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Die Transzendentalen Spiele Sri Krishnas

Von A.C. Bhaktivedanta Swami Prabhupada
Die Transzendentalen Spiele Sri Krishnas
Kṛṣṇa - Der Höchste Persönliche Gott
Originale Version 1. Auflage 1974
58. Kapitel:
 
Krishna
 
Die Erlösung des Dämons Bhaumāsura


 

Im Śrīmad-Bhāgavatam trägt Śukadeva Gosvāmī Mahārāja als nächstes die Geschichte von Bhaumāsura vor, der 16100 Prinzessinnen gefangenhielt, die er aus den Palästen vieler verschiedener Könige entführt hatte, und der schließlich von Kṛṣṇa, dem Höchsten Herrn von wunderbarem Charakter, getötet wurde. Für gewöhnlich sind Dämonen Feinde der Halbgötter. Der Dämon Bhaumāsura nun war so mächtig geworden, daß er sich gewaltsam den Schirm vom Thron des Halbgottes Varuṇa verschaffte und Aditi, der Mutter der Halbgötter, die Ohrringe raubte. Auch eroberte er einen Teil des himmlischen Berges Meru und besetzte das Gebiet Maṇiparvata. Zu guter Letzt kam Indra, der König des Himmels, nach Dvārakā, um sich bei Kṛṣṇa über Bhaumāsura zu beklagen.

Nachdem Sich Śrī Kṛṣṇa Indras Klagen angehört hatte, machte Er Sich unverzüglich mit Seiner Frau Satyabhāmā auf den Weg zu Bhaumāsuras Reich. Dazu setzten sie sich beide auf den Rücken Garuḍas, der sie nach Prāgjyotiṣapura, der Hauptstadt Bhaumāsuras, flog. Es war fast unmöglich, in die Stadt Prāgjyotiṣapura einzudringen, da sie außerordentlich gut befestigt war. Erst einmal sicherten vier gewaltige Festungen die Stadt gegen alle vier Himmelsrichtungen hin, und umfangreiche Heere bewachten sie auf allen Seiten. Als nächste Schutzvorrichtung, umgab ein Wasserkanal die ganze Stadt, auf den elektrisch geladene Zäune folgten. Die nächste Barriere war eine mit anila, eine gasähnliche Substanz, durchsetzte Zone. Dahinter schließlich befand sich ein Netzwerk aus Stacheldraht, das von einem Dämon namens Mura errichtet worden war. Die Stadt schien also, selbst gemessen an den Errungenschaften der heutigen Wissenschaft, hervorragend geschützt. Als jedoch Kṛṣṇa dort ankam, schlug Er mit Seiner Keule all die Festungen in Stücke, und unter dem Ansturm Seiner unablässig niederprasselnden Pfeilen verloren sich die Kampftruppen in alle Richtungen. Anschließend durchbrach Kṛṣṇa mit Seinem berühmten Sudarśana-cakra die elektrischen Drahtzäune, vernichtete die Wasserkanäle wie auch die Gaszone dahinter und zerstörte schließlich die Stacheldrahtverhaue des Mura-Dämons. Das durchdringende Dröhnen von Kṛṣṇas Muschelhorn zerbrach nicht nur die Herzen der großen Krieger, sondern auch die Kampfmaschinen der Stadt. Mit Seiner unbezwingbaren Keule schlug Er schließlich die Mauern der Stadt ein.

Das Dröhnen Seines Muschelhorns klang wie das Donnergewitter zur Zeit der Zerstörung der gesamten kosmischen Manifestation. Der Klang schreckte auch den Mura-Dämon aus dem Schlaf, der sogleich aus dem Palast stürzte, um zu sehen, was geschehen war. Der Dämon Mura besaß fünf Köpfe und hatte lange Zeit im Wasser gelebt; sein Körper glänzte wie die Sonne bei der Vernichtung der kosmischen Manifestation, und Seine Wut war wie ein ungestümes Feuer. Die Ausstrahlung seines Körpers war so gleißend, daß es fast schmerzhaft war, ihn mit geöffneten Augen anzusehen. Als er aus seinem Palast kam, griff er sogleich nach seinem Dreizack und stürzte dem Höchsten Persönlichen Gott entgegen. Der Angriff des Dämons glich dem einer großen Schlange, wie sie Garuḍa manchmal anfällt. Mura schäumte vor Wut und schien bereit, die drei Welten zu verschlingen. Zuerst griff er Garuḍa, den gefiederten Träger Kṛṣṇas, an, indem er seinen Dreizack in der Luft herumwirbelte und mit seinen fünf Mäulern Laute ausstieß, die wie Löwengebrüll klangen. Das Gebrüll, das er aus seinem Rachen hervorbrachte, durchdrang die ganze Atmosphäre, so daß es sich nicht nur über die ganze Welt ausbreitete, sondern sogar in den Weltraum drang - hinauf und hinunter und in alle zehn Richtungen. Die Schreie Muras hallten durch das ganze Universum.

Als Śrī Kṛṣṇa bemerkte, daß der Dreizack des Dämons an Seinen gefiederten Träger, Garuḍa, heranschoß, nahm Er mit einer schnellen Handbewegung zwei Pfeile und schleuderte sie dem Dreizack entgegen, der sogleich in Stücke sprang; gleich darauf durchbohrte Er dem Dämon mit vielen Pfeilen die Mäuler. Als sich Mura vom Höchsten Persönlichen Gott so überrumpelt sah, wollte er Kṛṣṇa voller Wut mit der Keule schlagen, doch mit Seiner eigenen Keule zerschmetterte der Herr Muras Keule, bevor diese Ihn treffen konnte. Hierauf schickte sich der Dämon, der nun ohne Waffen dastand, an, Kṛṣṇa mit seinen starken Armen zu packen, doch der Herr trennte ihm mit Seinem Sudarśana-cakra die fünf Köpfe vom Rumpf, so daß der Dämon tot ins Wasser fiel wie ein Berggipfel, der getroffen von Indras Blitzschlägen ins Meer stürzt.

Mura hatte sieben Söhne, und zwar Tāmra, Antarikṣa, Śravaṇa, Vibhāvasu, Vasu, Nabhasvān und Aruṇa. Rachsucht und Anmaßung erfüllte sie, als sie vom Tod ihres Vaters erfuhren, und um Vergeltung zu üben, rüsteten sie sich in großer Wut zum Kampf gegen Kṛṣṇa. Sie bewaffneten sich ausreichend und bestimmten Pītha, einen weiteren Dämon, zum Befehlshaber ihres Heeres. Auf Bhaumāsuras Befehl griffen sie Kṛṣṇa gemeinsam an.

Als sie den Herrn erblickten, stürmten sie mit allen möglichen Waffen, wie Schwerter, Keulen, Lanzen, Äxte und Dreizacke, auf Ihn zu; doch sie wußten nicht, daß die Kraft des Höchsten Persönlichen Gottes grenzenlos und unüberwindlich ist. Mit Seinen Pfeilen schlug Kṛṣṇa alle Waffen von Bhaumāsuras Leuten in Stücke so klein wie Körner. Dann schleuderte Er Seine eigenen Waffen, worauf Bhaumāsuras Oberbefehlshaber Pītha und seine Soldaten mit zerschossener Rüstung und abgetrennten Köpfen, Armen und Beinen niederstürzten. Allesamt wurden sie zu Yamarāja, dem Herrn des Todes, gesandt.

Bhaumāsura war auch als Narakāsura bekannt, da er ein Sohn der Halbgöttin der Erde war. Als er sah, daß all seine Soldaten, Befehlshaber und Kämpfer von der Macht der Waffen des Höchsten Persönlichen Gottes getötet waren, packte ihn unbeschreibliche Wut auf den Herrn, und so stürmte er mit einer riesigen Herde Elefanten, die alle an der Meeresküste geboren und aufgezogen worden waren, aus der Stadt. Jeder dieser Elefanten war durch starke Rauschmittel aufgeputscht. Als sie so dahinstürmten, sahen sie Śrī Kṛṣṇa und Seine Frau hoch am Himmel fliegen wie eine schöne blauschwarze Wolke, die über der Sonne schwebt und wegen ihrer elektrischen Ladung strahlt. Sogleich schoß der Dämon die Śataghnī-Waffe auf Kṛṣṇa ab, die auf einen Schlag Hunderte von Kriegern vernichten kann. Gleichzeitig schleuderten auch seine Leute ihre jeweiligen Waffen dem Höchsten Persönlichen Gott entgegen. Śrī Kṛṣṇa begegnete all diesen Waffen, indem Er Seine gefiederten Pfeile abschoß, die ihrerseits alle treffsicher die von Bhaumāsura eingesetzten Waffen in Stücke sprengten. Als Ergebnis des Kampfes fielen alle Soldaten und Befehlshaber Bhaumāsuras, die Arme, Beine und Köpfe von den Rümpfen getrennt, und alle Pferde und Elefanten starben mit ihnen.

Der Herr kämpfte vom Rücken Garuḍas aus, und Garuḍa half Ihm, indem er mit seinen Schwingen die Elefanten und Pferde schlug und ihre Köpfe mit seinen Klauen und dem scharfen Schnabel aufriß. Garuḍas Angriffe peinigten die Elefanten so sehr, daß sie bald alle vom Kampfplatz flohen. Schließlich blieb nur noch Bhaumāsura auf dem Schlachtfeld zurück und kämpfte verbissen weiter mit Kṛṣṇa. Als er bemerkte, daß der Träger Kṛṣṇas, Garuḍa, seinen Soldaten und Elefanten gewaltig zusetzte, versetzte er ihm voller Wut Schläge, deren Härte die eines Blitzschlags übertrafen. Zum Glück war Garuḍa kein gewöhnlicher Vogel, und so empfand er die Schläge Bhaumāsuras wie ein Elefant die Schläge mit einer Blumengirlande empfindet.

Bhaumāsura mußte endlich einsehen, daß keiner seiner Versuche Kṛṣṇa etwas anhaben konnte, und so erkannte er, daß alle seine Anstrengungen, den Herrn zu vernichten, vergebens waren. Dennoch raffte er sich ein letztes Mal auf und wollte einen Dreizack in die Hand nehmen, um Kṛṣṇa zu durchbohren. Kṛṣṇa aber war so schnell, daß, ehe Bhaumāsura den Dreizack auch nur berühren konnte, der scharfe Sudarśana-cakra ihm schon den Kopf von den Schultern trennte und sein mit glänzenden Ohrringen und Helmen geschmücktes Haupt im Staub des Schlachtfeldes rollte. Als Bhaumāsura von Śrī Kṛṣṇas Hand fiel, stimmten die Verwandten des Dämons allesamt aus Enttäuschung lautes Wehgeschrei an, doch die Heiligen begannen die kühnen Taten des Herrn zu preisen. Die Bewohner der himmlischen Planeten nutzten sofort die Gelegenheit und überschütteten den Herrn mit Blumen.

Die Erde in Person erschien vor Śrī Kṛṣṇa und beglückwünschte Ihn mit einer Kette aus vaijayantī-Juwelen. Sodann übergab sie dem Herrn die strahlenden Ohrringe Aditis, die mit Gold und Edelsteinen verziert waren, den Schirm Varuṇas und ein weiteres kostbares Juwel als Geschenk. Hierauf brachte die Erde Kṛṣṇa, der Höchsten Persönlichkeit, dem Herrn der Welt, der stets von den höchsten Halbgöttern verehrt wird, ihre Gebete dar. Ehrerbietig fiel sie vor Ihm nieder und sprach in großer, ekstatischer Hingabe: »Ich will Dir, dem Herrn, meine achtungsvollen Ehrerbietungen erweisen, der Du stets durch vier Zeichen, nämlich Muschelhorn, Feuerrad, Lotosblüte und Keule zu erkennen bist. Du bist auch der Herr aller Halbgötter. Bitte nimm meine demütigen Ehrerbietungen entgegen. Mein lieber Herr, Du bist die Überseele, und um den sehnsüchtigen Wunsch einer Deiner Geweihten zu erfüllen, erscheinst Du in vielfachen transzendentalen Inkarnationen auf der Erde. Nimm gütigerweise meine achtungsvollen Ehrerbietungen entgegen.

Lieber Herr, aus Deinem Nabel wuchs eine Lotosblume. Stets bist Du mit einer Girlande aus Lotosblumen geschmückt. Deine Augen sind immer blühend wie die Blütenblätter des Lotos, und daher sind sie für die Augen anderer ein all-freudvoller Anblick. Deine Lotosfüße sind so sanft und köstlich, daß sie ständig von Deinen reinen Geweihten verehrt werden und ihren lotosgleichen Herzen Frieden geben. Wieder und wieder erweise ich Dir daher meine respektvollen Ehrerbietungen.

Dir gehören alle Religionen, und Du besitzt allen Ruhm, allen Reichtum, alles Wissen und alle Entsagung; Du bist der, in dem sich all diese fünf Füllen vereinigen. Obwohl Du alldurchdringend bist, bist Du als der Sohn Vasudevas erschienen. Bitte nimm daher meine achtungsvollen Ehrerbietungen entgegen. Du bist der ursprüngliche Höchste Persönliche Gott und die höchste Ursache aller Ursachen. Du allein, o Herr, bist das Behältnis allen Wissens. Laß mich Dir meine achtungsvollen Ehrerbietungen darbringen. Du bist der Vater der gesamten kosmischen Manifestation, doch Du Selbst bist ungeboren. Du bist der Besitzer und die Ruhestätte unzähliger verschiedener Energien. Du bewirkst die Manifestation, durch die die materielle Welt in Erscheinung tritt, und Du bist sowohl die Ursache als auch die Wirkung der kosmischen Manifestation. Bitte nimm daher meine respektvollen Ehrerbietungen entgegen.

Mein lieber Herr, nicht einmal die drei Gottheiten Brahmā, Viṣṇu und Śiva sind unabhängig von Dir. Wenn es notwendig wird, daß die kosmische Manifestation entsteht, erschaffst Du Brahmā, Deine Erscheinung der Leidenschaft, und wenn Du sie erhalten willst, erweiterst Du Dich in Śrī Viṣṇu, den Quell aller Güte. Ebenso ist auch Śiva, der Meister über die Erscheinungsweise der Unwissenheit, Deine Erscheinung, in der Du zu guter Letzt die gesamte Schöpfung wieder auflöst. Doch obwohl Du die drei Erscheinungsweisen der materiellen Natur erschaffst, bleibt Deine transzendentale Stellung immer erhalten. Du verstrickst Dich niemals, wie die gewöhnlichen Lebewesen, in die drei Erscheinungsweisen der materiellen Natur.

Im Grunde, o Herr, bist Du Selbst die materielle Natur. Du bist der Vater des Universums und die ewige Zeit, die die Verbindung der Natur mit dem materiellen Schöpfer bewirkt hat. Aber dennoch bist Du immer transzendental zu allen materiellen Geschehnissen. O mein lieber Herr, o Höchster Persönlicher Gott, ich weiß, daß Erde, Wasser, Feuer, Luft, Himmel, die fünf Sinnesobjekte, der Geist, die Sinne und die über diese Faktoren gebietenden Gottheiten wie auch falsches Ich und die gesamte materielle Energie, daß einfach alles Beseelte und Unbeseelte in der Erscheinungswelt in Dir gründet. Weil alles von Dir erschaffen ist, kann niemals etwas von Dir getrennt sein. Doch weil Du andererseits völlig transzendental bist, kann nichts Materielles mit Deiner Persönlichkeit identisch sein. Somit ist alles zur gleichen Zeit eins mit Dir und verschieden von Dir, und die Philosophen, die versuchen, alles getrennt von Dir zu sehen, irren sich zweifellos in ihrer Betrachtungsweise.

Mein lieber Herr, bitte wisse, daß dieser Junge hier, Bhagadatta, der Sohn meines Sohnes Bhaumāsura ist. Er ist von der furchtbaren Lage, die durch den Tod seines Vaters entstanden ist, sehr betroffen, und aus Furcht vor diesem Zustand ist er sehr verwirrt. Deshalb habe ich ihn dazu gebracht, sich Deinen Lotosfüßen hinzugeben, und ich bitte Dich, o Herr, dem Jungen Zuflucht zu gewähren und Ihn mit Deinen Lotosfüßen zu segnen. Ich habe ihn vor Dich gebracht, damit er von allen Reaktionen auf die Sünden seines Vaters frei werden kann.«

Als Kṛṣṇa die Gebete der Mutter Erde angehört hatte, versicherte Er ihr, daß sie vor allen Nöten und Ängsten geschützt sei. Zu Bhagadatta sagte Er: »Fürchte dich nicht.«

Dann betrat Er Bhaumāsuras Palast, der voller Reichtümer war. In dem Palast fand Kṛsṇa die 16100 Prinzessinnen, die von dem Dämon entführt und gefangengehalten worden waren. Als die Prinzessinnen den Höchsten Persönlichen Gott in den Palast kommen sahen, waren sie sogleich von der Schönheit des Herrn gefesselt und beteten um Seine grundlose Barmherzigkeit. Innerlich entschlossen sie sich auf der Stelle, Kṛṣṇa als ihren Gemahl anzunehmen. Jede betete zur Vorsehung, daß Kṛṣṇa doch ihr Mann werden möge. Mit Ernsthaftigkeit und Aufrichtigkeit brachten sie Kṛṣṇas Lotosfüßen in reiner Hingabe ihre Herzen dar. Als Überseele im Herzen eines jeden erkannte der Herr ihren unbefleckten Wunsch und war sogleich bereit, sie als Seine Gattinnen anzunehmen. Er ließ deshalb für alle Prinzessinnen geeignete Kleider und Schmuckstücke bringen und ordnete an, daß jede einzelne in einer Sänfte nach Dvārakā gebracht wurde. Dann gab Er Befehl, die ungeheuren Reichtümer, wie Kutschen, Pferde, Juwelen und Schatztruhen, aus dem Palast zu schaffen. Dazu ließ Er fünfzig weiße Elefanten, von denen ein jeder vier Rüssel hatte, aus dem Palast nach Dvārakā bringen.

Nach diesem Abenteuer besuchten Śrī Kṛṣṇa und Satyabhāmā Amarāvatī, die Hauptstadt der himmlischen Planeten, und begaben Sich, dort angekommen, sogleich in den Palast König Indras und seiner Frau Śacīdevī, die Sie willkommen hießen. Dann überreichte Kṛṣṇa Indra die Ohrringe Aditis als Geschenk.

Als Kṛṣṇa und Satyabhāmā die Hauptstadt Indras verließen und im Begriff waren, zur Erde zurückzukehren, erinnerte sich Satyabhāmā daran, daß Kṛṣṇa einst versprochen hatte, ihr die Pflanze der pārijāta-Blume zu schenken. Und da sie sich nun im himmlischen Königreich befanden, nahm sie sogleich die günstige Gelegenheit wahr, sich eine pārijāta-Blume zu pflücken und auf dem Rücken Garuḍas mit sich zu nehmen. Früher nämlich hatte Nārada Muni einmal eine pārijāta-Blume mitgebracht und sie Kṛṣṇas erster Frau, Śrīmati Rukmiṇī-devī, geschenkt. Dadurch hatte sich bei Satyabhāmā so etwas wie ein Gefühl ihrer eigenen Unzulänglichkeit entwickelt; sie wollte von Kṛṣṇa auch eine solche Blume haben. Kṛṣṇa verstand das eifersüchtig-weibliche Wesen Seiner Frauen und lächelte. Sogleich fragte Er Satyabhāmā: »Warum möchtest du nur eine Blume haben? Ich würde dir gern einen ganzen Baum von pārijāta-Blumen schenken.

Im Grunde hatte Kṛṣṇa Seine Frau Satyabhāmā mitgenommen, damit sie die pārijāta eigenhändig pflücken konnte. Doch die Halbgötter des Himmelsplaneten, selbst Indra, ärgerten sich sehr darüber, daß Satyabhāmā die pārijāta-Blüte, die auf der Erde nicht zu finden ist, ohne ihre Erlaubnis gepflückt hatte. Sie wollten Kṛṣṇa und Satyabhāmā sogar daran hindern, die Pflanze mit sich zu nehmen. Aber weil Kṛṣṇa Seine Lieblingsfrau zufriedenstellen wollte, wurde Er unnachgiebig und ging nicht auf die Halbgötter ein, so daß es zwischen Ihm und den Himmlischen zum Kampf kam. Wie gewöhnlich siegte Kṛṣṇa, und im Triumph brachte Er die pārijāta-Pflanze, die sich Seine Frau ausgesucht hatte, auf die Erde nach Dvārakā. Gleich nach der Ankunft wurde die wunderbare Pflanze in Satyabhāmās Palastgarten eingepflanzt, und durch diesen außergewöhnlichen Baum gewann das Gartenhaus Satyabhāmās außerordentlich an Schönheit. Mit dem Baum war auch sein Duft auf die Erde gekommen, und deshalb zogen auch die himmlischen Schwäne, angelockt vom Duft und Honig der Blüten, zur Erde.

König Indras Verhalten gegenüber Kṛṣṇa wurde von den großen Weisen wie Śukadeva Gosvāmī als schändlich verurteilt: Aus Seiner grundlosen Gnade war Kṛṣṇa zum himmlischen Königreich Amarāvatī gekommen, um König Indra die Ohrringe Seiner Mutter zu bringen, die Bhaumāsura geraubt hatte, und Indra hatte sie mit Freuden angenommen. Doch als Kṛṣṇa einen Blütenbaum des himmlischen Königreiches nahm, sagte ihm Indra sogleich den Kampf an. Dies zeigt, daß Indra nur an sein eigenes Interesse dachte. Gerade noch hatte er zu Kṛṣṇa gebetet und mit geneigtem Haupt die Lotosfüße des Herrn berührt, doch sowie er das erlangt hatte, was er wollte, wurde er ein völlig anderes Wesen. Das ist ein Beispiel für die Verhaltensweise der Materialisten. Materialistische Menschen sind immer nur an ihrem eigenen Vorteil interessiert. Um selbst Nutzen zu erlangen, sind sie bereit, jedem jeglichen Respekt zu erweisen, doch sobald ihrem eigenen Interesse gedient ist, sind sie nicht länger irgend jemandes Freund. Diese Selbstsucht ist nicht nur bei den Reichen unseres Planeten zu finden, sondern selbst bei Persönlichkeiten wie Indra und anderen Halbgöttern. Zuviel Besitz macht einen Menschen selbstisch, und wer selbstisch ist, ist nicht bereit, sich dem Kṛṣṇa-Bewußtsein zuzuwenden, und wird daher von großen Gottgeweihten wie Śukadeva Gosvāmī verurteilt. Mit anderen Worten, der Besitz von zuviel weltlichem Reichtum macht einen unfähig, im Kṛṣṇa-Bewußtsein fortzuschreiten.

Nach Seinem Sieg über Indra ließ Kṛṣṇa Seine Heirat mit den 16100 Mädchen, die Er aus Bhaumāsuras Palast befreit hatte, vorbereiten. Dazu erweiterte Er Sich in 16100 Gestalten und heiratete gleichzeitig alle Prinzessinnen in ein und demselben glücklichen Augenblick, eine jede in einem anderen Palast. Damit bestätigte Kṛṣṇa die Wahrheit, daß Er, und niemand sonst, der Höchste Persönliche Gott ist. Für Kṛṣṇa gibt es nichts Unmögliches, denn Er ist der Höchste Persönliche Gott; Er ist allmächtig, allgegenwärtig und unvergänglich, und daher ist an dieser Tat eigentlich nichts Erstaunliches. Jeder der Paläste, in denen die Königinnen wohnten, war reich mit prächtigen Gärten, Möbeln und andern Annehmlichkeiten ausgestattet, wie sie in dieser Welt nicht ihresgleichen finden. An dieser Geschichte aus dem Śrīmad-Bhāgavatam ist nichts übertrieben. Kṛṣṇas Königinnen waren Erweiterungen der Glücksgöttin Lakṣmījī. Kṛṣṇa lebte tatsächlich mit ihnen in den verschiedenen Palästen und verhielt Sich ihnen gegenüber wie ein gewöhnlicher Mann sich seiner Gemahlin gegenüber verhält.

Wir sollten immer daran denken, daß der Höchste Persönliche Gott die Rolle eines gewöhnlichen Menschen spielte. Obwohl Er Seine außerordentliche Füllen zeigte, als Er mehr als 16100 Prinzessinnen auf einmal in über 16100 Palästen heiratete, verhielt Er Sich z. B. in ihrer Gesellschaft doch wie ein gewöhnlicher Mann und achtete peinlichst darauf, ein Leben mit ihnen zu führen, wie es zwischen Verheirateten üblich ist. Es ist somit sehr schwierig, die Außergewöhnlichkeit des Höchsten Brahman, des Höchsten Persönlichen Gottes, zu begreifen. Selbst Halbgötter wie Brahmā sind außerstande, die transzendentalen Spiele des Herrn zu ergründen. Kṛṣṇas Frauen waren wirklich gesegnet, denn sie bekamen den Höchsten Persönlichen Gott zum Gemahl, obgleich nicht einmal Halbgötter wie Brahmā Seine Persönlichkeit kannten.

In ihrer ehelichen Beziehung pflegten Kṛṣṇa und Seine Königinnen miteinander zu lachen, zu sprechen, zu scherzen, sich zu umarmen und was sonst noch zum Eheleben gehört; dabei vertiefte sich ihre innige Beziehung mehr und mehr. So genossen sowohl Kṛṣṇa als auch die Königinnen in ihrem Eheleben transzendentales Glück. Obwohl jede einzelne der Königinnen viele tausend Dienerinnen hatte, die sich um sie bemühten, ließen sie es sich nicht nehmen, Kṛṣṇa persönlich mit aller Aufmerksamkeit zu dienen. Jede von ihnen pflegte Kṛṣṇa persönlich zu empfangen, wenn Er ihren Palast betrat. Sie achteten dann jedesmal darauf, daß Er Sich auf einen besonders bequemen Diwan setzte, boten Ihm alle möglichen Annehmlichkeiten verehrend dar, wuschen Seine Lotosfüße mit Gangeswasser, reichten Ihm Betelnüsse und massierten Seine Beine. Auf diese Weise bereiteten sie Ihm Erholung von den Anstrengungen Seiner Abwesenheit von zuhause. Sie achteten auch darauf, Ihm sorgfältig Luft zuzufächeln, boten Ihm kostbare, duftende Blumenöle, legten Ihm Blumengirlanden um, kämmten und schmückten Sein Haar, baten Ihn, Sich zur Ruhe zu legen, badeten Ihn persönlich und gaben Ihm wohlschmeckende Speisen zu essen. All diese Dienste wurden von jeder Königin selbst getan; sie ließen sie nie von ihren Dienerinnen besorgen. Kṛṣṇa und Seine Königinnen führten also, mit anderen Worten, auf der Erde ein vorbildliches Eheleben.

Hiermit endet die Erläuterung Bhaktivedantas zum 58. Kapitel des Buches Kṛṣṇa:
»Die Erlösung des Dämons Bhaumāsura«.