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Die Transzendentalen Spiele Sri Krishnas

Von A.C. Bhaktivedanta Swami Prabhupada
Die Transzendentalen Spiele Sri Krishnas
Kṛṣṇa - Der Höchste Persönliche Gott
Originale Version 1. Auflage 1974
55. Kapitel:
 
Krishna
 
Die Geschichte vom Syamantaka-Juwel


 

Es lebte einst ein König mit Namen Satrājit, der im Gebiet um Dvārakā-dhāma herrschte. Er war ein großer Geweihter des Sonnengottes, der ihm als Segnung das Juwel »Syamantaka« schenkte. Dieses Syamantaka-Juwels wegen gab es zwischen König Satrājit und der Yadu-Dynastie einige Streitigkeiten, die später von Satrājit geklärt wurden, als er Kṛṣṇa von sich aus das Juwel zusammen mit der Hand seiner Tochter Satyabhāmā anbot. Auch die Heirat Kṛṣṇas mit Jāmbavatī, der Tochter Jāmbavāns, hing mit dem Syamantaka-Juwel zusammen. Diese beiden Heiraten fanden vor Pradyumnas Erscheinen statt, von dem im letzten Kapitel berichtet wurde. Im Folgenden wird nun berichtet, wie König Satrājit die Yadu-Dynastie beleidigte, und wie er wieder zur Vernunft kam und Kṛṣṇa seine Tochter zusammen mit dem Juwel anbot.

Da König Satrājit ein großer Geweihter des Sonnengottes war, entwickelte sich nach und nach eine freundschaftliche Beziehung zwischen ihm und dem Halbgott. Der Sonnengott war schließlich mit Satrājit so zufrieden, daß er ihm das unvergleichliche Syamantaka-Juwel schenkte. Wenn Satrājit diesen Edelstein in ein Medaillon gefaßt um den Hals trug, sah er aus wie eine Imitation des Sonnengottes. Geschmückt mit diesem Juwel pflegte er durch Dvārakā zu stolzieren, und wenn die Menschen ihn erblickten, glaubten sie, der Sonnengott sei in ihre Stadt gekommen, um Kṛṣṇa zu sehen. Sie wußten, daß Kṛṣṇa als der Höchste Persönliche Gott manchmal von den Halbgöttern besucht wurde; wenn Satrājit die Stadt Dvārakā besuchte, hielten ihn daher alle Einwohner außer Kṛṣṇa für den Sonnengott. Obwohl jeder König Satrājit kannte, war wegen der gleißenden Ausstrahlung des Syamantaka-Juwels niemand imstande, ihn zu erkennen.

Eines Tages gingen einige der angesehensten Bürger Dvārakās, die Satrājit gesehen und ihn für den Sonnengott gehalten hatten, sofort zu Śrī Kṛṣṇa, um Ihm zu berichten, daß der Sonnengott nach Dvārakā gekommen sei, um Ihn zu besuchen. Einer der angesehenen Einwohner sprach also zu Kṛṣṇa, der gerade Schach spielte: »Mein lieber Nārāyaṇa, Du bist der Höchste Persönliche Gott. In Deiner vollständigen Teil-Erweiterung als Nārāyaṇa oder Viṣṇu hast Du vier Hände, in denen Du verschiedene Symbole hältst - das Muschelhorn, das Feuerrad, die Keule und die Lotosblume. Du bist der eigentliche Besitzer aller Dinge, doch obwohl Du der Höchste Persönliche Gott, Nārāyaṇa, bist, bist Du in Vṛndāvana erschienen, um dort als Kind Yaśodāmātās zu spielen. Manchmal fesselte Dich Deine Mutter mit Stricken, weshalb Du auch als Dāmodara gepriesen wirst.«

Daß Kṛṣṇa der Höchste Persönliche Gott Nārāyaṇa ist, als den Ihn die Einwohner von Dvārakā verehrten, wurde später von Śaṅkarācārya, dem großen philosophischen Führer der Māyāvādīs, bestätigt. Obwohl er den Herrn in Seinem unpersönlichen Aspekt beschrieb, leugnete er doch niemals Seine persönliche Gestalt. Śaṅkaras wirkliches Verständnis war, daß alles, was in der materiellen Welt Form hat, Schöpfung, Erhaltung und Vernichtung unterliegt, doch daß Nārāyaṇa, der Höchste Persönliche Gott, keine materielle Form hat, die diesen Bedingtheiten unterworfen ist. Um die weniger Intelligenten, die Kṛṣṇa für einen gewöhnlichen Sterblichen halten, vom Gegenteil zu überzeugen, sagte Śaṅkarācārya, Gott sei unpersönlich. Diese »Unpersönlichkeit« bedeutet, daß Er keine Person der materiellen, bedingten Welt ist - Er ist eine transzendentale Persönlichkeit ohne materiellen Körper.

Die Bürger sprachen Kṛṣṇa nicht nur als »Dāmodara«, sondern auch als »Govinda« an, womit sie andeuteten, daß Kṛṣṇa die Kühe und Kälber sehr lieb sind; und um auch auf ihre eigene Beziehung zu Ihm hinzuweisen, nannten sie den Herrn »Yadunandana«. Er war nämlich als Sohn Vasudevas in der Yadu-Dynastie geboren. Schließlich priesen sie Kṛṣṇa als den Herrn des gesamten Universums. So nannten sie Kṛṣṇa bei vielen Namen und waren stolz, als Bürger Dvārakās Kṛṣṇa täglich sehen zu dürfen.

Als Satrājit Dvārakā besuchte, verspürten die Bürger großen Stolz bei dem Gedanken, daß die Halbgötter persönlich herbeikamen, um Kṛṣṇa zu sehen, obwohl Er wie ein gewöhnlicher Mensch in Dvārakā lebte. Sie berichteten Kṛṣṇa also, der Sonnengott mit seiner herrlichen körperlichen Ausstrahlung sei gekommen, um Ihn zu besuchen. Die Bürger sagten weiter, daß es eigentlich nichts besonderes sei, wenn der Sonnengott nach Dvārakā komme, denn jeder im Universum, der nach dem Höchsten Persönlichen Gott suche, wisse ja, daß Er in der Yadu-Dynastie erschienen sei und als ein Mitglied dieser Familie in Dvārakā lebe. In dieser Weise brachten die Bürger ihre Freude über das Ereignis zum Ausdruck. Kṛṣṇa, der alldurchdringende Persönliche Gott, lächelte, als Er die Nachricht hörte, und erfreut über die Bürger Dvārakās, erklärte Er ihnen, daß die Person, die sie Ihm als den Sonnengott beschrieben, in Wirklichkeit König Satrājit sei, der die Stadt Dvārakā besuchte, um seinen Reichtum durch das kostbare Juwel, das er vom Sonnengott bekommen hatte, zur Schau zu stellen. Satrājit war tatsächlich nicht nach Dvārakā gekommen, um Kṛṣṇa zu sprechen; statt dessen war er so betört von dem Juwel, daß er es in einen Tempel brachte, um es von eigens zu diesem Zweck eingestellten brāhmaṇas verehren zu lassen. Dies ist ein typisches Beispiel eines unintelligenten Menschen, der etwas Materielles verehrt. Die Bhagavad-gītā erklärt, daß weniger Intelligente, die sofort die Ergebnisse gewinnbringender Handlungen bekommen wollen, die Halbgötter verehren, die ebenfalls Geschöpfe dieses Universums sind. Das Wort »Materialist« bezeichnet jemanden, der nach der Befriedigung der Sinne in der materiellen Welt trachtet. Obwohl Kṛṣṇa König Satrājit später um das Juwel bat, wollte dieser den Edelstein nicht herausgeben, sondern ließ ihn im Tempel verehren. Und wer hätte das Juwel wohl nicht verehrt? Der Syamantaka war so mächtig, daß er täglich eine große Menge Gold hervorbrachte. Die Maßeinheiten für Gold waren damals bhāra und mound. Nach vedischen Maßen entspricht ein bhāra etwa 16 Pfund Gold, ein mound etwa 82 Pfund. Das Juwel erzeugte täglich ungefähr 170 Pfund Gold. Außerdem erfahren wir aus dem vedischen Schrifttum, daß es überall dort, wo dieses Juwel verehrt wird, keine Hungersnot und kein Elend, wie Pest oder Krankheit, geben kann.

Śrī Kṛṣṇa wollte die Welt lehren, daß das Beste von allem dem Landesoberhaupt gegeben werden soll. Damals war Kṛṣṇas Großvater, König Ugrasena, das Oberhaupt vieler Dynastien; deshalb ersuchte Kṛṣṇa Satrājit, König Ugrasena das Juwel zu schenken, und wies darauf hin, daß das Beste dem König dargeboten werden muß. Doch Satrājit war als Verehrer der Halbgötter zu materialistisch geworden, und anstatt Kṛṣṇas Bitte nachzukommen, hielt er es für weiser, dem Juwel zu huldigen und so täglich 170 Pfund Gold zu bekommen. Materialistische Menschen, die jeden Tag so viel Gold bekommen können, wollen nichts vom Kṛṣṇa-Bewußtsein wissen. Um einem solchen Materialisten Seine besondere Gunst zu erweisen, nimmt ihm Kṛṣṇa manchmal all seinen materiellen Reichtum und macht ihn zu einem großen Gottgeweihten. Doch Satrājit sträubte sich dagegen, Kṛṣṇas Anweisungen zu gehorchen, und gab Ihm das Juwel nicht.

Kurze Zeit danach nahm Satrājits jüngerer Bruder, Prasena, der mit dem Reichtum seiner Familie prunken wollte, den Edelstein, hängte ihn sich um den Hals und ritt, sich stolz präsentierend, auf einem Pferd in den Wald. Im Wald wurde Satrājits Bruder, wie er so spazierenritt, plötzlich von einem riesigen Löwen angefallen, der ihn und sein Pferd tötete und das Juwel in seine Höhle trug. Als der Gorillakönig Jāmbavān davon erfuhr, ging er sogleich zur Höhle, erlegte den Löwen und nahm das Juwel an sich. Jāmbavān war schon seit dem Erscheinen Rāmacandras ein großer Geweihter des Herrn, und so konnte er nicht viel mit dem wertvollen Stein anfangen, sondern gab ihn seinem kleinen Sohn zum Spielen. Als weder Prasena noch das Juwel aus dem Wald zurückkamen, wurde Satrājit in der Stadt sehr aufgebracht. Er ahnte nicht, daß sein jüngerer Bruder von einem Löwen getötet worden war, den dann später Jāmbavān erlegte. Statt dessen glaubte er, Kṛṣṇa habe Prasena das Juwel mit Gewalt abgenommen und seinen Bruder dann umgebracht, denn Er habe das Juwel ja schon immer begehrt, bis dahin aber noch nicht bekommen können. Dieser Verdacht entwickelte sich allmählich zu einem Gerücht, das Satrājit in jeden Winkel Dvärakās verbreitete.

Das falsche Gerücht, Kṛṣṇa habe Prasena getötet und den Edelstein an Sich genommen, verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Weil es Kṛṣṇa nicht gefiel, in dieser Weise verleumdet zu werden, beschloß Er, Selbst in den Wald zu gehen, um das Syamantaka-Juwel wiederzufinden. Zusammen mit einigen angesehenen Bürgern aus Dvārakā, die Er mit Sich nahm, machte Sich Kṛṣṇa auf die Suche nach Prasena und fand nach einiger Zeit seinen toten, von dem Löwen zerrissenen Körper. Wenig später fand Kṛṣṇa auch den Löwen, der von Jāmbavān, der im allgemeinen auch als Ṛkṣa bekannt ist, getötet worden war. Man konnte sehen, daß Jāmbavān den Löwen ohne eine Waffe, mit den bloßen Händen getötet hatte. Schließlich stießen Kṛṣṇa und die Bürger im Wald auf einen großen unterirdischen Gang, von dem es hieß, daß er zu Ṛkṣas Behausung führe. Da Kṛṣṇa wußte, daß sich die Bewohner Dvārakās fürchten würden, den Tunnel zu betreten, bat Er sie, draußen auf Ihn zu warten, worauf Er allein in das dunkle Innere vordrang, um Ṛkṣa zu finden. Am anderen Ende des Tunnels angekommen, sah Kṛṣṇa Ṛkṣas Sohn mit dem unvergleichlich kostbaren Syamantaka-Juwel spielen, und so trat Er vor das Kind, um ihm das Juwel fortzunehmen. Die Amme, die Ṛkṣas Kind behütete, bekam entsetzliche Angst, als sie Kṛṣṇa so plötzlich vor sich stehen sah, denn sie dachte sich, daß Er das wertvolle Juwel an Sich nehmen wolle. Aus Furcht begann sie laut zu schreien.

Auf die Schreie der Amme hin stürzte Jāmbavān wutentbrannt herbei. Eigentlich war er ein großer Gottgeweihter, doch blind vor Wut konnte er seinen Meister nicht erkennen, sondern hielt Ihn für einen gewöhnlichen Menschen. Dieser Vorfall erinnert an einen Vers aus der Bhagavad-gītā, in dem der Herr Arjuna rät, frei von Zorn, Gier und Lust zu werden, um die spirituelle Ebene zu erreichen. Zorn und Gier entstehen zur gleichen Zeit im Herzen eines Lebewesens und behindern seinen Fortschritt auf dem spirituellen Pfad.

Weil Jāmbavān also seinen Meister nicht erkannte, forderte er Ihn sogleich zum Kampf heraus. Darauf fand eine fürchterliche Auseinandersetzung zwischen den beiden statt, in der sie sich wie zwei feindliche Geier bekämpften. Wenn Geier einen Kadaver finden, kämpfen sie sofort erbittert um die Beute. Kṛṣṇa und Jāmbavān fochten zunächst mit Waffen, dann mit Steinen, dann mit großen Bäumen, dann rangen sie miteinander und schließlich schlugen sie mit Fausthieben aufeinander ein, die wie Blitzeinschläge waren. Jeder war entschlossen, den andern zu besiegen, doch der Kampf zog sich über Tage und Nächte hin. Ohne Unterbrechung schlugen sie sich auf diese Weise insgesamt achtundzwanzig Tage lang. Obwohl Jāmbavān das stärkste Lebewesen seiner Zeit war, erlahmten ihm schließlich die Glieder und seine Kräfte verließen ihn, da er unablässig von Kṛṣṇas Fäusten geschlagen worden war, gänzlich. Erschöpft und schweißüberströmt, fragte er sich voll Verwunderung, wer wohl sein Gegner sein mochte, der ihn so schwächte? Jāmbavān kannte sehr gut seine übermenschlichen Körperkräfte, und als ihm daher Kṛṣṇas Schläge so schwer zu schaffen machten, erkannte er, daß Kṛṣṇa kein anderer war als sein verehrter Herr, der Höchste Persönliche Gott.

Der Kampf zwischen Kṛṣṇa und Jāmbavān ist für die Gottgeweihten von besonderer Bedeutung. Zu Anfang konnte Jāmbavān Kṛṣṇa nicht sehen, da seine Sicht von materieller Anhaftung verdeckt war. Er hing nämlich zu sehr an seinem Sohn und dem wertvollen Syamantaka-Juwel, das er Kṛṣṇa nicht überlassen wollte. Es ging sogar so weit, daß er, als Kṛṣṇa zu ihm kam, wütend wurde, weil er ahnte, daß der Herr gekommen war, um das Juwel fortzunehmen. Das ist der Zustand der materiellen Verunreinigung. Fähigkeiten wie außergewöhnliche Körperkraft können einem nicht helfen, Kṛṣṇa zu verstehen.

Kṛṣṇa wollte aus Freude am Kampf einen Scheinkampf mit Seinem Geweihten austragen. Wie wir aus dem Śrīmad-Bhāgavatam erfahren, besitzt der Höchste Persönliche Gott alle Neigungen und Fähigkeiten eines Menschen. Manchmal möchte Er daher, wie aus einer sportlichen Laune heraus, auch kämpfen, um Seine Körperkraft zu zeigen, und wenn Er den Wunsch dazu verspürt, wählt Er Sich einen geeigneten Gottgeweihten als Gegner aus, der Ihn im Kampf erfreuen darf. In diesem Falle hatte Kṛṣṇa Jāmbavān für dieses Vergnügen auserwählt. Obwohl Jāmbavān in Wirklichkeit ein Gottgeweihter war, vergaß er Kṛṣṇa, als er dem Herrn mit seiner Körperkraft diente; doch sowie Kṛṣṇa mit seinem Kampf zufrieden war, erkannte Jāmbavān augenblicklich, daß sein Gegner niemand anderes sein konnte als der Höchste Herr Selbst. Das bedeutet, er konnte Kṛṣṇa durch seinen Dienst verstehen. Kṛṣṇa wird bisweilen auch durch Kämpfen erfreut.

Jāmbavān sagte daher zum Herrn: »Lieber Herr, ich erkenne jetzt, wer Du bist. Du bist der Höchste Persönliche Gott, Śrī Viṣṇu, der Ursprung aller Stärke, allen Reichtums, allen Ruhms, aller Schönheit, aller Weisheit und aller Entsagung.« Dies wird auch im Vedānta-sūtra bestätigt, wo erklärt wird, daß der Höchste Herr der Ursprung aller Dinge ist. Jāmbavān erkannte Śrī Kṛṣṇa als die Höchste Persönlichkeit Śrī Viṣṇu: »Lieber Herr«, sagte er weiter, »Du erschaffst die Schöpfer aller Dinge im Universum.« Diese Aussage ist sehr lehrreich für den gewöhnlichen Menschen, der dazu neigt, das Tun eines Menschen mit überdurchschnittlicher Intelligenz zu bewundern. Der gewöhnliche Mensch ist sehr beeindruckt von den Erfindungen eines großen Wissenschaftlers, aber wie die Aussage Jāmbavāns bestätigt, mag der Wissenschaftler zwar viele wundervolle Dinge schaffen, doch Kṛṣṇa ist auch der Schöpfer des Wissenschaftlers - nicht nur eines Wissenschaftlers, sondern von Millionen und Abermillionen, überall im Universum. Jāmbavān sagte weiter: »Du bist nicht nur der Schöpfer der Schöpfer, sondern auch der Schöpfer aller materiellen Elemente, die von den sogenannten Schöpfern nur gehandhabt werden.« Die Wissenschaftler arbeiten nur mit den physikalischen Elementen und Gesetzen der materiellen Natur und schaffen etwas Wunderbares, doch im Grunde sind diese Gesetze und Elemente, genau wie alles andere, Schöpfungen Kṛṣṇas. Dies ist das wahre Verständnis von Wissenschaft. Weniger intelligente Menschen fragen sich niemals, wer das Gehirn des Wissenschaftlers erschaffen hat; es genügt ihnen, die wunderbaren Schöpfungen oder Erfindungen des Wissenschaftlers zu bestaunen.

Jāmbavān fuhr fort: »Lieber Herr, der Zeitfaktor, der die physikalischen Elemente verbindet, ist ebenfalls Dein Repräsentant. Du Selbst bist der höchste Zeitfaktor, durch den alles Geschaffene hervorgebracht, erhalten und schließlich vernichtet wird. Und nicht allein die physikalischen Elemente und Zeitfaktoren, sondern auch die Menschen, die die Grundbestandteile und Möglichkeiten der Schöpfung nutzen, sind Deine Teile. Das Lebewesen kann daher kein unabhängiger Schöpfer sein. Wenn man all diese Faktoren im richtigen Verständnis studiert, wird man feststellen, daß Du der Höchste Beherrschende und der Herr über alles bist. Lieber Herr, ich weiß, daß Du der gleiche Höchste Persönliche Gott bist, den ich als Rāmacandra verehre. Mein Meister, Śrī Rāmacandra, wollte einmal eine Brücke über den Ozean bauen, und ich sah mit eigenen Augen, wie der gewaltige Ozean durch Seinen bloßen Blick aufgewühlt wurde. Und als der gesamte Ozean in Aufruhr geriet, wurden alle Lebewesen in ihm, wie die Haie, Wale und sogar die timiṅgila-Fische [* der timiṅgila-Fisch ist so riesig, daß er große Wassertiere, selbst Wale, mit einem Schluck verschlingen kann*], unruhig. Durch Rāmacandras Blick wurde der Ozean gezwungen, sich zu teilen und Ihm so den Weg nach Laṇkā [** das heutige Ceylon**] freizugeben. Nach dem Brückenübergang wurde das gesamte Königreich Rāvaṇas in Brand gesetzt. Dabei fand ein Kampf mit Rāvaṇa statt, in dem Du jeden Fleck seines Körpers mit Deinen scharfen Pfeilen durchbohrtest und zerstückeltest, bis schließlich sein Kopf über den Boden rollte. Mir ist nun klar, daß Du kein anderer sein kannst als mein Meister Śrī Rāmacandra. Niemand sonst besitzt eine solch unermeßliche Stärke; niemand außer Dir hätte mich auf diese Weise besiegen können.«

Jāmbavāns Gebete erfreuten Śrī Kṛṣṇa sehr, und um seine Schmerzen zu lindern, strich Er mit den lotosgleichen Handflächen über den Körper des Gorillakönigs. Sofort fühlte sich Jāmbavān von den Anstrengungen des Kampfes befreit. Darauf sprach Kṛṣṇa ihn mit »König Jāmbavān« an, denn im Grunde war er, und nicht der Löwe, der König des Waldes. Jāmbavān hatte den Löwen mit der bloßen Hand, ohne eine Waffe, getötet. Dann erklärte Kṛṣṇa Jāmbavān, daß Er gekommen sei, um ihn um das Syamantaka-Juwel zu bitten, denn nachdem der Syamantaka verschwunden war, hatten die Unintelligenten den Namen Kṛṣṇas in Verruf gebracht. Kṛṣṇa sagte zu Jāmbavān ganz offen: »Ich möchte den Edelstein von dir haben, damit diese Verleumdungen aus der Welt geschafft werden.« Jāmbavān sah dies auch sogleich ein, und um den Herrn zufriedenzustellen, gab er Ihm nicht nur ohne Zögern das Syamantaka-Juwel, sondern rief auch seine Tochter Jāmbavatī herbei, die gerade in heiratsfähigem Alter war, und gab sie Kṛṣṇa zur Frau.

Die Episode, wie Kṛṣṇa Jāmbavatī und das Syamantaka-Juwel erlangte, endete in der Berghöhle. Obwohl der Kampf zwischen Kṛṣṇa und Jāmbavān achtundzwanzig Tage dauerte, warteten die Bewohner Dvārakās zwölf Tage lang vor dem unterirdischen Gang auf Kṛṣṇa und nahmen schließlich an, daß etwas Furchtbares geschehen sein müsse. Sie ahnten natürlich nicht, was in Wirklichkeit vor sich ging, und zutiefst niedergeschlagen und müde kehrten sie nach Dvārakā zurück.

Alle Familienangehörigen Kṛṣṇas, Seine Mutter Devakī, Sein Vater Vasudeva, Seine Lieblingsfrau Rukmiṇī und alle anderen Verwandten, Freunde und Palastbewohner waren sehr traurig, als die Stadtbewohner ohne Kṛṣṇa nach Hause zurückkehrten. Aus ihrer natürlichen Zuneigung zu Kṛṣṇa begannen sie Satrājit zu schelten, denn er war schließlich an Kṛṣṇas Verschwinden schuld. Zuletzt gingen sie in den Tempel der Göttin Candrabhāgā, um sie zu verehren und um Kṛṣṇas Rückkehr zu bitten. Die Göttin war zufrieden mit den Gebeten der Bürger von Dvārākā und gab ihnen sogleich ihren Segen. Zur gleichen Stunde noch erschien Kṛṣṇa zusammen mit Seiner neuen Frau Jāmbavatī in Dvārakā, worüber alle Stadtbewohner und Śrī Kṛṣṇas Verwandte vor Freude außer sich waren. Die Einwohner Dvārakās wurden so glücklich wie jemand, der einen lieben Verwandten, den er bereits tot glaubte, wiedersieht. Weil die Leute nämlich vermutet hatten, Kṛṣṇa sei im Kampf in große Bedrängnis geraten, hatten sie fast alle Hoffnung auf Seine Rückkehr aufgegeben. Doch als sie dann sahen, daß Kṛṣṇa wieder in Seine Stadt gekommen war, und zwar nicht allein, sondern mit einer neuen Frau, veranstalteten sie sogleich eine Hochzeitszeremonie und ein Freudenfest.

König Ugrasena berief daraufhin eine Versammlung aller bedeutenden Könige und Führer ein. Auch Satrājit war unter den geladenen Gästen, und Kṛṣṇa berichtete vor der ganzen Versammlung, wie Er das Symantaka-Juwel aus Jāmbavāns Höhle zurückgeholt hatte. Er schloß damit, daß Er König Satrājit das Juwel zurückgab. Satrājit jedoch war sehr beschämt, weil er Kṛṣṇa zu Unrecht verleumdet hatte. Er nahm das Juwel zwar an, doch schwieg er mit gebeugtem Haupt und verließ die Versammlung wortlos, um nach Hause zurückzukehren. Zuhause angekommen überlegte er, wie er seine Schandtat wiedergutmachen könne. Ihm war klar, daß er sich gegen Kṛṣṇa vergangen hatte, und daß er dieses Vergehen irgendwie aus der Welt schaffen mußte, damit Kṛṣṇa ihm weiter wohlgesinnt sein würde.

König Satrājit war also sehr daran gelegen, sich aus seiner unangenehmen Lage zu befreien, in die er sich törichterweise selbst gebracht hatte, da er sich von einem materiellen Gegenstand wie dem Syamantaka-Juwel hatte betören lassen. Dem König tat sein Vergehen gegen Kṛṣṇa wirklich leid, und er wünschte sich aufrichtig, es wiedergutzumachen. Deshalb gab Kṛṣṇa ihm die nötige Intelligenz, so daß sich Satrājit entschloß, dem Herrn sowohl das Juwel als auch seine schöne Tochter Satyabhāmā zu übergeben. Es gab für ihn keine andere Möglichkeit, das Problem zu lösen, und so ließ er die Heirat Kṛṣṇas und seiner schönen Tochter vorbereiten. Bei der Heiratszeremonie schenkte er dem Höchsten Persönlichen Gott sowohl das Juwel als auch seine Tochter. Satyabhāmā war so schön und tugendhaft, daß Satrājit, obgleich viele Prinzen um ihre Hand angehalten hatten, bisher immer gezögert hatte, um den am besten geeigneten Schwiegersohn zu finden. Durch Kṛṣṇas Gnade beschloß er nun, Kṛṣṇa seine Tochter zu geben.

Weil Śrī Kṛṣṇa mit Satrājit sehr zufrieden war, teilte Er ihm mit, daß Er das Juwel nicht brauche. »Du kannst es ruhig weiterhin im Tempel verehren, wo du es bereits zuvor aufbewahrtest«, sagte Er. »So wird jeder von uns seinen Nutzen aus dem Edelstein ziehen, denn in der Gegenwart des Juwels in Dvārakā wird es hier weder Hungersnöte noch andere Störungen, wie Seuchen oder übermäßige Hitze oder Kälte, geben.«

Hiermit endet die Erläuterung Bhaktivedantas zum 55. Kapitel des Buches Kṛṣṇa:
»Die Geschichte vom Syamantaka-Juwel«.