ursache aller Ursachen ist, bedeutet, daß Er die Ursache sowohl der materiellen als auch der spirituellen Welt ist. Der Höchste Persönliche Gott ist allmächtig und allwissend. Weil ein materieller Körper weder allmächtig noch allwissend sein kann, ist der Körper des Herrn demzufolge nicht materiell. Die Māyāvādī-Theorie, nach der der Persönliche Gott in einem materiellen Körper in die materielle Welt kommt, kann somit unter keinen Umständen anerkannt werden.
Abschließend läßt sich sagen, daß alle Theorien der materiellen Philosophen vom zeitweiligen, illusorischen Dasein hergeleitet werden und daher Schlußfolgerungen in einem Traum gleichen. Solche Schlußfolgerungen können uns zweifellos nicht zur Absoluten Wahrheit führen. Wie der Herr Selbst in der Bhagavad-gītā (18.55) erklärt, kann die Absolute Wahrheit nur durch hingebungsvolles Dienen verstanden werden: bhaktyā mām abhijānāti. »Nur durch hingebungsvolles Dienen bin Ich zu verstehen.« Śrīla Śrīdhara Svāmī schrieb hierzu einen wundervollen Vers mit dem Wortlaut: »Mein lieber Herr, mögen andere sich mit falschen Argumenten und trockenen Spekulationen auseinandersetzen und über ihre großartigen philosophischen Thesen theoretisieren. Laß sie in der Finsternis der Unwissenheit und Illusion umherirren, während sie sich in dem falschen Glauben wähnen, hochbewanderte Gelehrte zu sein, obwohl sie vom Höchsten Persönlichen Gott nicht das geringste wissen. Was aber mich betrifft, so wünsche ich mir nur Befreiung durch das Chanten der heiligen Namen des unvergleichlich schönen Höchsten Persönlichen Gottes - Mādhava, Vāmana, Trinayana, Saṇkarṣaṇa, Śrīpati und Govinda. Durch das bloße Chanten Seiner transzendentalen Namen laß mich bitte von der Verunreinigung des materiellen Daseins frei werden.«
In diesem Sinne sagten die Veden in Person: »Lieber Herr, wenn ein Lebewesen durch Deine Gnade zum richtigen Verständnis Deiner erhabenen, transzendentalen Stellung gelangt, zerbricht es sich nicht länger den Kopf über die verschiedenen Theorien, die von den intellektuell Spekulierenden oder sogenannten Philosophen erdacht wurden.«
Diese Feststellung bezieht sich auf die spekulativen Theorien Gautamas, Kaṇādas, Patañjalis und Kapilas (Nirīśvara). Es gibt zwei Kapilas: der eine Kapila, der Sohn Kardama Munis, ist eine Inkarnation Gottes, und der andere ist ein Atheist der neueren Zeit. Der atheistische Kapila wird oft fälschlich als der Höchste Persönliche Gott dargestellt, der als der Sohn Kardama Munis lange zuvor während der Zeit des Svāyambhuva-Manu erschien. Das gegenwärtige Zeitalter ist das Zeitalter des Vaivasvata-Manu, und Kapila, die Inkarnation Gottes, erschien zur Zeit des Svāyambhuva-Manu.
Nach der Māyāvādī-Philosophie ist die manifestierte oder materielle Welt mithyā oder māyā, d. h. unwirklich oder Trug. Das Predigen der Māyāvādīs beruht auf dem Grundsatz brahma-satya jagat-mithyā, womit sie sagen wollen, daß nur das leuchtende Brahman Wirklichkeit sei, die kosmische Manifestation hingegen illusorisch oder unwirklich. Doch nach der Vaiṣṇava-Philosophie wurde die kosmische Manifestation vom Höchsten Persönlichen Gott hervorgebracht. In der Bhagavad-gītā erklärt der Herr, daß Er durch eines Seiner vollständigen Teile in die materielle Welt eingeht, worauf die Schöpfung stattfindet. Auch aus den Veden erfahren wir, daß die asat- oder zeitweilige Manifestation vom Höchsten sat, von der Höchsten Wirklichkeit, ausgeht. Aus dem Vedānta-sūtra wird deutlich, daß alles aus dem Höchsten Brahman hervorgegangen ist. Deshalb betrachten die Vaiṣṇavas die kosmische Manifestation nicht als Trug. Der Vaiṣṇava-Philosoph sieht alles in der materiellen Welt in Beziehung zum Höchsten Herrn.
Dieses Verständnis von der materiellen Welt ist sehr schön von Śrīla Rūpa Gosvāmī erklärt worden, der sagte, daß es ohne praktischen Wert sei, der materiellen Welt als einer illusorischen oder unwirklichen zu entsagen, ohne zu wissen, daß auch sie eine Manifestation des Höchsten Herrn ist. Die Vaiṣṇavas sind völlig frei von jeglicher Anhaftung an die materielle Welt, denn im allgemeinen wird die materielle Welt als ein Objekt der Sinnenbefriedigung angesehen. Der Vaiṣṇava jedoch findet keinen Gefallen an der Befriedigung der Sinne und fühlt sich deshalb auch zu materiellen Handlungen nicht hingezogen. Er versteht die materielle Welt im Sinne der regulierenden Prinzipien der vedischen Anweisungen. Weil der Höchste Persönliche Gott die ursprüngliche Ursache alles Existierenden ist, sieht der Vaiṣṇava alles, selbst die Dinge in der materiellen Welt, in Beziehung zu Kṛṣṇa. Durch sein fortgeschrittenes Wissen wird alles, was er sieht, spiritualisiert, d. h., alles in der materiellen Welt ist bereits spirituell, und nur, weil es uns am Wissen mangelt, betrachten wir etwas als materiell.
Die Veden in Person gaben in diesem Zusammenhang das Beispiel, daß jemand, der nach Gold trachtet, niemals goldene Ohrringe, goldene Armreifen oder irgend etwas anderes aus Gold zurückweise, nur weil diese Dinge von anderer Form sind als das ursprüngliche Gold. Übertragen bedeutet dies: Alle Lebewesen sind ewige Teile des Höchsten Herrn und als solche qualitativ mit Ihm eins, doch befinden sie sich, ähnlich wie das Gold aus der gleichen Mine zu verschiedenen Schmuckstücken verarbeitet ist, gegenwärtig in den verschiedenen Körpern der 8 400000 Arten des Lebens. Ebenso wie jemand, der den Wert des Goldes zu schätzen weiß, alle verschieden geformten goldenen Schmuckstücke annimmt, so betrachtet ein Vaiṣṇava, da er stets weiß, daß alle Lebewesen der Qualität nach mit dem Höchsten Persönlichen Gott eins sind, alle Lebewesen als ewige Diener Gottes. Als Vaiṣṇava hat man schon dadurch, daß man den bedingten, irregeführten Lebewesen hilft, indem man Kṛṣṇa-Bewußtsein lehrt und sie zurück nach Hause, zurück zu Gott, führt, reichlich Gelegenheit, dem Höchsten Persönlichen Gott zu dienen. Die Gedanken der Lebewesen werden gegenwärtig durch die drei materiellen Eigenschaften erregt, weshalb sie, wie im Traum, von Körper zu Körper wandern. Wenn sich ihr Bewußtsein jedoch zu Kṛṣṇa-Bewußtsein gewandelt hat, nehmen sie sogleich Śrī Kṛṣṇa fest in ihr Herz auf, und so öffnet sich ihnen der Pfad zur Befreiung.
In allen Veden wird erklärt, daß der Höchste Persönliche Gott und die Lebewesen von der gleichen Qualität, daß sie caitanya oder spirituell sind. Dies wird auch im Padma Purāṇa bestätigt, in dem es heißt, daß es zwei Arten von spirituellen Wesen gibt: die eine Art wird jīva genannt, und die andere ist der Höchste Herr Selbst. Angefangen mit Brahmā, bis hinunter zur Ameise, sind alle Lebewesen jīvas, wohingegen der Herr der höchste vierarmige Viṣṇu oder Janārdana ist. Das Wort ātmā trifft eigentlich nur auf den Höchsten Persönlichen Gott zu; doch weil die Lebewesen Seine Teile sind, wird dieses Wort auch für sie verwendet. Die Lebewesen werden daher jīvātmā und der Höchste Herr Paramātmā genannt. Da sich sowohl der Paramātmā als auch der jīvātmā in der materiellen Welt aufhalten, muß die materielle Welt einem anderen Zweck dienen als der Sinnenbefriedigung. Die Vorstellung, das Leben sei zur Befriedigung der Sinne bestimmt, ist Täuschung, wohingegen die Auffassung, daß der jīvātmā selbst in der materiellen Welt dem Paramātmā dienen muß, gewiß keine Täuschung ist. Ein Kṛṣṇa-bewußter Mensch vergißt diese Tatsache nie, und deshalb hält er die materielle Welt nicht für Trug, sondern handelt in der Wirklichkeit des transzendentalen Dienens. Der Gottgeweihte betrachtet alle Dinge in der materiellen Welt als eine Gelegenheit, dem Herrn zu dienen. Er lehnt nichts als materiell ab, sondern stellt alles in den Dienst des Höchsten. Deshalb ist er immer gleichbleibend transzendental, und alles, was er gebraucht, wird dadurch, daß es im Dienst des Herrn verwendet wird, spirituell geläutert.
Śrīla Śrīdhara Svāmī verfaßte hierzu einen schönen Vers: »Ich verehre den Höchsten Persönlichen Gott, der immer als Wirklichkeit manifestiert ist - selbst in der materiellen Welt, die von einigen als unwirklich angesehen wird.« Die Auffassung, die materielle Welt sei Trug, ist auf mangelndes Wissen zurückzuführen. Ein Mensch im Kṛṣṇa-Bewußtsein sieht den Höchsten Persönlichen Gott in allem. Das ist die wahre Verwirklichung des vedischen Aphorismus sarvaṁ khalv idaṁ brahma: »Alles ist Brahman.«
Die Veden in Person fuhren fort: »Lieber Herr, die weniger Intelligenten wenden sich anderen Wegen der Selbstverwirklichung zu; doch es ist tatsächlich nicht möglich, von der materiellen Verunreinigung frei zu werden oder dem sich wiederholenden Kreislauf von Geburt und Tod ein Ende zu bereiten, solange man nicht ein völlig reiner Gottgeweihter ist. Lieber Herr, alles ruht in Deinen vielfachen Kräften, und wie in den Veden erklärt wird (eko bahūnāṁ yo vidadhāti kāmān), wird jeder von Dir erhalten. Daher bist du, o Herr, der Erhalter und Versorger aller Lebewesen - Halbgötter, Menschen und Tiere. Jeder wird von Dir erhalten, und Du weilst im Herzen eines jeden. Du bist somit die Wurzel der gesamten Schöpfung. Diejenigen, die sich stets in Deinem hingebungsvollen Dienst bemühen, verehren Dich deshalb, ohne abzuweichen. Solche Gottgeweihten begießen wahrlich die Wurzel des »universalen Baumes«. Durch hingebungsvolles Dienen dient man nämlich nicht nur dem Höchsten Persönlichen Gott, sondern auch allen anderen Lebewesen, da jedes von Ihm erhalten und versorgt wird. Weil der Gottgeweihte das alldurchdringende Wesen des Höchsten Persönlichen Gottes versteht, ist er der wahre Menschenfreund und Menschengönner. Solche reinen Gottgeweihten, die sich mit ganzer Kraft im Kṛṣṇa-Bewußtsein bemühen, überwinden mit Leichtigkeit den Kreislauf von Geburt und Tod und springen gleichsam über den Kopf des Todes hinweg.«
Ein Gottgeweihter fürchtet sich niemals vor dem Tod oder dem Wechsel seines Körpers; sein Bewußtsein hat sich zu Kṛṣṇa-Bewußtsein gewandelt, und selbst wenn er nicht sogleich heimkehrt, zurück zu Gott, sondern zu einem anderen materiellen Körper wandert, hat er nichts zu befürchten. Ein gutes Beispiel für einen solchen Gottgeweihten ist Bharata Mahārāja. Er ging zwar nach dem Tod in den Körper eines Rehbocks ein, doch schon in dem Leben darauf wurde er völlig von aller materiellen Verunreinigung befreit und in das Königreich Gottes erhoben. In der Bhagavad-gītā (6.40) wird deshalb erklärt, daß ein Gottgeweihter niemals verloren ist. Dem Gottgeweihten ist die Rückkehr zum spirituellen Königreich, die Heimkehr zu Gott, sicher. Selbst wenn ihm in einem Leben ein Fehltritt unterläuft, erhebt ihn sein Festhalten am Kṛṣṇa-Bewußtsein höher und höher, bis er schließlich zu Gott zurückkehrt. Ein reiner Gottgeweihter läutert nicht nur sein eigenes Dasein, sondern auch jeder, der sein Schüler wird, wird allmählich geläutert und kann schließlich ohne weiteres in das Königreich Gottes eingehen. Ein reiner Gottgeweihter überwindet somit nicht nur selbst sehr leicht den Tod; durch seine Gnade gelingt dies auch seinen Anhängern ohne Schwierigkeiten. Die Macht des hingebungsvollen Dienens ist so groß, daß ein reiner Gottgeweihter auch andere durch seine transzendentalen Unterweisungen befähigen kann, den Ozean der Unwissenheit zu überqueren.
Die Anweisungen eines reinen Gottgeweihten an seine Schüler sind zudem von sehr einfacher Art. Niemandem fällt es schwer, den Fußstapfen eines reinen Gottgeweihten zu folgen. Jedem, der sich einer Schülernachfolge anschließt, die auf anerkannte Geweihte des Herrn zurückgeht, wie Brahmā, Śiva, die Kumāras, Manu, Kapila, König Prahlāda, König Janaka, Śukadeva Gosvāmī und Yamarāja, findet das Tor zur Befreiung sehr leicht offen. Jene hingegen, die keine Gottgeweihten sind, sondern sich unsicheren Methoden der Selbstverwirklichung widmen, wie denen des jñāna, yoga und karma, sind, wie man wissen sollte, immer noch verunreinigt. Solche verunreinigten Menschen können, obgleich es den Anschein hat, als seien sie in der Selbstverwirklichung sehr fortgeschritten, sich nicht einmal selbst befreien, und schon gar nicht ihre Anhänger. Solche Nichtgottgeweihten werden mit angeketteten Tieren verglichen, denn sie sind nicht in der Lage, über die Äußerlichkeiten ihrer jeweiligen Glaubensrichtung hinauszugehen. In der Bhagavad-gītā (2.41-43) werden sie als veda-vādah verurteilt, d. h. sie begreifen nicht, daß sich die Veden nur mit Vorgängen befassen, die sich auf die materiellen Erscheinungsweisen der Natur, nämlich Tugend, Leidenschaft und Unwissenheit beziehen.
Kṛṣṇa erklärte Arjuna, daß man die in den Veden vorgeschriebenen Pflichten hinter sich lassen und sich dem hingebungsvollen Dienst im Kṛṣṇa-Bewußtsein zuwenden muß. In der Bhagavad-gītā (2.45) heißt es an dieser Stelle: nistraiguṇyo bhavārjuna: »Mein lieber Arjuna, versuche, zu den vedischen Ritualen transzendental zu werden.« Transzendendental selbst zu den vedischen Ritualen zu sein bedeutet, sich dem hingebungsvollen Dienst zu widmen. An einer anderen Stelle in der Bhagavad-gītā (14.26) sagt der Herr unmißverständlich, daß jene, die sich ohne Falschheit in Seinem hingebungsvollen Dienst beschäftigen, bereits ins Brahman eingetreten sind. Das Brahman erkannt zu haben, bedeutet also, Kṛṣṇa-bewußt zu sein und sich im hingebungsvollen Dienst zu vertiefen. Die wahre Verwirklichung der Brahman-Erkenntnis bedeutet Kṛṣṇa-Bewußtsein und hingebungsvolles Dienen. Die Gottgeweihten sind daher wirkliche brahmacārīs, denn ihre Tätigkeiten befinden sich immer auf der Ebene des Kṛṣṇa-Bewußtseins oder hingebungsvollen Dienens.
Die Bewegung für Kṛṣṇa-Bewußtsein ist ein erhabener Aufruf an alle religiösen Menschen, der sie mit wahrer Autorität auffordert, sich dieser Bewegung anzuschließen, durch die man lernen kann, Gott zu lieben, und durch die man schließlich alle Regeln und Formalitäten der Schriften hinter sich lassen kann. Ein Mensch, der über die Stufe stereotyper religiöser Prinzipien nicht hinausgelangen kann, wird mit einem Tier verglichen, das von seinem Meister an die Kette gelegt worden ist. Der Sinn aller Religion besteht darin, Gott zu verstehen und seine schlummernde Liebe zu Ihm zu erwecken. Wenn man jedoch nur an den religiösen Formeln und Formalitäten festhält und keine Liebe zu Gott entwickelt, gilt man als angekettetes Tier. All dies bedeutet mit anderen Worten: Jemand, der nicht Kṛṣṇa-bewußt ist, kann nicht von der Verunreinigung des materiellen Daseins befreit werden.
Śrīla Śrīdhara Svāmī verfaßte einen vortrefflichen Vers, der besagt: »Sollen andere sich strenge Entsagungen auferlegen; sollen andere sich von den Gipfeln der Berge stürzen, um ihr Leben zu opfern; sollen andere zu vielen heiligen Pilgerstätten reisen, um Befreiung zu erlangen, und sollen andere sich in das eingehende Studium der Philosophie und der vedischen Schriften versenken; laß die yogīs sich ihrer Meditation widmen, und laß die verschiedenen Sekten sinnlos miteinander streiten, welche von ihnen die beste sei. Es ist jedoch eine Tatsache, daß man, solange man nicht im hingebungsvollen Dienst tätig ist und die Gnade des Höchsten Persönlichen Gottes erlangt hat, den Ozean des materiellen Daseins nicht überqueren kann.« Ein intelligener Mensch gibt daher alle schablonenhaften Vorstellungen auf und schließt sich der Bewegung für Kṛṣṇa-Bewußtsein an, um wirklich befreit zu werden.
Die Veden in Person setzten ihre Gebete weiter fort, indem sie sagten: »Lieber Herr, Dein unpersönlicher Aspekt wird in den Veden wie folgt erklärt: Du hast zwar keine Hände, doch Du kannst alle Opfer entgegennehmen; Du hast keine Beine, doch Du kannst schneller laufen als jeder andere; obwohl Du keine Augen hast, kannst Du alle Geschehnisse in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sehen; obwohl Du keine Ohren hast, kannst Du alles hören, was gesagt wird; obwohl Du keinen Geist hast, kennst Du die Handlungen jedes einzelnen, sowohl die der Gegenwart als auch die der Vergangenheit und Zukunft, doch niemand weiß, wer Du bist.
Du kennst jeden, doch niemand kennt Dich; deshalb bist Du die älteste und erhabenste Persönlichkeit.«
An einer anderen Stelle in den Veden heißt es: »Du brauchst nichts zu tun. Du bist so vollkommen in Deinem Wissen und Deiner Macht, daß sich alles allein durch Deinen Willen manifestiert. Niemand kommt Dir gleich oder überragt Dich; vielmehr ist jeder Dein ewiger Diener.« Die Veden erklären also, daß der Absolute weder Beine, Arme, Augen, Ohren noch einen Geist hat, und dennoch durch Seine Kräfte wirken und die Bedürfnisse aller Lebewesen erfüllen kann. Wie in der Bhagavad-gītā (13.14) erklärt wird, sind Seine transzendentalen Arme und Beine überall; Er ist alldurchdringend. Die Arme, Beine, Ohren und Augen der Lebewesen bewegen sich nach der Weisung der Überseele, die im Herzen jedes Lebewesen weilt. Wenn die Überseele nicht gegenwärtig ist, können sich die Arme und Beine nicht bewegen. Der Höchste Persönliche Gott ist so gewaltig, unabhängig und vollkommen, daß Er, obwohl Er keine Augen, Beine und Ohren besitzt, von niemandem in Seinen Handlungen abhängig ist. Vielmehr sind alle anderen im Gebrauch ihrer verschiedenen Sinnesorgane von Ihm abhängig. Solange das Lebewesen nicht von der Überseele angeregt und geführt wird, kann es nicht handeln.
Es ist eine Tatsache, daß die Absolute Wahrheit letzten Endes die Höchste Person ist. Doch weil Er, die Höchste Person, durch Seine verschiedenen Kräfte wirkt, die den groben Materialisten nicht sichtbar sind, glauben diese, Er sei unpersönlich. In einem Blumengemälde beispielsweise kann man die Kunstfertigkeit einer Person wahrnehmen, und man kann verstehen, daß die Farbkomposition und Formgebung die sorgfältige Aufmerksamkeit des Künstlers erfordert haben. In einem Gemälde blühender Blumen kommt deutlich das Bemühen des Künstlers zum Ausdruck. Dennoch kommt der abgestumpfte Materialist, der die künstlerische Hand Gottes in solchen Kunstwerken, wie die wirklichen Blumen es sind, die in der Natur blühen, nicht erkennen kann, zu dem Schluß, die Absolute Wahrheit sei unpersönlich. In Wirklichkeit ist der Absolute eine Person - nur ist Er von nichts abhängig. Er braucht nicht zu Pinsel und Farbe zu greifen, um die Blumen zu malen; Seine Kräfte wirken so wunderbar, daß es scheint, als seien die Blumen ohne die Hilfe eines Künstlers entstanden. Unintelligente Menschen gelangen zu der Auffassung, die Absolute Wahrheit sei unpersönlich, denn solange sie nicht im Dienst des Herrn tätig sind, können sie nicht verstehen, wie der Höchste wirkt; sie können nicht einmal Seinen Namen erfahren. Nur einem Gottgeweihten wird durch seine liebevolle und dienende Haltung alles über die Taten und Aspekte des Höchsten offenbart.
In der Bhagavad-gītā wird unmißverständlich gesagt: bhoktāraṁ yajña tapasām, was bedeutet, daß der Herr der Genießer aller Arten von Opfern und der Ergebnisse aller Bußen ist. Dann wieder erklärt der Herr: sarva loka maheśvaram. »Ich bin der Besitzer aller Planeten.« Das also ist die Stellung des Höchsten Persönlichen Gottes.« Obwohl Er Sich stets in Vṛndāvana aufhält und dort in der Gemeinschaft Seiner ewigen Gespielen, den gopīs und den Kuhhirtenjungen, transzendentale Freude genießt, wirken gleichzeitig Seine Kräfte unter Seiner Führung überall in der Schöpfung. Sie beeinflussen nicht Seine ewigen Spiele.
Nur durch hingebungsvolles Dienen kann man verstehen, wie der Höchste Persönliche Gott durch Seine unvorstellbaren Kräfte gleichzeitig unpersönlich und als Person wirkt. Er handelt wie der höchste Herrscher, unter dessen Aufsicht viele tausend Könige und Oberhäupter regieren. Der Höchste Persönliche Gott ist die höchste unabhängig herrschende Person, während alle Halbgötter, selbst Brahmā, der Himmelskönig Indra, der König des Mondplaneten und der König des Sonnenplaneten unter Seiner Führung handeln. In den Veden wird bestätigt, daß aus Furcht vor dem Höchsten Persönlichen Gott die Sonne scheint, der Wind weht und das Feuer Wärme abgibt. Die materielle Natur erzeugt alle möglichen sich bewegenden und sich nicht bewegenden Manifestationen, von denen keine unabhängig vom Höchsten Herrn, ohne Seine Führung, etwas tun oder erschaffen kann. Sie alle gleichen tributpflichtigen, untergebenen Königen, die dem Kaiser ihre jährlichen Abgaben entrichten müssen.
Die vedischen Anweisungen schreiben es jedem Lebewesen vor, von den Überresten der Speisen zu leben, die dem Persönlichen Gott geopfert wurden. Eine Anweisung besagt, daß bei großen Opferungen Nārāyaṇa als die höchste herrschende Gottheit des Opfers zugegen sein muß. Nach dem Opfer werden die Überreste der Speisen an die Halbgötter verteilt. Dies wird yajña-bhāga genannt. Jeder Halbgott bekommt seinen bestimmten Anteil am yajña-bhāga, den er als prasāda annimmt. Hier wird deutlich, daß die Halbgötter in ihrer Macht nicht unabhängig sind; sie werden unter der Aufsicht des Höchsten Persönlichen Gottes als Verwalter verschiedener Bereiche eingesetzt, und sie essen prasāda, d. h. die Reste der Opfer. Sie führen den Befehl des Höchsten Herrn genau nach Seinem Plan aus. Der Höchste Persönliche Gott hält Sich im Hintergrund, während Seine Befehle von anderen ausgeführt werden. Mit unserer grob-materialistischen Denkweise können wir uns nicht vorstellen, wie die Höchste Person über den unpersönlichen Vorgängen der materiellen Natur stehen kann. Daher erklärt der Herr in der Bhagavad-gītā (7.7), daß es nichts Höheres als Ihn gibt, und daß Ihm das unpersönliche Brahman als eine Manifestation der Strahlen Seines Körpers untergeordnet ist. Śrīpāda Śrīla Śrīdhara Svāmī schrieb darauf bezogen einen wunderbaren Vers. Er lautet: »Laßt mich meine achtungsvollen Ehrerbietungen dem Höchsten Persönlichen Gott darbringen, der keine materiellen Sinne hat, unter dessen Führung und Willen aber alle materiellen Sinne tätig sind. Er ist die höchste Kraft aller materiellen Sinne oder Sinnesorgane. Er ist allmächtig, und Er ist der höchste Vollbringer aller Dinge. Deshalb gebührt es Ihm, von jedem verehrt zu werden. Dieser Höchsten Person bringe ich meine respektvollen Ehrerbietungen dar.«
Kṛṣṇa Selbst erklärt in der Bhagavad-gītā (15.18), daß Er Puruṣottama, die Höchste Persönlichkeit, ist. Puruṣa bedeutet »Person« und uttama bedeutet »höchste« oder »transzendental«. So erklärt Śrī Kṛṣṇa in der Bhagavad-gītā, daß Er, da Er transzendental zu den fehlbaren wie auch den unfehlbaren Lebewesen ist, als Puruṣottama bekannt ist. An einer anderen Stelle (Bg. 9.6) sagt der Herr, daß jeder sich in Ihm befindet wie die Luft im alldurchdringenden Raum, und daß jeder unter Seiner Führung handelt.
Die Veden in Person fuhren fort: »Unser lieber Herr«, beteten sie, »Du bist jedem gleichgesinnt; Du bist keiner Art von Lebewesen besonders zugetan oder abgeneigt. Alle Lebewesen sind Deine Teile und genießen und leiden unter verschiedenen Lebensbedingungen. Sie sind wie die Funken eines Feuers. Wie Funken in einem lodernden Feuer tanzen, so tanzen alle Lebewesen allein durch Deine Hilfe. Du versorgst sie mit allem, was sie sich wünschen, und doch bist Du nicht für ihre Freuden und Leiden verantwortlich. Es gibt vielerlei Arten von Lebewesen, wie Halbgötter, Menschen, Säugetiere, Vögel, Insekten, Würmer, Bakterien, Bäume und Wassertiere und -pflanzen, und sie alle genießen oder leiden, während Du ihre Grundlage bist. Man unterscheidet sie nach zwei Arten, nämlich den ewig Befreiten (nitya-mukta) und den ewig Bedingten (nitya-baddha). Die nitya-mukta-Lebewesen halten sich im spirituellen Königreich auf, die nitya-baddha hingegen in der materiellen Welt.«
In der spirituellen Welt befinden sich sowohl der Herr als auch die Lebewesen in ihrem ursprünglichen Zustand wie leuchtende Funken in einem Feuer. In der materiellen Welt dagegen haben die Lebewesen, obschon der Herr in Seinem unpersönlichen Aspekt alldurchdringend ist, ihr Kṛṣṇa-Bewußtsein verloren, ebenso wie Funken manchmal aus dem lodernden Feuer fallen und ihre ursprüngliche Leuchtkraft verlieren. Einige Funken fallen auf trockenes Gras und entzünden ein neues Feuer. Mit diesen Funken werden die reinen Gottgeweihten verglichen, die sich der armen und unschuldigen Lebewesen erbarmen. Der reine Gottgeweihte erleuchtet die Herzen der bedingten Lebewesen mit Kṛṣṇa-Bewußtsein, und so kommt das lodernde Feuer der spirituellen Welt selbst in der materiellen Welt zum Vorschein. Einige der Funken fallen auch ins Wasser, wo sie augenblicklich ihr ursprüngliches Leuchten verlieren und fast erlöschen. Sie stehen für die Lebewesen, die unter groben Materialisten geboren werden, worauf ihr ursprüngliches Kṛṣṇa-Bewußtsein fast erlischt. Einige der Funken fallen auch auf den Boden, wo sie weder richtig brennen noch erlöschen. So mangelt es einigen Lebewesen gänzlich an Kṛṣṇa-Bewußtsein, einige stehen zwischen Kṛṣṇa-Bewußtsein und Nicht-Kṛṣṇa-Bewußtsein, und wieder andere befinden sich völlig im Kṛṣṇa-Bewußtsein. Die Halbgötter auf den himmlischen Planeten, wie Brahmā, Indra, Candra, der Sonnengott, und viele andere, sind alle Kṛṣṇa-bewußt. Die menschliche Gesellschaft steht auf einer Stufe zwischen den Tieren und den Halbgöttern, weshalb einige Menschen mehr oder weniger Kṛṣṇa-bewußt sind und andere das Kṛṣṇa-Bewußtsein vollständig verloren haben. Den Lebewesen dritten Ranges, nämlich den Tieren, Pflanzen, Wassertieren und Wasserpflanzen ist das Kṛṣṇa-Bewußtsein gänzlich verlorengegangen. Das in den Veden angeführte Beispiel von den Funken des lodernden Feuers ist sehr hilfreich für das Verstehen der Lage verschiedenster Arten von Lebewesen. Doch über allen Lebewesen steht Kṛṣṇa oder Puruṣottama, der immer von allen materiellen Bedingungen frei ist.
Es mag sich die Frage erheben, warum die Lebewesen zufällig in die verschiedenen materiellen Lebenslagen gefallen sind. Um die Antwort auf diese Frage verstehen zu können, muß man wissen, daß die Lebewesen kein Zufall beeinflussen kann; Zufälle gibt es nur für unbelebte Dinge. Nach den vedischen Schriften haben die Lebewesen Wissen, und deshalb werden sie caitanya genannt, was »wissend« bedeutet. Ihr Dasein unter bestimmten Lebensbedingungen ist deshalb nicht zufällig; es wurde vielmehr durch ihre Wahl herbeigeführt, denn sie verfügten ja über Wissen. In der Bhagavad-gītā (18.66) erklärt der Herr: »Gib alles auf und gib Dich einfach Mir hin.« Dieser Vorgang, durch den man den Höchsten Persönlichen Gott erkennen kann, ist für jeden da, doch es bleibt immer der Wahl des Lebewesens überlassen, diesen Vorschlag anzunehmen oder abzulehnen. Im letzten Teil der Bhagavad-gītā (18.63) sagt Śrī Kṛṣṇa ganz offen zu Arjuna: »Mein lieber Arjuna, ich habe dir nun alles erklärt. Alles weitere hängt von Deiner Wahl ab.« Die Lebewesen, die in die materielle Welt herabgekommen sind, haben die Wahl getroffen, diese materielle Welt zu genießen. Es ist nicht etwa so, daß Kṛṣṇa sie in die materielle Welt geschickt hat. Die materielle Welt wurde für den Genuß der Lebewesen geschaffen, die den ewigen Dienst des Herrn aufgeben wollten, um selbst der höchste Genießer zu werden. Nach der Vaiṣṇava-Philosophie wird dem Lebewesen, wenn es nach Sinnenbefriedigung begehrt und den Dienst des Herrn vergißt, ein Platz in der materiellen Welt zugewiesen, wo es ganz nach Belieben handeln kann, und so schafft es sich Lebensbedingungen, unter denen es entweder genießt oder leidet. Wir sollten zweifellos wissen, daß sowohl der Herr als auch die Lebewesen ewig bewußt sind. Geburt und Tod gibt es weder für den Herrn noch für die Lebewesen. Wenn die Schöpfung stattfindet, werden die Lebewesen nicht erschaffen. Der Herr erschafft vielmehr die materielle Welt, um den Lebewesen die Möglichkeit zu geben, sich auf die höhere Ebene des Kṛṣṇa-Bewußtseins zu erheben. Wenn die bedingte Seele diese Gelegenheit nicht wahrnimmt, geht sie nach der Auflösung der materiellen Welt in den Körper Nārāyaṇas ein und bleibt dort in tiefem Schlaf, bis die Zeit für eine neue Schöpfung gekommen ist.
In diesem Zusammenhang ist das Beispiel der Regenzeit sehr treffend. Der jahreszeitliche Regenfall kann als erschaffende Kraft bezeichnet werden, denn die nach den Regengüssen feuchte Erde eignet sich sehr gut für den Anbau aller möglichen Nutzpflanzen. Übertragen bedeutet dies, daß die Lebewesen, sobald die Schöpfung durch den Blick des Herrn über die materielle Natur stattfindet, in ihren unterschiedlichen Lebensbedingungen erscheinen, ebenso wie nach dem Regen allerlei Gewächse hervorsprießen. Der Regenfall ist nur einer, doch die Gemüsearten z. B., die hervorgebracht werden, sind ihrer viele. Der Regen verteilt sich gleichmäßig auf das gesamte Feld, und entsprechend der Samen, die gesät wurden, sprießen verschiedene Gemüsearten in unterschiedlichen Größen und Formen aus der Erde hervor. Ebenso sind die Samen unserer Wünsche von vielfältiger Art. Jedes Lebewesen hegt einen anderen Wunsch, und dieser Wunsch ist der Same, der es in einem bestimmten Körper heranwachsen läßt. Von Rūpa Gosvāmī wird dies mit dem Begriff pāpa-bīja erklärt. Pāpa bedeutet »sündig«. All unsere materiellen Wünsche müssen als pāpa-bīja oder »Samen von Sünden« verstanden werden. Die Bhagavad-gītā erklärt, daß unser sündhaftes Verlangen darin besteht, daß wir uns dem Höchsten Herrn nicht hingeben wollen. Der Herr versichert uns deshalb in der Bhagavad-gītā (18.66): »Ich werde dich vor allen Reaktionen auf sündhafte Wünsche beschützen.« Diese sündhaften Wünsche manifestieren sich in den unterschiedlichsten Körperarten. Niemand kann daher dem Herrn vorwerfen, Er sei voreingenommen, weil Er einem Lebewesen diesen Körper gebe und einem anderen jenen. Alle Körper der 8400000 Lebensformen entstehen entsprechend der Geisteshaltung der individuellen Lebewesen. Puruṣottama, der Höchste Persönliche Gott, gibt ihnen lediglich die Möglichkeit, nach ihren Wünschen zu handeln. Wenn also die Lebewesen handeln, nutzen sie nur die vom Herrn gegebenen Möglichkeiten.
Die Lebewesen werden aus dem transzendentalen Körper des Herrn geboren. Diese Beziehung zwischen dem Herrn und den Lebewesen wird in den vedischen Schriften erklärt, in denen es heißt, daß der Höchste Herr all Seine Kinder erhält und ihnen gibt, was immer sie wollen. In der Bhagavad-gītā (14.4) sagt der Herr: »Ich bin der samengebende Vater aller Lebewesen.« Jeder weiß, daß der Vater zwar für die Geburt der Kinder verantwortlich ist, die Kinder dann aber nach ihren eigenen Wünschen handeln. Daher ist der Vater später nicht für das jeweilige Schicksal seiner Kinder verantwortlich. Jedes Kind kann das Eigentum und die Ratschläge seines Vaters nutzen, doch obgleich allen Kindern der gleiche Erbteil und das gleiche Maß an guten Ratschlägen geboten wird, wählt sich jedes Kind, je nach seinen Wünschen, seinen eigenen Lebensweg und genießt und leidet dementsprechend.
Ebenso sind die Anweisungen der Bhagavad-gītā für jeden da: Jedes Lebewesen sollte sich dem Höchsten Herrn hingeben, der Sich seiner annehmen und es vor allen sündigen Reaktionen schützen wird. Alles zum Leben in der Schöpfung des Herrn Notwendige ist allen Lebewesen in gleichermaßen ausreichender Fülle gegeben. Alles Bestehende, sei es auf dem Land, im Wasser oder in der Luft, ist für alle Lebewesen in gleichem Maße da. Weil sie Söhne des Höchsten Herrn sind, dürfen sie alle die materiellen Möglichkeiten genießen, die ihnen vom Herrn gegeben sind; doch unglückselige Lebewesen bekämpfen sich statt dessen und schaffen so unerträgliche Lebensbedingungen. Die Verantwortung für das Kämpfen und das Schaffen günstiger und ungünstiger Lebensbedingungen liegt bei den Lebewesen, und nicht beim Höchsten Persönlichen Gott. Wenn die Lebewesen die Anweisungen des Herrn in der Bhagavad-gītā nutzen und Kṛṣṇa-Bewußtsein entwickeln, wird ihr Leben erhaben, und sie können zu Gott zurückgehen.
Manche Menschen werden behaupten, der Herr sei für die Zustände in der materiellen Welt verantwortlich, da er diese Welt Selbst geschaffen habe. Zweifellos ist der Herr indirekt für die Schöpfung und Erhaltung der materiellen Welt verantwortlich, jedoch ist Er niemals für die jeweiligen Lebensbedingungen der Lebewesen verantwortlich zu machen. Die vom Herrn bewirkte Schöpfung der materiellen Welt ist mit der von der Wolke bewirkten Schöpfung einer frischen Vegetation zu vergleichen. In der Regenzeit erzeugen die Wolken vielerlei Arten von Gemüse. Während sie dabei ihr Wasser auf die Erdoberfläche schütten, berühren sie niemals den Boden. Ebenso erschafft der Herr die materielle Welt, indem Er einfach nur über die materielle Energie blickt. Diese Tatsache wird in den Veden bestätigt: »Er warf Seinen Blick über die materielle Natur, und da fand die Schöpfung statt.« Auch die Bhagavad-gītā bestätigt, daß der Herr nur durch Seinen transzendentalen Blick über die materielle Natur verschiedene Arten von Daseinsformen erschafft - sowohl sich bewegende als auch sich nicht bewegende, lebende wie auch tote.
Die Schöpfung der materiellen Welt kann daher als eines der Spiele des Herrn verstanden werden; sie wird als eines der Spiele des Herrn bezeichnet, weil Er die materielle Welt erschafft, wenn Ihm der Wunsch danach kommt. Dieser Wunsch des Höchsten Persönlichen Gottes ist Seine ganz besondere Gnade, denn Er gibt den bedingten Seelen somit weitere Gelegenheit, ihr ursprüngliches Bewußtsein wieder zu entwickeln und so zu Ihm zurückzukehren. Deshalb kann niemand den Höchsten Herrn für die Schöpfung der materiellen Welt tadeln.
Das Thema, von dem wir sprechen, vermittelt ein klares Verständnis von dem Unterschied zwischen den Unpersönlichkeitsphilosophen und den Verehrern des Persönlichen. Die Unpersönlichkeitslehre empfiehlt, in das Sein des Höchsten einzugehen, und die Philosophie vom Nichts empfiehlt, alle materiellen Mannigfaltigkeiten aufzuheben. Beide Philosophien sind als Māyāvāda bekannt. Zweifellos ist es richtig, daß die kosmische Manifestation zu Ende geht und sich auflöst, wenn die Lebewesen in den Körper Nārāyaṇas eingehen, um dort bis zur nächsten Schöpfung zu ruhen, und dies kann auch als unpersönlicher Zustand bezeichnet werden, doch sind derartige Zustände niemals ewig. Die Aufhebung der Mannigfaltigkeit in der materiellen Welt und das Verweilen der Lebewesen im Körper des Allerhöchsten sind nicht ewig, denn die Schöpfung findet immer wieder aufs neue statt, und die Lebewesen, die in den Körper des Herrn eingegangen sind, ohne ihr Kṛṣṇa-Bewußtsein entwickelt zu haben, erscheinen bei der nächsten Schöpfung erneut in der materiellen Welt. Die Bhagavad-gītā (9.8) bestätigt die Tatsache, daß die materielle Welt immer wieder erschaffen und vernichtet wird. Dies wiederholt sich unaufhörlich, und die bedingten Seelen, die nicht Kṛṣṇa-bewußt werden, kommen immer wieder, sobald die materielle Schöpfung manifestiert ist, in sie zurück. Wenn solche bedingten Seelen jedoch die Gelegenheit wahrnehmen, unter der direkten Führung des Herrn Kṛṣṇa-Bewußtsein zu entwickeln, werden sie in die spirituelle Welt erhoben, von wo sie nicht wieder in die materielle Schöpfung zurückzukehren brauchen. Weil die Philosophen der Unpersönlichkeitslehre und der Lehre vom Nichts nicht bei den Lotosfüßen des Herrn Zuflucht suchen, gelten sie als nicht sehr intelligent. Und weil sie unintelligent sind, nehmen sie die verschiedensten Entsagungen auf sich, um entweder das nirvāṇa zu erreichen, was die Beendigung des materiellen Daseinszustandes bedeutet, oder den Zustand des Einsseins durch das Eingehen in den Körper des Herrn zu erlangen. Sie alle kommen jedoch wieder zu Fall, weil sie die Lotosfüße des Herrn nicht zu würdigen wissen.
Kṛṣṇadāsa Kavirāja Gosvāmī, der Autor des Śrī Caitanya-caritāmṛta, brachte, nachdem er alle vedischen Schriften studiert und von allen Autoritäten gehört hatte, in seinem Werk sein Urteil zum Ausdruck, daß Kṛṣṇa der einzige und erhabene Meister und alle Lebewesen Seine ewigen Diener sind. Seine Erklärung wird von den Veden in Person in ihren Gebeten bestätigt. Die letztliche Erkenntnis ist daher, daß jeder unter der Aufsicht des Höchsten Persönlichen Gottes steht, daß jeder dem Höchsten Herrn unter dessen Führung dient, und daß jeder den Höchsten Persönlichen Gott fürchtet. Nur aus Furcht vor Ihm werden alle Tätigkeiten richtig ausgeführt. Jeder ist dem Höchsten Herrn untergeordnet, und der Herr bevorzugt oder benachteiligt kein Lebewesen. Er ist wie der grenzenlose Himmel; die Lebewesen sind alle wie Funken, die im Feuer tanzen, oder Vögel, die am grenzenlosen Himmel fliegen. Einige von ihnen fliegen in großer Höhe, andere etwas tiefer, und wieder andere noch tiefer. Die Vögel fliegen also je nach ihrem Vermögen in unterschiedlichen Höhen, doch der Himmel hat nichts mit ihren Flugfähigkeiten zu tun. Der Herr erklärt in der Bhagavad-gītā (4.11), daß Er allen Lebewesen, entsprechend ihrer Hingabe, unterschiedliche Stellungen im Leben zuweist, doch sind diese von Fall zu Fall verschieden. Zuwendungen des Höchsten Persönlichen Gottes sind kein Zeichen von Voreingenommenheit. Obwohl sich die Lebewesen in unterschiedlichen Stellungen, Lebensbereichen und Lebensformen befinden, unterstehen sie alle stets der Aufsicht des Höchsten Persönlichen Gottes, und dennoch ist Er in keinem Fall für ihre jeweiligen Lebensumstände verantwortlich. Es ist also töricht und falsch sich einzubilden, man sei dem Höchsten Persönlichen Gott ebenbürtig, und es ist noch törichter zu glauben, man habe Gott noch nicht gesehen. Jeder sieht Gott in einigen Seiner Aspekte. Im Gegensatz zum Theisten, der Gott als die Höchste Persönlichkeit, das liebste Wesen, Śrī Kṛṣṇa, sieht, sieht der Atheist die Absolute Wahrheit als Tod.
Die Veden in Person beteten weiter: »Lieber Herr, aus allen vedischen Schriften geht hervor, daß Du der Höchste Herrscher bist, und daß alle Lebewesen beherrscht werden.« Sowohl der Herr als auch die Lebewesen werden als nitya oder ewig bezeichnet und sind somit der Qualität nach eins, doch der eine nitya, der Höchste Herr, ist der Herrscher, wohingegen die vielen anderen nityas beherrscht werden. Das individuelle, beherrschte Lebewesen wohnt zwar gemeinsam mit dem Höchsten Herrscher, der Überseele, im Körper, doch beherrscht die Überseele die individuelle Seele. Das ist die Aussage der Veden. Würde die individuelle Seele nicht von der Überseele beherrscht, wie wäre dann die Feststellung der Veden zu erklären, daß das Lebewesen von Körper zu Körper wandert und die Folgen seiner früheren Taten erleidet? Manchmal wird es zu einer höheren Lebensebene erhoben, und ein andermal wird es in eine niedere Lebenslage versetzt. Die bedingten Lebewesen stehen also nicht nur unter der Aufsicht des Höchsten Herrn, sondern werden dazu noch durch die sie beherrschende materielle Natur bedingt. Die Beziehung zwischen den Lebewesen und dem Höchsten Herrn als den Beherrschten und dem Herrscher zeigt deutlich, daß die individuelle Seele im Gegensatz zur alldurchdringenden Überseele niemals allgegenwärtig ist. Wenn die individuellen Seelen allgegenwärtig wären, stünde es völlig außer Frage, daß sie beherrscht würden. Die Theorie, die besagt, die Seele und die Überseele seien gleich, ist ein unreiner Fehlschluß, den kein vernünftiger Mensch annehmen kann; statt dessen sollte man versuchen, die Unterschiede zwischen dem Höchsten Ewigen und den untergeordneten Ewigen zu verstehen.
Die Veden in Person kamen deshalb zu folgendem Schluß: »O Herr, sowohl Du als auch die begrenzten dhruvās, die Lebewesen, sind ewig.« Die Gestalt des unbegrenzten Ewigen wird manchmal als die universale Form wahrgenommen, und in den vedischen Schriften, wie den Upaniṣaden, wird auch die Gestalt des begrenzten Ewigen ausführlich beschrieben. Es wird dort gesagt, daß die ursprüngliche spirituelle Gestalt des Lebewesens den zehntausendsten Teil einer Haarspitze mißt. Außerdem steht dort, daß das Spirituelle größer als das Größte und kleiner als das Kleinste ist. Die individuellen Lebewesen, die ewige Teile Gottes sind, sind kleiner als das Kleinste. Mit unseren materiellen Sinnen können wir weder den Höchsten wahrnehmen, der größer als das Größte ist, noch die individuelle Seele, die kleiner als das Kleinste ist. Deshalb müssen wir sowohl daß Größte als auch das Kleinste durch die maßgeblichen Quellen, die vedischen Schriften, verstehen. Die vedischen Schriften erklären, daß die Überseele im Körper des Lebewesens weilt und die Größe eines Daumens hat. An dieser Stelle wird manch einer einwenden, wie es denn möglich sein könne, daß etwas Daumengroßes in das Herz einer Ameise passe. Die Erklärung ist, daß man sich das Daumenmaß der Überseele im Verhältnis zu dem Körper des jeweiligen Lebewesens vorstellen muß. Die Überseele und die individuelle Seele können also niemals als identisch angesehen werden, obwohl sie beide in den materiellen Körper des individuellen Lebewesens eingehen. Die Überseele weilt im Herzen, um das individuelle Lebewesen zu führen und zu kontrollieren. Obwohl beide dhruva oder ewig sind, steht das Lebewesen immer unter der Führung des Höchsten.
Manchmal wird auch behauptet, die Lebewesen seien alle gleich und unabhängig, weil sie aus der materiellen Natur geboren seien. In den vedischen Schriften heißt es jedoch, daß der Höchste Persönliche Gott die materielle Natur mit den Lebewesen befruchtet, worauf diese in den Lebensformen erscheinen. Somit ist das Erscheinen der Lebewesen nicht allein auf die materielle Natur zurückzuführen ebenso wie ein Kind, das von einer Mutter geboren wird, nicht von ihr allein erzeugt wurde. Die Frau muß zuerst von einem Mann befruchtet werden - dann kommt das Kind zur Welt. Daher ist das Kind, das von der Frau geboren wird, ein Teil des Mannes. Ebenso erschafft zwar augenscheinlich die materielle Natur die Lebewesen, doch kann sie dies nicht unabhängig tun. Nur weil der Höchste Vater die materielle Natur befruchtete, sind die Lebewesen in ihr gegenwärtig. Aus diesem Grund kann die Behauptung, die Lebewesen seien keine Teile des Höchsten, nicht aufrechterhalten werden. Die einzelnen Teile eines Körpers können niemals mit dem ganzen Körper gleichgesetzt werden; vielmehr beherrscht der ganze Körper die einzelnen Glieder. Ebenso sind die individuellen Teile des höchsten Ganzen immer abhängig und werden immer von ihrem Ursprung beherrscht. In der Bhagavad-gītā (15.7) wird ebenfalls bestätigt, daß die Lebewesen ewige Teile Kṛṣṇas sind, und zwar mit dem Wort mamaivāṁśo. Kein vernünftiger Mensch wird deshalb der Theorie zustimmen, daß die Überseele und die individuelle Seele zur gleichen Kategorie gehören. Sie sind zwar der Qualität nach gleich, doch quantitativ ist die Überseele stets die Höchste und die individuelle Seele stets der Überseele untergeordnet. Das ist die Schlußerkenntnis der Veden.
Es gibt zwei in diesem Zusammenhang sehr wichtige Worte, nämlich yanmaya und cinmaya. Nach der Grammatik des Sanskrit wird das Wort mayat im Sinne von »Umwandlung« gebraucht, und manchmal bedeutet es auch »hinreichende Menge«. Die Māyāvādī-Philosophen interpretieren, yanmaya oder cinmaya weise darauf hin, daß das Lebewesen dem Höchsten stets ebenbürtig sei. Es muß jedoch hierbei bedacht werden, ob die Beifügung mayat im Sinne von »hinreichende Menge« oder im Sinne von »Umwandlung« gebraucht wird. Das Lebewesen besitzt niemals etwas in genau dem gleichen Umfang wie der Höchste Persönliche Gott, und daher kann die Beifügung mayat unmöglich bedeuten, daß das Lebewesen sich selbst-genügend ist. Das Lebewesen besitzt niemals hinreichendes Wissen; wie hätte es sonst unter die Herrschaft māyās, der materiellen Energie, geraten können? Das Wort »genügend« kann daher nur im Verhältnis zur Größe des Lebewesens als treffende Bedeutung anerkannt werden. Die spirituelle Einheit des Höchsten Herrn und der Lebewesen darf auf keinen Fall als Gleichartigkeit angesehen werden. Jedes einzelne Lebewesen ist individuell. Wären alle Lebewesen eins, so hieße das, daß bei der Befreiung einer einzigen individuellen Seele auch alle anderen individuellen Seelen sofort Befreiung erlangten. Doch die Wirklichkeit sieht so aus, daß jede individuelle Seele auf ihre eigene Weise in der materiellen Welt genießt und leidet.
Das Wort mayat wird auch im Sinne von Umwandlung gebraucht, und manchmal bedeutet es auch Nebenprodukt. Die Theorie der Unpersönlichkeitsanhänger besagt, das Brahman habe verschiedene Körper angenommen, und dies sei Sein līlā oder Spiel. Es gibt jedoch viele Hunderttausende von Lebensformen in unterschiedlichen Lebensbedingungen, wie Menschen, Halbgötter, Vögel und Säugetiere, und wenn sie alle Erweiterungen der Absoluten Wahrheit wären, könnte von Befreiung keine Rede sein, denn das Brahman ist bereits befreit. Nach einer anderen Vorstellung der Māyāvādīs werden in jedem Zeitalter die verschiedenen Arten von Körpern manifestiert, und am Ende des Zeitalters werden die vielen Körper, die im Grunde Erweiterungen des Brahman sind, von selbst eins, wobei sich alle Manifestationen auflösen. Im nächsten Zeitalter dann, so besagt ihre Theorie, erweitert sich dann das Brahman aufs neue in verschiedene Körperformen. Wäre diese Vorstellung zutreffend, so würde dies bedeuten, daß das Brahman einem Wandel unterworfen würde. Und das kann unmöglich der Fall sein. Aus dem Vedānta-sūtra erfahren wir nämlich, daß das Brahman von Natur aus voller Freude ist. Es kann Sich daher nicht in einen Körper umwandeln, der Leiden ausgesetzt ist. In Wahrheit sind die Lebewesen winzige Teilchen des Brahman, die leicht von der illusionierenden Energie bedeckt werden können. Wie bereits erklärt, sind die winzigen Teile des Brahman Funken, die fröhlich im Feuer tanzen, und denen es geschehen kann, daß sie aus dem Feuer fallen und, statt zu brennen, nur noch qualmen, obgleich Rauch im Grunde auch nur ein anderer Zustand des Feuers ist. Die materielle Welt ist wie Rauch, und die spirituelle Welt gleicht einem lodernden Feuer. Den unzähligen Lebewesen kann es geschehen, daß sie unter den Einfluß der illusionierenden Energie geraten und von der spirituellen Welt in die materielle Welt hinabfallen, und ebensogut ist es für das Lebewesen auch möglich, wieder erlöst zu werden, wenn es durch die Entwicklung wirklichen Wissens vollständig von der Unreinheit der materiellen Welt befreit wird.
Die asuras sind der Meinung, die Lebewesen seien, nachdem die materielle Natur (prakṛti) vom puruṣa berührt wurde, aus dieser geboren worden. Doch auch diese Theorie kann nicht anerkannt werden, denn sowohl die materielle Natur als auch der Höchste Persönliche Gott sind ewig, weshalb weder die materielle Natur noch der Höchste Persönliche Gott geboren worden sein können. Der Höchste Herr ist daher als aja oder ungeboren bekannt, und ebenso wird auch die materielle Natur ajā genannt. Beide Wörter, aja sowie ajā, bedeuten »ungeboren«. Und weil sowohl die materielle Natur als auch der Höchste Herr ungeboren sind, ist es nicht möglich, daß sie die Lebewesen zeugen. Wie Wasser in Verbindung mit Luft unzählige Bläschen erzeugt, so bewirkt die Verbindung der materiellen Natur mit der Höchsten Person das Erscheinen der Lebewesen in der materiellen Welt. Und ebenso wie die Luftblasen im Wasser in unterschiedlichen Größen erscheinen, so erscheinen die Lebewesen unter dem Einfluß der Erscheinungsweisen der materiellen Natur in verschiedenen Formen und Lebenslagen. Es ist daher nicht falsch, den Schluß zu ziehen, daß alle Lebewesen, die in der materiellen Welt in verschiedenen Formen erscheinen, beispielsweise als Menschen, Halbgötter, Vögel und Säugetiere, ihre betreffenden Körper aufgrund ihrer Wünsche bekommen. Niemand kann eigentlich sagen, wann solche Wünsche in ihnen erwacht sind, und daher heißt es: anādi-karma. »Die Ursache des materiellen Daseins ist unauffindbar.« Niemand weiß, wann das materielle Leben begann, was jedoch nichts an der Tatsache ändert, daß es einen Anfang hat, denn ursprünglich ist jedes Lebewesen ein spiritueller Funken. Ebenso wie die Funken des Feuers zu einem bestimmten Zeitpunkt zu Boden gefallen sind, so sind auch die Lebewesen zu einem bestimmten Zeitpunkt in die materielle Welt gekommen. Wann dies war, vermag jedoch niemand zu sagen. Zur Zeit der Vernichtung gehen diese Lebewesen in den spirituellen Körper des Höchsten Herrn ein und verweilen dort in einem tiefschlafähnlichen Zustand, doch ihre ursprünglichen Wünsche, über die materielle Welt zu herrschen, vergehen nicht, und wenn erneut eine kosmische Manifestation stattfindet, kommen die Lebewesen wieder hervor, um diese Wünsche zu erfüllen, und erscheinen in verschiedenen Lebensformen.
Das Eingehen der Lebewesen in den Höchsten zur Zeit der Vernichtung wird mit der Verbindung des Blütennektars verglichen, der zu Honig wird. In einer Honigwabe bleiben die Geschmäcker der verschiedenen Blüten und Früchte, aus deren Nektar der Honig gewonnen wurde, erhalten. Wenn man Honig kostet, kann man zwar nicht genau feststellen, welcher Honig von welcher Blütenart stammt, doch der köstliche Geschmack des Honigs beweist, daß der Honig keine einheitliche Masse ist, sondern eine Mischung aus verschiedenen Geschmacksrichtungen. Ein anderes Beispiel ist das der Flüsse, die, obwohl sie sich letztlich mit dem Meerwasser vermischen, ihre individuellen Identitäten niemals verlieren. Obwohl sich also das Wasser des Ganges und das der Yamunā mit dem Wasser des Meeres vermischt, bleiben sowohl der Ganges als auch die Yamunā weiterhin gesondert bestehen. Beim Eingehen der Lebewesen in das Brahman zur Zeit der Vernichtung werden auch die verschiedenen Körperarten vernichtet. Was jedoch die Lebewesen betrifft, so bleiben diese mit ihren jeweiligen Geschmäckern bis zur nächsten Manifestation der materiellen Welt als Individuen im Brahman. Ganz so wie sich der salzige Geschmack des Meerwassers und der süße Geschmack des Gangeswassers voneinander unterscheiden und dieser Unterschied stets bestehen bleibt, so bleibt auch der Unterschied zwischen dem Höchsten Herrn und den Lebewesen ewig bestehen, wenngleich es so scheint, als würden sie zur Zeit der Vernichtung eins. Hieraus ergibt sich, daß die Lebewesen, selbst wenn sie von allen Unreinheiten der materiellen Bedeckung frei werden und in das spirituelle Königreich eingehen, ihre individuellen Geschmäcker in Beziehung zum Höchsten Herrn bewahren.
Die Veden in Person fuhren fort: »Lieber Herr, unsere Schlußfolgerung lautet, daß alle Lebewesen sich zu Deiner materiellen Energie hingezogen fühlen, und nur weil sie sich irrtümlich für Geschöpfe der materiellen Natur halten, wandern sie, ihre ewige Beziehung zu Dir vergessend, von Körper zu Körper. Aus Unwissenheit identifizieren sich diese Lebewesen fälschlich mit verschiedenartigen Lebensformen, und wenn sie zur menschlichen Form des Lebens gelangen, glauben sie sogar, einer bestimmten Menschenklasse, Nation, Rasse oder sogenannten Religion anzugehören, worüber sie ihre wirkliche Identität als Deine ewigen Diener ganz vergessen. Aufgrund dieser falschen Lebensauffassung sind sie wiederholten Geburten und Toden unterworfen. Wenn eines von vielen Millionen solcher Lebewesen zu wahrer Intelligenz kommt, erlangt es durch die Gemeinschaft mit reinen Gottgeweihten ein Verständnis vom Kṛṣṇa-Bewußtsein und entkommt dem Einfluß der materiellen Fehlauffassungen.«
Im Caitanya-caritāmṛta erklärt Śrī Kṛṣṇa Caitanya, daß die Lebewesen im Universum durch viele verschiedene Lebensarten wandern; wenn jedoch eines durch die Gnade des spirituellen Meisters und Kṛṣṇas, des Höchsten Persönlichen Gottes, zu ausreichender Intelligenz gelangt, beginnt es sein hingebungsvolles Leben im Kṛṣṇa-Bewußtsein. Es steht geschrieben: hariṁ vinā na mṛtim taranti. »Ohne die Hilfe des Höchsten Persönlichen Gottes kann man der Gewalt der wiederholten Geburten und Tode nicht entkommen. Das heißt, mit anderen Worten, nur der Höchste Herr, der Persönliche Gott, kann die bedingten Seelen aus dem Kreislauf der sich wiederholenden Geburten und Tode erlösen.
Die Veden in Person fuhren fort: »Der Einfluß der Zeit, in Form von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, und die materiellen Plagen, wie sengende Hitze, klirrende Kälte, Geburt, Tod, Alter und Krankheit, sind allesamt nichts weiter als die Bewegung Deiner Augenbrauen. Alles geschieht unter Deiner Führung.« In der Bhagavad-gītā wird gesagt, daß alle materiellen Abläufe unter der Führung Kṛṣṇas, des Höchsten Persönlichen Gottes, vonstatten gehen. Für Menschen, die sich Dir nicht hingegeben haben, stellen die Bedingungen des materiellen Daseins nur Widrigkeiten dar, aber bei denen, die hingegebene Seelen und im Kṛṣṇa-Bewußtsein völlig verankert sind, können diese Dinge keine Quelle der Furcht sein. Als, beispielsweise, Śrī Nṛsiṁhadeva erschien, fürchtete sich Prahlāda nicht im geringsten vor Ihm, wohingegen sein atheistischer Vater sogleich dem Tod in Person gegenüberstand und von ihm zerrissen wurde. Obwohl Nṛsiṁhadeva Atheisten wie Hiraṇyakaśipu als Tod erscheint, ist Er zu einem Gottgeweihten wie Prahlāda stets gütig und ist für ihn der Quell aller Freude. Ein reiner Gottgeweihter fürchtet sich daher nicht vor Geburt, Tod, Alter und Krankheit.
Śrīpāda Śrīdhara Svāmī verfaßte einst einen vortrefflichen Vers, der lautet: »Mein lieber Herr, ich bin ein Lebewesen, das ständig unter den Bedingungen des materiellen Daseins leidet. Ich bin vom alles-niederwälzenden Rad des materiellen Daseins in Stücke gemahlen worden, und weil ich während meines Aufenthaltes in der materiellen Welt so viele Sünden auf mich geladen habe, brenne ich im lodernden Feuer materieller Reaktionen. Auf irgendeine Weise, mein lieber Herr, bin ich nun endlich dahingelangt, Zuflucht bei Deinen Lotosfüßen zu suchen. Bitte nimm mich an, und gewähre mir Schutz.« Und Śrīla Narottama dāsa Ṭhākura betete: »Mein lieber Herr, o Sohn Nanda Mahārājas, Gefährte der Tochter Vṛṣabhānus, nun endlich, nachdem ich unter den materiellen Bedingungen des Lebens furchtbar gelitten habe, suche ich Zuflucht bei Deinen Lotosfüßen, und ich flehe Dich an, mir gnädig zu sein. Bitte stoß mich nicht von Dir; ich habe keine andere Zuflucht als Dich.«
Die Schlußfolgerung lautet, daß jeder Vorgang der Selbstverwirklichung oder Gotteserkenntnis außer bhakti-yoga oder hingebungsvollem Dienen äußerst schwierig ist. In völligem Kṛṣṇa-Bewußtsein beim hingebungsvollen Dienst für den Herrn Zuflucht zu suchen ist deshalb, ganz besonders im gegenwärtigen Zeitalter, der einzige Weg, von der Unreinheit des materiellen, bedingten Lebens frei zu werden. Diejenigen, die sich nicht im Kṛṣṇa-Bewußtsein betätigen, verschwenden nur ihre Zeit und haben nicht das geringste mit spirituellem Leben zu tun.
Śrī Rāmacandra sagte einmal: »Jedem, der sich Mir hingibt und endgültig beschließt, Mein ewiger Diener zu sein, gebe ich Vertrauen und Sicherheit, denn das ist Meine natürliche Neigung.« Ähnliches erklärt Śrī Kṛṣṇa in der Bhagavad-gītā (7.14): »Der Einfluß der materiellen Natur ist unüberwindlich; doch wer sich Mir hingibt, kann diesen Einfluß der materiellen Natur sehr leicht hinter sich lassen.« Die Gottgeweihten sind nicht im geringsten daran interessiert, sich mit den Nichtgottgeweihten zu streiten, um deren Theorien zu widerlegen. Statt ihre Zeit zu verschwenden, widmen sie sich in völligem Kṛṣṇa-Bewußtsein dem transzendentalen liebevollen Dienst für den Herrn.
Die Veden in Person fuhren fort: »Lieber Herr, einige große yoga-Mystiker mögen zwar vollständige Herrschaft über den Elefanten des Geistes und den Sturm der Sinne besitzen, doch wenn sie nicht bei einem echten spirituellen Meister Zuflucht suchen, fallen sie dem Einfluß der materiellen Natur zum Opfer und scheitern immer wieder in ihren Versuchen, selbstverwirklicht zu werden. Solche führerlosen Menschen werden mit Kaufleuten verglichen, die versuchen, auf einem Schiff ohne Kapitän über das Meer zu fahren. Durch eigene Anstrengungen kann also niemand der Gewalt der materiellen Natur entkommen. Man muß einen echten spirituellen Meister annehmen und nach seiner Weisung handeln. Erst dann kann man die Unwissenheit materieller Bedingtheiten hinter sich lassen. Śrīpāda Śrīdhara Svāmī dichtete einen in diesem Zusammenhang sehr schönen Vers, in welchem er sagt: »O allbarmherziger spiritueller Meister, Vertreter des Höchsten Persönlichen Gottes, wann wird mein Geist Deinen Lotosfüßen völlig hingegeben sein? Erst dann werde ich durch Deine Gnade von allen Hindernissen auf dem Pfad des spirituellen Lebens befreit werden können und immer voller Glückseligkeit sein.«
Wahres, ekstatisches samādhi oder vielmehr Versenkung in die Vergegenwärtigung des Höchsten Persönlichen Gottes kann man nur dadurch erlangen, daß man sich ständig dem Dienst des Herrn widmet, und dies ist nur möglich, wenn man unter der Führung eines echten spirituellen Meisters handelt. Die Veden geben deshalb die Anweisung, daß man sich, um die Wissenschaft des hingebungsvollen Dienens zu erlernen, einem echten spirituellen Meister unterwerfen muß. Ein echter spiritueller Meister ist jemand, der die Wissenschaft vom hingebungsvollen Dienst in der Nachfolge der Schüler erfahren hat. Die Nachfolge der Schüler wird śrotriyam genannt. Das Hauptmerkmal desjenigen, der ein spiritueller Meister in der Nachfolge der Schüler geworden ist, besteht darin, daß er vollkommen im bhakti-yoga tätig ist. Manchmal unterlassen es Menschen, einen spirituellen Meister anzunehmen, und bemühen sich statt dessen durch yoga-Mystik um Selbstverwirklichung, doch sind sie, wie sich in vielen Fällen, selbst bei so großen yogīs wie Viśvāmitra gezeigt hat, zum Scheitern verurteilt. Arjuna sagte in der Bhagavad-gītā (6.34), daß die Beherrschung des Geistes schwieriger sei als einen Sturm aufzuhalten, und manchmal wird der Geist auch mit einem tollwütigen Elefanten verglichen. Ohne der Weisung eines spirituellen Meisters zu folgen, kann man den Geist und die Sinne nicht beherrschen. Wenn man sich also in yoga-Mystik übt, aber keinen echten spirituellen Meister annimmt, wird man mit Sicherheit scheitern. Auf diese Weise verschwendet man nur seine kostbare Zeit. Die Veden geben zu verstehen, daß niemand über vollkommenes Wissen verfügen kann, der nicht von einem ācārya geführt wird: ācāryavān puruṣo veda. »Wer einen ācārya angenommen hat, weiß, was richtig und was falsch ist.« Die Absolute Wahrheit kann nicht durch Argumentation verstanden werden. Wer die Stufe des vollendeten brāhmaṇa erreicht hat, beginnt, sich in Entsagung zu üben, d. h,, er strebt nicht nach materiellem Gewinn, denn er ist durch spirituelle Erkenntnis zu dem Schluß gekommen, daß es in der Welt an nichts mangelt. Für alles ist vom Höchsten Persönlichen Gott in ausreichendem Maße gesorgt. Ein wirklicher brāhmaṇa bemüht sich deshalb nicht um materielle Vollkommenheit; vielmehr wendet er sich an einen echten spirituellen Meister, um von ihm Anweisungen entgegenzunehmen. Das Merkmal, durch das sich ein spiritueller Meister auszeichnet, wird als brahmaniṣṭham bezeichnet. Es bedeutet, daß er alle anderen Tätigkeiten aufgeben und sein Leben ausschließlich dem Dienst Śrī Kṛṣṇas, des Höchsten Persönlichen Gottes, geweiht hat. Wenn ein echter Schüler sich an einen echten spirituellen Meister wendet, betet er ergeben zu dem spirituellen Meister: »Lieber Herr, bitte nimm mich als deinen Schüler an und erziehe mich so, daß ich alle anderen Vorgänge der Selbstverwirklichung aufgeben und mich einfach nur dem hingebungsvollen Dienst im Kṛṣṇa-Bewußtsein widmen kann.«
Der Gottgeweihte, der dem Herrn unter der Führung des spirituellen Meisters transzendentale liebevolle Dienste darbringt, denkt im Innern: »Mein lieber Herr, Du bist der Speicher der Freude. Was ist nun, da Du gegenwärtig bist, die vergängliche Freude wert, die man aus Gesellschaft, Freundschaft und Liebe gewinnt? Menschen, die nicht wissen, daß Du der höchste Speicher der Freude bist, bemühen sich törichterweise, Freude aus der Befriedigung der Sinne zu gewinnen, doch diese Art der Freude ist vergänglich und illusorisch.«
In diesem Sinne erklärte Vidyāpati, ein großer Vaiṣṇava-Gottgeweihter und Poet: »Mein lieber Herr, zweifellos ist in Gesellschaft, Freundschaft und Liebe so etwas wie Freude zu finden, auch wenn sie nur materiell ist, doch kann solche Freude meinem Herzen, das wie eine Wüste ist, keine Zufriedenheit schenken.« In der Wüste ist ein ganzes Meer von Wasser vonnöten. Wenn man aber nur einen Tropfen Wasser auf den Wüstensand gießt, was ist dann dieses Wasser wert? In ähnlicher Weise lassen sich die zahllosen Wünsche in unseren materiell-verunreinigten Herzen niemals in einer materiellen Gesellschaft der Freundschaft und Liebe zufriedenstellen. Wenn unsere Herzen jedoch Freude aus dem höchsten Speicher der Freude empfangen, können wir wirkliche Befriedigung finden. Diese transzendentale Befriedigung kann man nur im hingebungsvollen Dienst, im völligen Kṛṣṇa-Bewußtsein erfahren.
Die Veden in Person fuhren fort: »Lieber Herr, Du bist sac-cid-ānanda-vigraha, die ewig-glückselige Gestalt des Wissens, und weil die Lebewesen Teile Deiner Persönlichkeit sind, sind sie sich in ihrem natürlichen Daseinszustand Deiner völlig bewußt. Jeder in der materiellen Welt, der solches Kṛṣṇa-Bewußtsein erweckt, hat kein Interesse mehr an der materialistischen Lebensweise. Ein Kṛṣṇa-bewußter Mensch verliert jegliches Interesse an Familienleben oder üppigen Lebensverhältnissen; er benötigt nur ein wenig, um den Ansprüchen seines Körpers zu genügen. Ihm ist, mit anderen Worten, überhaupt nicht mehr an Sinnenbefriedigung gelegen. Die Vollkommenheit des menschlichen Lebens gründet sich auf Wissen und Entsagung, doch ist es sehr schwer, die Stufe der Entsagung und des Wissens zu erreichen, solange man noch dem Familienleben verhaftet ist. Kṛṣṇa-bewußte Menschen suchen deshalb Zuflucht in der Gemeinschaft Gottgeweihter oder an heiligen Pilgerstätten. Sie sind sich der Beziehung zwischen der Überseele und den individuellen Lebewesen bewußt und werden niemals von der körperlichen Auffassung des Lebens beeinflußt. Da sie Dich stets ganz bewußt in ihren Herzen tragen, sind sie so rein, daß jeder Ort, an den sie sich begeben, in eine Pilgerstätte verwandelt wird, und das Wasser, mit dem ihre Füße gewaschen werden, viele sündige Menschen, die in der materiellen Welt umherirren, erlösen kann.«
Als Prahlāda Mahārāja eines Tages von seinem atheistischen Vater gefragt wurde, was er denn heute Schönes gelernt habe, erwiderte er, daß es für ständig mit Sorgen behaftete Materialisten, die sich mit zeitweiligen und relativen Wahrheiten befassen, das allerbeste sei, den dunklen Brunnen des Familienlebens zu verlassen und in den Wald zu ziehen, um dort Zuflucht beim Höchsten Herrn zu suchen. Die wirklich reinen Gottgeweihten werden als mahātmās gerühmt, als große Weise oder Persönlichkeiten, die vollkommenes Wissen besitzen. Sie denken ständig an den Höchsten Herrn und Seine Lotosfüße und werden somit ohne weiteres befreit. Die Gottgeweihten, die sich ständig auf dieser Ebene befinden, werden mit den unfaßbaren Kräften des Herrn aufgeladen, und so werden sie selbst zur Ursache der Befreiung für ihre Nachfolger und Geweihten. Eine Kṛṣṇa-bewußte Person ist voll spiritueller Energie, und daher wird jeder, der mit einem solchen Gottgeweihten in Berührung kommt oder bei ihm Zuflucht sucht, ebenfalls von spirituellen Kräften erfüllt. Ein solcher Gottgeweihter ist niemals stolz auf materielle Füllen. Unter materiellen Füllen versteht man im allgemeinen eine gute Herkunft, Bildung, Schönheit und Reichtum. Ein Gottgeweihter aber wird, selbst wenn er all diese vier materiellen Füllen besitzt, niemals von Stolz auf solche Vorzüge überwältigt. Große Geweihte des Herrn reisen durch die ganze Welt, von einer Pilgerstätte zur anderen, wobei sie vielen bedingten Seelen begegnen, die sie durch ihre Gesellschaft und ihr transzendentales Wissen befreien. Sie leben an Orten wie Vṛndāvana, Mathurā, Dvārakā, Jagannātha Purī und Navadvīpa, weil dort ausschließlich Gottgeweihte zusammenkommen. Auf diese Weise nutzen sie die Gesellschaft Heiliger, durch die sie immer mehr Fortschritte im Kṛṣṇa-Bewußtsein machen. Solcher Fortschritt ist im gewöhnlichen Haushälterleben, in dem Kṛṣṇa-Bewußtsein fehlt, nicht möglich.
Die Veden in Person fuhren fort: »Lieber Herr, es gibt zwei Arten von Transzendentalisten, die Unpersönlichkeitsverehrer und die Verehrer des Persönlichen. Die Unpersönlichkeitsverehrer sind der Ansicht, die materielle Welt sei Trug, und nur die Absolute Wahrheit sei Wirklichkeit. Nach der Auffassung der Verehrer des Persönlichen jedoch ist die materielle Welt, obwohl sie nur zeitweilig besteht, keine Täuschung, sondern Wirklichkeit. Die Transzendentalisten beider Arten führen vielerlei Argumente an, die für die Richtigkeit ihrer Philosophien sprechen. Im Grunde ist die materielle Welt zugleich wirklich und unwirklich. Sie ist Wirklichkeit, weil alles eine Erweiterung der Höchsten Absoluten Wahrheit ist, und sie ist unwirklich, weil ihr Dasein zeitweilig ist, denn sie wird erschaffen und vernichtet. Weil die kosmische Manifestation sich ständig wandelt, befindet sie sich nie in einem bleibenden Zustand. Diejenigen, nach deren Ansicht die materielle Welt als unwirklich zu verstehen ist, vertreten gewöhnlich den Grundsatz: brahma satya jagat mithyā [* »Das Brahman ist Wahrheit, die materielle Welt ist Trug« *]. Sie verweisen darauf, daß alles in der materiellen Welt aus Materie bestehe. Zum Beispiel gebe es viele Dinge aus Ton wie irdene Töpfe, Teller und Kugeln. Nach ihrer Vernichtung würden sie zwar vielleicht in andere materielle Dinge umgewandelt, doch blieben sie unter allen Umständen weiterhin der Beschaffenheit nach Ton. Ein irdener Wassertopf z. B. werde, nachdem er zerbrochen sei, vielleicht zu einer Schüssel oder einem Teller, doch die Erde bleibe, ganz gleich, ob sie zu einem Teller, einer Schüssel oder einem Wasserkrug geformt werde, immer die gleiche. Deshalb seien die Formen des Wassertopfes, der Schüssel oder des Tellers Trug, ihre Beschaffenheit als Erde hingegen Wirklichkeit. Das jedenfalls ist die Ansicht der Unpersönlichkeits-Philosophen. Ebenso, so sagen sie, sei die kosmische Manifestation zwar von der Absoluten Wahrheit geschaffen worden, doch weil ihr Dasein zeitweilig ist, sei sie falsch. In den Augen der Unpersönlichkeitsphilosophen ist nämlich die Absolute Wahrheit, da sie ewig besteht, die einzige Wahrheit. Andere Transzendentalisten jedoch sind der Auffassung, die materielle Welt sei, da sie von der Absoluten Wahrheit erzeugt wurde, ebenfalls wahr. Das Gegenargument der Unpersönlichkeitsanhänger lautet, daß die materielle Welt nicht Wirklichkeit sein könne, da man manchmal beobachte, daß Materie von der spirituellen Seele und ein anderes Mal die spirituelle Seele aus der Materie erzeugt werde. Sie verweisen dabei darauf, daß bisweilen Skorpione aus Kuhdung hervorkröchen, obwohl Kuhdung tote Materie sei, und daß andererseits tote Materie, wie Nägel und Haare, aus dem lebenden Körper wachse. Deshalb, so sagen sie, seien die Dinge, die von einem Objekt geschaffen worden seien, nicht immer ihrem Ursprung gleich. Auf dieses Argument stützen die Māyāvādī-Philosophen ihre These, die kosmische Manifestation sei, obwohl sie aus der Absoluten Wahrheit hervorgehe, nicht unbedingte Wirklichkeit. Ihrer Ansicht nach soll die Absolute Wahrheit, das Brahman, als Wahrheit verstanden werden, die kosmische Manifestation dagegen nicht, obwohl sie ein Produkt der Absoluten Wahrheit ist. Diese Auffassung der Māyāvādī-Philosophen wird in der Bhagavad-gītā (16.8) als die Betrachtungsweise der asuras, der Dämonen, beschrieben. Der Herr erklärt dort: asatyam apratiṣṭhaṁ te jagad āhur anīśvaram. »In den Augen der asuras ist die gesamte Schöpfung Trug. Die asuras glauben, die Wechselwirkungen der Materie seien die Schöpfungsursache, und es gebe keinen Kontrollierenden oder Gott. Doch in Wirklichkeit verhält es sich nicht so. Aus dem Siebten Kapitel der Bhagavad-gītā erfahren wir, daß die fünf groben Elemente - Erde, Wasser, Luft, Feuer und Himmel - und die feinen Elemente - Geist, Intelligenz und falsches Ich - die acht abgesonderten Energien des Höchsten Herrn sind. Außer dieser niederen, materiellen Energie gibt es noch eine spirituelle Energie, die Lebewesen. Die Lebewesen gehören zur höheren Energie des Herrn. Die gesamte kosmische Manifestation ist eine Verbindung der niederen mit der höheren Energie; der Ursprung beider ist der Höchste Persönliche Gott. Der Höchste Persönliche Gott besitzt viele verschiedene Arten von Energien, wie es in den Veden mit den Worten parāsya śaktir vividhaiva śrūyate bestätigt wird. Die transzendentalen Energien des Herrn sind von mannigfaltiger Art, und weil diese Mannigfaltigkeit vom Höchsten Herrn ausgeht, kann sie nicht Trug sein. Der Herr existiert ewig, und auch Seine Energien existieren ewig. Ein Teil dieser Energie ist zwar zeitweilig, d. h. manchmal manifestiert und manchmal unmanifestiert, doch das bedeutet keinesfalls, daß dieser Teil falsch ist. Am Beispiel eines Menschen, der, wenn er in Wut gerät, Dinge tut, die er gewöhnlich nicht täte, läßt sich dies veranschaulichen. Daß sein Zorn nur vorübergehend erscheint und dann wieder verschwindet, bedeutet nicht, daß der Zorn als Energie Täuschung ist. Die Behauptung der Māyāvādī-Philosophen, die materielle Welt sei Trug, kann daher von den Vaiṣṇava-Philosophen nicht befürwortet werden. Der Herr Selbst erklärt, daß die Auffassung, es gebe keine höchste Ursache der kosmischen Manifestation, es existiere kein Gott und alles Bestehende sei nur eine Schöpfung von Wechselwirkungen der Materie, der Betrachtungsweise der asuras entspricht.
Die Māyāvādī-Philosophen führen manchmal das Beispiel von der Schlange und dem Seil als Argument an: abends, wenn es dunkel sei, halte man manchmal ein aufgerolltes Seil für eine Schlange. Doch daß man das Seil für eine Schlange hält, bedeutet nicht, daß das Seil oder die Schlange unwirklich sind, und deshalb ist dieses Beispiel der Māyāvādīs, an dem sie die Unwirklichkeit der materiellen Welt deutlich machen wollen, nicht zutreffend. Nur dann, wenn man glaubt, etwas, das es überhaupt nicht gibt, sei Wirklichkeit, ist die betreffende Sache als unwirklich zu bezeichnen. Doch wenn etwas mit etwas anderem nur verwechselt wird, bedeutet dies noch lange nicht, daß es unwirklich ist. Die Vaiṣṇavas gebrauchen in diesem Zusammenhang ein sehr treffendes Beispiel, indem sie die materielle Welt mit einem irdenen Topf vergleichen. Wenn wir einen irdenen Topf ansehen, verschwindet er nicht sogleich vor unseren Augen oder wandelt sich in etwas anderes. Er mag zwar zeitweilig sein, aber man kann ihn zum Wassertragen benutzen, und wir sehen ihn weiterhin als irdenen Topf. Wir können daher, obwohl der irdene Topf zeitweilig und von der ursprünglichen Erde verschieden ist, nicht sagen, er sei unwirklich. Wir sollten vielmehr zu dem Schluß kommen, daß sowohl die gesamte Erde als auch der irdene Krug Wirklichkeit sind, denn das eine geht aus dem anderen hervor. Aus der Bhagavad-gītā erfahren wir, daß die Energie des Herrn nach der Auflösung der kosmischen Manifestation in den Höchsten Persönlichen Gott eingeht. Der Höchste Persönliche Gott existiert ewig mit Seinen mannigfachen Energien, und weil die kosmische Manifestation von Ihm ausgeht, können wir nicht sagen, sie sei aus einem »Nichts« entstanden. Kṛṣṇa ist kein »Nichts«. Immer, wenn wir von Kṛṣṇa sprechen, ist Er mit Seiner Gestalt, Seinen Eigenschaften, Seinem Namen, Seiner Umgebung und allem sonst noch zu Ihm Gehörenden gegenwärtig. Daher ist Kṛṣṇa nicht unpersönlich. Die ursprüngliche Ursache alles Bestehenden ist weder ein Nichts noch unpersönlich, sondern die Höchste Person. Dämonen mögen behaupten, die materielle Schöpfung sei anīśvara, d. h. ohne einen Kontrollierenden, ohne Gott, doch letzten Endes sind solche Behauptungen unhaltbar.
Das Beispiel der Māyāvādī-Philosophen, daß unbelebte Materie, wie Nägel und Haare, aus dem lebenden Körper komme, ist kein sehr stichhaltiges Argument. Nägel und Haare sind zwar unzweifelhaft leblos, doch wachsen sie nicht aus dem lebendigen Wesen, sondern aus seinem leblosen materiellen Körper. Ebensowenig ist das Beispiel, daß der Skorpion aus dem Kuhdung komme, ein Beweis dafür, daß das Lebewesen aus Materie entsteht. Der Skorpion, der aus dem Kuhdung kommt, ist zwar ein Lebewesen, doch das Lebewesen entsteht nicht aus dem Kuhdung. Nur der materielle Körper des Lebewesens oder vielmehr des Skorpions geht aus dem Kuhdung hervor. Wie wir aus der Bhagavad-gītā (14.3-4) erfahren, werden die spirituellen Funken, die Lebewesen, in die materielle Welt versetzt und erscheinen dann in ihr. Die verschiedenen Körper der Lebewesen werden von der materiellen Natur gegeben, doch das Lebewesen selbst wird vom Höchsten Herrn gezeugt. Der Vater und die Mutter geben dem Lebewesen einen Körper, den es unter bestimmten Lebensumständen benötigt. Das Lebewesen wandert seinen verschiedenen Wünschen folgend von Körper zu Körper. Die Wünsche in Form der feinen Elemente Intelligenz, Geist und falsches Ich begleiten das Lebewesen von einem Körper zum anderen, und so wird es durch höhere Fügung immer wieder in die Gebärmutter eines bestimmten Körpers gesetzt, wo es einen ähnlichen Körper entwickelt. Die spirituelle Seele wird also nicht von Materie erzeugt, sondern nimmt vielmehr unter der Aufsicht höherer Autoritäten einen bestimmten materiellen Körper an. Bis jetzt haben wir erkannt, daß die materielle Welt eine Verbindung von Materie und Spirituellem ist, und weiterhin, daß das Spirituelle die Materie bewegt. Die spirituelle Seele, das Lebewesen, und die Materie sind verschiedene Energien des Höchsten Herrn. Weil beide Energien Produkte des höchsten Ewigen, der höchsten Wahrheit sind, sind sie wirklich - sie sind nicht Trug. Und da das Lebewesen ein Teil des Höchsten ist, existiert es ewig. Von Geburt und Tod kann daher keine Rede sein. Was man Geburt und Tod nennt, bezieht sich auf den materiellen Körper. Der vedische Ausspruch sarvaṁ khalv idaṁ brahma besagt: Weil sowohl die materielle als auch die spirituelle Energie aus dem Höchsten Brahman hervorgegangen sind, ist alles in unserer Erfahrung nicht verschieden vom Brahman.
Es gibt viele Erklärungen für das Vorhandensein der materiellen Welt, doch die philosophische Schlußfolgerung der Vaiṣṇavas ist die beste. Ihr Beispiel vom irdenen Krug ist sehr treffend. Die Form des irdenen Topfes mag zeitweilig sein, doch dient sie einem bestimmten Zweck. Der Zweck des irdenen Kruges besteht darin, Wasser von einem Ort zu einem anderen zu befördern. In ähnlicher Weise ist auch unser materieller Körper, obwohl er zeitweilig ist, von einem besonderen Nutzen. Dem Lebewesen ist von Anbeginn der Schöpfung die Möglichkeit gegeben, entsprechend der Wünsche, die ihm von seinen seit unvordenklichen Zeiten angesammelten Wünschen geblieben sind, verschiedene Arten materieller Körper zu entwickeln. Der menschliche Körper bietet die besondere Möglichkeit, von einem hochentwickelten Bewußtsein Gebrauch zu machen.
Manchmal stellen die Māyāvādī-Philosophen die herausfordernde Frage: »Wenn die materielle Welt Wahrheit ist, warum wird dann den Haushältern geraten, ihre Verbindung mit der materiellen Welt aufzugeben und sannyāsa anzunehmen? Doch nach dem Verständnis der Vaiṣṇava-Philosophen muß man nicht deshalb materielle Tätigkeiten aufgeben, weil die Welt Trug ist. Vielmehr ist es der Sinn des Vaiṣṇava-sannyāsa, daß man die Dinge ihrer eigentlichen Bestimmung gemäß benutzt. Wenn ein Vaiṣṇava die materialistische Lebensweise aufgibt und sannyāsa annimmt, tut er dies nicht, weil er die materielle Welt für Trug hält, sondern um sich ganz der Aufgabe widmen zu können, alles in den Dienst des Herrn zu stellen. Śrīla Rūpa Gosvāmī gab uns daher folgende zwei Grundregeln für unser Verhalten gegenüber der materiellen Welt: »Man sollte nicht an der materiellen Welt haften, denn materielle Anhaftung ist unsinnig. Die ganze materielle Welt, die gesamte kosmische Manifestation ist das Eigentum Gottes, Kṛṣṇas. Deshalb sollte alles für Kṛṣṇa gebraucht werden, und der Gottgeweihte sollte nicht an materiellen Dingen haften.« Das ist der Sinn des Vaiṣṇava-sannyāsa. Ein Materialist hängt an der Welt, weil er nach Sinnenbefriedigung begehrt, doch ein Vaiṣṇava-sannyāsī, der die Kunst kennt, alles im Dienst des Herrn zu benutzen, nimmt nichts zur eigenen Sinnenbefriedigung. Śrīla Rūpa Gosvāmī tadelte deshalb die Māyāvādī-sannyāsīs, da sie nicht wissen, daß alles im Dienst des Herrn verwendet werden kann. Statt dessen halten sie die Welt für Trug und bilden sich ein, sie seien von der Unreinheit der materiellen Welt befreit. Doch weil alles eine Erweiterung der Energie des Herrn ist, sind die Erweiterungen ebenso Wirklichkeit wie der Höchste Herr Selbst.
Daß die kosmische Welt nur zeitweilig manifestiert ist, bedeutet keineswegs, daß sie Trug ist, oder daß der Ursprung ihrer Manifestation Trug ist. Da der Ursprung ihrer Manifestation Wirklichkeit ist, ist auch die Manifestation Wirklichkeit. Man muß nur wissen, wie sie zu nutzen ist. Hier läßt sich noch einmal das Beispiel des Krugs anführen: Der zeitweilige irdene Krug wird zwar aus Erde hergestellt, doch wenn er richtig verwendet wird, ist er keineswegs Täuschung. Die Vaiṣṇava-Philosophen wissen die zeitweilige Konstruktion der materiellen Welt zu nutzen, ebenso wie ein vernünftiger Mensch die zeitweilige Form eines irdenen Kruges zu nutzen weiß. Wenn der irdene Krug jedoch falsch gebraucht wird, ist er Trug. In ähnlicher Weise sind die menschliche Form des Lebens oder die materielle Welt Trug, wenn sie zu falscher Sinnenbefriedigung mißbraucht werden. Wenn aber der menschliche Körper und die materielle Schöpfung in den Dienst des Höchsten Herrn gestellt werden, sind ihre Tätigkeiten keinesfalls falsch. In der Bhagavad-gītā (2.40) wird bestätigt, daß schon ein kleiner Dienst, bei dem der Körper und die materielle Welt für den Herrn benutzt werden, wenn er mit etwas Hingabe versehen wird, den Menschen vor der größten Gefahr des Lebens bewahren kann. Wenn die höheren und niederen Energien, die beide vom Höchsten Herrn ausgehen, richtig verwendet werden, ist keine von ihnen falsch. Was jedoch fruchtbringende Tätigkeiten betrifft, so liegen sie hauptsächlich auf der Ebene der Sinnenbefriedigung. Deshalb gibt sich ein im Kṛṣṇa-Bewußtsein Fortgeschrittener nicht mit ihnen ab. Das Ergebnis fruchtbringender Tätigkeiten kann einen Menschen zwar zu höheren Planeten befördern, doch müssen, wie in der Bhagavad-gītā (9.21) erklärt wird, törichte Personen, nachdem sie die Ergebnisse ihrer frommen Werke im himmlischen Königreich aufgebraucht haben, wieder auf einen der niederen Planeten zurückkommen, wo sie dann aufs neue versuchen, zu himmlischen Planeten zu gelangen. Das einzige, was sie dabei ernten, sind die Schwierigkeiten des Hin- und Zurückwanderns. Sie gleichen hierin den vielen materiellen Wissenschaftlern unserer Tage, die ihre Zeit mit dem Versuch verschwenden, zum Mond zu reisen und die dann wieder zurückkehren. Diejenigen, die solchen Tätigkeiten nachgehen, werden von den Veden in Person als andha-paramparā oder blinde Anhänger der rituellen vedischen Zeremonien beschrieben. Diese Zeremonien werden zwar in den Veden erwähnt, doch sind sie nicht für intelligente Menschen bestimmt. Nur diejenigen, die zu sehr an materiellem Genuß hängen, werden von der Aussicht verlockt, zu den höheren Planetensystemen befördert zu werden, und widmen sich solchen Riten. Ein intelligenter Mensch aber, d. h. jemand, der Zuflucht bei einem spirituellen Meister gesucht hat, um die Dinge zu erkennen, wie sie wirklich sind, befaßt sich nicht mit fruchtbringenden Tätigkeiten, sondern weiht sich dem transzendentalen liebevollen Dienst für den Herrn. Die Nichtgottgeweihten wenden sich aus materialistischen Motiven den vedischen Ritualzeremonien zu, wodurch sie jedoch nur in Verwirrung geraten.
Um den Unterschied zwischen den Vaiṣṇava- und Māyāvādī-Philosophen deutlich zu machen, gibt es ein anschauliches Beispiel: Ein intelligenter Mensch, der eine Million Mark in gültigen Scheinen besitzt, läßt sein Geld nicht ungenutzt, obwohl er sehr gut weiß, daß die Geldscheine an sich nichts weiter als Papier sind. Wenn man eine Million Mark in Scheinen besitzt, hat man im Grunde nur ein großes Bündel Papier, doch wenn man mit dem Geld etwas kauft, ist das von großem Nutzen. In ähnlicher Weise verhält es sich mit der materiellen Welt. Obwohl sie unwirklich sein mag, ebenso wie das Geld nur aus Papier besteht, hat sie doch ihre richtige und nutzbringende Verwendung. Weil die Geldscheine vom Staat ausgegeben werden, haben sie, obwohl sie nur aus Papier bestehen, großen Wert. Ebenso mag die materielle Welt Täuschung oder zeitweilig sein; doch weil sie eine Erweiterung des Höchsten Herrn ist, hat auch sie ihren Wert. Der Vaiṣṇava-Philosoph erkennt den Wert der materiellen Welt und weiß sie richtig zu nutzen, wohingegen der Māyāvādī-Philosoph, der die Banknoten für falsch hält, weil sie aus Papier bestehen, das Geld fortwirft und es damit ungenutzt läßt. Śrīla Rūpa Gosvāmī erklärt daher, daß es wenig Wert habe, die materielle Welt als falsch abzulehnen, nur weil man ihre Bedeutung als Mittel, dem Höchsten Persönlichen Gott zu dienen, nicht erkennt; solche Entsagung sei wertlos. Wer sich dagegen des wahren Wertes der materiellen Welt, nämlich für den Dienst des Herrn, bewußt ist, nicht an der materiellen Welt hängt und ihr entsagt, indem er sie nicht zur Befriedigung seiner eigenen Sinne benutzt, übt wirkliche Entsagung. Die materielle Welt ist eine Erweiterung der materiellen Energie des Herrn, und deshalb ist sie Wirklichkeit. Sie ist nicht Trug, wie manchmal aus dem Beispiel von der Schlange und dem Seil geschlossen wird.
Die Veden in Person fuhren fort: »Die kosmische Manifestation erscheint weniger intelligenten Menschen aufgrund der flackernden Natur ihres vorübergehenden Daseins als unwirklich.« Die Māyāvādīs nehmen die flackernde Natur der kosmischen Manifestation als Beweis für ihre These, die ganze Welt sei Trug. Nach den Veden war die Welt vor der Schöpfung nicht existent und wird auch nach ihrer Auflösung nicht länger manifestiert sein. Die Philosophen der Lehre vom Nichts legen diese vedische Wahrheit in ihrem Sinne aus und schließen, daß der Ursprung der materiellen Welt das »Nichts« sei. Die vedischen Schriften sagen jedoch niemals, daß der Ursprung das Nichts ist. Die Veden definieren den Ursprung der Schöpfung und Auflösung als yato vā imāni bhūtāni jāyante, d. h. »Er, aus dem die kosmische Manifestation hervorgegangen ist, und in den nach der Vernichtung alles eingehen wird«. Das gleiche wird im Vedānta-sūtra und im Vers 1 des Śrīmad-Bhāgavatam mit dem Wort janmādyasya erklärt, das bedeutet: »Er, von dem alle Dinge ausgehen.« Alle diese vedischen Anweisungen deuten darauf hin, daß die kosmische Manifestation ihre Ursache im Höchsten Absoluten Persönlichen Gott hat, und daß sie, wenn sie aufgelöst wird, wieder in Ihn eingeht. Das gleiche wird in der Bhagavad-gītā (9.7-8) bestätigt: » Die kosmische Manifestation wird erschaffen und wieder aufgelöst und tritt nach der Auflösung ins Dasein des Höchsten Herrn ein.« Diese Aussage spricht eindeutig dafür, daß die bahiraṅgā-māyā oder die äußere Energie, obwohl von flackernder Natur, eine Energie des Höchsten Herrn ist und als solche nicht unwirklich sein kann. Sie scheint nur unwirklich zu sein. Die Māyāvādī-Philosophen glauben vor allem deshalb, die materielle Natur sei Trug, weil sie zu Anfang und nach ihrer Auflösung nicht existiert. Doch am Beispiel der irdenen Krüge und Teller wird das vedische Verständnis dargelegt. Obwohl das Dasein der einzelnen Produkte der Absoluten Wahrheit zeitweilig ist, ist die Energie des Höchsten Herrn immerwährend. Der irdene Krug oder Wassertopf mag zerbrochen oder zu etwas anderem umgeformt werden, wie z. B. zu einem Teller oder einer Schüssel, doch der Grundstoff, Erde, bleibt der gleiche. Ebenso ist das Grundprinzip der kosmischen Manifestation immer das gleiche, nämlich das Brahman oder die Absolute Wahrheit; die Māyāvādī-Theorie, die besagt, die Welt sei unwirklich, ist daher zweifellos lediglich ein Hirngespinst. Daß die kosmische Manifestation flackernd und zeitweilig ist, bedeutet nicht, daß sie unwirklich ist. Die Definition für »unwirklich« lautet, »das, was es niemals gab, sondern nur dem Namen nach existiert.« Pferdeeier, Luftblumen oder Kaninchenhörner bespielsweise sind Dinge, die nur dem Namen nach existieren. In Wirklichkeit gibt es keine Pferdeeier oder Kaninchenhörner, noch Blumen, die in der Luft wachsen. Man könnte viele Dinge nennen, die nur dem Namen nach oder in der Phantasie existieren, doch im Grunde gar nicht vorhanden sind. Solche Dinge sind zu Recht als unwirklich zu bezeichnen. Die materielle Welt jedoch kann von den Vaiṣṇavas nicht als unwirklich angesehen werden, nur weil sich ihre zeitweilige Natur manifestiert und wieder auflöst.
Die Veden in Person sagten als nächstes, daß Paramātmā und jīvātmā, die Überseele und die individuelle Seele, einander niemals gleich sein könnten, obwohl sie gemeinsam im selben Körper weilen wie zwei Vögel, die auf dem gleichen Baum sitzen. In den Veden wird erklärt, daß die beiden Vögel, obwohl sie als Freunde im gleichen Körper sitzen, einander nicht ebenbürtig sind. Der eine ist nur Zeuge. Dieser Vogel ist der Paramātmā oder die Überseele. Und der andere ißt die Früchte des Baumes. Das ist der jīvātmā. Wenn die kosmische Manifestation stattfindet, erscheinen die jīvātmās, die individuellen Seelen, je nach ihren früheren fruchtbringenden Tätigkeiten, in verschiedenen Lebensformen, und weil sie schon seit langer Zeit ihr wirkliches Dasein vergessen haben, identifizieren sie sich mit dem jeweiligen Körper, der ihnen durch die Gesetze der materiellen Natur gegeben wird. Wenn der jīvātmā einen materiellen Körper angenommen hat, wird er den drei Erscheinungsweisen der materiellen Natur unterworfen, handelt unter ihrem Einfluß und setzt somit seinen Aufenthalt in der materiellen Welt fort. Während er so in Unwissenheit eingehüllt ist, sind seine natürlichen Füllen, die er in winzigem Ausmaß besitzt, fast gänzlich geschwunden. Die Füllen der Überseele oder des Höchsten Persönlichen Gottes indes verringern sich, auch wenn Er in der materiellen Welt erscheint, niemals. Er behält stets alle Füllen und Vollkommenheiten und hält Sich immer von allen Widerwärtigkeiten der materiellen Welt fern. Die bedingte Seele verstrickt sich in die materielle Welt, wohingegen die Überseele oder der Höchste Persönliche Gott sie ohne Anhaftung verläßt, ähnlich wie eine Schlange ihre Haut abwirft. Der Unterschied zwischen der Überseele und der bedingten individuellen Seele liegt darin, daß die Überseele oder der Höchste Persönliche Gott immer Seine natürlichen Füllen behält, die man als ṣaḍ-aiśvarya, aṣṭa-siddhi und aṣṭa-guṇa kennt. Weil die Māyāvādī-Philosophen nur ein dürftiges Maß an Wissen besitzen, übersehen sie die Tatsache, daß Kṛṣṇa von sechs Füllen, acht transzendentalen Eigenschaften und acht Vollkommenheiten erfüllt ist. Die sechs Füllen Kṛṣṇas sind Sein unübertrefflicher Reichtum, Seine unübertreffliche Kraft, Seine unübertreffliche Schönheit, Sein unübertrefflicher Ruhm, Sein unübertreffliches Wissen und Seine unübertreffliche Entsagung. Die erste der sechs transzendentalen Eigenschaften Kṛṣṇas ist, daß Er stets von der Unreinheit des materiellen Daseins unberührt bleibt. Diese Eigenschaft wird auch in der Īśopaniṣad erwähnt, und zwar als apāpa viddham: Ebenso wie die Sonne niemals durch Verunreinigung befleckt wird, so wird der Höchste Herr niemals durch irgendwelche sündhaften Handlungen verunreinigt. Obwohl Kṛṣṇas Handlungen zuweilen unfromm erscheinen mögen, wird Er niemals durch sie befleckt. Die zweite transzendentale Eigenschaft Kṛṣṇas ist, daß Er niemals stirbt. In der Bhagavad-gītā (4.5) klärt der Herr Arjuna darüber auf, daß Er und Arjuna schon viele Male in der materiellen Welt erschienen sind, daß aber nur Er Sich an ihre Erlebnisse in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft erinnern kann. Dies bedeutet, daß Kṛṣṇa niemals stirbt, denn Vergessen hat seine Ursache im Tod. Wenn wir sterben, wechseln wir unsere Körper und vergessen somit. Kṛṣṇa jedoch vergißt nie. Er kann Sich an alles erinnern, was jemals geschah. Wie sonst hätte Er Sich entsinnen können, daß Er das yoga-System der Bhagavad-gītā zuerst dem Sonnengott Vivasvān lehrte? Er stirbt also nie. Auch wird Er niemals alt. Obwohl Kṛṣṇa bereits Großvater war, als Er auf dem Schlachtfeld von Kurukṣetra zu sehen war, erschien Er nicht als alter Mann. Kṛṣṇa kann niemals von Sünden befleckt werden, Kṛṣṇa stirbt nie, Kṛṣṇa wird niemals alt, Kṛṣṇa braucht niemals zu klagen, Kṛṣṇa ist niemals hungrig, noch fühlt Er Sich jemals durstig. Was auch immer Er wünscht, ist vollkommenes Gesetz, und Sein Beschluß kann von niemandem geändert werden. Dies sind Kṛṣṇas transzendentale Eigenschaften. Überdies ist Er auch als Yogeśvara bekannt, d. h., Er besitzt alle Macht und Möglichkeiten mystischer Kräfte, wie z. B. aṇima-siddhi, die Macht, kleiner als das Kleinste zu werden. In der Brahma-saṁhitā (5.35) wird erklärt, daß Kṛṣṇa sogar in jedes Atom eingegangen ist, aṇdāntarastha-paramāṇu cayāntarastham. Auch weilt Kṛṣṇa als Garbhodakaśāyī Viṣṇu im riesigen Universum und liegt als Mahā-Viṣṇu im Ozean der Ursachen mit einem Körper, der so ungeheuer groß ist, daß beim Ausatmen Millionen und Abermillionen von Universen aus ihm hervorgehen. Das wird mahima-siddhi genannt. Kṛṣṇa besitzt auch die laghimā-Vollkommenheit, d. h., Er kann der Leichteste werden. In der Bhagavad-gītā (15.13) wird erklärt, daß die Planeten im Raum schweben, weil Kṛṣṇa in das Universum und die Atome eingegangen ist. Das ist die Erklärung für die Schwerelosigkeit.
Kṛṣṇa besitzt weiterhin die prāpti-Vollkommenheit, d. h., Er kann alles bekommen, was Er will, und ebenso gebietet Er vollständig über die īśitā-siddhi, die Macht zu herrschen, weshalb Er auch Parameśvara, der höchste Herrscher, genannt wird. Schließlich kann Er noch jeden unter Seinen Einfluß bringen, was als vaśitā-siddhi bezeichnet wird.
Kṛṣṇa ist der Besitzer sämtlicher Füllen, transzendentaler Eigenschaften und mystischer Kräfte; kein gewöhnliches Lebewesen ist mit Ihm zu vergleichen. Die Theorie der Māyāvādīs, daß die Überseele und die individuelle Seele ebenbürtig sind, ist ein Irrtum. Die Schlußfolgerung lautet daher, daß Kṛṣṇa zu verehren ist und daß alle anderen Lebewesen Seine Diener sind. Dieses Verständnis nennt man Selbstverwirklichung. Jedes Verständnis vom Selbst außerhalb der Beziehung zu Kṛṣṇa als ewiger Diener ist ein Werk māyās. Es heißt deshalb, māyā gebrauche ihre letzte Schlinge, wenn sie dem Lebewesen befehle zu versuchen, dem Höchsten Persönlichen Gott ebenbürtig zu werden. Der Māyāvādī-Philosoph behauptet, Gott ebenbürtig zu sein, doch kann er keine Antwort auf die Frage geben, warum er dann der materiellen Verstrickung zum Opfer gefallen sei. Wenn er wirklich Gott sei, wie habe er dann unfrommen Handlungen anheimfallen und damit dem leidbringenden Gesetz des karma unterworfen werden können? Wenn man die Māyāvādīs dieses fragt, können sie keine richtige Antwort geben. Die spekulative Behauptung, dem Höchsten Persönlichen Gott ebenbürtig zu sein, ist das Symptom eines sündhaften Lebens. Solange man nicht von allen Sünden befreit ist, kann man sich nicht dem Kṛṣṇa-Bewußtsein zuwenden. Allein die Tatsache, daß die Māyāvādīs erklären, sie könnten mit dem Höchsten Herrn eins werden, zeigt, daß sie noch nicht von den Reaktionen auf ihre Sünden befreit sind. Das Śrīmad-Bhāgavatam bezeichnet solche Menschen als aviśuddha-buddhayā, was bedeutet, daß sie sich fälschlich für befreit halten, obwohl sie sich zugleich der Absoluten Wahrheit ebenbürtig wähnen. Ihre Intelligenz ist nicht rein.
Die Veden in Person sagten, daß die yogīs und jñānīs in ihrem jeweiligen Vorgang der Selbstverwirklichung niemals Erfolg hätten, wenn sie sich nicht von sündigen Wünschen befreiten. »Lieber Herr«, fuhren die Veden in Person fort, »wenn sich die Heiligen nicht bemühen, die Wurzeln sündhafter Begierden gänzlich auszumerzen, können sie die Überseele niemals wahrnehmen, obwohl Sie direkt neben der individuellen Seele weilt. Samādhi oder Meditation bedeutet, die Überseele im Innern zu erkennen. Wer jedoch nicht von sündhaften Reaktionen frei ist, kann die Überseele nicht sehen. Wenn jemand ein Juwelmedaillon an seiner Halskette hängen hat, aber das Juwel vergißt, ist es fast so, als besitze er keines. In ähnlicher Weise hat eine individuelle Seele, die meditiert, aber nicht die Gegenwart der Überseele im Innern wahrnimmt, die Überseele nicht erkannt. Menschen, die sich dem Pfad der Selbstverwirklichung zugewandt haben, müssen also sehr darauf bedacht sein, nicht durch māyās Einfluß verunreinigt zu werden. Śrīla Rūpa Gosvāmī sagte, daß ein Gottgeweihter von allen Arten materieller Begierden völlig frei sein solle. Ein Gottgeweihter soll sich nicht um die Wirkungen von karma und jñāna kümmern. Man braucht nur Kṛṣṇa zu verstehen und Seine Wünsche zu erfüllen. Das ist die Stufe reiner Hingabe. Yoga-Mystiker, die immer noch unreine Wünsche nach Sinnenbefriedigung hegen, werden bei ihren Bemühungen niemals Erfolg haben, noch können sie die Überseele im individuellen Selbst erkennen. Sogenannte yogīs und jñānīs, die ihre Zeit mit verschiedenen Arten der Sinnenbefriedigung verschwenden, indem sie sich entweder in intellektuellen Spekulationen ergehen oder ihre begrenzten mystischen Kräfte zur Schau stellen, werden deshalb vom bedingten Leben niemals frei und müssen weiterhin immer wieder Geburt und Tod durchmachen. Für solche Sünder werden sowohl das gegenwärtige als auch das nächste Leben nichts anderes sein als Quellen des Leids. Sie leiden bereits im jetzigen Leben, und da sie nicht die Vollkommenheit in der Selbstverwirklichung erreicht haben, werden sie auch im nächsten Leben von Widrigkeiten geplagt werden. Trotz all ihrer Bemühungen, die Vollkommenheit zu erlangen, werden solche yogīs, die von Begierden nach Sinnenbefriedigung verunreinigt sind, in diesem wie auch im nächsten Leben weiter leiden.
Śrīla Viśvanātha Cakravartī Ṭhākura bemerkte einmal zu diesem Thema, daß sannyāsīs und andere im Lebensstand der Entsagung Stehende, die ihr Heim um der Selbstverwirklichung willen verlassen haben, sich jedoch nicht im hingebungsvollen Dienst für den Herrn betätigen, sondern sich statt dessen vom Ansporn zu wohltätigen Werken, wie dem Errichten von Bildungsstätten, Krankenhäusern oder auch Klöstern, Kirchen oder Tempeln für Halbgöttern verlocken lassen, mit solchen Bemühungen nur Schwierigkeiten ernten würden, und zwar nicht nur in diesem Leben, sondern auch im nächsten. Sannyāsīs, die ihr Leben nicht dazu nutzen, Kṛṣṇa zu erkennen, vergeuden nur Zeit und Energie mit Tätigkeiten, die im Grunde mit der Lebensstufe der Entsagung nichts zu tun haben. Wenn jedoch ein Gottgeweihter seine Kräfte für Dinge wie der Errichtung eines Viṣṇu-Tempels einsetzt, sind seine Bemühungen niemals vertan. Solche Tätigkeiten werden kṛṣṇāṛthe akhilaceṣṭā genannt, was bedeutet »vielerlei Tätigkeiten zur Freude Kṛṣṇas«. Die Eröffnung einer Schule durch einen sogenannten Menschenfreund und die Errichtung eines Tempels durch einen Gottgeweihten sind zwei Dinge, die sich durchaus nicht auf der gleichen Ebene befinden. Obwohl es ein frommes Werk sein mag, wenn ein Philanthrop eine Schule gründet, fällt diese Handlung immer noch unter das Gesetz des karma, wohingegen der Bau eines Tempels für Viṣṇu hingebungsvoller Dienst ist.
Hingebungsvoller Dienst untersteht niemals dem Gesetz des karma. Wie in der Bhagavad-gītā erklärt wird, stehen die Gottgeweihten transzendental zum Walten der drei Erscheinungsweisen der materiellen Natur und handeln auf der Ebene der Brahman-Erkenntnis: brahma-bhūyāya kalpate. In der Bhagavad-gītā (14.26) heißt es: sa guṇān samatityaitān brahma-bhūyāya kalpate. »Die Geweihten des Persönlichen Gottes transzendieren alle Reaktionen der drei Erscheinungsweisen der materiellen Natur und sind auf der transzendentalen Brahman-Ebene verankert.« Somit sind die Gottgeweihten sowohl in diesem als auch im nächsten Leben befreit. Was immer in der materiellen Welt für Yajña oder vielmehr Viṣṇu oder Kṛṣṇa getan wird, gilt als Handlung auf der Stufe der Befreiung, doch solange man keine Beziehung zu Acyuta, dem unfehlbaren Höchsten Persönlichen Gott, entwickelt hat, ist es unmöglich, den Reaktionen, die sich durch das Gesetz des karma ergeben, ein Ende zu bereiten. Das Leben im Kṛṣṇa-Bewußtsein ist das Leben der Befreiung. Ein Gottgeweihter ist also durch die Gnade des Herrn sowohl in diesem als auch im nächsten Leben befreit, wohingegen die karmīs, jñānīs und yogīs niemals befreit werden - weder in diesem Leben noch im nächsten.
Die Veden in Person fuhren fort: »Lieber Herr, jeder, der durch Deine Gnade die Herrlichkeit Deiner Lotosfüße erkannt hat, macht sich nichts mehr aus materiellem Glück und Leid.« Materielle Qualen sind unvermeidlich, solange wir uns in der materiellen Welt befinden, doch der Gottgeweihte lenkt seine Aufmerksamkeit niemals auf solche Aktionen und Reaktionen, die lediglich Folgen frommer und sündiger Handlungen sind. Auch ist ein Gottgeweihter nicht besonders betrübt oder erfreut, wenn die Leute ihn schmähen oder loben. Manchmal wird der Gottgeweihte für seine transzendentalen Tätigkeiten über alle Maßen gelobt, und ein anderes Mal tadelt man ihn, obgleich eigentlich gar kein Grund dazu besteht. Der reine Gottgeweihte bleibt jedoch stets gleichmütig gegenüber Lob oder Tadel. Tatsächlich befinden sich die Handlungen des Gottgeweihten auf der transzendentalen Ebene, und so schert er sich nicht um Lob oder Tadel seitens Menschen, die materiellen Tätigkeiten nachgehen. Wenn der Gottgeweihte also seine transzendentale Stellung wahren kann, sorgt der Höchste Persönliche Gott für seine Befreiung sowohl im gegenwärtigen wie auch im nächsten Leben. Die transzendentale Stellung des Gottgeweihten in der materiellen Welt wird dadurch erhalten, daß er in der Gemeinschaft reiner Gottgeweihter stets über die ruhmvollen Taten hört, die der Herr in verschiedenen Zeitaltern und Inkarnationen vollbrachte.
Die Bewegung für Kṛṣṇa-Bewußtsein beruht auf diesem Prinzip. Śrīla Narottama dāsa Ṭhākura singt in einem seiner Lieder: »Mein lieber Herr, bitte laß mich Dir transzendentale liebevolle Dienste darbringen, wie es uns die vorangegangenen ācāryas aufgetragen haben, und laß mich bitte in der Gemeinschaft reiner Gottgeweihter bleiben. Das ist mein Wunsch - Leben für Leben.« Es kümmert also einen Gottgeweihten wenig, ob er befreit ist oder nicht; er sehnt sich lediglich nach hingebungsvollem Dienen. Hingebungsvoller Dienst bedeutet, nichts unabhängig vom Einverständnis der ācāryas zu tun. Die Unternehmungen der Bewegung für Kṛṣṇa-Bewußtsein werden von den vorangegangenen ācāryas, vor allem Śrīla Rūpa Gosvāmī, gelenkt. In der Gemeinschaft von Gottgeweihten, die diesen Prinzipien folgen, kann ein Gottgeweihter in vollkommener Weise seine transzendentale Stellung aufrechterhalten.
In der Bhagavad-gītā (7.17) sagt der Herr, daß Ihm ein Gottgeweihter, der Ihn in Vollkommenheit kennt, sehr lieb ist. Es gibt vier Arten frommer Menschen, die sich dem hingebungsvollen Dienst zuwenden: Ein frommer Mensch, der sich in Not befindet, wendet sich an den Herrn, damit dieser sein Leid vermindere. Ein frommer Mensch, der materieller Hilfe bedarf, bittet ebenfalls den Herrn, ihm zu helfen. Ein frommer Mensch, der wirklich neugierig ist, die Wissenschaft Gottes kennenzulernen, nähert sich gleichfalls Kṛṣṇa, dem Höchsten Persönlichen Gott, und ebenso einer, der einfach den Wunsch hat, die Wissenschaft Gottes zu verstehen. Von diesen vier Arten wird die letztgenannte von Śrī Kṛṣṇa persönlich in der Bhagavad-gītā (7.17) gelobt. Wer versucht, Kṛṣṇa mit Wissen und Hingabe zu verstehen, und dem Beispiel der vorangegangenen ācāryas folgt, die mit dem wissenschaftlichen Wissen vom Höchsten Persönlichen Gott vertraut sind, ist rühmenswert. Ein solcher Gottgeweihter begreift, daß alle Lebenslagen, seien sie angenehm oder unangenehm, durch den Höchsten Willen des Herrn entstehen. Wenn er den Lotosfüßen des Höchsten Herrn völlig hingegeben ist, macht es ihm nichts aus, ob seine Lebenslage angenehm oder unangenehm ist. Ein Gottgeweihter sieht selbst widrige Umstände als eine besondere Gnade des Persönlichen Gottes an. Im Grunde gibt es für einen Gottgeweihten so etwas wie widrige Umstände nicht, denn ihm ist alles, das durch den Willen des Herrn auf ihn zukommt, willkommen, und so folgt er in jeder Lebenslage mit Begeisterung seiner Aufgabe im hingebungsvollen Dienst. Eine solche Haltung der Hingabe wird in der Bhagavad-gītā (2.57) wie folgt erklärt: »Ein Gottgeweihter läßt sich nicht durch widrige Lebensumstände bekümmern, noch frohlockt er in angenehmen Situationen.« Auf den höheren Stufen des hingebungsvollen Dienstes kümmert sich der Gottgeweihte nicht einmal mehr um die Liste von Geboten und Verboten. Eine solche Stufe kann man nur erreichen, wenn man den Fußstapfen der ācāryas folgt. Weil ein reiner Gottgeweihter dem Beispiel der ācāryas folgt, sollte man verstehen, daß sich jede Handlung, die er im hingebungsvollen Dienst verrichtet, auf der transzendentalen Ebene befindet. Śrī Kṛṣṇa erklärt deshalb, daß der ācārya über alle Kritik erhaben ist. Ein neuer Gottgeweihter soll niemals denken, er befinde sich auf der gleichen Ebene wie der ācārya. Vielmehr sollte er wissen, daß die ācāryas auf der gleichen Ebene stehen wie der Höchste Persönliche Gott, und daher sollten die neuen Gottgeweihten weder Kṛṣṇa noch Seinen Vertreter zum Gegenstand abfälliger Kritik machen.
Die Veden in Person verehrten den Höchsten Persönlichen Gott somit auf vielfältige Weise. Den Höchsten Herrn durch Gebete zu verehren bedeutet, sich Seine transzendentalen Eigenschaften, Spiele und Taten zu vergegenwärtigen. Doch die Spiele und Eigenschaften des Herrn sind unbegrenzt, weshalb es uns nicht möglich ist, an alle Eigenschaften des Herrn zu denken. Die Veden in Person verehrten den Herrn daher nach bestem Vermögen und schlossen mit folgenden Worten:
»Unser lieber Herr, obwohl Brahmā, der über Brahmaloka, den höchsten Planeten herrschende Halbgott, und König Indra, der über die himmlischen Planeten herrschende Halbgott, wie auch die herrschenden Halbgötter der Sonne, des Mondes und anderer Gestirne hohe Herrscher der materiellen Welt sind, wissen wir sehr wenig über Dich, von gewöhnlichen Sterblichen und intellektuellen Spekulanten ganz zu schweigen. Es gibt niemanden, o Herr, der Deine unbegrenzten transzendentalen Eigenschaften aufzählen könnte. Niemand, auch nicht die intellektuellen Spekulanten und die Halbgötter auf den höheren Planetensystemen, vermag das Ausmaß Deiner Gestalt und Deiner Merkmale zu erfassen. Wir glauben, daß selbst Du, o Herr, Deine transzendentalen Eigenschaften nicht vollständig kennst. Das liegt daran, daß Du unbegrenzt bist. Es ist zwar eigentlich nicht sehr respektvoll zu sagen, Du kenntest Dich Selbst nicht, doch ist es nichtsdestoweniger hilfreich zu wissen, daß zwischen Deiner Erkenntnis und der Erweiterung Deiner Energie, weil Du unbegrenzte Eigenschaften und Energien und eine ebenso unbegrenzte Erkenntnis besitzt, unbegrenztes Wetteifern stattfindet.«
Mit dieser Feststellung ist gemeint, daß Gott, weil Er und Sein Wissen unbegrenzt sind, sobald Er Sich eines gewissen Teils Seiner Energien bewußt ist, entdeckt, daß Er noch mehr Energien hat. Auf diese Weise nehmen sowohl Seine Energien als auch Sein Wissen ständig zu. Da beides unbegrenzt ist, sind sowohl Seine Energien als auch Sein Wissen, mit dem Er die Energien erkennt, ohne Ende. Gott ist unzweifelhaft allwissend, und doch sagen die verkörperten Veden, daß nicht einmal Er Selbst das volle Ausmaß Seiner Energien kenne. Das bedeutet jedoch nicht, daß Gott nicht allwissend ist. Gewöhnlich spricht man, wenn jemand eine Tatsache nicht kennt, von Unwissenheit oder einem Mangel an Wissen, das aber läßt sich nicht auf Gott beziehen, denn Er kennt Sich vollkommen. Jedoch nehmen Seine Energien und Taten ständig zu, und deshalb nimmt auch Sein Wissen zu, um sie zu verstehen. Beides nimmt unbegrenzt zu und hat kein Ende. In diesem Sinne läßt sich sagen, daß selbst Gott die Grenzen Seiner Energien und Eigenschaften nicht kennt. Jedes vernünftige und nüchtern denkende Lebewesen kann sich eine vage Vorstellung davon machen, wie grenzenlos Gott und die Erweiterung Seiner Energien und Tätigkeiten sind. In den vedischen Schriften heißt es, daß unzählige Universen aus Mahā-Viṣṇu hervorgehen, wenn Er in Seinem yoga-nidrā-Schlummer ausatmet, und unzählige Universen wieder in Seinen Körper eingehen, wenn Er einatmet. Wir müssen uns nur einmal vorstellen, daß diese Universen, die sich nach unserem begrenzten Wissen grenzenlos ausdehnen, so unfaßbar groß sind, daß sich ihre groben Bestandteile, die fünf Elemente der kosmischen Manifestation, nämlich Erde, Wasser, Feuer, Luft und Äther, nicht nur in ihnen befinden, sondern sie sogar in sieben Schichten bedecken, von denen jede zehnmal so dick ist wie die vorherige. So ist jedes einzelne der zahllosen Universen sicher verpackt. Sie alle schweben in den unzähligen Poren des transzendentalen Körpers Mahā-Viṣṇus. Wie die Atome und Staubteilchen mit den Vögeln in der Luft schweben, deren Zahl unermeßlich ist - so wird es beschrieben -, so schweben in den Poren des transzendentalen Körpers des Herrn unzählige Universen. Aus diesem Grund erklären die Veden, daß Sich Gott jenseits der Reichweite unseres Wissens befindet. Es heißt: abāṅmanasagocara - »die Weite Gottes zu verstehen entzieht sich dem Vermögen unserer intellektuellen Spekulationen.« Wer wahrhaft gelehrt und vernünftig ist, behauptet daher nicht, Gott zu sein, sondern versucht, Gott kennenzulernen, indem er zwischen spiritueller und materieller Natur unterscheidet. Durch solch gründliche Unterscheidung kann man klar verstehen, daß die Höchste Seele transzendental zur höheren und niederen Energie ist, obwohl Sie eine direkte Verbindung zu beiden hat. In der Bhagavad-gītā (9.4-5) erklärt Śrī Kṛṣṇa Selbst: »Obwohl alles in Meiner Energie ruht, bin Ich dennoch verschieden oder vielmehr getrennt von ihr.«
Die Natur und die Lebewesen werden manchmal als prakṛti und puruṣa bezeichnet. Die kosmische Manifestation ist eine Verbindung von prakṛti und puruṣa. Die Natur ist die Bestandteil-Ursache und die Lebewesen sind die bewirkende Ursache. Diese beiden Ursachen verbinden sich, und das Ergebnis ist die kosmische Manifestation. Wenn man so glücklich ist, zum richtigen Verständnis von der kosmischen Manifestation und allem, was in ihr geschieht, zu gelangen, weiß man, daß sie direkt und indirekt vom Höchsten Persönlichen Gott bewirkt wurde. Die Brahma-saṁhitā (5.1) kommt deshalb zu dem Schluß: īśvaraḥ paramaḥ kṛṣṇaḥ sac-cid-ānanda vigrahaḥ anādir ādir govindaḥ sarva-kāraṇa-kāraṇam. Wenn man nach vielen Betrachtungen und Überlegungen die Vollkommenheit des Wissens erlangt hat, kommt man zu der Schlußfolgerung, daß Kṛṣṇa oder Gott die ursprüngliche Ursache aller Ursachen ist. Statt über die Größe Gottes Spekulationen aufzustellen oder herumzuphilosophieren, ob Er soundso lang oder soundso breit ist, sollte man die Schlußfolgerung der Brahma-saṁhitā annehmen: sarva kāraṇa kāraṇam. »Kṛṣṇa, Gott, ist die Ursache aller Ursachen.« Das ist die Vollkommenheit des Wissens.
So trug Sanandana seinen Brüdern, die wie er von Brahmā geboren waren, als erster in der Schülernachfolge die Veda-stuti vor, die Gebete der Veden in Person an Garbhodakaśāyī Viṣṇu. Die Kumāras, die von Brahmā am Anfang geschaffen wurden, sind die erstgeborenen Lebewesen, und deshalb sind sie als pūrva-jāta bekannt. In der Bhagavad-gītā (4.1) wird gesagt, daß das paramparā-System oder die Nachfolge von spirituellen Meistern mit Kṛṣṇa Selbst beginnt. Auch hier, aus den Gebeten der verkörperten Veden, wird ersichtlich, daß das paramparā-System mit Nārāyaṇa Ṛṣi, dem Persönlichen Gott, beginnt. Wie bereits erklärt, wurde die Veda-stuti von dem Kumāra Sanandana erzählt und dann von Nārāyaṇa Ṛṣi in Bodi Āśrama wiedergegeben. Nārāyaṇa Ṛṣi ist die Inkarnation Kṛṣṇas, die uns den Pfad der Selbstverwirklichung durch harte Bußen zeigt. So wie im gegenwärtigen Zeitalter Kṛṣṇa als Śrī Caitanya den Pfad des reinen hingebungsvollen Dienens wies, wozu Er die Rolle eines reinen Gottgeweihten annahm, war Nārāyaṇa Ṛṣi eine Inkarnation Kṛṣṇas in der Vergangenheit, die sich im Himalaya schweren Bußen unterzog. Von ihm schließlich hörte Nārada Muni die Veda-stuti. Aus der Unterweisung, die Nārāyaṇa Ṛṣi Nārada Muni gab, wie sie zuvor von Kumāra Sanandana in Form der Veda-stuti vorgetragen worden war, geht unmißverständlich hervor, daß Gott der Eine Höchste ist und daß alle anderen Seine Diener sind.
Im Śrī Caitanya-caritāmṛta heißt es: ekalā īśvara kṛṣṇa. »Kṛṣṇa ist der einzige Höchste Gott.« Āra sava bhṛtya: »Alle anderen sind seine Diener.« Yāre yaīche nācāya, se taīche kare nṛtya: »Der Höchste Herr beschäftigt alle Lebewesen ganz nach Seinem Willen in vielerlei Tätigkeiten, und so können sie ihre unterschiedlichen Fähigkeiten und Neigungen entfalten.« Die Veda-stuti ist die ursprüngliche Darlegung der Beziehung zwischen dem Lebewesen und dem Höchsten Persönlichen Gott. Die höchste Ebene der Verwirklichung besteht für ein Lebewesen darin, die Stufe des hingebungsvollen Lebens zu erreichen. Jedoch man kann sich dem hingebungsvollen Dienst oder dem Kṛṣṇa-Bewußtsein nicht widmen, solange man nicht von aller materiellen Verunreinigung frei ist. Nārāyaṇa Ṛṣi teilte Nārada mit, daß alle Veden und vedischen Schriften (die vier Veden, die Upaniṣaden und die Purāṇas) in der Essenz transzendentales liebevolles Dienen für den Herrn lehren. In diesem Zusammenhang gebrauchte Nārāyaṇa Ṛṣi das besondere Wort rasa. Im hingebungsvollen Dienen ist der rasa das Medium oder die Grundlage für den Austausch einer Beziehung zwischen dem Herrn und dem Lebewesen. Ein rasa wird in den Veden auch als īśāvāsya beschrieben: »Der Höchste Herr ist der Speicher aller Freude.« Alle vedischen Schriften, wie die Purāṇas, die Veden, die Upaniṣaden und das Vedānta-sūtra, lehren das Lebewesen, wie es die Stufe des rasa erlangen kann. Im Śrīmad-Bhāgavatam (1.1.2) wird gesagt, daß die Darlegungen im Mahā Purāṇa, im Śrīmad-Bhāgavatam, die Essenz der rasas aller vedischen Schriften enthalten: nigama-kalpa-taror galitaṁ phalaṁ. »Das Bhāgavatam ist die Essenz der reifen Frucht am Baum der vedischen Schriften.«
Wir erfahren, daß mit dem Atem des Höchsten Persönlichen Gottes die vier Veden von Ihm ausgingen, nämlich der Ṛg-veda, Sāma-veda, Yajur-veda und Atharva-veda, sowie die Geschichtsbücher, wie das Mahābhārata und alle Purāṇas, in denen, wie man weiß, ebenfalls die Geschichte der Welt aufgezeichnet ist. Diese vedischen Geschichtsbücher, wie die Purāṇas und das Mahābhārata, werden als der fünfte Veda bezeichnet.
Die Verse der Veda-stuti müssen als die Essenz allen vedischen Wissens verstanden werden. Die vier Kumāras und alle anderen anerkannten Weisen wissen sehr wohl, daß hingebungsvoller Dienst im Kṛṣṇa-Bewußtsein die Essenz aller vedischen Schriften darstellt, und das verkünden sie auf vielen Planeten, während sie durch den Weltraum reisen. Wie in den Gebeten erwähnt wird, reisen solche Weisen wie Nārada Muni fast nie über Land, sondern immer durch den Weltraum.
Weise wie Nārada und die Kumāras ziehen durch das Universum, um die bedingten Seelen zu belehren und ihnen zu zeigen, daß ihre Aufgabe in dieser Welt nicht in Sinnenbefriedigung besteht, sondern darin, ihre ursprüngliche Position im hingebungsvollen Dienst des Höchsten Persönlichen Gottes wiedereinzunehmen. An mehreren Stellen in den vedischen Schriften werden die Lebewesen mit den Funken eines Feuers verglichen und der Höchste Persönliche Gott mit dem Feuer selbst. Wenn die Funken aus dem Feuer springen, verlieren sie ihre natürliche Leuchtkraft; in ähnlicher Weise kommen die Lebewesen in die materielle Welt wie Funken, die aus einem großen Feuer fallen. Der Grund für diesen Sturz ist, wie die sechs Gosvāmīs erklärt haben, der Wunsch nach Befriedigung der eigenen Sinne. Das Lebewesen möchte Kṛṣṇa nachahmen und versucht deshalb, über die materielle Natur zu herrschen. Infolgedessen vergißt es seine ursprüngliche Stellung, so daß seine Leuchtkraft, seine spirituelle Identität, erlischt. Wenn sich das Lebewesen jedoch wieder dem Kṛṣṇa-Bewußtsein zuwendet, wird es wieder in seine ursprüngliche Stellung zurückversetzt. Die Weisen und Heiligen, wie Nārada und die Kumāras, reisen durch das ganze Universum, lehren die Menschen und regen ihre Schüler an, den Vorgang des hingebungsvollen Dienens zu predigen, so daß alle bedingten Seelen die Möglichkeit haben, ihr ursprüngliches Bewußtsein, Kṛṣṇa-Bewußtsein, wiederzubeleben und auf diese Weise vom materiellen Leben und seinen leidvollen Bedingungen frei zu werden.
Śrī Nārada Muni ist ein naiṣṭika-brahmacārī. Es gibt insgesamt vier Arten von brahmacāris, von denen man die erste Kategorie sāvitra nennt. Mit sāvitra bezeichnet man einen brahmacārī, der nach seiner Einweihung und der Heiligen-Schnur-Zeremonie wenigstens drei Tage im Zölibat leben muß. Den Beititel prājāpatya gibt man dem brahmacārī, der nach der Einweihung mindestens ein Jahr streng das Zölibat einhält. Weiterhin gibt es den brahma-brahmacārī, der von der Einweihung bis zur Vollendung seines Studiums der vedischen Schriften im Zölibat lebt, und schließlich den brahmacārī auf der naiṣṭika-Stufe, der sein ganzes Leben unverheiratet bleibt. Die ersten drei brahmacārīs werden upakurvāna genannt, was bedeutet, daß sie heiraten können, wenn ihre Zeit als brahmacārī zu Ende ist. Der naiṣṭika-brahmacārī jedoch lehnt es völlig ab, jemals Umgang mit dem anderen Geschlecht zu haben. Die Kumāras und Nārada sind als naiṣṭika-brahmacārīs bekannt. Der Lebensstand des brahmacārī ist vor allem deshalb von Vorteil, weil er das Erinnerungsvermögen und die Entschlußkraft stärkt. Im Śrīmad-Bhāgavatam wird in diesem Zusammenhang besonders darauf hingewiesen, daß sich Nārada, da er ein naiṣṭika-brahmacārī war, an alles erinnern konnte, was er von seinem spirituellen Meister jemals gehört hatte, und es niemals vergaß. Jemand, der sich stets an alles erinnern kann, wird śruta-dhara genannt. Ein śruta-dhara-brahmacārī ist in der Lage, alles einmal Gehörte wortwörtlich zu wiederholen, ohne sich mit Notizen oder Büchern behelfen zu müssen. Der große Weise Nārada besitzt diese Fähigkeit, und deshalb ist er, während er von Nārāyaṇa Ṛṣi Unterweisungen empfängt, eifrig dabei, die Philosophie des hingebungsvollen Dienens im ganzen Universum zu verkünden. Weil solche Weisen sich an alles erinnern können, sind sie sehr gedankenvoll, selbstverwirklicht und völlig im Dienst des Herrn verankert. Auch der große Weise Nārada besaß, nachdem er seinen spirituellen Meister Nārāyaṇa Ṛṣi angehört hatte, vollkommene Erkenntnis. Er gewann völlige Einsicht in die Wahrheit und wurde so glücklich, daß er Nārāyaṇa Ṛṣi Gebete darbrachte.
Ein weiterer Name für den naiṣṭika-brahmacārī lautet vīra-vrata. Nārada Muni sprach Nārāyaṇa Ṛṣi als Inkarnation Kṛṣṇas an und nannte Ihn den höchsten Gönner der bedingten Seelen. In der Bhagavad-gītā (4.8) heißt es, daß Kṛṣṇa in jedem Zeitalter erscheint, um die Gottgeweihten zu beschützen und die Nichtgottgeweihten zu vernichten, und daher wurde Nārāyaṇa Ṛṣi, als Inkarnation Kṛṣṇas, der Gönner der bedingten Seele genannt. In der Bhagavad-gītā wird erklärt, daß sich jeder bewußt sein sollte, daß es keinen zweiten Gönner wie Kṛṣṇa gibt. Jeder sollte einsehen, daß Kṛṣṇa der Freund eines jeden ist, und Zuflucht bei Ihm suchen. Dann kann man stets zuversichtlich und zufrieden sein, da man weiß, daß man jemanden hat, der einen vollkommen beschützen kann. Kṛṣṇa Selbst, Seine Inkarnationen und Seine vollständigen Erweiterungen sind die höchsten Gönner der bedingten Seelen, ja, Kṛṣṇa ist sogar der Gönner der Dämonen, denn Er gewährte allen asuras, die nach Vṛndāvana kamen, um Ihn zu töten, Befreiung. Deshalb sind Kṛṣṇas Taten absolut, denn ob Er einen Dämonen vernichtet oder einen Gottgeweihten beschützt ist das gleiche. So heißt es z. B., daß die Hexe Pūtanā durch Seine Gnade die gleiche spirituelle Stellung wie Seine Mutter erreichte. Man sollte wissen, daß ein Dämon, den Kṛṣṇa tötet, in höchster Weise gesegnet ist. Ein reiner Gottgeweihter jedoch wird vom Herrn stets beschützt.
Nārada Muni begab sich, nachdem er seinem spirituellen Meister Ehrerbietungen dargebracht hatte, zum āśrama Vyāsadevas, und nachdem dieser ihn gebührend begrüßt und ihm einen bequemen Sitz dargeboten hatte, wiederholte Nārada vor ihm, seinem Schüler, alle Unterweisungen, die er von Nārāyaṇa Ṛṣi vernommen hatte.
Hiermit beantwortete Śukadeva Gosvāmī die Frage Mahārāja Parīkṣits nach der Essenz des vedischen Wissens und der endgültigen Schlußfolgerung der Veden. Es ist das höchste Ziel im Leben, nach den transzendentalen Segnungen des Höchsten Persönlichen Gottes zu streben und sich deshalb dem liebevollen Dienen für den Herrn zu widmen. Man sollte dem Beispiel Śukadeva Gosvāmīs und aller anderen Vaiṣṇavas in der Nachfolge der Schüler folgen und Śrī Kṛṣṇa, dem Höchsten Persönlichen Gott Hari, achtungsvolle Ehrerbietungen darbringen. Die vier Zweige der Vaiṣṇava-Nachfolge der Schüler, nämlich die Madhva-sampradāya, Rāmānuja-sampradāya, Viṣṇusvāmī-sampradāya und Nimbārka-sampradāya, erklären auf der Grundlage aller vedischen Schlußfolgerungen einstimmig, daß man sich dem Höchsten Persönlichen Gott hingeben muß.
Die vedischen Schriften sind zweifach unterteilt, und zwar in die śrutis und die smṛtis. Die śrutis sind die vier Veden (Ṛg, Sāma, Atharva und Yajur) und die Upaniṣaden, und unter smṛtis versteht man die Purāṇas und das Mahābhārata, in dem die Bhagavad-gītā enthalten ist. Die Schlußfolgerung all dieser Schriften ist, daß man Kṛṣṇa als den Höchsten Persönlichen Gott erkennen soll. Er ist der Parampuruṣa, der Höchste Persönliche Gott, unter dessen Oberaufsicht sich die materielle Natur bewegt und geschaffen, erhalten und vernichtet wird. Nach der Schöpfung inkarniert Sich der Höchste Herr als Brahmā, Viṣṇu und Śiva. Diese sind für die drei Eigenschaften der materiellen Natur zuständig, doch die endgültige Führung obliegt Śrī Viṣṇu. Der Ablauf aller Geschehnisse in der materiellen Natur steht unter dem Einfluß der drei Erscheinungsweisen unter der Führung Kṛṣṇas, des Höchsten Persönlichen Gottes. Dies wird in der Bhagavad-gītā mit dem Wort nyadarśana und in einem anderen Teil der Veden mit sa aikṣata bestätigt.
Die atheistischen Sāṅkhya-Philosophen behaupten, die materielle kosmische Manifestation habe ihre Ursachen in prakṛti und puruṣa. Sie bringen vor, daß die Natur und die materielle Energie sowohl die inaktive materielle Ursache als auch die aktive bewirkende Ursache seien. In Wahrheit aber ist Kṛṣṇa die Ursache aller Ursachen. Er ist die Ursache aller materiellen und bewirkenden Ursachen. Prakṛti und puruṣa sind also nicht endgültige Ursachen. Oberflächlich gesehen scheint ein Kind aufgrund der Verbindung von Vater und Mutter geboren zu werden, doch letzten Endes ist die Ursache des Vaters und der Mutter Kṛṣṇa. Er ist also die ursprüngliche Ursache oder vielmehr die Ursache aller Ursachen, wie dies auch in der Brahma-saṁhitā (5.1) bestätigt wird.
Sowohl der Höchste Herr als auch die Lebewesen gehen in die materielle Natur ein. Der Höchste Herr, Śrī Kṛṣṇa, manifestiert Sich durch eine Seiner vollständigen Erweiterungen als Kṣīrodakaśāyī Viṣṇu und Mahā-Viṣṇu, die gigantische Viṣṇu-Gestalt, die im Ozean der Ursachen ruht. Von der gigantischen Gestalt Mahā-Viṣṇus erweitert Sich Garbhodakaśāyī-Viṣṇu und geht in jedes Universum ein. Von Ihm erweitern sich dann Brahmā, Viṣṇu und Śiva. Viṣṇu geht in die Herzen aller Lebewesen, in alle materiellen Elemente und sogar in das Atom ein. Die Brahma-saṁhitā bestätigt dies folgendermaßen: aṇḍāntarastha-paramāṇu-cayāntarastham. »Er weilt in diesem Universum und auch in jedem einzelnen Atom.«
In ähnlicher Weise wie das Lebewesen seinen kleinen materiellen Körper von verschiedenen Arten und Formen hat, hat der Höchste Persönliche Gott einen materiellen Körper, der aus dem gesamten Universum besteht. Dieser Körper wird in den śāstras als virāṭa-rūpa bezeichnet. Und ebenso wie das individuelle Lebewesen seinen Körper aufrechterhält, so erhält der Höchste Persönliche Gott die gesamte Schöpfung und alles in ihr. Sobald das individuelle Lebewesen seinen materiellen Körper verläßt, vergeht dieser, und ebenso wird alles vernichtet, wenn Śrī Viṣṇu die kosmische Manifestation verläßt.
Nur dann, wenn sich das Lebewesen dem Höchsten Persönlichen Gott hingibt, ist ihm die Befreiung vom materiellen Dasein gewiß. Dies wird in der Bhagavad-gītā (7.14) wie folgt bestätigt: mān eva ya prapadyante māyām etaṁ taranti te. Man erlangt also durch die Hingabe an den Höchsten Persönlichen Gott Befreiung, und durch nichts anderes. Auf welche Weise das Lebewesen von den Erscheinungsweisen der materiellen Natur befreit ist, verdeutlicht das Beispiel vom schlafenden Mann: Einen schlafenden Mann kann zwar jeder sehen, doch in Wirklichkeit befindet er sich nicht in seinem Körper, denn während er schläft, vergißt er, obgleich andere noch sehen mögen, daß sein Körper vorhanden ist, sein körperliches Dasein. Ähnlich verhält es sich mit einem befreiten Menschen, der sich dem hingebungsvollen Dienst des Herrn widmet: Andere mögen ihn z. B. damit beschäftigt sehen, die Haushälterpflichten der materiellen Welt zu verrichten, doch weil sein Bewußtsein ganz auf Kṛṣṇa gerichtet ist, lebt er nicht in der materiellen Welt. Dabei mag er gewöhnliche Dinge tun, ebenso wie ein Schlafender im Traum Dinge tut, die sich von seinen Tätigkeiten mit dem Körper unterscheiden. In der Bhagavad-gītā (14.26) wird bestätigt, daß ein Gottgeweihter, der sich ganz dem liebevollen Dienst für den Höchsten Persönlichen Gott widmet, den Einfluß der drei materiellen Erscheinungsweisen bereits überwunden hat. Er ist auf der Brahman-Ebene spirituellen Bewußtseins verankert, auch wenn es den Anschein hat, als lebe er noch im Körper oder in der materiellen Welt.
Śrīla Rūpa Gosvāmī erklärt in diesem Sinne in seiner Schrift Bhakti-rasāmṛta-sindhu, daß jemand, dessen einziger Wunsch es ist, dem Höchsten Persönlichen Gott zu dienen, ganz gleich unter welchen Umständen er sich in der materiellen Welt befinden mag, als jīvanmukta zu verstehen sei, was bedeutet, daß er als befreit anzusehen ist, während er mit dem materiellen Körper in der materiellen Welt lebt. Die Schlußfolgerung ist also, daß jemand, der sich ganz dem Kṛṣṇa-Bewußtsein widmet, eine befreite Seele ist. Er hat im Grunde nichts mit der materiellen Welt zu schaffen. Diejenigen, die nicht Kṛṣṇa-bewußt sind, werden entweder als karmīs oder als jñānis bezeichnet; sie bewegen sich auf der körperlichen oder intellektuellen Ebene und sind daher nicht befreit. Ihre Lage nennt man kaivalya-nirasta-yoni. Ein Mensch jedoch, der sich auf der transzendentalen Ebene befindet, wird von dem Kreislauf der Geburten und Tode befreit. Dies wird im Vierten Kapitel der Bhagavad-gītā bestätigt. Einfach dadurch, daß man das transzendentale Wesen Kṛṣṇas, des Höchsten Persönlichen Gottes kennt, wird man von den Ketten der wiederholten Geburten und Tode frei und geht, nachdem man seinen gegenwärtigen Körper aufgegeben hat, zurück nach Hause, zurück zu Gott. So lautet die Schlußfolgerung aller Veden. Man sollte sich daher, nachdem man die Gebete der Veden in Person verstanden hat, den Lotosfüßen Śrī Kṛṣṇas hingeben.