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Die Transzendentalen Spiele Sri Krishnas

Von A.C. Bhaktivedanta Swami Prabhupada
Die Transzendentalen Spiele Sri Krishnas
Kṛṣṇa - Der Höchste Persönliche Gott
Originale Version 1. Auflage 1974
71. Kapitel:
 
Krishna
 
König Jarāsandha erlangt Befreiung


 

In einer großen Versammlung ehrenwerter Persönlichkeiten, wie Bürger, Freunde, Verwandte, brāhmaṇas, kṣatriyas und vaiśyas, richtete König Yudhiṣṭhira vor allen Anwesenden, unter denen auch seine Brüder waren, folgende Worte an Śrī Kṛṣṇa: »Mein lieber Śrī Kṛṣṇa, die Opferzeremonie, die als Rājasūya-yajña bekannt ist, gilt als die Königin aller Opferzeremonien, und sie muß vom Herrscher vollzogen werden. Durch die Darbringung dieses Opfers möchte ich alle Halbgötter erfreuen, die Deine bevollmächtigten Vertreter in der materiellen Welt sind, und ich möchte Dich bitten, so gütig zu sein, mir bei diesem Vorhaben zu helfen, so daß es zu einem Erfolg wird. Was nun uns Pāṇḍavas angeht, so gibt es nichts, was wir von den Halbgöttern begehren; wir persönlich sind völlig damit zufrieden, Deine Geweihten zu sein. Wie Du in der Bhagavad-gītā erklärst, verehren Menschen, die durch materielle Begierden verwirrt sind, die Halbgötter; doch das ist nicht unsere Absicht. Ich möchte das Rājasūya-Opfer abhalten und die Halbgötter dazu einladen, um ihnen zu zeigen, daß sie unabhängig von Dir keine Macht besitzen. Sie alle sind Deine Diener, und Du bist der Höchste Persönliche Gott. Narren mit einem spärlichen Maß an Wissen halten Deine Herrlichkeit für einen gewöhnlichen Menschen. Manchmal versuchen sie, Fehler an Dir zu finden, und manchmal lästern sie Dich sogar. Es ist daher mein Wunsch, das Rājasūya-Opfer darzubringen. Ich möchte dazu alle Halbgötter einladen, angefangen mit Brahmā, Śiva und anderen hohen Herrschern der himmlischen Planeten, und in dieser großen Versammlung von Halbgöttern aus allen Teilen des Universums will ich deutlich zum Ausdruck bringen, daß Du der Höchste Persönliche Gott bist, und daß jeder Dein Diener ist.

Mein lieber Herr, diejenigen, die ständig ins Kṛṣṇa-Bewußtsein vertieft sind und an Deine Lotosfüße oder an Deine Schuhe denken, werden mit Sicherheit von aller durch das materielle Leben entstandenen Verunreinigung frei. Jene, die sich im völligen Kṛṣṇa-Bewußtsein dem Dienst an Dir widmen, die über Dich allein meditieren oder Dir Gebete darbringen, sind geläuterte Seelen. Weil sie Dir ständig im Kṛṣṇa-Bewußtsein dienen, werden sie vom Kreislauf wiederholter Geburten und Tode befreit. Sie begehren nicht einmal danach, vom materiellen Dasein befreit zu werden, geschweige denn, materielle Güter zu genießen, denn ihre Wünsche sind durch ihr Kṛṣṇa-bewußtes Handeln bereits erfüllt. Was uns betrifft, so sind wir Deinen Lotosfüßen völlig ergeben, und durch Deine Gnade ist uns das Glück zuteil geworden, Dich persönlich zu sehen. Deshalb hegen wir selbstverständlich kein Verlangen nach materiellen Gütern. Die vedische Weisheit erklärt, daß Du der Höchste Persönliche Gott bist. Diese Tatsache will ich verkünden, und ich will der Welt zeigen, welch ein Unterschied darin besteht, Dich als den Höchsten Persönlichen Gott anzuerkennen, statt Dich als eine gewöhnliche, mächtige historische Persönlichkeit zu betrachten. Ich will der Welt zeigen, daß man die höchste Vollkommenheit des Lebens erreichen kann, wenn man einfach bei Deinen Lotosfüßen Zuflucht sucht. So wie man alle Äste, Zweige, Blätter und Blüten eines Baumes nähren kann, wenn man einfach die Wurzel begießt, so findet das Leben eines Menschen, der sich dem Kṛṣṇa-Bewußtsein zuwendet, materiell wie auch spirituell seine Erfüllung.

Das bedeutet jedoch nicht, daß Du jemanden, der Kṛṣṇa-bewußt ist, bevorzugst, und den, der nicht Kṛṣṇa-bewußt ist, benachteiligst. Du bist, wie Du Selbst verkündet hast, zu jedem gleich. Du kannst gar nicht einige bevorzugen und andere vernachlässigen, weil Du als die Überseele im Herzen eines jeden weilst und ihm die jeweiligen Folgen seiner fruchtbringenden Handlungen zukommen läßt. Du gibst jedem Lebewesen Gelegenheit, die materielle Welt nach Belieben zu genießen. Als Überseele befindest Du Dich zusammen mit dem Lebewesen im Körper und gibst ihm die Ergebnisse seiner Handlungen wie auch die Möglichkeiten, sich durch die Entwicklung des Kṛṣṇa-Bewußtseins Deinem hingebungsvollen Dienst zuzuwenden. Du erklärst offen, daß man sich Dir hingeben und alle anderen Beschäftigungen aufgeben soll, und daß Du Dich einer solch hingegebenen Seele annehmen und sie von den Folgen aller Sünden befreien wirst. Du bist wie der Wunschbaum auf den himmlischen Planeten, der einem, ganz nach Wunsch, alles gibt. Jedem steht es frei, die höchste Vollkommenheit zu erlangen, und daher ist es, wenn jemand dies nicht will, kein Zeichen der Voreingenommenheit, wenn Du ihm Geringeres zukommen läßt.«

Auf diese Erklärung König Yudhiṣṭhiras erwiderte Śrī Kṛṣṇa folgendes: »Mein lieber König Yudhiṣṭhira, o Töter der Feinde, o vorbildliche Gerechtigkeit in Person, Dein Entschluß, das Rājasūya-Opfer durchzuführen, findet Meine volle Zustimmung. Durch diese große Opferzeremonie wird Dein guter Name für alle Zeit einen hohen Rang in der Geschichte der Menschheit einnehmen. Mein lieber König, Ich darf dir sagen, daß es der Wunsch aller großen Weisen, deiner Vorväter, der Halbgötter, und deiner Verwandten und Freunde, einschließlich Meiner Selbst, ist, daß Du diese Opferzeremonie durchführst, zumal Ich glaube, daß sie jedem Lebewesen zugute kommen wird. Doch zuerst möchte Ich dich bitten, alle anderen Könige der Welt zu unterwerfen und alle notwendigen Opfergaben zusammenzutragen, da dies die Voraussetzung für den großen Rājasūya-yajña ist. Mein lieber König, Deine vier Brüder sind direkte Verkörperungen bedeutender Halbgötter wie Varuṇa, Indra und anderer [* Es heißt, daß Bhīma von dem Halbgott Varuṇa gezeugt wurde, Arjuna von Indra und König Yudhiṣṭhira von Yamarāja. *]. Deine Brüder sind große Helden, und du selbst bist der frommste König mit der größten Selbstbeherrschung, weshalb du als Dharmarāja bekannt bist. Ihr alle zeigt solch gute Eigenschaften, daß ihr Mir nahezu gleichkommt.

Śrī Kṛṣṇa verriet König Yudhiṣṭhira, daß Er durch die Liebe desjenigen erobert werden könne, der seine Sinne bezwungen habe. Jemand, der seine Sinne nicht bezwungen hat, kann auch nicht den Höchsten Persönlichen Gott »bezwingen«. Das ist das Geheimnis des hingebungsvollen Dienens. Die Sinne zu bezwingen bedeutet, sie unablässig im Dienst des Herrn zu beschäftigen. Und die besondere Eigenschaft der Pāṇḍavas war es, daß sie tatsächlich ihre Sinne ständig in den Dienst des Herrn stellten. Wer seine Sinne in dieser Weise gebraucht, wird rein, und erst mit geläuterten Sinnen kann man dem Herrn richtig dienen. Dann kann der Herr von dem Gottgeweihten durch transzendentalen liebevollen Dienst erobert werden.

Śrī Kṛṣṇa fuhr fort: »Es gibt niemanden in den drei Welten des Universums, nicht einmal unter den mächtigen Halbgöttern, der Meine Geweihten in einer der sechs Füllen, nämlich Reichtum, Stärke, Ruhm, Schönheit, Wissen und Entsagung, übertreffen kann. Wenn ihr die weltlichen Könige unterwerfen wollt, gibt es daher für sie keine Aussicht auf Sieg.«

Als Śrī Kṛṣṇa König Yudhiṣṭhira in dieser Weise ermutigte, strahlte das Gesicht des Königs in transzendentaler Freude wie eine erblühende Blume, und er trug seinen jüngeren Brüdern auf, in alle Richtungen auszuziehen und alle Könige auf der Welt zu besiegen. Die Pāṇḍavas waren von Śrī Kṛṣṇa ermächtigt, Seine grosse Mission zu erfüllen, die darin bestand, alle gottlosen Schurken auf der Welt zu vernichten und Seine gläubigen Geweihten zu beschützen. In Seiner Gestalt als Viṣṇu trägt der Herr für diese Mission vier verschiedene Waffen in Seinen vier Händen: in einer Hand hält Er eine Lotosblume, in einer ein Muschelhorn und in den anderen beiden trägt Er eine Keule und ein Feuerrad. Die Keule und das Feuerrad sind für die Nichtgottgeweihten bestimmt, doch weil der Herr der Höchste Absolute ist, haben all Seine Waffen letzten Endes die gleiche Wirkung. Mit der Keule und dem Feuerrad straft Er die Schurken, damit sie zur Vernunft kommen und erkennen, daß sie nicht das ein und alles sind; denn über ihnen steht der Höchste Herr. Dadurch, daß Er in Sein Muschelhorn bläst und mit Seiner Lotosblume Segnungen erteilt, versichert Er den Gottgeweihten stets, daß sie niemals überwunden werden können, nicht einmal in der größten Not. Durch Kṛṣṇas Worte sicher geworden, befahl König Yudhiṣṭhira seinem jüngsten Bruder Sahadeva, mit den Soldaten des Sṛṅjaya-Geschlechts die südlichen Länder zu unterwerfen. Nakula gab er den Auftrag, begleitet von den Soldaten aus Matsyadeśa, die Könige im Westen zu besiegen. Arjuna sollte mit den Soldaten aus Kakayadeśa die Könige in den nördlichen Ländern besiegen, und Bhīmasena, dem die Soldaten von Madradeśa (das heutige Madras) zur Seite standen, wurde aufgetragen, die Könige im Osten zu bezwingen.

Hierzu sei bemerkt, daß König Yudhiṣṭhira nicht unbedingt beabsichtigte, den Königen den Krieg zu erklären, als er seine Brüder in alle Richtungen auf Eroberung aussandte. Eigentlich zogen die vier Brüder nur aus, um den Königen mitzuteilen, daß König Yudhiṣṭhira beabsichtige, das Rājasūya-Opfer durchzuführen. Gleichzeitig wurden sie dazu aufgefordert, die für das Opfer notwendigen Abgaben zu entrichten. Wenn ein König Tribut zahlte, bedeutete dies, daß er König Yudhiṣṭhiras Herrschaft anerkannte. Im Falle einer Weigerung jedoch kam es unweigerlich zum Kampf. Auf diese Weise unterwarfen die Pāṇḍavas durch ihre Macht und ihr Ansehen alle Könige. Es gelang den Brüdern, reichlich Abgaben und Geschenke zu beschaffen, die sie König Yudhiṣṭhira überbrachten.

König Yudhiṣṭhira war indessen sehr besorgt, als ihm mitgeteilt wurde, König Jarāsandha von Magadha sei nicht gewillt, seine Oberhoheit anzuerkennen. Als Śrī Kṛṣṇa König Yudhiṣṭhiras Besorgnis sah, erklärte Er ihm Uddhavas Plan, wie König Jarāsandha zu bezwingen sei. Wenig später begaben sich Bhīmasena, Arjuna und Śrī Kṛṣṇa als brāhmaṇas verkleidet auf den Weg nach Girivraja, der Hauptstadt Jarāsandhas. Dies entsprach dem Plan, den Uddhava ersonnen hatte, ehe Śrī Kṛṣṇa nach Hastināpura aufbrach. Nun wurde er in die Tat umgesetzt.

König Jarāsandha war ein äußerst pflichtbewußter Haushälter und hatte große Achtung vor den brāhmaṇas. Er war als echter kṣatriya-König ein großer Krieger, doch mißachtete er niemals die Anweisungen der Veden. Nach den vedischen Unterweisungen gelten die brāhmaṇas als die geistigen Meister aller anderen Kasten. Śrī Kṛṣṇa, Arjuna und Bhīmasena, die eigentlich kṣatriyas waren, hatten sich daher als bṛāhmaṇas verkleidet und gingen zu einer bestimmten Zeit, zu der König Jarāsandha die brāhmaṇas als Gäste zu empfangen pflegte, zu ihm.

Als Śrī Kṛṣṇa in Seiner Verkleidung vor dem König stand, sagte Er: »Wir wünschen euer Majestät alles Gute. Wir drei kommen als Gäste in deinen Palast; wir sind von weither gereist. Wir sind hier, um dich um milde Gaben zu bitten, und wir hoffen, daß du so gütig sein wirst, uns alles zu geben, um das wir dich bitten, denn wir haben von deinen guten Eigenschaften gehört. Ein duldsamer Mensch ist stets bereit, alles hinzunehmen, auch, wenn dies manchmal mit Leid verbunden ist. Wie ein Verbrecher bereit ist, die größten Abscheulichkeiten zu begehen, ist ein so wohltätiger Mensch wie du bereit, alles zu geben, worum man ihn bittet. Eine so große Persönlichkeit wie du macht keine Unterschiede zwischen Verwandten und Fremden. Ein berühmter Mann lebt selbst nach seinem Tod weiter, doch jemand, der die Möglichkeiten und Fähigkeiten besitzt, Werke zu tun, die seinen Namen und Ruhm verewigen, aber es trotzdem unterläßt, wird von den großen Persönlichkeiten verachtet. Ein solcher Mensch kann nicht genug verdammt werden, und weil er keine Spenden geben will, ist sein ganzes Leben beklagenswert. Euer Majestät kennt bestimmt die berühmten Namen solch wohltätiger Persönlichkeiten wie Rantideva und Mudgala, die sich nur von Körnern ernährten, die sie auf Reisfeldern zusammensuchten. Auch ist dir bestimmt Mahārāja Śibi ein Begriff, der das Leben einer Taube rettete, indem er Fleisch von seinem eigenen Körper gab. All diese großen Persönlichkeiten gelangten zu unsterblichem Ruhm, weil sie ihren zeitweiligen und vergänglichen Körper opferten.« So erklärte Śrī Kṛṣṇa in Seiner Verkleidung als brāhmaṇa König Jarāsandha, daß Ruhm unvergänglich, der Körper aber vergänglich ist. Und wenn jemand unvergänglichen Ruhm erlangt, indem er seinen vergänglichen Körper opfert, wird er zu einer hochgeehrten Persönlichkeit der Menschheitsgeschichte.

Während Śrī Kṛṣṇa mit Arjuna und Bhīmasena zu Jarāsandha sprach, bemerkte dieser, daß alle drei nicht wie wirkliche brāhmaṇas aussahen. Ihre Körper wiesen Merkmale auf, an denen Jarāsandha erkennen konnte, daß sie kṣatriyas waren. Ihre Schultern zeichneten Eindrücke, die vom Bogentragen herrührten; sie waren von stattlichem Körperbau, und ihre Stimmen waren tief und befehlend. Diese Merkmale sagten Jarāsandha eindeutig, daß seine Gäste keine brāhmaṇas, sondern kṣatriyas waren. Auch kam es ihm so vor, als habe er sie schon einmal gesehen. Doch obwohl es sich bei den drei Männern offensichtlich um kṣatriyas handelte, waren sie an seine Tür gekommen, um wie brāhmaṇas um Almosen zu betteln. Deshalb beschloß er, ihnen ihre Wünsche zu erfüllen, obwohl sie kṣatriyas waren, denn er fand, sie hätten sich dadurch, daß sie wie Bettler vor ihn traten, bereits genügend gedemütigt. »Aus diesem Grund«, so sagte er sich, »bin ich bereit, ihnen alles zu geben. Selbst meinen eigenen Körper werde ich ihnen ohne Zögern überlassen, wenn sie mich darum bitten sollten.« Dabei dachte er an Bali Mahārāja, vor dem Viṣṇu als Bettler erschienen war und ihm in dieser Verkleidung seinen ganzen Reichtum und sein Königreich fortgenommen hatte. Dies tat Er für Indra, der nach einer Niederlage im Kampf mit Bali Mahārāja seines Königreichs beraubt worden war. Obwohl Bali Mahārāja so betrogen wurde, wird sein Ruhm als großer Geweihter, der es über sich brachte, alles und jedes als Almosen fortzugeben, immer noch in den drei Welten gepriesen. Bali Mahārāja hatte damals geahnt, daß der brāhmaṇa Śrī Viṣṇu persönlich war, und daß er gekommen sei, um ihm zugunsten Indras sein prächtiges Königreich zu nehmen. Śukrācārya, Balis geistiger Meister und Familienpriester, warnte ihn wiederholt, doch Bali zögerte nicht, dem brāhmaṇa alles zu geben, was Er verlangte, und schließlich gab er Ihm seinen ganzen Besitz. Dies wußte Jarāsandha, und er dachte: »Wenn ich zu unsterblichem Ruhm gelangen kann, indem ich meinen vergänglichen Körper opfere, muß ich in diesem Sinne handeln, und dazu bin ich fest entschlossen; das Leben eines kṣatriya, der nicht zum Segen der brāhmaṇas handelt, ist zweifellos dem Verderben bestimmt.

Im Grunde war König Jarāsandha sehr freigiebig in seinen Spenden an die brāhmaṇas, und daher sagte er zu Śrī Kṛṣṇa, Bhīma und Arjuna: »Ihr könnt von mir haben, was ihr wollt. Wenn ihr es wünscht, könnt ihr sogar meinen Kopf bekommen. Ich bin bereit, ihn euch zu geben.«

Da sprach Śrī Kṛṣṇa zu Jarāsandha: »Mein lieber König, bitte laß dir sagen, daß wir in Wirklichkeit keine brāhmaṇas sind, und daß wir auch nicht gekommen sind, um Essen oder Getreide zu erbitten. Wir sind kṣatriyas, und wir sind hier, um dich zu einem Zweikampf herauszufordern. Wir hoffen, daß du die Forderung annimmst. Wisse, daß hier Bhīma, der zweite Sohn Pāṇḍus, und Arjuna, der dritte Sohn Pāṇḍus, vor dir stehen. Von Mir Selbst darf Ich dir sagen, daß ich dein alter Feind Kṛṣṇa, der Vetter der Pāṇḍavas, bin.«

Als Śrī Kṛṣṇa ihre wahre Identität enthüllte, brach König Jarāsandha in lautes Gelächter aus und rief zornentbrannt mit finsterer Stimme: »Ihr Narren! Wenn ihr mit mir kämpfen wollt, so will ich euren Wunsch auf der Stelle erfüllen. Aber von dir, Kṛṣṇa, weiß ich, daß Du ein Feigling bist. Ich lehne es ab, mit Dir zu kämpfen, denn Du bist jedesmal ganz verängstigt, wenn Du mir im Kampf gegenüberstehst. Aus Furcht vor mir bist Du aus Deiner Stadt Mathurā geflohen und verbirgst Dich nun sogar im Meer; deshalb muß ich es ablehnen, mit Dir zu kämpfen. Was Arjuna betrifft, so weiß ich, daß er jünger als ich und kein ebenbürtiger Gegner für mich ist. Ich weigere mich deshalb auch, mit ihm zu kämpfen, denn er kann sich in keiner Weise mit mir messen. Bhīmasena aber halte ich für einen geeigneten Gegner.« Mit diesen Worten überreichte König Jarāsandha Bhīmasena sogleich eine gewichtige Keule, ergriff selbst eine andere, und gemeinsam begaben sich alle zum Kampf hinaus vor die Mauern der Stadt.

Dort gingen Bhīmasena und König Jarāsandha aufeinander los, indem sie mit ihren Keulen, die gewaltig wie Blitze waren, voller Kampflust heftig aufeinander einschlugen. Beide waren hervorragende Keulenkämpfer, und ihre Schlagtechnik war so großartig, daß sie zwei Schauspielern glichen, die auf der Bühne tanzten. Als Bhīmasenas und Jarāsandhas Keulen gegeneinanderschlugen, klang es wie der Zusammenprall mächtiger Stoßzähne zweier kämpfender Elefanten oder wie ein Donnerschlag in einem Sturmgewitter. Wenn zwei Elefanten in einem Zuckerrohrfeld miteinander kämpfen, reißt sich jeder ein Zuckerrohr aus, umklammert es fest mit seinem Rüssel und schlägt den anderen damit. So versetzen sie ihrem Gegner wuchtige Schläge gegen die Schultern, den Rüssel, die Schlüsselbeine, die Brust, die Flanken, Schenkel und Beine und zerschmettern dabei die Zuckerrohre. Ebenso zerbrachen alle Keulen, die Jarāsandha und Bhīmasena gebrauchten, weshalb die beiden Gegner dazu übergingen, mit ihren starken Fäusten weiterzukämpfen. Jarāsandha und Bhīmasena waren beide rasend vor Wut, so daß sie sich mit den Fäusten gegenseitig fast in Grund und Boden schlugen. Ihre Fausthiebe klangen wie das Gegeneinanderschlagen von Eisenstangen oder das Krachen des Donners, und sie sahen aus wie zwei kämpfende Elefantenbullen. Und doch gelang es keinem, den anderen zu besiegen, denn beide waren vortreffliche Kämpfer, die sich sowohl an Stärke als auch an Kampfgeschick ebenbürtig waren. Weder Jarāsandha noch Bhīmasena war erschöpft oder gar bezwungen, obwohl sie unaufhörlich aufeinander einschlugen. Nur wenn es Abend wurde, stellten sie den Kampf ein und verbrachten die Nacht als Freunde in Jarāsandhas Palast, um jedoch den Kampf am nächsten Tag sogleich fortzusetzen. Auf diese Weise vergingen siebenundzwanzig Tage.

Am achtundzwanzigsten Tag sagte Bhīma zu Kṛṣṇa: »Mein lieber Kṛṣṇa, ich muß offen gestehen, daß ich Jarāsandha nicht besiegen kann.« Kṛṣṇa jedoch kannte das Geheimnis von Jarāsandhas Geburt. Jarāsandha war von zwei verschiedenen Müttern in zwei Hälften zur Welt gebracht worden. Als sein Vater sah, daß mit dem Kind nichts anzufangen war, warf er die beiden Hälften in den Wald, wo sie später von einer boshaften Hexe mit Namen Jarā gefunden wurden, der es gelang, die beiden Körperhälften des Kindes zusammenzufügen. Da Śrī Kṛṣṇa dies wußte, war ihm auch bekannt, wie Jarāsandha getötet werden konnte. Er gab Bhīmasena zu verstehen, daß Jarāsandha, da er zum Leben erweckt worden war, als Jarā die beiden Körperhälften zusammenfügte, auch getötet werden könne, indem man die Hälften wieder voneinander trenne. So übertrug Śrī Kṛṣṇa Bhīmasena Seine Macht und verriet ihm, wie Jarāsandha zu töten sei. Kṛṣṇa brach kurzerhand einen Zweig von einem Baum und riß ihn auseinander, um Bhīma zu zeigen, wie er es anfangen müsse. Śrī Kṛṣṇa, der Höchste Persönliche Gott, ist allmächtig, und wenn Er jemanden töten will, kann niemand diese Person retten. Und wenn Er jemanden retten will, kann niemand diese Person töten.

Als nun Bhīmasena durch Kṛṣṇas Hinweise Bescheid wußte, packte Er Jarāsandha unvermittelt bei den Beinen und warf ihn zu Boden. Dann drückte er das eine Bein Jarāsandhas nieder, ergriff mit beiden Händen das andere Bein und zerriß ihn vom After bis zum Kopf. Bhīmasena zerteilte Jarāsandhas Körper wie ein Elefant die Astgabel eines Baumes auseinanderreißt. Die Zuschauer, die in der Nähe standen, sahen Jarāsandhas Körper nun in zwei Hälften vor sich liegen - jede Hälfte mit einem Bein, einem Schenkel, einem Hoden, einer halben Brust, einem halben Rücken, einer Schulter, einem Arm, einem Auge, einem Ohr und einem halben Gesicht.

Als die Kunde vom Tod Jarāsandhas bekannt wurde, begannen die Bewohner Magadhas laut wehzuklagen, während Śrī Kṛṣṇa und Arjuna Bhīmasena umarmten und ihn beglückwünschten. Obwohl Jarāsandha nun tot war, erhoben weder Kṛṣṇa noch die beiden Pāṇḍava-Brüder Anspruch auf seinen Thron. Sie hatten Jarāsandha nur getötet, weil sie es nicht zulassen konnten, daß er die Wiederherstellung des Weltfriedens behinderte. Ein Dämon erzeugt dauernde Störungen, wohingegen ein Halbgott sich immer um Frieden auf der Welt bemüht. Krṣṇas Mission besteht darin, die Rechtschaffenen zu beschützen und die Dämonen zu töten, die allen Frieden stören. Kṛṣṇa ließ sogleich Sahadeva, den Sohn Jarāsandhas, herbeiholen und bat ihn, nach Ausführung der entsprechenden rituellen Zeremonien den Thron seines Vaters zu besteigen und friedlich über das Königreich zu herrschen. Śrī Kṛṣṇa ist der Herr der gesamten kosmischen Schöpfung, und Er möchte, daß jeder in Frieden lebt und Kṛṣṇa-Bewußtsein ausübt. Deshalb befreite Er nach Sahadevas Krönung alle Könige und Fürsten, die von Jarāsandha zu Umecht gefangengehalten worden waren.

Hiermit endet die Erläuterung Bhaktivedantas zum 71. Kapitel des Buches Kṛṣṇa:
»König Jarāsandha erlangt Befreiung«.