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Die Transzendentalen Spiele Sri Krishnas

Von A.C. Bhaktivedanta Swami Prabhupada
Die Transzendentalen Spiele Sri Krishnas
Kṛṣṇa - Der Höchste Persönliche Gott
Originale Version 1. Auflage 1974
62. Kapitel:
 
Krishna
 
Kṛṣṇa kämpft mit Bāṇāsura


 

Als die vier Monate der Regenzeit verstrichen waren und Aniruddha immer noch nicht nach Hause zurückgekehrt war, gerieten die Mitglieder der Yadu-Dynastie in große Sorge. Sie konnten sich nicht erklären, wo der Junge geblieben war. Glücklicherweise kam eines Tages der große Weise Nārada Muni zu ihnen und verriet der Familie, wie Aniruddha aus dem Palast verschwunden war. Er berichtete ihnen, wie Aniruddha nach Śonitapura, der Hauptstadt von Bāṇāsuras Königreich, gebracht worden war, und wie Bāṇāsura ihn später mit der nāgapāśa fing, nachdem Aniruddha seine Soldaten besiegt hatte. Nārada berichtete dies in allen Einzelheiten, und so erfuhr man alles, was geschehen war. Daraufhin trafen die Angehörigen der Yadu-Dynastie, die alle große Zuneigung zu Kṛṣṇa empfanden, Vorbereitungen, die Stadt Śonitapura anzugreifen. So gut wie alle Führer der Familie, auch Pradyumna, Sātyaki, Gada, Sāmba, Sāraṇa, Nanda, Upananda und Bhadra, schlossen sich zusammen und stellten achtzehn akṣauhiṇī-Kampfeinheiten in Heeren auf. Dann zogen sie alle nach Śonitapura und umzingelten die Stadt mit Soldaten, Elefanten, Pferden und Streitwagen.

Bald wurde Bāṇāsura gemeldet, daß die Soldaten der Yadu-Dynastie seine Stadt bestürmten und schon einige Wälle, Tore und umliegende Parks niederrissen, worauf er sehr zornig wurde und seinen Soldaten, die von ähnlichem Schlag waren wie er, befahl, auszurücken und dem Feind entgegenzutreten. Śiva war zu Bāṇāsura so gütig, daß er persönlich herbeikam und, unterstützt von seinen heldenhaften Söhnen Kārttikeya und Gaṇapati, als Oberbefehlshaber der Streitkräfte Bāṇāsuras kämpfte. Vom Rücken seines Lieblingstiers Nandīśvara aus führte Śiva den Kampf gegen Śrī Kṛṣṇa und Balarāma. Wir können uns kaum vorstellen, wie wild der Kampf war - Śiva und seine kühnen Söhne auf der einen Seite und Śrī Kṛṣṇa, der Höchste Persönliche Gott, mit Seinem älteren Bruder Śrī Balarāmajī auf der anderen. Die Schlacht entbrannte so heftig, daß diejenigen, die sie sahen, von Entsetzen ergriffen wurden, so daß ihnen die Haare am Körper zu Berge standen. Śiva kämpfte direkt mit Kṛṣṇa; Pradyumna geriet an Kārttikeya, und Śrī Balarāma kämpfte mit Bāṇāsuras Heerführer Kumbhāṇḍa, der von Kūpakarṇa Beistand erhielt. Sāmba, der Sohn Kṛṣṇas, nahm den Kampf gegen Bāṇāsuras Sohn auf, und Bāṇāsura kämpfte mit Sātyaki, dem Oberbefehlshaber der Yadu-Dynastie. So waren die Kräfte im Kampf verteilt.

Die Nachricht von der Schlacht verbreitete sich durch das ganze Universum. Halbgötter von den höheren Planetensystemen, wie Brahmā, große Heilige und Weise, Siddhas, Cāranas und Gandharvas, schwebten, da sie äußerst begierig waren, dem Kampf zwischen Śiva und Kṛṣṇa und ihren Anhängern zuzusehen, in ihren Luftfahrzeugen über dem Schlachtfeld. Śiva ist auch als der bhūta-nātha bekannt, da ihm stets verschiedene Arten mächtiger Geister und Bewohner des Infernos folgen wie bhūta, preta, pramatha, guhyaka, ḍākinī, piśāca, kūṣmāṇḍa, vetāla, vināyaka und brahma-rākṣasa. [* Von allen Geistern sind die brahma-rākṣasa besonders mächtig. Es sind brāhmaṇas, die die Körper von Geistern annehmen mußten.*]

Śrī Kṛṣṇa, der Höchste Persönliche Gott, verjagte ohne weiteres alle Geister vom Schlachtfeld, indem Er ihnen mit Seinem berühmten Bogen Śārṅgadhanu zusetzte. Śiva begann darauf, seine wirksamsten Waffen gegen den Höchsten Persönlichen Gott einzusetzen, doch Śrī Kṛṣṇa wehrte sie alle mühelos mit Gegenwaffen ab. Der brahmāstra z. B., die der Atombombe ähnelt, begegnete Er mit einer anderen brahmāstra und einer Windwaffe mit einer Bergwaffe. Das heißt, als Śiva eine Waffe abschoß, die einen heftigen Wirbelsturm auf dem Schlachtfeld hervorrief, setzte Śrī Kṛṣṇa ihr genau das entgegengesetzte Element entgegen, nämlich eine Bergwaffe, die den Wirbelsturm augenblicklich aufhielt. Und als Śiva mit seiner nächsten Waffe ein vernichtendes Feuer entfachte, macht Kṛṣṇa es mit Regengüssen unschädlich.

Als sich Śiva schließlich seiner persönlichen Waffe, der pāśupata-śastra, bediente, vernichtete Kṛṣṇa sie auf der Stelle mit Seiner nārāyaṇa-śastra. Inzwischen war Śiva durch den Kampf mit Kṛṣṇa in Wut geraten, so daß Kṛṣṇa die Gelegenheit wahrnahm, Seine Gähnwaffe abzuschießen. Diese Waffe macht die Gegner so müde, daß sie aufhören zu kämpfen und anfangen zu gähnen. Tatsächlich wurde Śiva so müde, daß er darauf verzichtete, weiterzukämpfen und zu gähnen begann. Daher konnte Kṛṣṇa nun seine Aufmerksamkeit von Śiva abwenden und auf Bāṇāsuras Angriffe richten, indem Er Sich erst einmal daran machte, dessen Soldaten mit Schwertern und Keulen zu töten. An anderer Stelle kämpfte Śrī Kṛṣṇas Sohn Pradyumna erbittert mit Kārttikeya, dem Oberbefehlshaber der Halbgötter. Dabei wurde Kārttikeya so zugesetzt, daß er schließlich aus vielen Wunden blutete. In diesem Zustand verließ er das Schlachtfeld und flog, ohne weiterzukämpfen, auf dem Rücken seines Pfaus davon. Daraufhin zerschmetterte Śrī Balarāma Bāṇāsuras Oberbefehlshaber Kumbhāṇḍa mit einigen Schlägen Seiner Keule. Kūpakarṇa wurde so schwer verwundet, daß er mit Kumbhāṇda auf dem Schlachtfeld fiel, wobei Kumbhāṇda besonders übel zugerichtet wurde. Nunmehr führerlos verloren sich Bāṇāsuras Soldaten in alle Richtungen.

Als Bāṇāsura erkannte, daß seine Soldaten und Befehlshaber geschlagen waren, steigerte sich seine Wut nur noch mehr. Er hielt es für klug, vom Kampf mit Sātyaki, dem Oberbefehlshaber Kṛṣṇas, abzulassen und statt dessen Śrī Kṛṣṇa direkt anzugreifen. Nun hatte er endlich Gelegenheit, von seinen tausend Händen Gebrauch zu machen: Er stürzte auf Kṛṣṇa zu und schoß gleichzeitig 2000 Pfeile von 500 Bogen ab. Ein solcher Narr kann Kṛṣṇas Stärke niemals ermessen. Kṛṣṇa indessen schoß sogleich, ohne jede Schwierigkeit, jeden Bogen Bāṇāsuras in zwei Hälften, und um ihn nicht noch näher herankommen zu lassen, streckte Er seine Pferde nieder, worauf auch sein Streitwagen in Stücke brach. Nach dieser Tat blies Kṛṣṇa in Sein Muschelhorn Pāñcajanya.

Es lebte damals eine Halbgöttin namens Koṭarā, die von Bāṇāsura stets verehrt worden war, weshalb zwischen ihnen eine Beziehung wie zwischen Mutter und Sohn bestand. Mutter Kotarā ging es sehr nahe, daß Bāṇāsuras Leben in Gefahr war, und so erschien sie plötzlich auf dem Kampfplatz und zeigte sich nackt und mit gelöstem Haar vor Kṛṣṇa. Śrī Kṛṣṇa war der Anblick der nackten Frau nicht angenehm, und um sie nicht sehen zu müssen, wandte Er das Gesicht ab. Bāṇāsura nutzte sofort die Gelegenheit, um Kṛṣṇas Angriff zu entgehen, und verließ das Schlachtfeld. Alle seine Bogensehnen waren durchtrennt, und er hatte keinen einzigen Wagen oder Wagenlenker mehr; es blieb ihm also nichts anderes übrig, als in die Stadt zurückzukehren. Alles hatte er in der Schlacht verloren.

Weil Kṛṣṇas Pfeile ihnen schwer zu schaffen machten, verließen schließlich auch die letzten der Gesellen Śivas, die Kobolde und geisterhaften bhūtas, pretas und kṣatriyas, das Schlachtfeld. Da griff Śiva zu seinem letzten Mittel. Er schleuderte seine tödliche Waffe, den Śivajvara, der durch ungeheure Hitze alles vernichtet. Es heißt, daß die Sonne am Ende der Schöpfung zwölfmal so heiß wird wie gewöhnlich. Diese zwölfmal so heiße Temperatur bezeichnet man als Śivajvara. Der Śivajvara in Person, der von Śiva losgelassen wurde, hatte drei Köpfe und drei Beine. Als er auf Kṛṣṇa zukam, schien er alles in seiner Umgebung zu Asche zu verbrennen. Er war so mächtig, daß er auf allen Seiten ein loderndes Feuer entfachte, und Kṛṣṇa bemerkte, daß er geradewegs auf Ihn zukam.

So wie es eine Śivajvara-Waffe gibt, gibt es auch eine Nārāyaṇajvara-Waffe. Der Nārāyaṇajvara zeichnet sich durch ungeheure Kälte aus. Wenn es außergewöhnlich heiß ist, kann man dies meist noch irgendwie aushalten, doch bei außerordentlicher Kälte erliegt alles. Dies kann man ganz praktisch bei einem Sterbenden beobachten. Zur Zeit des Todes steigt die Körpertemperatur zuerst auf 41° C an, doch dann bricht plötzlich der ganze Organismus zusammen, und der Körper wird wie Eis. Um der sengenden Hitze des Śivajvara entgegenzuwirken, gab es keine andere Waffe als den Nārāyaṇajvara.

Als Kṛṣṇa also sah, daß Śiva den Śivajvara losgelassen hatte, blieb Ihm keine andere Wahl, als den Nārāyaṇajvara zu schleudern. Śrī Kṛṣṇa ist der ursprüngliche Nārāyaṇa und als solcher der Gebieter des Nārāyaṇajvara. Sowie der Nārāyaṇajvara abgeschossen war, begann ein heftiger Kampf zwischen den beiden jvaras. Wenn äußerste Hitze auf äußerste Kälte trifft, ist es ganz natürlich, daß sich die Hitze allmählich verringert und dies trat auch in dem Kampf zwischen dem Śivajvara und den Nārāyaṇajvara ein. Allmählich schwand die Hitze des Śivajvara, so daß er schließlich Śiva um Hilfe anflehte. Doch Śiva konnte ihm in der Gegenwart des Nārāyaṇajvara auch nicht helfen. Nun, da der Śivajvara keine Hilfe von Śiva erhoffen konnte, erkannte er, daß es für ihn keinen anderen Ausweg gab, als sich Nārāyaṇa, Śrī Kṛṣṇa Selbst, zu ergeben. Śiva, der größte der Halbgötter, war unfähig, ihm zu helfen, ganz zu schweigen von den unbedeutenden Halbgöttern, und so ergab sich der Śivajvara schließlich Kṛṣṇa, indem er sich vor Ihm verneigte und Ihm ein Gebet darbrachte, damit der Herr besänftigt sei und ihm Schutz gewähre.

Der Kampf zwischen Śivas und Kṛṣṇas letzten Waffen bestätigt, daß jemand, der von Kṛṣṇa beschützt wird, von niemandem getötet werden kann, doch daß jemand, dem Kṛṣṇa keinen Schutz gewährt, von niemandem gerettet werden kann. Śiva wird Mahādeva, der größte aller Halbgötter, genannt; manchmal aber wird auch Brahmā als der größte aller Halbgötter bezeichnet, denn er kann erschaffen, wohingegen Śiva Brahmās Schöpfungen nur vernichten kann. Sowohl Brahmā als auch Śiva können jeweils nur in einer Weise handeln. Brahmā kann erschaffen, und Śiva kann vernichten, aber keiner von beiden kann erhalten. Śrī Viṣṇu dagegen erhält nicht nur, sondern erschafft und vernichtet auch. Im Grunde genommen wird die Schöpfung nämlich nicht von Brahmā bewirkt, denn Brahmā selbst wird von Viṣṇu erschaffen. Śiva wiederum ist von Brahmā geschaffen und geboren. Daher erkannte auch der Śivajvara schließlich, daß niemand außer Kṛṣṇa oder Nārāyaṇa ihm helfen konnte. Zu Recht suchte er deshalb Zuflucht bei Śrī Kṛṣṇa und begann mit gefalteten Händen zum Herrn zu beten:

»Mein lieber Herr, ich bringe Dir meine achtungsvollen Ehrerbietungen dar, denn Du besitzt unbegrenzte Energien. Niemand kann Dich an Kräften überragen, und deshalb bist Du der Herr eines jeden. Im allgemeinen halten die Menschen Śiva für die mächtigste Persönlichkeit in der materiellen Welt, doch Śiva ist nicht allmächtig; Du bist allmächtig, das ist eine Tatsache. Du bist das ursprüngliche Bewußtsein oder Wissen. Ohne Wissen oder Bewußtsein kann nichts Macht haben. Ein materielles Objekt mag noch so mächtig sein, doch ohne die Berührung von Bewußtsein und Wissen kann es nichts ausrichten. Eine materielle Maschine z. B. mag riesig und wundervoll sein, aber ohne von jemandem, der wissend und von Bewußtsein erfüllt ist, berührt zu werden, ist diese materielle Maschine völlig nutzlos. O mein Herr, Du bist das vollkommene Wissen, und in Deiner Persönlichkeit gibt es nicht die geringste Spur von materieller Verunreinigung. Śiva mag wegen seiner besonderen Macht, die gesamte Schöpfung vernichten zu können, ein mächtiger Halbgott sein, und ebenso mag Brahmā sehr mächtig sein, weil er das ganze Universum erschaffen kann, doch eigentlich sind weder Brahmā noch Śiva die Ursache der kosmischen Manifestation. Du bist die Absolute Wahrheit, das Höchste Brahman, und Du bist die ursprüngliche Ursache. Die ursprüngliche Ursache der kosmischen Manifestation ist nicht die unpersönliche Brahman-Ausstrahlung. Jenes unpersönliche Brahman geht von Deiner Persönlichkeit aus. Wie es die Bhagavad-gītā bestätigt, ist die Ursache des unpersönlichen Brahman Śrī Kṛṣṇa. Die Brahman-Ausstrahlung wird mit dem Sonnenlicht verglichen, das vom Sonnenplaneten ausstrahlt. Deshalb kann das unpersönliche Brahman also nicht die endgültige Ursache sein. Die endgültige Ursache aller Dinge ist die höchste ewige Gestalt Kṛṣṇas. Die materiellen Aktionen und Reaktionen finden im unpersönlichen Brahman statt, doch im persönlichen Brahman, in der ewigen Gestalt Kṛṣṇas, gibt es weder Aktion noch Reaktion. Mein lieber Herr, Dein Körper ist daher völlig friedvoll, völlig glückselig und frei von aller materiellen Verunreinigung.

Im materiellen Körper finden Aktionen und Reaktionen der drei Erscheinungsweisen der materiellen Natur statt. Der Zeitfaktor ist das wichtigste Element und ist allen anderen übergeordnet, denn die materielle Manifestation wird durch die Zeit bewirkt. Durch sie treten die Erscheinungen der materiellen Natur ins Dasein, und sobald die Erscheinungswelt entsteht, sind fruchtbringende Handlungen zu beobachten. Als Ergebnis dieser fruchtbringenden Handlungen nimmt das Lebewesen eine bestimmte Lebensform an und erhält damit auch eine besondere Wesensart, die von einem fein- und grobstofflichen Körper umhüllt wird, der aus der Lebensluft, dem Ich, den zehn Sinnesorganen, dem Geist und den fünf grobstofflichen Elementen besteht. Diese materiellen Bestandteile bilden also den Körper, der wiederum zur Wurzel oder Ursache verschiedener anderer Körper wird, die die Seele nacheinander auf ihrer Wanderung erhält. All diese zeitweiligen Manifestationen entstehen aus miteinander zusammenhängenden Aktionen Deiner materiellen Energie. Du bist die Ursache dieser äußeren Energie und wirst nicht von den Aktionen und Reaktionen der verschiedenen Elemente berührt. Weil Du transzendental zu allem Zwang der materiellen Energie bist, bist Du die höchste Ruhe. Du bist die letzte Wahrheit in der Freiheit von der materiellen Verunreinigung. Daher suche ich bei Deinen Lotosfüßen Zuflucht und gebe jede andere Zuflucht auf.

Mein lieber Herr, Dein Erscheinen als Sohn Vasudevas, in der Rolle eines Menschen, ist ein von Deiner völligen Freiheit manifestiertes Spiel. Nur, um die Gottgeweihten zu segnen und die Nichtgottgeweihten zu vernichten, erscheinst Du in vielen Inkarnationen. Diese Inkarnationen steigen in die materielle Welt hinab, um Dein Versprechen, das Du in der Bhagavad-gītā gabst, zu erfüllen, nach dem Du erscheinst, sobald die Menschen von den für den Fortschritt im Leben gegebenen Regeln abweichen. Wenn durch irreligiöse Prinzipien Störungen auftreten, erscheinst Du, mein lieber Herr, durch Deine innere Energie. Deine Hauptabsicht ist es dann, die Halbgötter und Menschen, die ein spirituelles Leben führen wollen, zu beschützen und zu erhalten und die Gültigkeit der Gesetze und der Ordnung in der materiellen Welt zu bewahren.

Bei der Erhaltung der Gesetze und der Ordnung ist Deine Gewalt gegenüber den Schurken und Dämonen durchaus angebracht. Es ist nicht das erste Mal, daß Du Dich inkarniert hast. Man weiß, daß Du bereits viele Male zuvor erschienen bist.

Mein lieber Herr, ich muß gestehen, daß ich durch Deinen geschleuderten Nārāyaṇajvara hart gestraft worden bin. Zweifellos hat er eine sehr kühlende Wirkung, doch zugleich ist er sehr gefährlich und für jeden unerträglich. Mein lieber Herr, solange man im Bann materieller Wünsche das Kṛṣṇa-Bewußtsein vergißt und nichts von der endgültigen Zuflucht, Deinen Lotosfüßen, weiß, wird man, da man einen materiellen Körper angenommen hat, durch die drei leidvollen Bedingungen der materiellen Welt geplagt. Weil man sich Dir nicht hingibt, muß man endlos weiterleiden.

Nachdem Kṛṣṇa den Śivajvara angehört hatte, antwortete Er: »O Dreiköpfiger, Ich freue Mich über deine Worte, sei getrost, daß dir der Nārāyaṇajvara kein Leid mehr zufügen wird. Und Ich verspreche nicht nur, daß du von nun an von der Furcht vor dem Nārāyaṇajvara frei sein wirst, sondern auch, daß jeder, der sich in Zukunft an den Kampf zwischen dir, dem Śivajvara, und dem Nārāyaṇajvara erinnert, von allen Arten der Furcht frei sein wird.«

Nach dieser Antwort brachte der Śivajvara den Lotosfüßen des Höchsten Persönlichen Gottes noch einmal seine respektvollen Ehrerbietungen dar und entfernte sich dann.

In der Zwischenzeit hatte sich Bāṇāsura irgendwie von seinen Rückschlägen erholt und kehrte mit frischer Kraft in den Kampf zurück. Er trug diesmal in seinen tausend Händen alle möglichen Waffen, als er vor Śrī Kṛṣṇa stürmte, der auf Seinem Streitwagen saß. Bāṇāsura war rasend vor Wut und ließ seine vielen Waffen wie Regengüsse auf Śrī Kṛṣṇa hageln. Śrī Kṛṣṇa nahm, als Er sah, daß Bāṇāsuras Waffen auf Ihn zukamen wie Wasser aus einem Schlauch, einfach sein scharfes Sudarśana-Rad und begann dem Dämon damit die tausend Hände abzuhacken wie ein Gärtner mit einem geschliffenen Messer die Zweige eines Baumes stutzt. Als Śiva sah, daß sein Geweihter Bāṇāsura nicht einmal in seiner Gegenwart gerettet werden konnte, besann er sich und trat plötzlich vor Śrī Kṛṣṇa, um Ihn durch folgendes Gebet zu besänftigen.

»Mein lieber Herr«, sagte Śiva, »Du bist das zu verehrende Ziel der vedischen Hymnen. Wer Dich nicht kennt, hält das unpersönliche brahmajyoti für die endgültige Höchste Absolute Wahrheit, ohne zu wissen, daß Du Dich hinter dieser Deiner spirituellen Ausstrahlung in Deinem ewigen Reich aufhältst. Deshalb wirst Du, mein lieber Herr, Parambrahman genannt. Das Wort ›Parambrahman‹ wird auch in der Bhagavad-gītā zu Deiner Beschreibung gebraucht. Die Heiligen, die ihre Herzen völlig von aller materiellen Verunreinigung reingewaschen haben, können Deine transzendentale Gestalt wahrnehmen, obwohl Du, alldurchdringend wie der Himmel, von keinem materiellen Objekt berührt bist. Nur Deine Geweihten können Dich sehen, und niemand sonst. Nach der Auffassung der Unpersönlichkeitsphilosophen von der höchsten Existenz ist der Himmel Dein Nabel, ist das Feuer Dein Mund und das Wasser Dein Samen. Die himmlischen Planeten sind Dein Kopf, die Himmelsrichtungen sind Deine Ohren, der Urvi-Planet stellt Deine Lotosfüße dar, der Mond ist Dein Geist, und die Sonne ist Dein Auge. Was mich betrifft, so stelle ich Dein Ich dar. Der Ozean ist Dein Bauch, und Indra, der König des Himmels, Deine Arme. Die Bäume und Pflanzen sind die Haare auf Deinem Körper, die Wolken sind das Haar auf Deinem Haupt, und Brahmā ist Deine Intelligenz. All die großen Vorfahren, die Prajāpatis, sind Deine symbolischen Repräsentanten, und Religion ist Dein Herz. Der unpersönliche Aspekt Deines erhabenen Körpers wird auf diese Weise wahrgenommen, doch letzten Endes bist Du die Höchste Person. Der unpersönliche Aspekt Deines erhabenen Körpers ist nur eine kleine Sichtbarwerdung Deiner Energie. Du wirst auch mit einem ursprünglichen Feuer verglichen, und alle Erweiterungen sind Licht und Wärme, die von Dir ausgehen.«

Śiva fuhr fort: »Mein lieber Herr, obwohl Du Dich universal manifestierst, sind bestimmte Teile des Universums bestimmte Teile Deines Körpers, und durch Deine unvorstellbare Macht kannst Du gleichzeitig an einem Ort und universal verbreitet sein. Auch in der Brahma-saṁhitā finden wir die Feststellung, daß Du, obwohl Du immer in Deinem Reich Goloka Vṛndāvana weilst, trotzdem überall gegenwärtig bist. Und in der Bhagavad-gītā steht, daß Du erscheinst, um die Gottgeweihten zu beschützen, was für das gesamte Universum Glück bedeutet. Die Halbgötter regeln die verschiedenen Angelegenheiten im Universum allein durch Deine Gnade. So werden die sieben höheren Planetensysteme durch Deine Gnade erhalten. Am Ende der Schöpfung gehen alle Manifestationen Deiner Energien in Dich ein, ganz gleich, ob sie die Form von Halbgöttern, Menschen oder Tieren haben, und alle unmittelbaren und mittelbaren Ursachen der kosmischen Manifestationen ruhen ohne unterschiedliche Daseinsmerkmale in Dir. Doch letztlich kann man zwischen Dir und allen anderen Dingen, die sich entweder auf gleicher Ebene mit Dir befinden oder Dir untergeordnet sind, keine Unterschiede machen. Du bist gleichzeitig der Ursprung sowohl der kosmischen Manifestation als auch ihrer Bestandteile. Du bist das Höchste Ganze und ohne einen Zweiten. In der manifestierten Erscheinungswelt gibt es drei Zustände: die Stufe des Bewußtseins, die Stufe des Halbbewußtseins, d. h. des Träumens, und die Stufe der Bewußtlosigkeit. Doch Du, o Herr, bist transzendental zu allen materiellen Daseinsstufen. Daher befindest Du Dich sozusagen in der vierten Dimension, und Dein Erscheinen und Fortgehen hängt von nichts anderem ab als von Dir Selbst. Du bist die höchste Ursache von allem, doch für Dich gibt es keine Ursache. Du allein veranlaßt Dein Erscheinen und Verschwinden. Trotz Deiner transzendentalen Stellung, o Herr, bist Du durch persönliche Manifestation in verschiedenen Inkarnationen, als Fisch, Schildkröte, Eber, Nṛsiṁha, Keśava usw., erschienen, um Deine sechs Füllen zu offenbaren und allen Deine transzendentalen Eigenschaften zu zeigen; darüber hinaus bist Du durch Deine abgesonderten Manifestationen in Form verschiedener Lebewesen erschienen. Mit Hilfe Deiner inneren Energie erscheinst Du als die verschiedenen Inkarnationen Viṣṇus, und durch Deine äußere Energie erscheinst Du als die Erscheinungswelt.

Wenn der Himmel bewölkt ist, scheint die Sonne in den Augen des gewöhnlichen Menschen bedeckt zu sein; doch in Wirklichkeit verhält es sich so, daß die Sonne, weil das Sonnenlicht die Wolke erzeugt, selbst wenn der ganze Himmel bewölkt ist, niemals wirklich bedeckt werden kann. Töricht wie der Mensch in diesem Beispiel, behauptet der weniger intelligente Teil der Menschen, es gebe keinen Gott, doch Erleuchtete erkennen, wenn sie die Manifestation verschiedener Lebewesen und ihre Tätigkeit sehen, Deine Gegenwart in jedem Atom und in Deinen äußeren und mittleren Energien. Deine unbegrenzten aktiven Mächte werden nur von den erleuchteten Gottgeweihten wahrgenommen; diejenigen aber, die im Bann Deiner äußeren Energie stehen, identifizieren sich mit der materiellen Welt und gewinnen Anhaftung an Gesellschaft, Freundschaft und Liebe. Auf diese Weise klammern sie sich an die dreifachen Leiden des materiellen Daseins und sind den Dualitäten von Leid und Freude unterworfen. Manchmal werden sie in den Ozean der Anhaftung getaucht und ein anderes Mal wieder herausgerissen.

Mein lieber Herr, nur durch Deine Barmherzigkeit und Gnade kann das Lebewesen die menschliche Form des Lebens erhalten, die ihm die Möglichkeit bietet, dem leidvollen Zustand der materiellen Existenz zu entkommen. Wer jedoch einen menschlichen Körper besitzt, jedoch die Sinne nicht zu beherrschen vermag, wird von den Wellen der Sinnenfreude fortgespült. In diesem Zustand kann er nicht Zuflucht bei Deinen Lotosfüßen suchen und sich Dir im hingebungsvollen Dienen widmen. Das Leben eines solchen Menschen ist sehr elend, und jeder, der ein derartiges Leben in Dunkelheit führt, betrügt zweifellos sich selbst und somit auch andere. Aus diesem Grund ist die menschliche Gesellschaft ohne Kṛṣṇa-Bewußtsein eine Gesellschaft von Betrügern und Betrogenen.

Lieber Herr, Du bist die Überseele in allen Lebewesen und der Höchste Beherrschende aller Dinge. Menschen, die sich stets in Illusion befinden, fürchten sich vor dem letztlichen Tod. Ein Mensch, der ausschließlich dem sinnlichen Genuß ergeben ist, nimmt freiwillig das leidvolle materielle Dasein auf sich und folgt hilflos dem Irrlicht der Sinnenfreude. Er ist zweifellos der größte Narr, denn er weist den Nektar zurück und trinkt das Gift.

Mein lieber Herr, alle Halbgötter, wie ich selbst und Brahmā, und alle großen Heiligen und Weisen, deren Herzen von der materiellen Anhaftung gereinigt sind, haben durch Deine Gnade mit ganzem Herzen bei Deinen Lotosfüßen Schutz gesucht. Wir alle haben bei Dir Zuflucht genommen, denn wir haben Dich als den Höchsten Herrn und unser aller Leben und Seele erkannt. Du bist die ursprüngliche Ursache der kosmischen Manifestation. Du bist ihr höchster Erhalter, und Du bist auch die Ursache ihrer Auflösung. Du bist jedem gleichgesinnt und der friedfertigste und höchste Freund aller Lebewesen. Du bist für jeden die höchste zu verehrende Person. Mein lieber Herr, bitte laß uns immer in Deinem transzendentalen hingebungsvollen Dienst beschäftigt sein, so daß wir von der materiellen Verstrickung frei werden können.

Schließlich, o Herr, möchte ich Dir sagen, daß Bāṇāsura mir sehr teuer ist. Er erwies mir wertvolle Dienste, und deshalb möchte ich ihn immer froh sehen. Da ich mit Bāṇāsura zufrieden war, versprach ich ihm stets Sicherheit; ich bitte Dich daher, zu ihm gütig zu sein, so wie Du zu seinen Vorfahren, König Prahlāda und Bali Mahārāja, gütig warst.«

Als Kṛṣṇa auf Śivas Gebete antwortete, sprach auch Er Seinerseits Śiva mit »Herr« an; Er sagte: »Lieber Herr, Śiva, Ich stimme deinen Worten zu, und Ich würdige auch deinen Wunsch, Bāṇāsura zu helfen. Mir ist bekannt, daß Bāṇāsura der Sohn Bali Mahārājas ist, und deshalb kann Ich ihn nicht töten, denn sonst würde Ich Mein Versprechen brechen. Ich gab nämlich König Prahlāda den Segen, niemals einen Dämon, der in seiner Familie erscheinen würde, zu töten. So habe ich auch Bāṇāsura nicht vernichtet, sondern ihm nur die Arme abgehackt, um ihm seinen falschen Hochmut zu nehmen. Seine gewaltigen Heerscharen wurden der Welt eine Last, und um die Welt von dieser Last zu befreien, habe Ich alle seine Soldaten getötet. Nun hat er nur noch vier Arme, und er wird unsterblich bleiben, ohne von materiellen Leiden oder Freuden berührt zu sein. Ich weiß, daß er einer der größten Geweihten deiner Herrschaft ist, und so versichere Ich dir, daß er künftig nichts mehr zu befürchten hat.«

Als Bāṇāsura auf diese Weise von Śrī Kṛṣṇa gesegnet wurde, trat er vor den Herrn und verneigte sich vor Ihm, indem er mit dem Haupt die Erde berührte. Er sorgte augenblicklich dafür, daß Aniruddha und seine Tochter Uṣā in einer prächtigen Kutsche herbeigebracht wurden, und übergab sie Śrī Kṛṣṇa. Kṛṣṇa nahm Aniruddha und Uṣā, die inzwischen durch Śivas Segen in materieller Hinsicht sehr reich geworden waren, in Seine Obhut, worauf sie, mit einer akṣauhiṇī Soldaten als Vorhut, nach Dvārakā zurückkehrten. Mittlerweile erfuhren die Bewohner Dvārakās, daß Kṛṣṇa mit Uṣā und Aniruddha in aller Pracht zurückkehrte, und schmückten jeden Winkel der Stadt mit Fähnchen, Blumen und Girlanden. Alle großen Straßen und Kreuzungen wurden sorgfältig gereinigt und mit Wasser, dem Sandelholzpaste beigemengt war, besprengt. Überall war der Duft von Sandelholz zu spüren. Mit großem Prunk und Jubel hießen schließlich alle Bürger gemeinsam mit ihren Freunden und Verwandten Śrī Kṛṣṇa willkommen. Dabei ertönten die gewaltigen Klänge von Muschelhörnern, Trommeln und Hörnern zur Begrüßung des Herrn. So hielt Kṛṣṇa, der Höchste Persönliche Gott, Einzug in Seine Hauptstadt Dvārakā.

Śrīla Śukadeva Gosvāmī versicherte König Parīkṣit, daß die Erzählung vom Kampf zwischen Śiva und Kṛṣṇa in keiner Weise unheilvoll sei, wie es die Schilderungen gewöhnlicher Kämpfe sind. Vielmehr werde man, wenn man sich morgens an diese Erzählung vom Kampf zwischen Śiva und Kṛṣṇa erinnere und sich über Śrī Kṛṣṇas Sieg freue, in seinem Lebenskampf niemals eine Niederlage erleiden.

Bāṇāsuras Kampf mit Kṛṣṇa und seine spätere Rettung durch die Gnade Śivas bestätigen die Feststellung in der Bhagavad-gītā, daß die Verehrer der Halbgötter ohne die Einwilligung Kṛṣṇas, des Höchsten Herrn, keine Segnung empfangen können. Wir erfuhren in dieser Erzählung, daß Bāṇāsura, obwohl er ein großer Geweihter Śivas war, von Śiva nicht gerettet werden konnte, als ihm von Kṛṣṇa der Tod drohte. Śiva mußte Kṛṣṇa bitten, seinen Geweihten zu verschonen, worauf der Herr Seine Einwilligung gab. Das ist Śrī Kṛṣṇas Stellung. Die treffenden Worte in diesem Zusammenhang werden in der Bhagavad-gītā gebraucht: mayaiva vihitān hi tān. Sie besagen, daß kein Halbgott ohne die Einwilligung des Höchsten Herrn seinem Verehrer irgendeine Segnung geben kann.

Hiermit endet die Erläuterung Bhaktivedantas zum 62. Kapitel des Buches Kṛṣṇa:
»Kṛṣṇa kämpft mit Bāṇāsura«.