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Die Transzendentalen Spiele Sri Krishnas

Von A.C. Bhaktivedanta Swami Prabhupada
Die Transzendentalen Spiele Sri Krishnas
Kṛṣṇa - Der Höchste Persönliche Gott
Originale Version 1. Auflage 1974
49. Kapitel:
 
Krishna
 
Kṛṣṇa errichtet die Festung Dvārakā


 

Mit Kaṁsas Tod waren seine beiden Frauen Witwen geworden. Nach den Regeln der vedischen Zivilisation kann eine Frau niemals unabhängig sein. Es gibt in ihrem Leben drei Stufen: Als Kind sollte sie in der Obhut ihres Vaters leben; als junge Frau sollte sie unter dem Schutz ihres Ehemannes stehen, und wenn ihr Gatte gestorben ist, sollte sie entweder unter dem Schutz ihrer erwachsenen Kinder leben, oder, wenn sie keine erwachsenen Kinder hat, zu ihrem Vater zurückkehren und als Witwe unter seinem Schutz leben. König Kaṁsa scheint keine erwachsenen Söhne gehabt zu haben, und als seine Frauen Witwen waren, kehrten sie daher wieder in die Obhut ihres Vaters zurück. Kaṁsa hatte zwei Frauen: Die eine Königin hieß Asti und die andere Prāpti, und beide waren Töchter König Jarāsandhas, des Herrschers über die Provinz Magadharāja, die heute als Behar bekannt ist. Zuhause angekommen setzten sie ihrem Vater ihre mißliche Lage auseinander, in die sie durch Kaṁsas Tod geraten waren. Der König von Magadha, Jarāsandha, war sehr erbittert, als er von der traurigen Lage seiner beiden Töchter und dem elenden Tod ihres Mannes erfuhr. Als ihm von Kaṁsas Tod berichtet wurde, beschloß er auf der Stelle, die Welt von allen Abkömmlingen der Yadu-Dynastie zu säubern. Für die Tötung Kaṁsas durch Kṛṣṇa sollte die ganze Dynastie der Yadus vom Erdboden verschwinden.

Jarāsandha begann also, Vorkehrungen zu treffen, um das Königreich von Mathurā mit seinen zahllosen Streitheeren anzugreifen, die aus vielen Tausenden von Kampfwagen, Pferden, Elefanten und Fußsoldaten bestanden. Jarāsandha stellte, um Kaṁsas Tod zu rächen, insgesamt dreizehn solcher Streitheere auf. Dann führte er seine gewaltige Armee zum Angriff auf Mathurā, die Hauptstadt der Yadu-Könige, und ließ sie diese von allen Seiten belagern. Śrī Kṛṣṇa, der wie ein gewöhnlicher Mensch erschien, sah die ungeheure Streitmacht Jarāsandhas, die einem Ozean glich, der jeden Augenblick den Strand zu überfluten drohte. Auch bemerkte Er, daß die Bewohner von Mathurā von Furcht ergriffen wurden, und so begann Er, über Seine Mission als Inkarnation nachzudenken, und überlegte, wie Er der gegenwärtigen Situation am besten begegnen könne. Kṛṣṇas Mission war es, den zur Last gewordenen Teil der Bevölkerung zu vernichten. Deshalb nahm Er die Gelegenheit wahr, all die Männer, Wagen, Elefanten und Pferde zu beseitigen. Nun, da Ihm die Streitmacht Jarāsandhas entgegentrat, beschloß Er, das gesamte Heer des Königs zu vernichten, so daß es sich nach dem Rückzug nicht wieder in alter Stärke zu einem neuen Angriff würde sammeln können.

Während Śrī Kṛṣṇa so überlegte, kamen zwei Streitwagen aus dem Weltall herbei, die mit Wagenlenkern, Waffen, Flaggen und anderem Zubehör versehen waren. Als Kṛṣṇa die beiden Wagen vor Sich sah, sprach Er sogleich zu Seinem Bruder Balarāma, der auch als Saṅkarṣaṇa bekannt ist: »Mein lieber älterer Bruder, Du bist der beste unter den Āryans, Du bist der Herr des Universums, und vor allem bist Du der Beschützer der Yadu-Dynastie. Jetzt schweben die Abkömmlinge der Yadu-Dynastie in Gefahr, weil sie von den Soldaten Jarāsandhas bedroht werden, und sie stehen große Ängste aus. Bitte beschütze sie. Dein mit Waffen beladener Streitwagen ist bereits hier eingetroffen. Ich bitte Dich, ihn zu besteigen und alle Soldaten des Feindes zu vernichten. Schließlich sind Wir auf die Erde herabgekommen, um solche überflüssigen Streitmächte zu beseitigen und die frommen Gottgeweihten zu beschützen. Nun bietet sich Uns eine gute Gelegenheit, Unserer Mission gerecht zu werden. Laß Uns sie nutzen.«

Somit beschlossen Kṛṣṇa und Balarāma, die Nachkommen Daśārhas, des Königs von Gadha, und alle dreizehn Kampfheere Jarāsandhas zu vernichten.

Kṛṣṇa bestieg Seinen Wagen, der von Dāruka gelenkt wurde, und stürmte mit einer kleinen Armee, begleitet vom Dröhnen der Muschelhörner, aus Mathurā hervor. Obgleich die Gegner zahlenmäßig weit überlegen waren, zitterten ihnen seltsamerweise die Herzen, als sie den Klang von Kṛṣṇas Muschelhorn vernahmen. Als Jarāsandha Kṛṣṇa und Balarāma erblickte, tat es ihm ein wenig leid um Sie, beide waren als seine Enkel mit ihm verwandt. Er sprach als erstes Kṛṣṇa an, den er »Puruṣādhama« nannte, was bedeutet »der Niedrigste unter den Menschen«, obwohl Kṛṣṇa eigentlich in allen vedischen Schriften als »Puruṣottama«, »der Höchste unter den Menschen« bekannt ist. Jarāsandha wollte Kṛṣṇa zwar nicht als »Puruṣottama« ansprechen, doch große Gelehrte haben die wahre Bedeutung des Wortes »Puruṣādhama« definiert, und zwar als »der, neben dem alle anderen Persönlichkeiten als niedrig erscheinen«. Niemand kann dem Höchsten Persönlichen Gott gleichkommen oder Ihn überragen. Jarāsandha sagte: »Es wird eine große Schande für mich sein, mit kleinen Jungen wie Kṛṣṇa und Balarāma zu kämpfen.« Weil Kṛṣṇa Kaṁsa getötet hatte, sprach Jarāsandha Ihn weiter ausdrücklich als »Mörder der eigenen Verwandten« an. Daß Kaṁsa selbst viele seiner eigenen Neffen umgebracht hatte, ließ Jarāsandha wohlweislich unerwähnt; daß aber Kṛṣṇa Seinen Onkel mütterlicherseits getötet hatte, nahm er zum Anlaß, den Herrn zu tadeln. Dies ist ein Beispiel dämonisches Verhalten: Dämonen versuchen niemals, ihre eigenen Fehler zu erkennen, sondern bemühen sich ständig, Fehler an ihren Freunden zu finden. Jarāsandha bezichtigte Kṛṣṇa außerdem, nicht einmal ein kṣatriya zu sein. Weil Kṛṣṇa nämlich von Mahārāja Nanda aufgezogen war, war Er kein kṣatriya, sondern ein vaiśya. Das Wort gupta ist gewöhnlich eine andere Bezeichnung für vaiśya, doch kann das Wort gupta auch im Sinne von »versteckt« gebraucht werden. Beides traf auf Kṛṣṇa zu: Er war sowohl versteckt gehalten als auch von Nanda Mahārāja, einem vaiśya, aufgezogen worden. Jarāsandha warf Kṛṣṇa somit drei Fehler vor: 1) Seinen eigenen Onkel getötet zu haben, 2) in Seiner Kindheit versteckt worden zu sein und 3) kein kṣatriya zu sein. Aus diesen Gründen, so sagte Jarāsandha, müsse er sich schämen, mit Kṛṣṇa zu kämpfen. Dann wandte er sich an Balarāma und rief Ihm zu: »Du, Balarāma! Wenn Du willst, kannst Du ja Seite an Seite mit Ihm kämpfen. Wenn Du ein wenig Geduld hast, warte nur darauf, bis Du von meinen Pfeilen durchbohrt wirst. Dadurch kannst Du nämlich zu den himmlischen Planeten befördert werden.« In der Bhagavad-gītā wird in diesem Zusammenhang erklärt, daß ein kṣatriya auf zweierlei Art aus dem Kampf Vorteil ziehen kann: Wenn er siegt, kann er sich am Ergebnis seines Erfolges erfreuen, und wenn er im Kampf sein Leben läßt, wird er zum himmlischen Königreich erhoben.

Nachdem Kṛṣṇa Jarāsandha solche Dinge hatte sagen hören, entgegnete Er: »Mein lieber König Jarāsandha, Helden machen keine großen Worte. Statt dessen zeigen sie ihre Stärke. Da du soviel redest, scheinst du schon sicher zu sein, daß du in dieser Schlacht sterben wirst. Wir sind es leid, dir länger zuzuhören, denn es ist sinnlos, den Worten eines Menschen Gehör zu schenken, der kurz vor dem Tode steht oder aber sehr verzweifelt ist.« Daraufhin gab Jarāsandha das Zeichen zum Kampf und umzingelte Kṛṣṇa von allen Seiten mit gewaltigen Kampftruppen, wobei die trübe Luft und der aufgewirbelte Staub die Sonne zu verdecken schienen. Ebenso wurde auch Kṛṣṇa, die höchste Sonne, von Jarāsandhas Heer verdeckt. Kṛṣṇas und Balarāmas Streitwagen waren mit Bildern von Garuḍa und mit Palmen bemalt. Alle Frauen von Mathurā standen auf den Dächern ihrer Häuser und Paläste oder auf den Stadttoren, um den wunderbaren Kampf zu beobachten. Doch als sie nun sahen, daß Kṛṣṇas Wagen von Jarāsandhas Streitheer umzingelt wurde, überkam sie solche Angst, daß manche in Ohnmacht fielen. Kṛṣṇa sah, wie Ihn die militärische Übermacht Jarāsandhas zu erdrücken drohte. Seine kleine Schar Soldaten geriet bereits in schwere Bedrängnis, und so nahm Er kurzentschlossen Seinen Bogen Śārṅga in die Hand.

Er zog Seine Pfeile aus dem Köcher, legte sie einen nach dem anderen an die Sehne und schoß sie auf den Feind ab. Die Pfeile waren so treffsicher, daß die Elefanten, Pferde und Fußsoldaten Jarāsandhas im Nu ihr Leben ließen. Der unablässige Pfeilhagel war wie ein lodernder Feuersturm, der die gesamte Streitmacht des feindlichen Heeres austilgte. Als Kṛṣṇa immer neue Pfeile abschoß, stürzten nach und nach alle Elefanten mit abgetrennten Köpfen zu Boden. Auf gleiche Weise fielen auch die Pferde mit zerbrochenen Streitwagen und zerschossenen Flaggen. Auch die Wagenkämpfer und Wagenlenker mußten auf diese Weise ihr Leben lassen, und fast alles Fußvolk fiel mit abgetrennten Köpfen, Händen und Beinen auf dem Schlachtfeld. Viele Tausende von Elefanten und Pferden wurden getötet, und ihr Blut floß wie die Wellen eines Flusses. In diesem Strom sahen die abgetrennten Arme der Männer wie Schlangen aus, ihre Köpfe glichen Schildkröten, die toten Körper der Elefanten waren wie kleine Inseln, und die toten Pferdeleiber trieben darin wie Haie im Meer. Durch den höchsten Willen war auf diese Weise ein riesiger Blutstrom mit allerlei Treibgut entstanden. Die Hände und Beine der Infantriesoldaten trieben wie Seetang an der Oberfläche, und die Bogen der Soldaten waren wie Wellen. Die Juwelen von den Körpern der Soldaten und Kommandanten glichen Kieselsteinen, die vom Blutstrom mitgerissen wurden.

Balarāma, der auch als Saṅkarṣaṇa bekannt ist, kämpfte mit Seiner Keule derartig heldenhaft, daß der Blutstrom, den Kṛṣṇa geschaffen hatte, überschäumte. Die Feiglinge unter den Soldaten wurden von panischer Angst ergriffen, als sie die fürchterliche, grausige Szene sahen, und die Helden unter ihnen begannen begeistert den Heldenmut der beiden Brüder zu preisen. Obgleich Jarāsandha über eine Streitmacht gewaltig wie ein Ozean verfügte, verwandelten Śrī Kṛṣṇa und Balarāma mit Ihrer Kampfweise die ganze Schlacht in eine grauenvolle Szene, die nicht im geringsten mit einem gewöhnlichen Kampf zu vergleichen war. Menschen mit gewöhnlicher Intelligenz können sich natürlich nicht vorstellen, wie dies alles möglich war, doch wenn man diese Taten als transzendentale Spiele des Höchsten Persönlichen Gottes versteht, unter dessen Willen nichts unmöglich ist, wird man an solchen Erzählungen nichts Unglaubwürdiges finden. Der Höchste Persönliche Gott erschafft, erhält und zerstört die kosmische Manifestation allein durch Seinen Willen. Daher ist es nichts Außerordentliches für Ihn, im Kampf mit Seinem Feind eine derartige Vernichtungsszene zu verursachen. Dennoch erschien diese Begebenheit allen außerordentlich wunderbar, weil Kṛṣṇa und Balarāma wie gewöhnliche Menschen mit Jarāsandha kämpften. Alle Soldaten in Jarāsandhas Heer wurden in dem Kampf getötet; er selbst war der einzige Überlebende, was ihn in höchste Verzweiflung versetzte. Śrī Balarāma nahm ihn ohne Schwierigkeiten gefangen, wie ein Löwe, der mit großer Kraft einen anderen Löwen packt. Doch als Balarāma Jarāsandha mit dem Seil Varuṇas und einigen gewöhnlichen Stricken fesseln wollte, bat Śrī Kṛṣṇa Ihn, den dämonischen König nicht zu binden, da Er für die Zukunft Größeres mit ihm vorhatte, und so ließ Kṛṣṇa Jarāsandha frei. Als großer Kriegsheld war Jarāsandha zutiefst beschämt, und so entschloß er sich, nicht länger als König zu leben, sondern alle Königswürden abzulegen und in den Wald zu gehen, um dort unter strengen Entsagungen und Bußen zu meditieren.

Als er dann jedoch mit einigen adligen Freunden nach Hause zurückkehrte, rieten diese ihm, nicht aufzugeben, sondern neue Kräfte zu sammeln, um in naher Zukunft noch einmal mit Kṛṣṇa zu kämpfen. Die Fürsten überzeugten ihn davon, daß er, wäre es mit rechten Dingen zugegangen, unmöglich von den Yadu-Königen hätte besiegt werden können. Seine Niederlage, so redeten sie ihm ein, sei nur auf eine unglückliche Fügung zurückzuführen. Auf diese Weise machten die Fürsten König Jarāsandha neuen Mut. Sie sagten, daß er ohne Zweifel heldenhaft gekämpft habe; er solle also seine Niederlage nicht zu ernst nehmen, denn sie sei lediglich die Folge vergangenener Fehler gewesen. Im Grund brauche er sich hinsichtlich seiner Kampftechnik nichts vorzuwerfen.

So blieb König Jarāsandha, dem König von Magadha, obwohl er alle Streitmächte verloren hatte und durch Gefangennahme und nachträgliche Freilassung gedemütigt worden war, nichts anders übrig, als die Herrschaft über sein Königreich wiederaufzunehmen. Kṛṣṇas Armee hatte, obgleich sie im Vergleich zu Jarāsandhas Heer winzig klein gewesen war, keinen einzigen Mann an Kampfstärke eingebüßt, wohingegen Jarāsandhas Soldaten alle getötet wurden.

Die Bewohner des Himmels freuten sich sehr darüber und brachten Kṛṣṇa ihre Ehrerbietungen dar, indem sie zum Ruhm des Herrn sangen und Ihn mit Blumen überschütteten. Alle bewunderten Seinen Sieg.

Jarāsandha war in sein Königreich zurückgekehrt, und Mathurā war vor einem bedrohlichen Angriff gerettet worden. Die Bürger von Mathurā veranstalteten einen Zirkus mit Berufssängern, wie sūtas und māgadhas, und mit Dichtern, die einzigartige Gedichte und Lieder verfassen konnten, und sie begannen Kṛṣṇas Sieg mit Lobgesängen zu preisen. Als der siegreiche Herr, Śrī Kṛṣṇa, die Stadt betrat, ertönten viele Büffelhörner, Muschelhörner und Kesselpauken, und verschiedene andere Musikinstrumente, wie bheryas, tūryas, vīṇās, Flöten und mṛdaṅgas, stimmten ein, um Ihm einen herrlichen Empfang zu bereiten. Vor Kṛṣṇas Ankunft hatte man die Stadt gründlich gesäubert und alle Straßen und Wege mit Wasser besprengt, und weil die Einwohner so froh waren, schmückten sie ihre Häuser, Straßen und Läden mit Flaggen und Girlanden. Die brāhmaṇas versammelten sich an zahlreichen Plätzen und chanteten vedische mantras. Die Einwohner bauten auch neue Straßenkreuzungen, Tore, Durchgänge und Straßen, und als dann Śrī Kṛṣṇa feierlich in die wundervoll geschmückte Stadt einzog, stellten die Mädchen und Frauen der Stadt verschiedenartige Blumenketten her, um das Fest noch freudiger zu gestalten. Nach vedischer Sitte nahmen sie mit frischem grünen Gras vermischten Yoghurt und verspritzten ihn in alle Richtungen, wodurch sie das Siegesfest noch freudvoller machten. Als Kṛṣṇa durch die Straßen zog, betrachteten Ihn alle Frauen liebevoll. Kṛṣṇa und Balarāma hatten Ihre Kriegsbeute, wie Schmuck und Edelsteine, die Sie sorgfältig vom Schlachtfeld aufgesammelt hatten, mitgebracht und überreichten sie nun König Ugrasena. Damit erwies Kṛṣṇa Seinem Großvater Seinen achtungsvollen Gruß, denn zu jener Zeit war Ugrasena der gekrönte König der Yadu-Dynastie.

Jarāsandha, der König von Magadha, bedrohte die Stadt Mathurā jedoch nicht nur einmal, sondern versuchte, sie insgesamt siebzehnmal anzugreifen, wobei er jedesmal eine gleich große Streitmacht aufbrachte. Doch immer wieder wurde er besiegt, und alle seine Soldaten wurden getötet, und jedesmal mußte er enttäuscht zurückkehren. In jeder der Schlachten nahmen ihn die Fürsten der Yadu-Dynastie auf gleiche Weise gefangen und ließen ihn dann mit Schimpf und Schande laufen, und jedesmal kehrte Jarāsandha schamlos nach Hause zurück.

Als Jarāsandha wieder einmal einen solchen Angriff unternahm, wagte auch ein König aus Yavana, einem Land südlich von Mathurā, den der Reichtum der Yadu-Dynastie lockte, einen Angriff auf die Stadt. Es heißt, daß der König der Yavanas, der als Kālayavana bekannt ist, von Nārada Muni zum Angriff verleitet wurde. Diese Geschichte wird im Viṣṇu-Purāṇa erzählt: Einst wurde Gargamuni, der Priester der Yadu-Dynastie, von seinem Schwager verhöhnt. Als die Könige der Yadu-Dynastie den Spott vernahmen, lachten sie ihn aus, was Gargamuni sehr erzürnte. Er beschloß, einen Sohn zu zeugen, der der Yadu-Dynastie gefährlich werden würde, und mit dieser Absicht verehrte er Śiva, von dem er dann die Segnung erhielt, Vater eines Sohnes zu werden. Dieser Sohn war Kālayavana, der von Gargamuni mit der Frau eines Yavana-Königs gezeugt wurde. Kālayavana nun stellte Nārada die Frage: »Welches sind die mächtigsten Könige der Welt?«, worauf Nārada ihm zur Antwort gab, daß die Könige der Yadu-Dynastie die mächtigsten seien. In diesem Wissen griff Kālayavana die Stadt Mathurā an, und zwar zur gleichen Zeit, als Jarāsandha zum achtzehntenmal versuchte, Mathurā einzunehmen. Kālayavana war sehr begierig, einem Weltherrscher den Krieg zu erklären, der ihm ein ebenbürtiger Gegner wäre, doch bis dahin hatte er einen solchen nicht finden können. Als ihm Nārada von Mathurā erzählte, beschloß er daher sogleich, die Stadt anzugreifen. Kurz darauf führte er dreißig Millionen Soldaten aus Yavana vor Mathurā. Als Mathurā auf diese Weise bedroht war, überlegte Śrī Kṛṣṇa, wie besorgt die Yadus sein mußten, da sie den Angriff zweier so schrecklicher Feinde wie Jarāsandha und Kālayavana zu fürchten hatten. Die Zeit der unmittelbaren Gefahr rückte immer näher. Kālayavana bestürmte Mathurā bereits von allen Seiten, und für den nächsten Tag wurde Jarāsandha mit ebenso vielen Soldaten erwartet, wie sie ihm bei seinen vergangenen siebzehn Angriffen zur Verfügung gestanden hatten. Kṛṣṇa war Sich sicher, daß Jarāsandha die Gelegenheit nutzen würde, die Stadt Mathurā nun, da auch Kālayavana sie bestürmte, zu erobern. Er hielt es daher für klug, einige Vorsichtsmaßnahmen zu treffen, um die strategisch wichtigen Punkte Mathurās zu verteidigen. Wenn Er und Balarāma nämlich gleichzeitig an einer Stelle mit Kālayavana kämpften, könnte Jarāsandha von einer anderen Seite aus angreifen und an der ganzen Yadu-Familie furchtbare Rache nehmen. Jarāsandha war sehr mächtig, und da er bereits siebzehnmal besiegt worden war, war es denkbar, daß er bei Gelegenheit aus Rachsucht alle Mitglieder der Yadu-Familie töten oder sie gefangennehmen und in sein Königreich verschleppen würde. Kṛṣṇa beschloß deshalb, an einem Ort, den kein zweibeiniges Tier - weder Mensch noch Dämon - erreichen konnte, eine mächtige Festung zu errichten. Dort wollte Er Seine Verwandten unterbringen, so daß Er ungehindert mit den Feinden kämpfen könnte. Wir wissen, daß Dvārakā früher zum Königreich von Mathurā gehörte, denn im Śrīmad-Bhāgavatam wird gesagt, daß Kṛṣṇa mitten im Meer eine Festung errichtete. Heute noch sind in der Bucht von Dvārakā Überreste dieser Festung zu finden.

Als erstes baute Kṛṣṇa eine gewaltige Mauer, die ein Gebiet von 96 Quadratmeilen umgrenzte, und die im Meer stand. Diese Mauer, die ein wundervolles Bauwerk war, wurde von Viśvakarmā entworfen und errichtet. Ein gewöhnlicher Architekt könnte unmöglich eine solche Festung im Meer bauen, doch Viśvakarmā, der als der Baumeister der Halbgötter gilt, kann solch ein wunderbares Kunstwerk jederzeit an jedem beliebigen Ort des Universums schaffen. Wenn durch den Willen des Höchsten Persönlichen Gottes riesige Planeten schwerelos im Weltall schweben können, ist die Errichtung einer Festung im Meer, die eine Fläche von 96 Quadratmeilen einnimmt, nichts Außergewöhnliches.

Im Śrīmad-Bhāgavatam wird gesagt, daß die neue, besterbaute Stadt, die im Meer entstand, regelrechte Straßen, Wege und Durchgänge hatte. Es gab indessen dort nicht nur genau geplante Straßen, Wege und Gassen, sondern auch mit sehr viel Umsicht angelegte Spazierwege und Gärten in denen zahlreiche kalpa-vṛkṣas, d. h. Wunschbäume, wuchsen. Diese Wunschbäume sind keine gewöhnlichen Bäume, wie sie in der materiellen Welt zu finden sind; Wunschbäume gibt es nur in der spirituellen Welt. Doch für Kṛṣṇas höchsten Willen ist alles möglich, und so konnten solche Wunschbäume auch in der Stadt Dvārakā gepflanzt werden, die von Kṛṣṇa errichtet worden war. Weiterhin gab es in der Stadt viele Paläste und gopuras, mächtige Tore. Solche gopuras sind heute noch in größeren Tempeln zu sehen. Sie sind sehr hoch und zeugen von großer Kunstfertigkeit. An solche gopuras wie auch in Paläste hängt man kalaśas, goldene Wassertöpfe, die als glückverheißende Zeichen angesehen werden.

Fast alle Paläste waren Hochhäuser, und in jedem der Häuser befanden sich in den Kellerräumen große Töpfe aus Gold und Silber und Vorräte an Getreide. Sogar in den einzelnen Wohnräumen standen viele goldene Wassertöpfe. Die Schlafgemächer waren reichlich mit Edelsteinen verziert und die Fußböden waren mit Mosaiken aus marakata-Juwelen ausgelegt. Die Bildgestalt Viṣṇus, die von den Angehörigen der Yadu-Dynastie verehrt wurde, fehlte in keinem Haus. Die Wohnbezirke waren so angelegt, daß jede Kaste - die brāhmaṇas, die kṣatriyas, die vaiśyas und die śūdras - in einem gesonderten Teil lebte. Diese Feststellung des Bhāgavatam beweist, daß das Kastensystem schon zu jener Zeit existierte. Im Stadtzentrum stand ein eigens für König Ugrasena gebautes Residenzgebäude. Dieser Palast war das prunkvollste aller Bauwerke.

Als die Halbgötter sahen, daß Kṛṣṇa eine besondere Stadt nach Seinen Vorstellungen baute, sandten sie die gepriesene pārijata-Blume von den himmlischen Planeten, um sie in der neuen Stadt einpflanzen zu lassen, und sie sandten auch ein Versammlungshaus, genannt Sudharmā. Die Besonderheit dieses Hauses war, daß jeder, der an einer Zusammenkunft in diesem Haus teilnahm, die Gebrechlichkeit des Alters überwand. Der Halbgott Varuṇa schenkte der Stadt ein Pferd, das, außer an seinen schwarzen Ohren, völlig weiß war, und das mit der Geschwindigkeit des Geistes zu laufen vermochte. Kuvera, der Schatzmeister der Halbgötter, offenbarte die Kunst, wie man die acht vollkommenen Stufen materiellen Reichtums erlangt. Auf diese Weise brachten alle Halbgötter Geschenke je nach ihren Möglichkeiten. Es gibt insgesamt dreiunddreißig Millionen Halbgötter, und jeder von ihnen hat eine besondere Aufgabe in der Regelung des Universums zu erfüllen. Sie alle nutzten die Gelegenheit, daß der Höchste Persönliche Gott eine Stadt baute, ihre jeweiligen Gaben beizusteuern und Dvārakā zu einer Stadt zu machen, die im ganzen Universum nicht ihresgleichen findet. Dies zeigt, daß keiner der zahllosen Halbgötter von Kṛṣṇa unabhängig ist. Wie auch im Śrī Caitanya-caritāmṛta erklärt wird, ist Kṛṣṇa der höchste Meister, und alle anderen sind Seine Diener. In diesem Fall nahmen also alle Diener die Gelegenheit wahr, Kṛṣṇa zu dienen, während Er persönlich in diesem Universum gegenwärtig war. Jeder sollte diesem Beispiel der Halbgötter folgen, besonders diejenigen, die Kṛṣṇa-bewußt zu werden versuchen; sie sollten Kṛṣṇa mit all ihren jeweiligen Fähigkeiten dienen.

Als der Bau der neuen Stadt genau nach Plan abgeschlossen war, brachte Kṛṣṇa alle Einwohner Mathurās dorthin und machte Śrī Balarāma zum Stadtvater von Dvārakā. Schließlich besprach Er Sich mit Balarāma und ging dann, mit einer Girlande von Lotosblumen bekränzt, aus der Stadt, um Kālayavana zu treffen, der Mathurā ohne Waffengewalt eingenommen hatte.

Als Kṛṣṇa aus der Stadt kam, gewahrte Kālayavana, der Ihn noch niemals zuvor gesehen hatte, daß Kṛṣṇa, der in ein gelbes Gewand gekleidet war, außerordentlich schön war. Während der Herr durch die Reihen der Soldaten Kālayavanas schritt, glich er dem Mond, der durch die am Himmel versammelten Wolken zieht. Kālayavana erfuhr die große Gunst, die Śrīvatsa-Linien, ein besonderes Zeichen auf Kṛṣṇas Brust, und den Kaustubha-Juwel, den der Herr trug, zu erblicken. Er sah Kṛṣṇa in Seiner Viṣṇu-Form, mit wohlgeformtem Körper, vier Armen, und Augen wie die frisch aufgeblühten Blütenblätter des Lotos. Kṛṣṇa strahlte mit Seiner edlen Stirn, Seinem schönen Antlitz, Seinen lächelnden rastlosen Augen und den tanzenden Ohrringen Glückseligkeit aus. Bevor Kālayavana Kṛṣṇa traf, hatte er schon durch Nārada Muni von Ihm gehört, und nun bestätigten sich Nāradas Beschreibungen. Er bemerkte Kṛṣṇas besondere Merkmale und die Edelsteine auf Seiner Brust, die schöne Girlande aus Lotosblumen, Seine lotosgleichen Augen und Seine übrigen wunderbaren Kennzeichen. Er schloß, daß die schöne Persönlichkeit vor ihm Vāsudeva sein mußte, denn alle Beschreibungen Nāradas, die er früher gehört hatte, wurden durch die Anwesenheit Kṛṣṇas Wirklichkeit. Kālayavana erstaunte es sehr, daß der Herr ohne Waffe und ohne Streitwagen durch die Reihen der Soldaten schritt. Er ging einfach zu Fuß. Kālayavana war zwar gekommen, um Kṛṣṇa zu bekämpfen, aber dennoch achtete er die Kampfregeln, so daß er den Herrn nicht mit der Waffe angriff. Er entschloß sich, mit bloßen Händen gegen Kṛṣṇa zu kämpfen, und schickte sich an, Ihn zum Kampf zu stellen. Kṛṣṇa jedoch ging einfach weiter, ohne Kālayavana auch nur anzusehen, worauf Kālayavana Ihm mit der Absicht folgte, Ihn gefangenzunehmen. Doch obwohl er so schnell lief wie er vermochte, konnte er Kṛṣṇa doch nicht zu fassen bekommen. Kṛṣṇa ist nicht einmal mit der Geschwindigkeit des Geistes, die von den großen yogīs erreicht wird, zu erlangen. Er läßt Sich allein durch hingebungsvolles Dienen einfangen, und darin hatte Kālayavana keinerlei Erfahrung. Er wollte Kṛṣṇa fangen, und da ihm dies nicht gelang, folgte er Ihm auf den Fersen.

Der dämonische König lief also so schnell er nur konnte, und manchmal dachte er: »Nun bin ich Ihm schon ganz nah; gleich habe ich Ihn«, doch es gelang ihm nicht, Kṛṣṇa zu erreichen. Kṛṣṇa führte Ihn auf diese Weise weit weg vom Heer, bis Er schließlich auf einem Hügel in einer Höhle verschwand. Kālayavana dachte, Kṛṣṇa versuche, dem Kampf zu entgehen, und habe Sich deshalb in die Höhle geflüchtet, und so begann er Ihn mit den folgenden Worten zu beschimpfen: »He, Du, Kṛṣṇa! Ich habe gehört, daß Du ein großer Held bist, der von der Yadu-Dynastie abstammt, doch nun sehe ich, daß Du tatsächlich wie ein Feigling vor dem Kampf davonläufst. Solches Verhalten ist Deines guten Namens und der Familientradition der Yadus nicht würdig.« Kālayavana hatte, obwohl er schnell gelaufen war, Kṛṣṇa nicht fangen können, weil er nicht von allen Verunreinigungen des sündhaften Lebens befreit war. Nach den Regeln vedischer Kultur wird jeder, der nicht die regulierenden Lebensprinzipien befolgt, die von den höheren Kasten, nämlich den brāhmaṇas, kṣatriyas und vaiśyas, und auch von den śūdras, den Arbeitern, eingehalten werden, mleccha genannt. Der gesellschaftliche Aufbau, wie er in den Veden vorgeschrieben wird, ist so eingerichtet, daß selbst Menschen, die als śūdras gelten, nach und nach, d. h. durch kulturellen Fortschritt, der auch als saṁskāra oder Reinigungsvorgang bezeichnet wird, zur Stufe von brāhmaṇas erhoben werden können. Die vedischen Schriften erklären, daß niemand allein durch Geburt in einer bestimmten Familie ein brāhmaṇa oder ein mleccha wird; von Geburt her gilt jeder als śūdra. Man muß daher durch den Reinigungsvorgang zur Stufe des brahmanischen Lebens aufsteigen. Unterläßt man dieses und erniedrigt sich statt dessen noch mehr, wird man als mleccha bezeichnet. Kālayavana gehörte zur Klasse der mlecchas und yavanas. Er war durch seine Sünden verunreinigt und konnte sich deshalb Kṛṣṇa nicht nähern. Die Dinge, denen sich die Menschen höherer Klassen enthalten, nämlich unzulässige Sexualität, das Essen von Fleisch, die Teilnahme an Glücksspielen und Berauschung, sind wichtige Faktoren im Leben der mlecchas und yavanas. Solange man von solchen sündigen Handlungen gefesselt ist, kann man in der Gotterkenntnis keinen Fortschritt machen. Die Bhagavad-gītā erklärt, daß nur jemand, der von allen Reaktionen auf seine Sünden befreit ist, hingebungsvolles Dienen oder Kṛṣṇa-Bewußtsein verwirklichen kann.

Als Kṛṣṇa in die Höhle ging und damit plötzlich der Sicht Kālayavanas entschwand, folgte dieser Ihm, wobei er Ihn mit groben Worten beschimpfte. Das erste, was er beim Betreten der Höhle sah, war ein Mann, der schlafend am Boden lag. Kālayavana brannte sehr darauf, mit Kṛṣṇa zu kämpfen, und als er Ihn nirgends finden konnte, sondern nur einen Mann am Boden liegen sah, dachte er, Kṛṣṇa sei es, der da vor ihm in der Höhle schlafe. Kālayavana war so eingebildet und stolz auf seine Stärke, daß er dachte, Kṛṣṇa scheue den Kampf mit ihm, und weil er den schlafenden Mann für Kṛṣṇa hielt, versetzte er ihm einen heftigen Tritt. Der Schlafende lag schon seit langer Zeit in der Höhle. Als er nun von dem Tritt Kālayavanas aufwachte, öffnete er sogleich seine Augen und sah sich nach allen Seiten um. Zuletzt fiel sein Blick auf Kālayavana, der in seiner Nähe stand. Der Schläfer war zu unrechter Zeit geweckt worden, und daher war er sehr zornig. Als er Kālayavana in seinem Zorn sah, schossen Feuerstrahlen aus seinen Augen hervor, die Kālayavana auf der Stelle zu Asche verbrannten.

Hiermit endet die Erläuterung Bhaktivedantas zum 49. Kapitel des Buches Kṛṣṇa:
»Kṛṣṇa errichtet die Festung Dvārakā«.