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Die Transzendentalen Spiele Sri Krishnas

Von A.C. Bhaktivedanta Swami Prabhupada
Die Transzendentalen Spiele Sri Krishnas
Kṛṣṇa - Der Höchste Persönliche Gott
Originale Version 1. Auflage 1974
63. Kapitel:
 
Krishna
 
Die Geschichte von König Nṛga


 

Eines Tages unternahmen einige Familienangehörige Śrī Kṛṣṇas, wie Sāmba, Pradyumna, Cārubhānu und Gada, die alle Prinzen der Yadu-Dynastie waren, einen ausgedehnten Ausflug durch einen Wald in der Nähe von Dvārakā. Während dieser Wanderung wurden sie alle sehr durstig, und so begannen sie, in dem Wald nach Trinkwasser zu suchen. Als sie schließlich an einen Brunnen kamen, mußten sie feststellen, daß er kein Wasser enthielt, doch dafür befand sich in ihm ein wunderbares Lebewesen. Es war eine große Eidechse, und sie alle bestaunten das schöne Tier. Die Prinzen erkannten, daß die Eidechse gefangen war und nicht aus eigener Kraft würde herausgelangen können, und daher versuchten sie aus Mitleid, die große Eidechse aus dem Brunnen zu befreien. Leider jedoch brachten sie es trotz aller Versuche nicht fertig, die Eidechse zu befreien. Als die Prinzen heimkehrten, erzählten sie Śrī Kṛṣṇa von ihrem Erlebnis. Śrī Kṛṣṇa ist der Freund aller Lebewesen. Deshalb begab Er Sich auf Bitten Seiner Söhne persönlich zu dem Brunnen und holte die große Eidechse mit Leichtigkeit heraus, indem Er einfach Seine linke Hand ausstreckte. Sowie die Eidechse von Kṛṣṇas Hand berührt wurde, verschwand ihr Tierkörper, und sie erschien in der Gestalt eines herrlichen Halbgottes, eines Bewohners der himmlischen Planeten. Der Körper des Halbgottes strahlte wie geschmolzenes Gold; feine Gewänder schmückten ihn, und er trug kostbares Geschmeide um den Hals.

Es war Śrī Kṛṣṇa kein Geheimnis, weshalb der Halbgott den Körper einer Eidechse hatte annehmen müssen, doch um alle anderen zu belehren, fragte Er ihn: »Mein lieber gesegneter Halbgott, Ich sehe, daß dein Körper nun so schön und strahlend ist. Wer bist du? Wir können nur vermuten, daß du einer der vortrefflichsten Halbgötter von den himmlischen Planeten bist. Alles Glück über dich! Ich glaube nicht, daß die Lage, in der wir dich hier vorgefunden haben, dir angemessen ist. Sicherlich bist du als Folge deiner früheren Handlungen in diese Lebensform versetzt worden. Aber laß uns von dir selbst hören, wie du in diese Lage geraten bist. Wenn du glaubst, dein Geheimnis verraten zu dürfen, sage uns bitte, wer du bist.«

Die große Eidechse war früher ein König mit Namen Nṛga gewesen, und als der Höchste Persönliche Gott nun König Nṛga fragte, wer er sei, verneigte dieser sich vor dem Herrn, indem er mit dem Helm auf seinem Haupt, der im Sonnenlicht glänzte, den Boden berührte. Er brachte also dem Höchsten Herrn als erstes seine achtungsvollen Ehrerbietungen dar und sagte dann: »Mein lieber Herr, ich bin der Sohn König Ikṣvākus, König Nṛga. Wenn Du jemals wohltätigen Männern Beachtung geschenkt hast, mußt Du bereits von mir gehört haben. Lieber Herr, Du bist der Zeuge. Du bist Dir jeder auch noch so unbedeutenden Handlung der Lebewesen in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft bewußt. Nichts kann Deinem ewigen Wissen verborgen bleiben. Dennoch werde ich, weil Du mir befohlen hast, Dir meine Vergangenheit mitzuteilen, die ganze Geschichte erzählen.«

Daraufhin schickte sich König Nṛga an, die Geschichte seines durch karma-kāṇḍa-Handlungen verursachten Falls zu erzählen: Er hatte einen stark ausgeprägten Hang zur Mildtätigkeit gehabt und so viele Kühe verschenkt, daß ihre Zahl, wie er sagte, der Anzahl der Staubkörner auf der Erde, der Sterne am Himmel und der Regentropfen gleichkam. Die vedischen Ritualvorschriften geben jemandem, der zu Mildtätigkeit neigt, die Anweisung, den brāhmaṇas Kühe zu schenken. Aus König Nṛgas Worten geht hervor, daß er dieses Prinzip mit aller Ernsthaftigkeit einhielt; als Folge einer kleinen Nachlässigkeit jedoch wurde er gezwungen, als Eidechse geboren zu werden. Der Herr empfiehlt aus eben solchen Gründen in der Bhagavad-gītā, daß jemand, der eine Neigung zur Mildtätigkeit hat und den Segen, der auf seine Mildtätigkeit folgt, erlangen möchte, seine Gaben zur Freude Kṛṣṇas verwenden soll. Spenden in Mildtätigkeit zu geben gilt als fromme Handlung, und als Ergebnis frommer Handlungen kann man zu höheren Planetensystemen erhoben werden; doch daß man einen himmlischen Planeten erreicht hat, bedeutet nicht, daß man niemals wieder herunterfällt. Das Beispiel König Nṛgas zeigt besonders deutlich, daß fruchtbringende Handlungen, selbst wenn sie von sehr frommer Art sind, uns nicht zu ewigem, glückseligem Leben verhelfen können. Wie in der Bhagavad-gītā erklärt wird, bindet das Ergebnis einer Handlung, mag diese fromm oder gottlos sein, den Ausführenden, sofern die Handlung nicht als yajña (Opfer) für den Höchsten Persönlichen Gott getan wird.

König Nṛga wies darauf hin, daß die Kühe, die er fortgab, keine gewöhnlichen Kühe waren. Eine jede war noch ganz jung und hatte erst einmal gekalbt. Alle Kühe gaben reichlich Milch und waren sehr friedlich und gesund. Auch waren sie alle mit auf rechtschaffene Weise verdientem Geld erworben worden; ihre Hörner waren goldüberzogen, ihre Hufe mit Silber beschlagen, und sie trugen seidene Decken, die mit Perlen und Kettchen verbrämt waren. Er berichtete, daß diese kostbar geschmückten Kühe nicht irgendwelchen Unwürdigen gegeben wurden, sondern nur den besten brāhmaṇas, die er dazu mit stattlichen Gewändern und Goldgeschmeide versehen ließ. Die brāhmaṇas waren alle sehr befähigt, keiner von ihnen war reich, und ihren Familien hatte es stets an den Lebensnotwendigkeiten gemangelt. Ein wirklicher brāhmaṇa hortet niemals Geld für ein üppiges Leben, wie es die kṣatriyas und vaiśyas tun, sondern bleibt immer freiwillig in Armut, da er weiß, daß Geld den Geist zu materialistischer Denkweise verführt. So zu leben ist das Gelübde eines jeden echten brāhmaṇa, und alle damaligen brāhmaṇas hielten sich strikt an ihr hohes Gelübde. Sie waren im vedischen Wissen wohlbewandert; sie nahmen ihr Leben lang die erforderlichen Enthaltsamkeiten und Bußen auf sich und waren großmütig, so daß sie alle Voraussetzungen für befähigte brāhmaṇas erfüllten. Sie waren jedem gleichermaßen wohlgesinnt, und überdies waren sie oft noch jung und bereits völlig geeignet, als echte brāhmaṇas zu handeln. Neben den Kühen wurden ihnen auch Land, Gold, Häuser, Pferde und Elefanten gegeben. Denjenigen, die noch nicht verheiratet waren, wurden Frauen, Dienerinnen, Getreide, Silber, Gerätschaften, Gewänder, Edelsteine, Hausrat, Kutschen und vieles mehr geschenkt. Diese Spenden geschahen auf vorbildliche Art als Opfer nach den Regeln für vedische Riten. Der König erzählte weiterhin, daß er nicht nur Gaben an die brāhmaṇas hatte verteilen lassen, sondern auch andere fromme Werke getan hatte: So hatte er z. B. Brunnen gegraben, Bäume an den Straßenrändern gepflanzt und an den Hauptstraßen Teiche angelegt.

Der König fuhr fort: »Trotz alledem geschah es eines Tages unglücklicherweise, daß eine der Kühe, die ich einem brāhmaṇa gegeben hatte, sich wieder unter meine Kühe mischte. Ohne davon zu wissen, schenkte ich sie später einem anderen brāhmaṇa, doch als dieser die Kuh gerade wegführte, kam ihr vorheriger Besitzer und forderte sie als sein Eigentum, indem er sagte: »Diese Kuh wurde mir vor kurzem übergeben; wie kommst du also dazu, sie einfach mit dir zu nehmen? Daraufhin gab es Streit und Hader zwischen den beiden brāhmaṇas, bis sie schließlich zu mir kamen und mich beschuldigten, ich hätte eine Kuh zurückgenommen, die ich bereits als Spende gegeben hätte.« Jemandem etwas fortzunehmen, das man ihm geschenkt hat, gilt als große Sünde, besonders, wenn man dies einem brāhmaṇa antut. Als nun die beiden brāhmaṇas dem König den gleichen Vorwurf machten, konnte er sich nur wundern, wie das Ganze hatte geschehen können. Schließlich bot er jedem der beiden 100000 Kühe im Austausch gegen die eine Kuh, die der Anlaß ihres Streits war. Er flehte sie an, daß er doch ihr Diener sei, und daß ihm ein bedauerlicher Fehler unterlaufen sein müsse. Um ihn also wiedergutzumachen, bat er sie, doch so überaus gütig sein, sein Angebot anzunehmen. Der König flehte die brāhmaṇas inständig an, ihn wegen seines Fehlers nicht in die Hölle zu stürzen. Das Eigentum eines brāhmaṇa bezeichnet man als brahma-sva, und nach dem Gesetz Manus darf nicht einmal die Regierung es sich aneignen. Jeder der brāhmaṇas beharrte indessen darauf, daß die Kuh ihm gehöre und ihm unter keinen Umständen wieder weggenommen werden dürfe; keiner von beiden war bereit, sie gegen 100000 Kühe zu tauschen. Sie wiesen also den Vorschlag des Königs zurück und verließen den Palast voller Zorn in dem Gefühl, daß ihre rechtmäßige Stellung angefochten worden sei.

Als es einige Zeit nach diesem Vorfall für den König so weit war, den Körper aufzugeben, und er vor Yamarāja, den Herrn des Todes, geführt wurde, fragte Yamarāja ihn, ob er erst die Folgen seiner frommen Handlungen genießen oder erst die Folgen seiner unfrommen Handlungen erleiden wolle. Yamarāja wies König Nṛga auch darauf hin, daß ihn, weil er so viele fromme Werke getan und so viele milde Gaben verteilt habe, ein unvorstellbares Ausmaß an Genuß erwarte. Sein materielles Glück werde nahezu endlos sein; doch trotz dieses Hinweises war König Nṛga unschlüssig. Zuletzt entschied er sich, erst die Folgen seiner unfrommen Handlungen zu erleiden und danach die Ergebnisse seiner frommen Werke zu genießen, und so verwandelte Yamarāja ihn auf der Stelle in eine Eidechse.

Lange Zeit hatte König Nṛga als große Eidechse in dem Brunnen gelebt, und nun erzählte er Śrī Kṛṣṇa: »Obwohl ich in diese gefallene Lebenslage versetzt wurde, dachte ich nur an Dich, mein Herr, und mein Erinnerungsvermögen wurde mir nie genommen.« Aus diesen Worten König Nṛgas geht hervor, daß Menschen, die den Prinzipien gewinnbringender Handlungen folgen und einige materielle Gewinne erlangen, nicht sehr intelligent sind. Als Yamarāja, der Herr des Todes, König Nṛga sein Schicksal selbst wählen ließ, hätte dieser erst die Ergebnisse seiner frommen Handlungen bekommen können. Statt dessen hielt er es für klüger, erst die Folgen seiner unfrommen Handlungen zu empfangen und dann die Auswirkungen seiner frommen Handlungen ungestört zu genießen. Offensichtlich hatte er alles in allem noch kein Kṛṣṇa-Bewußtsein entwickelt. Wer Kṛṣṇa-bewußt ist, entwickelt Liebe zu Gott, nicht aber Liebe zu frommen oder unfrommen Handlungen; deshalb ist er auch nicht den Folgen solcher Handlungen unterworfen. Wie in der Brahma-saṁhitā gesagt wird, ist ein Gottgeweihter durch die Gnade des Herrn nicht den auf seine gewinnbringenden Handlungen folgenden Reaktionen ausgesetzt.

Aus irgendwelchen Gründen jedoch, wohl als Folge seiner frommen Werke, war in König Nṛga der Wunsch entstanden, den Herrn zu sehen. Er fuhr also fort: »Mein lieber Herr, ich hegte ein starkes Verlangen, Dich eines Tages persönlich sehen zu dürfen, und so glaubte ich, daß es mir wegen meiner Neigung zu Riten und wohltätigen Handlungen, verbunden mit diesem starken Verlangen, Dich persönlich zu sehen, möglich sei, die Erinnerung an mein vorheriges Leben wiederzuerlangen, obwohl ich eine Eidechse geworden war [* Jemanden, der sich an sein vorheriges Leben erinnern kann, bezeichnet man als jāti-smara.*]. Mein lieber Herr, Du bist die Überseele im Herzen jedes Lebewesens. Es gibt viele große mystische yogīs, die die Augen haben, Dich durch die Veden und Upaniṣaden zu sehen. Um die hohe Stufe zu erreichen, Dir an Qualität gleich zu sein, meditieren sie ständig über Dich in ihren Herzen. Obwohl solche vortrefflichen Heiligen Dich stets in ihren Herzen wahrnehmen mögen, können sie Dich dennoch nicht von Angesicht zu Angesicht sehen; deshalb überrascht es mich um so mehr, daß ich Dich persönlich sehen darf. Ich weiß, daß ich früher, besonders in meiner Stellung als König, mit so vielen weltlichen Dingen beschäftigt war. Obgleich ich inmitten von Überfluß und Prunk lebte und so sehr den Freuden und Leiden des materiellen Daseins ausgesetzt war, habe ich nun das Glück, Dich persönlich zu sehen. Soviel ich weiß, kann eigentlich nur jemand, der vom materiellen Dasein befreit ist, Dich so sehen.«

Als sich König Nṛga entschloß, die Folgen seiner unfrommen Handlungen zu empfangen, wurde ihm wegen seines Fehlers bei seinen frommen Werken der Körper einer Eidechse gegeben; daher konnte er nicht direkt auf eine höhere Lebensstufe wie die eines Halbgottes gelangen. Während seiner frommen Handlungen hatte er jedoch an Kṛṣṇa gedacht, und deshalb wurde er bald von seinem Tierkörper befreit und erhielt den Körper eines Halbgottes. Wenn diejenigen, die materielle Güter begehren, den Höchsten Herrn verehren, bekommen sie die Körper mächtiger Halbgötter. Einige dieser Halbgötter erhalten Gelegenheit, den Höchsten Persönlichen Gott von Angesicht zu Angesicht zu sehen, aber das bedeutet noch nicht, daß sie imstande sind, in das spirituelle Königreich, auf einen der Vaikuṇṭha-Planeten zu gelangen. Nur wenn diese Halbgötter weiterhin versuchen, Geweihte des Herrn zu werden, gelangen sie bei der nächsten Gelegenheit, die sich ihnen bietet, nach Vaikuṇṭha.

Als König Nṛga nun den Körper eines Halbgottes erlangt hatte, konnte er sich immer noch an alles erinnern; er sagte zu Kṛṣṇa: »Mein lieber Herr, Du bist der Höchste Meister, und Du wirst von allen Halbgöttern verehrt. Du bist nicht irgendeines der Lebewesen, sondern die Höchste Person, Puruṣottama. Du bist die Quelle allen Glücks für alle Lebewesen; daher bist Du auch als Govinda bekannt. Du bist der Herr aller Lebewesen, sowohl derer, die bereits einen materiellen Körper angenommen haben, als auch derer, die noch keinen materiellen Körper angenommen haben [* Zu den Lebewesen, die noch keinen materiellen Körper angenommen haben, gehören auch jene, die in der materiellen Welt als üble Geister umherirren und in der feinstofflichen Geisteratmosphäre leben. Diejenigen jedoch, die im spirituellen Königreich, auf einem der Vaikuṇṭha-Planeten leben, haben Körper, die nicht aus materiellen Elementen bestehen.*]. O Herr, Du bist unfehlbar; Du bist der Höchste, der Reinste aller Lebewesen. Du weilst im Herzen eines jeden. Du bist Nārāyaṇa, die Zuflucht aller Lebewesen. Du, der Du Dich in den Herzen aller Lebewesen befindest, bist der höchste Kontrollierende ihrer Sinnentätigkeiten; deshalb wirst Du auch Hṛṣīkeśa genannt.

Mein lieber Höchster Herr, Śrī Kṛṣṇa, weil Du mir den Körper eines Halbgottes gabst, werde ich mich zu einem der himmlischen Planeten begeben müssen; doch zuvor möchte ich die Gelegenheit wahrnehmen, Dich um Deine Gnade zu bitten: Gewähre mir die Segnung, daß ich niemals Deine Lotosfüße vergessen werde, ganz gleich, in welche Lebensform und auf welchen Planeten ich auch versetzt werden mag. Du bist alldurchdringend und überall als Ursache und Wirkung gegenwärtig. Du bist die Ursache aller Ursachen, und Deine Macht und Kraft sind grenzenlos. Du bist die Absolute Wahrheit, der Höchste Persönliche Gott und das Höchste Brahman. Ich bringe Dir deshalb wieder und wieder meine achtungsvollen Ehrerbietungen dar. Mein lieber Herr, Dein Körper ist voll transzendentaler Glückseligkeit und transzendentalen Wissens, und Du bist ewig. Du bist der Gebieter über alle mystischen Kräfte; deshalb bist Du auch als Yogeśvara bekannt. Setze mich bitte gütigerweise als unbedeutendes Staubkörnchen an Deine Lotosfüße.«

Ehe sich König Nṛga zu den himmlischen Planeten aufmachte, umkreiste er den Herrn und berührte schließlich, als er sich vor Ihm verneigte, mit dem Helm Seine Lotosfüße. Dann sah er auch schon ein Luftfahrzeug von den himmlischen Planeten vor sich, das er mit Erlaubnis des Herrn bestieg.

Nachdem sich König Nṛga entfernt hatte, brachte Śrī Kṛṣṇa zum Ausdruck, daß Er die Hingabe des Königs an die brāhmaṇas wie auch dessen Mildtätigkeit und Ernsthaftigkeit bei der Durchführung vedischer Rituale schätze. Es wird nämlich empfohlen, wenn jemand nicht direkt ein Geweihter des Herrn werden kann, daß er den vedischen Lebensprinzipien folgt. Das wird es ihm zu guter Letzt ermöglichen, den Herrn zu sehen, indem er entweder direkt ins spirituelle Königreich erhoben wird oder vorerst ins himmlische Königreich gelangt, von wo sich ihm gute Möglichkeiten bieten, die spirituelle Welt zu erreichen.

Śrī Kṛṣṇa sagte daraufhin zu Seinen anwesenden Verwandten, die dem kṣatriya-Stand angehörten, um sie anhand von König Nṛgas Beispiel zu belehren: »Selbst wenn ein kṣatriya-König so mächtig wie das Feuer ist, darf er sich unter keinen Umständen das Eigentum eines brāhmaṇa aneignen und es für seine eigenen Zwecke benutzen. Wie dürfen dann erst gewöhnliche Könige, die sich meistens fälschlich für die mächtigsten Wesen der materiellen Welt halten, das Eigentum eines brāhmaṇa an sich nehmen? Ich halte es für nicht so gefährlich, Gift zu nehmen, wie sich das Eigentum eines brāhmaṇa anzueignen, denn bei gewöhnlichem Gift kann man durch die geeignete Behandlung von der Wirkung befreit werden, doch wenn man ›Gift trinkt‹, indem man das Eigentum eines brāhmaṇa nimmt, kann kein Mittel diesen Fehler wiedergutmachen. König Nṛga ist das beste Beispiel dafür: Er war zwar sehr mächtig und auch fromm, doch wegen eines kleinen Fehlers, weil er sich nämlich versehentlich die Kuh eines brāhmaṇa aneignete, wurde er dazu verdammt, das scheußliche Leben einer Eidechse zu führen. Gewöhnliches Gift kann nur denen schaden, die es trinken, und gewöhnliches Feuer kann mit Wasser gelöscht werden; doch das durch die spirituelle Kraft eines brāhmaṇa entzündete araṇi-Feuer kann die ganze Familie dessen, der einen solchen brāhmaṇa erzürnt, zu Asche verbrennen [*Früher pflegten die brāhmaṇas ihre Opferfeuer nicht mit Streichhölzern oder einem anderen Feuer zu entzünden, sondern durch mächtige mantras, die man als araṇi bezeichnet.*]. Wenn jemand das Eigentum eines brāhmaṇa anrührt, verfällt seine Familie drei Generationen lang dem Ruin, und wenn jemand einem brāhmaṇa mit Gewalt das Eigentum wegnimmt, werden zehn Generationen seiner Familie vor ihm und zehn Generationen nach ihm von Verderben heimgesucht. Wird aber jemand ein Vaiṣṇava oder Geweihter des Herrn, erlangen zehn Generationen seiner Familie vor seiner Geburt und zehn Generationen nach ihm die Befreiung.«

Śrī Kṛṣṇa fuhr fort: »Wenn ein törichter, durch Reichtum, Ansehen und Macht überheblich gewordener König versucht, sich das Eigentum eines brāhmaṇa anzueignen, sollte man wissen, daß ein solcher König sich den Pfad zur Hölle ebnet. Er kann sich nicht vorstellen, wie sehr er für solch unkluge Handlungen leiden muß. Wenn z. B. jemand einem großmütigen brāhmaṇa, der für eine kinderreiche, hilflose Familie zu sorgen hat, etwas fortnimmt, wird ein solcher Verbrecher in die Hölle versetzt, die als Kumbhīpāka gefürchtet ist - und nicht nur er selbst, sondern auch seine Angehörigen werden in dieser Hölle unter den elendsten Lebensbedingungen ihr Dasein fristen müssen. Ein Mensch, der etwas an sich nimmt, was entweder einem brāhmaṇa gegeben oder von einem brāhmaṇa weggegeben wurde, ist dazu verdammt, mindestens 60000 Jahre ein solch elendes Dasein zu führen wie ein Insekt im Kot. Deshalb lege Ich euch nahe, Meine Söhne und Verwandten: Nehmt niemals, nicht einmal versehentlich, das Eigentum eines brāhmaṇa an euch, denn durch eine solche Handlung würdet ihr eure ganze Familie ins Verderben stürzen. Wenn jemand sich auch nur wünscht, solches Eigentum zu besitzen, verkürzt sich sein Leben, selbst wenn er gar nicht versucht, es an sich zu reißen. Er wird von seinen Feinden geschlagen werden; er wird, wenn er König ist, seinen Thron verlieren, und wenn er den Körper aufgibt, wird er eine Schlange werden. Eine Schlange fügt anderen Lebewesen nur Leid zu. Meine lieben Prinzen und Anverwandten, Ich rate euch deshalb, daß selbst, wenn ein brāhmaṇa zornig auf euch wird und euch beschimpft oder euch etwas antut, ihr euch nicht rächen, sondern vielmehr lächeln, duldsam sein und ihm eure Achtung erweisen solltet. Wie ihr sicher wißt, bringe auch Ich Selbst den brāhmaṇas mit großem Respekt dreimal am Tag Meine Ehrerbietungen dar. Ihr solltet daher Meiner Anweisung und Meinem Beispiel folgen. Ich werde niemandem vergeben, der dies unterläßt, sondern Ich werde ihn dafür strafen. Ihr solltet vom Beispiel König Nṛgas lernen, daß selbst wenn jemand versehentlich das Eigentum eines brāhmaṇas an sich nimmt, er in elendste Lebensumstände versetzt wird.«

Damit gab Śrī Kṛṣṇa, der stets darum bemüht ist, die bedingten Lebewesen zu läutern, eine Anweisung, die nicht nur für Seine Familienangehörigen und die Einwohner von Dvārakā bestimmt war, sondern auch für alle Angehörigen der menschlichen Gesellschaft. Dann begab Sich der Herr in Seinen Palast zurück.

Hiermit endet die Erläuterung Bhaktivedantas zum 63. Kapitel des Buches Kṛṣṇa:
»Die Geschichte von König Nrga«.