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Die Transzendentalen Spiele Sri Krishnas

Von A.C. Bhaktivedanta Swami Prabhupada
Die Transzendentalen Spiele Sri Krishnas
Kṛṣṇa - Der Höchste Persönliche Gott
Originale Version 1. Auflage 1974
44. Kapitel:
 
Krishna
 
Kṛṣṇa bringt Seinem Lehrer den Sohn zurück


 

Als Śrī Kṛṣṇa sah, daß Vasudeva und Devakī in ihrer ehrerbietigen Haltung stehenblieben, ließ Er sogleich den Einfluß der yoga-māyā, Seiner inneren Energie, wirksam werden, damit Seine Eltern Ihn und Balarāma wie ihre Kinder behandeln konnten. Ähnlich wie bei den verschiedenen Lebewesen in der materiellen Welt durch den Einfluß der illusionierenden Energie die Beziehung von Vater, Mutter und Kindern ermöglicht wird, so kann der Gottgeweihte durch den Einfluß der yoga-māyā eine Beziehung zum Höchsten Persönlichen Gott aufnehmen, in der der Herr sein Kind ist. Als Kṛṣṇa mit Seiner yoga-māyā diese Situation geschaffen hatte, sprachen Er und Balarāma, die berühmtesten Söhne der Sātvata-Dynastie, Vasudeva und Devakī sehr ergeben und respektvoll an: »Lieber Vater und liebe Mutter«, sagten Sie, »obgleich ihr euch stets bemüht habt, Unser Leben zu behüten, wurde euch nicht die Freude zuteil, Uns zu euren Säuglingen, heranwachsenden Kindern oder großen Söhnen zu haben.« Kṛṣṇa pries damit indirekt die Beziehung Nanda Mahārājas als Vater und die Yaśodās als Mutter als überaus herrlich, denn obwohl Er und Balarāma nicht ihre leiblichen Söhne waren, waren es Nanda und Yaśodā, die sich an Ihren Kindheitsspielen erfreuten. Die Natur hat es so eingerichtet, daß sich die Eltern einer verkörperten Seele am meisten an der Kindheit ihrer Nachkommen freuen. Selbst im Tierreich bringen die Eltern ihren Jungen sehr viel Zuneigung entgegen. Weil sie vom Verhalten ihrer Sprößlinge fasziniert sind, sind sie sehr um ihr Wohlergehen bemüht. Auch Vasudeva und Devakī dachten ständig an das Wohl Kṛṣṇas und Balarāmas. Deshalb war Kṛṣṇa z. B. gleich nach Seinem Erscheinen von Vasudeva nach Vṛndāvana gebracht worden. Balarāma war aus Devakīs Leib in den Leib Rohiṇīs versetzt worden.

Vasudeva und Devakī machten sich ständig große Sorgen um Kṛṣṇas und Balarāmas Schutz und konnten sich nicht an den Kindheitsspielen der beiden Brüder erfreuen. Kṛṣṇa erklärte ihnen dies so: »Durch die Fügung des Schicksals konnten Wir leider nicht von Unseren eigenen Eltern aufgezogen werden und zu Hause Unsere Kindheit genießen. Lieber Vater und liebe Mutter, man steht immer in der Schuld seiner Eltern, von denen man den Körper bekommen hat, der einem alle Freuden des materiellen Daseins zugänglich machen kann. Die Veden lehren, daß sich einem mit der menschlichen Form des Lebens die Gelegenheit bietet, alle möglichen religiösen Werke zu tun, sich alle Arten von Wünschen zu erfüllen und allen erdenklichen Reichtum zu erwerben. Und nur die menschliche Form bietet einem jede Möglichkeit, von der materiellen Existenz freizukommen. Der Körper wird durch die gemeinsamen Bemühungen des Vaters und der Mutter erzeugt. Jeder Mensch sollte seinen Eltern dankbar sein und einsehen, daß er immer in ihrer Schuld stehen wird. Wenn der erwachsene Sohn nicht versucht, seine Eltern durch seine Handlungen oder den Erwerb materieller Güter zu erfreuen, wird er ganz sicher nach seinem Tod vom Herrn des Todes bestraft, und muß sein eigenes Fleisch essen. Wenn jemand für seine betagten Eltern, die Kinder, den geistigen Meister, die brāhmaṇas und andere Hilfsbedürftige sorgen oder ihnen Schutz gewähren kann, es jedoch unterläßt, ist er so gut wie tot, obgleich er noch atmet. Mein lieber Vater und meine liebe Mutter, ihr habt euch stets sehr um Unsere Sicherheit gesorgt, doch unglücklicherweise konnten Wir euch nicht den kleinsten Gegendienst erweisen. Bis heute haben Wir daher lediglich Unsere Zeit verschwendet. Aus Gründen, die sich Unserer Einflußnahme entziehen, konnten Wir euch nicht dienen. Mutter und Vater, bitte vergebt Uns diese Sünde.«

Als der Höchste Persönliche Gott wie ein unschuldiges Kind mit süßen Worten zu Vasudeva und Devakī sprach, wurden diese von elterlicher Zuneigung überwältigt und umarmten Ihn voll Freude. Sie waren verwirrt und konnten nichts auf Kṛṣṇas Worte entgegnen, noch irgendetwas sagen. So umarmten sie Kṛṣṇa einfach still und voller Zuneigung, wobei ihnen die Tränen unablässig aus den Augen strömten.

Nachdem Er Seine Eltern getröstet hatte, ging der Höchste Persönliche Gott, der als geliebter Sohn Devakīs erschienen war, zu Seinem Großvater Ugrasena, und verkündete, daß Ugrasena von nun an König über das Reich der Yadus sein solle. Kaṁsa hatte trotz der Gegenwart seines Vaters, den er gefangenhielt, gewaltsam über das Königreich der Yadus geherrscht. Nach Kaṁsas Tod nun wurde sein Vater Ugrasena befreit und zum König über die Yadus ernannt. Soviel man weiß, gab es damals im Westen Indiens viele kleine Königreiche, die von den Dynastien der Yādavas, Andhakas, Vṛṣṇis, und Bhojas beherrscht wurden. Mahārāja Ugrasena gehörte der Bhoja-Dynastie an, und als Kṛṣṇa ihn auf den Thron setzte, bestimmte Er damit indirekt, daß der König der Bhoja-Dynastie der Herrscher über die anderen Königreiche sein solle. Er bat Mahārāja Ugrasena in vollster Absicht, über Ihn Selbst und Balarāma zu herrschen, denn Sie waren beide Ugrasenas Untertanen. Das Wort prajā bedeutet sowohl »Nachkommenschaft« als auch »Bürger«. Kṛṣṇa zählte aus zwei Gründen zu den prajās: Er war zum einen ein Enkel Mahārāja Ugrasenas und zum anderen ein Nachkomme der Yadu-Dynastie. Der Herr erkannte freiwillig die Herrschaft Mahārāja Ugrasenas an, und so teilte Er diesem mit: »Weil die Könige der Yadu-Dynastie von Yayāti verflucht worden sind, werden sie sich niemals gegen deine Herrschaft erheben. Uns selbst wird es eine Freude sein, dir als deine Untergebenen zu dienen. Unsere enge Zusammenarbeit wird deine Position noch mehr verbessern und stärken, so daß die Könige der anderen Dynastien nicht zögern werden, dir ihre jeweiligen Tribute zu leisten. Von Uns beschützt wirst du sogar von den Halbgöttern auf den himmlischen Planeten verehrt werden. Mein lieber Großvater, alle Könige der Yadu-, Vṛṣṇi-, Andhaka-, Madhu-, Daśārha-, und Kukura-Dynastie waren aus Furcht vor Meinem ehemaligen Onkel Kaṁsa mißtrauisch und verängstigt. Doch nun kannst du sie beruhigen und ihnen versichern, daß sie nichts mehr zu befürchten haben. Das gesamte Königreich wird wieder friedlich werden.«

Alle Könige der Nachbargebiete hatten ihre Paläste aus Furcht vor Kaṁsa verlassen und sich in abgelegenen Teilen des Landes verborgen gehalten. Nach Kaṁsas Tod und der Wiedereinsetzung Ugrasenas als König wurden ihnen viele Geschenke gemacht und alle möglichen Annehmlichkeiten bereitet, worauf sie wieder in ihre Paläste zurückkehrten. Als die politischen Verhältnisse auf diese Weise zufriedenstellend geregelt waren, freuten sich die Einwohner von Mathurā sehr, beschützt von den starken Armen Kṛṣṇas und Balarāmas in ihrer Stadt zu leben. Unter der guten Regierungsform in Anwesenheit von Kṛṣṇa und Balarāma waren die Einwohner von Mathurā völlig glücklich und zufrieden, denn es war für all ihre materiellen Wünsche und Bedürfnisse gesorgt, und weil sie Kṛṣṇa und Balarāma täglich mit eigenen Augen sahen, vergaßen sie schon bald alle materiellen Leiden. Sowie sie Kṛṣṇa und Balarāma, die sehr hübsch gekleidet waren, auf die Straße treten sahen, lächelnd und Sich nach allen Seiten umschauend, wurden sie von liebender Ekstase ergriffen, da Mukunda persönlich vor ihnen stand. »Mukunda« bedeutet »einer, der Befreiung und transzendentale Glückseligkeit gewährt«. Kṛṣṇas Anwesenheit wirkte wie ein belebendes Elixier, so daß nicht nur die Jungen, sondern auch die alten Leute von Mathurā mit jugendlicher Energie und Kraft erfüllt wurden, weil sie Ihn regelmäßig sahen.

Nanda Mahārāja und Mutter Yaśodā blieben ebenfalls in Mathurā, da Kṛṣṇa und Balarāma dort waren, doch nach einiger Zeit wollten sie wieder nach Vṛndāvana zurückkehren. Bevor sie aufbrachen, gingen Kṛṣṇa und Balarāma noch einmal zu ihnen, und nachdem Sie Nanda und Yaśodā zärtlich umarmt hatten, sprach Kṛṣṇa: »Lieber Vater und liebe Mutter, obgleich Ich als Sohn von Vasudeva und Devakī geboren wurde, seid ihr Unsere wirklichen Eltern gewesen, denn ihr habt Uns von Geburt an mit sehr viel Zuneigung und Liebe aufgezogen. Eure Zuneigung zu Uns war stärker als die Liebe, die Eltern ihren Kindern gewöhnlich entgegenbringen. Ihr seid wirklich Unsere Eltern, weil ihr Uns zu einer Zeit, da Wir eigentlich Waisen waren, wie eure eigenen Kinder aufgezogen habt. Wir wurden von Unseren Eltern weggegeben, und ihr habt Uns behütet. Lieber Vater und liebe Mutter, Ich weiß, daß euch die Trennung von Uns schmerzen wird, wenn ihr nach Vṛndāvana fahrt, und Uns hier zurücklaßt, doch glaubt Mir bitte, daß Ich euch nach Vṛndāvana folgen werde, wenn Ich Meine leiblichen Eltern Vasudeva und Devakī, Meinen Großvater und Meine anderen Verwandten hier zufriedengestellt habe.« Kṛṣṇa und Balarāma trösteten Nanda Mahārāja und Mutter Yaśodā mit vielen süßen Worten und Geschenken wie allerlei Kleider, Schmuck und kunstvoll gearbeitete Gebrauchsgegenstände. Die beiden Brüder erfreuten Ihre Eltern und all Ihre Freunde und Nachbarn, die sie von Vṛndāvana nach Mathurā begleitet hatten, so gut es ging. Aus seiner großen Liebe zu Kṛṣṇa und Balarāma füllten sich Nanda Mahārājas Augen mit Tränen. Ein letztes Mal umarmte er die beiden Brüder und machte sich dann zusammen mit den anderen Kuhhirten auf den Weg nach Vṛndāvana.

Bald darauf ließ Vasudeva seine Söhne in das Chanten mit der heiligen Schnur einweihen. Die heilige Schnur ist das Zeichen der »zweiten Geburt«, die für die höheren Klassen der menschlichen Gesellschaft von großer Bedeutung ist. Vasudeva ließ zu diesem Zweck seinen Familienpriester und viele gelehrte brāhmaṇas kommen, die die Einweihungszeremonie für Kṛṣṇa und Balarāma vorschriftsmäßig durchführten. Während dieser Zeremonie spendete Vasudeva den brāhmaṇas vielerlei Schmuck und beschenkte sie mit Kühen, die seidene Tücher und goldenes Geschmeide trugen. Vasudeva hatte den brāhmaṇas eigentlich schon bei Kṛṣṇas und Balarāmas Geburt Kühe spenden wollen, doch weil er damals von Kaṁsa eingesperrt war, hatte er dies nur in Gedanken tun können. Nach Kaṁsas Tod nun spendete er den brāhmaṇas wirklich die Kühe. Anschließend wurden Balarāma und Kṛṣṇa eingeweiht, indem Ihnen die heilige Schnur übergeben wurde und Sie den vorgechanteten Gāyatrī-mantra wiederholten. Der Gāyatrī-mantra wird den Schülern nach der Schnur-Zeremonie anvertraut, und Balarāma und Kṛṣṇa befolgten aufs genaueste alle Regeln für das Chanten des mantras. Jeder, der den Gāyatrī-mantra chantet, muß bestimmte Prinzipien und Gelübde einhalten, und obwohl Kṛṣṇa und Balarāma transzendentale Persönlichkeiten sind, befolgten auch Sie strikt die Vorschriften. Beide wurden von Ihrem Familienpriester Gargācārya, dem ācārya der Yadu-Dynastie, auch als Gargamuni bekannt, eingeweiht. Nach den Regeln der vedischen Kultur muß jeder achtbare Mensch einen ācārya oder Geisteslehrer haben. Man kann nicht als wirklich gebildet gelten, ohne von einem ācārya eingeweiht und geschult worden zu sein. Aus diesem Grund wird auch gesagt, daß erst jemand, der einen ācārya angenommen hat, vollkommenes Wissen besitzen kann. Śrī Kṛṣṇa und Balarāma sind der Höchste Persönliche Gott, die Meister aller Erziehung und allen Wissens. Sie hatten es daher nicht nötig, einen ācārya oder geistigen Meister anzunehmen, doch um den gewöhnlichen Menschen ein Beispiel zu geben, nahmen auch Sie einen geistigen Meister an, »um im spirituellen Wissen Fortschritte zu machen.«

Es ist Brauch, daß ein Schüler, nachdem er in das Chanten des Gāyatrī-mantras eingeweiht worden ist, für eine gewisse Zeit getrennt von zu Hause in der Obhut des ācāryas lebt, um von ihm im spirituellen Leben geschult zu werden. Während dieser Zeit muß er nach den Anweisungen des geistigen Meisters wie ein ganz gewöhnlicher Diener Arbeiten verrichten. Es gibt viele Regeln und Vorschriften für einen brahmacārī, der unter der Aufsicht eines ācārya lebt, und sowohl Śrī Kṛṣṇa als auch Balarāma folgten strikt diesen Prinzipien, als Sie unter der Aufsicht Ihres geistigen Meisters Sāndīpani Muni in einem āśrama im nördlichen Teil Indiens lebten. Nach den Anweisungen der Schriften muß der geistige Meister ebenso geehrt und gewürdigt werden wie der Höchste Persönliche Gott. Kṛṣṇa und Balarāma folgten diesen Prinzipien mit großer Hingabe und unterzogen Sich allen Regulierungen des brahmacarya. Dadurch erfreuten Sie Ihren geistigen Meister, der Sie im vedischen Wissen unterwies. Höchst zufrieden mit Ihnen lehrte Sāndīpani Muni Sie alle Einzelheiten der vedischen Weisheiten und der ergänzenden Schriften wie der Upaniṣaden. Da Kṛṣṇa und Balarāma kṣatriyas waren, wurde bei Ihrer Schulung besonderes Schwergewicht auf Kriegskunst, Politik und Mathematik gelegt. In der Politik gibt es insgesamt sechs Wissensgebiete, nämlich 1) die Kunst, Frieden zu schließen, 2) die Kunst zu kämpfen, 3) Beschwichtigung, 4) Aufteilung, 5) Herrschen und 6) Schützen. All diese Themen wurden Kṛṣṇa und Balarāma vollständig erklärt und beigebracht.

Der Ozean ist der Ursprung des Wassers im Fluß. Wenn nämlich das Wasser des Ozeans verdunstet, entsteht eine Wolke, die dieses Wasser in Form von Regen über die Erdoberfläche verteilt; dort sammelt es sich in Flüssen und kehrt so wieder zum Ozean zurück. In ähnlicher Weise sind Kṛṣṇa und Balarāma, der Höchste Persönliche Gott, der Ursprung aller Arten von Wissen, doch weil Sie die Rolle gewöhnlicher Menschenkinder spielten, verhielten Sie Sich beispielhaft, damit jeder wie Sie das Wissen von der richtigen Quelle empfangen möge. Aus diesem Grund waren Sie daher bereit, Wissen von einem geistigen Meister entgegenzunehmen.

Nach einmaligem Hören jeder Unterweisung Ihres Lehrers beherrschten Kṛṣṇa und Balarāma alle Künste und Wissenschaften. In vierundsechzig Tagen und vierundsechzig Nächten erlernten Sie alles Wissen, das in der menschlichen Gesellschaft anwendbar ist. Tagsüber ließen Sie Sich von Sāndīpani Muni in einem bestimmten Wissensgebiet unterrichten, und am Abend waren Sie Fachleute auf diesem Wissensgebiet.

Als erstes lernten Sie, wie man singt, Lieder komponiert und die verschiedenen Tonarten erkennt. Sie erlernten die günstigen und die ungünstigen Betonungen und Akzente; Sie lernten, allerlei Rhythmen und Melodien zu singen und diese mit verschiedenen Trommeln zu begleiten. Dazu lernten Sie, nach bestimmten Rhythmen, Melodien und Liedern zu tanzen. Als nächstes wurden Sie darin unterrichtet, Theaterstücke zu schreiben; sodann wurden Sie in verschiedensten Arten des Malens unterrichtet, angefangen mit einfachen ländlichen Themen, bis hin zur Stufe höchster Perfektion. Sāndīpani Muni zeigte Ihnen, wie man tilaka auf die Stirn malt und Stirn und Wangen mit verschiedenartigen Punkten verziert. Danach lernten Sie, wie man mit flüssigen Pasten aus Reis oder Mehl Bilder auf den Boden malt. Solche Gemälde sind bei Festen in der Familie oder im Tempel sehr beliebt. Die beiden Brüder lernten, aus Blumen ein Ruhebett herzustellen, Tücher und Blätter mit farbenprächtigen Bemalungen zu verzieren und kostbare Edelsteine in Schmuckstücke einzusetzen. Außerdem brachte Ihnen Ihr geistiger Meister die Kunst bei, auf Wassertöpfen zu musizieren. Dazu werden Wassertöpfe mit bestimmten Wassermengen gefüllt, so daß, wenn man auf sie schlägt, verschiedene Töne erzeugt werden, die gemeinsam wohlklingende Melodien ergeben. Sie lernten auch, wie man sich in Flüssen oder Seen mit Wasser bespritzt, wenn man mit Freunden ein Bad nimmt. Dann wurde Ihnen gezeigt, wie man aus Blumen Dekorationen anfertigt. Diese Kunst - phulabāḍi genannt - kann man auch heute noch im Sommer in einigen Tempeln von Vṛndāvana bewundern. Dabei werden der Altar und der Thron der Bildgestalten Gottes, die Wände und die Decke des Tempels mit Blumen geschmückt, und in der Tempelmitte errichtet man eine duftende Blumensäule. Diese Blumenzierde schenkt den von der Sommerhitze erschöpften Menschen Erfrischung.

Kṛṣṇa und Balarāma lernten die Kunst, das Haar zu allen möglichen Frisuren zu formen und einen Helm auf verschiedenste Weise aufzusetzen. Sie wurden auch in der Schauspielkunst unterrichtet, lernten, Schauspieler mit Blumengebilden über dem Ohr zu schmücken, und erfuhren, wie man Sandelholzpaste und Wasser versprengt, so daß sie einen angenehmen Duft verbreiteten. Dann lernten Sie magische Kunststücke. In der Magie gibt es eine Kunst, bahurūpī genannt, mit deren Hilfe man sich so verkleiden kann, daß einen nicht einmal der beste Freund erkennt. Sie lernten das Zubereiten von Getränken, wie sie bei verschiedenen Gelegenheiten gereicht werden, und studierten Siruparten wie auch Geschmäcker und die Wirkung von Rauschmitteln. Sie lernten es, Marionetten an dünnen Fäden tanzen zu lassen, und die Kunst, Saiten auf Instrumente, wie vīṇā, sitar und tampura, zu ziehen, um mit ihnen wohltönende Klänge zu erzeugen. Dann lernten Sie, wie man Rätsel erfindet und sie löst. Sie erlernten die Kunst, Bücher zu schreiben, anhand derer selbst der dümmste Schüler sehr schnell Lesen und Schreiben lernen kann. Sie lernten, Theaterstücke einzustudieren und aufzuführen, und Sie lernten die Kunst, Kreuzworträtsel zu lösen, bei denen zwischen den Wörtern Buchstaben eingesetzt werden, die die Wörter vervollständigen.

Kṛṣṇa und Balarāma lernten dann, in Bilderschrift zu schreiben. In einigen Ländern der Welt ist die Bilderschrift auch heute noch im Gebrauch. Mit dieser Schrift kann man eine Geschichte in Bildern darstellen, so daß beispielsweise ein Mann und ein Haus einen Mann darstellen, der nach Hause geht. Die Brüder studierten auch die Kunst des Häuserbauens. Sie wurden auch darin geschult, wertvolle Edelsteine anhand ihres Feuers und ihrer Farben zu erkennen, und erlernten die Kunst, Edelsteine in Gold und Silber einzufassen. Auch lernten Sie, wie man den Boden nach Mineralien absucht. Dieses Bodenstudium ist heute zu einer sehr spezialisierten Wissenschaft geworden, doch früher gehörte es zum Allgemeinwissen selbst des einfachen Menschen. Śrī Kṛṣṇa und Balarāma lernten Kräuter und Pflanzen zu unterscheiden und aus ihnen Medikamente zu gewinnen, und bei Ihrem Studium der Pflanzenarten lernten Sie auch, wie man sie miteinander kreuzt und verschiedene Früchte züchtet. Sie lernten, wie man Hähne und Lämmer für Wettspiele zum Kampf abrichtet und Papageien das Sprechen beibringt, so daß sie auf Fragen von Menschen antworten.

Śrī Kṛṣṇa und Balarāma wurden auch in praktischer Psychologie unterrichtet, das heißt, Sie lernten, wie man den Geist eines anderen beeinflussen und ihn so dazu bewegen kann, so zu handeln, wie man es selbst will. Manchmal wird diese Kunst auch Hypnose genannt. Sie lernten, wie man sein Haar wäscht, es in verschiedenen Farben tönt und es auf vielerlei Art in Locken legt. Sie erlernten die Kunst, den Inhalt eines Buches zu erfahren, ohne es Sich anzusehen. Ebenso lernten Sie auch zu erkennen, was in der geschlossenen Faust eines anderen verborgen ist. Kleine Kinder versuchen sich manchmal auch in dieser Kunst, doch ihre Angaben sind nie sehr genau. Bei diesem Spiel hält ein Kind irgend etwas in seiner Faust und fragt einen Freund: »Kannst du mir sagen, was in meiner Hand ist?« Der Freund denkt sich dann irgend etwas aus, obgleich er es im Grunde nicht weiß. Doch es gibt eine Kunst, mit der man ganz genau sagen kann, was der andere in der Faust hält.

Kṛṣṇa und Balarāma wurden auch in den Sprachen verschiedener Länder unterrichtet, so daß Sie sie sprechen und verstehen konnten. Doch nicht nur die menschlichen Sprachen lernten Sie. Kṛṣṇa konnte sogar mit den Tieren und Vögeln reden, wie in den Schriften der Gosvāmīs bestätigt wird. Danach lernten Sie, Kutschen und Luftfahrzeuge aus Blumen zu bauen. Im Rāmāyaṇa wird berichtet, daß Rāmacandra nach Seinem Sieg über Rāvaṇa in einem Luftgefährt aus Blumen, dem puṣpa-ratha, von Laṅkā nach Bhāratavarṣa geflogen wurde. Kṛṣṇa erlernte danach die Kunst, anhand von Vorzeichen zukünftige Ereignisse vorauszusagen. Es gibt ein Buch, das Khanār-vacana, in dem die verschiedenen Vorzeichen und Omen erläutert werden. Wenn man z. B. aus dem Hause geht und einem Menschen begegnet, der einen mit Wasser gefüllten Eimer trägt, ist dies ein gutes Vorzeichen. Doch wenn man jemanden mit einem leeren Eimer sieht, ist dies kein gutes Zeichen. Und auch wenn man die Milch einer Kuh mit ihrem Kalb zusammen sieht, ist dies ein gutes Omen. Wer all diese Zeichen zu deuten weiß, ist imstande, die Zukunft vorherzusagen, und Kṛṣṇa lernte auch diese Wissenschaft. Dann erlernte Kṛṣṇa die Kunst, mātṛkās zu bilden. Ein mātṛkā ist der Bestandteil eines Kreuzworträtsels, bei dem drei Buchstaben nebeneinander in einer Reihe stehen - zusammengezählt ergeben sich also jeweils neun Buchstaben. Es gibt die verschiedenartigsten mātrkās für die unterschiedlichsten Zwecke.

Kṛṣṇa erlernte die Kunst, wertvolle Steine, wie Diamanten, zu schleifen, und die Kunst, mit aus dem Stegreif im Geist verfaßten Gedichten Fragen zu stellen oder zu antworten. Er wurde in der Wissenschaft von Aktion und Reaktion der physikalischen Verbindungen und Vorgänge unterrichtet und erlangte das Wissen eines Psychiaters, der verstehen kann, was sich in der Psyche eines anderen abspielt. Schließlich lernte Er, wie man Wünsche erfüllt. Wünsche können nur sehr schwer zufriedengestellt werden; es gibt aber eine Kunst, mit der man selbst unvernünftige Wünsche, die niemals erfüllt werden können, bezwingen kann. Durch diese Fähigkeit kann man auch sexuelles Verlangen, das manchmal auch im brahmacārī-Leben auftritt, überwinden. Wer diese Kunst beherrscht, kann sogar einen Feind zu seinem Freund machen und die Wirkung eines physikalischen Prozesses in eine andere Richtung lenken.

Śrī Kṛṣṇa und Balarāma, die Quelle aller Künste und Wissenschaften, zeigten Ihr vollkommenes Wissen, als Sie Ihrem Lehrer Ihre Dienste anboten, indem Sie versprachen, ihm jeden Wunsch zu erfüllen. Dieses Angebot des Schülers an seinen Lehrer oder geistigen Meister wird guru-dakṣiṇā genannt. Es ist sehr wichtig, daß der Schüler seinem Lehrer aus Dankbarkeit für die Lehren, die er empfangen hat, seien sie materieller oder spiritueller Natur, eine besondere Freude bereitet. Als Kṛṣṇa und Balarāma Ihrem Lehrer Sāndīpani Muni Ihre Dienste anboten, hielt dieser es für weise, Sie um etwas ganz Außergewöhnliches zu bitten, etwas, das kein gewöhnlicher Schüler geben konnte. Er beriet sich daher mit seiner Frau, worum man die beiden wohl am besten bitten sollte. Sie waren sich schon oft der außergewöhnlichen Kräfte Kṛṣṇas und Balarāmas bewußt geworden und erkannten daher in den beiden Jungen den Höchsten Persönlichen Gott. Sie entschlossen sich schließlich, Kṛṣṇa und Balarāma um die Rückkehr ihres Sohnes zu bitten, der am Prabhāsakṣetra-Strand im Ozean ertrunken war.

Sowie Kṛṣṇa und Balarāma von Ihrem Lehrer hörten, daß sein Sohn am Prabhāsakṣetra-Strand sein Leben verloren hatte, machten Sie Sich mit Ihrer Kutsche auf den Weg zum Ozean. Gleich nach Ihrer Ankunft am Strand baten Sie die über das Meer gebietende Gottheit, Ihnen den Sohn Ihres Lehrers wiederzugeben. Der Halbgott des Ozeans erschien auch sogleich vor dem Herrn und brachte Ihm mit aller Demut seine achtungsvollen Ehrerbietungen dar.

Der Herr sagte: »Vor einiger Zeit hast du den Sohn Unseres Lehrers ertrinken lassen. Ich befehle dir, ihn wieder herauszugeben.«

Doch der Halbgott des Meeres entgegnete: »Der Junge wurde nicht von mir gefangen, sondern von einem Dämon mit Namen Pañcajana. Dieser große Dämon haust tief im Wasser in der Gestalt einer Muschel. Vermutlich wurde der Sohn Eures Lehrers von ihm verschlungen und liegt nun in seinem Magen.«

Als Kṛṣṇa dies erfuhr, tauchte Er tief in das Wasser hinein, fand den Dämon Pañcajana und tötete ihn auf der Stelle. Doch Er konnte in seinem Leib den Sohn Seines Lehrers nicht finden. Daher nahm Er den toten Körper des Dämons, das Muschelhorn nämlich, an Sich und kehrte zu Seiner Kutsche am Strand des Prabhāsakṣestra zurück. Von dort fuhr Er sogleich nach Saṁyamanī, dem Wohnort Yamarājas, des Herrn über den Tod. Begleitet von Seinem älteren Bruder Balarāma, der auch als Halāyudha bekannt ist, traf Kṛṣṇa dort ein und blies in Sein Muschelhorn.

Als Yamarāja das Tönen des Muschelhorns vernahm, erschien er sogleich vor Śrī Kṛṣṇa und empfing Ihn mit achtungsvollen Ehrerbietungen. Yamarāja wußte, wer Kṛṣṇa und Balarāma waren, und so bot er dem Herrn sofort seine bescheidenen Dienste an. Kṛṣṇa und Balarāma waren zwar scheinbar als gewöhnliche Menschen auf der Erde erschienen, doch in Wirklichkeit sind Sie die Überseele im Herzen eines jeden Lebewesens. Obgleich Sie Viṣṇu Selbst sind, spielten Sie die Rolle zweier gewöhnlicher Menschenkinder. Als Yamarāja dem Herrn seine Dienste anbot, bat ihn Kṛṣṇa, Ihm den Sohn Seines Lehrers zurückzugeben, der infolge seines Handelns zu Yamarāja gekommen war. Kṛṣṇa sagte: »Angesichts der Tatsache, daß Ich der Höchste Persönliche Gott bin, solltest Du Mir unverzüglich den Sohn Meines Lehrers übergeben.«

Yamarāja übergab dem Höchsten Persönlichen Gott daraufhin den Jungen, und Kṛṣṇa und Balarāma brachten diesen sogleich zu seinem Vater zurück. Sodann fragten die beiden Brüder Ihren Lehrer, ob er noch einen weiteren Wunsch habe, doch Sāndīpani Muni antwortete: »Meine lieben Söhne, Ihr habt genug für mich getan. Ich bin völlig zufrieden, denn was kann sich ein Mensch noch wünschen, der zwei Schüler hat wie Euch? Ihr könnt nun nach Hause gehen. Eure ruhmvollen Taten werden für alle Zeiten überall auf der Welt bekannt sein. Ihr steht zwar über jeglicher Segnung, doch ist es meine Pflicht, Euch zu segnen. Daher gebe ich Euch den Segen, daß alles, was Ihr jemals sprechen werdet, ewig frisch bleiben wird wie die Anweisungen der Veden. Eure Lehren werden nicht nur innerhalb dieses einen Universums oder nur in diesem Zeitalter geehrt werden, sondern an allen Orten und zu allen Zeiten. Sie werden in immer stärkerem Maße neu und bedeutsam bleiben. Wegen dieser Segnung ist Śrī Kṛṣṇas Bhagavad-gītā immer wieder frisch, und sie ist nicht nur in diesem Universum, sondern auch in allen anderen berühmt.

Auf die Anweisung Ihres Lehrers hin kehrten Kṛṣṇa und Balarāma unverzüglich in Ihrer Kutsche nach Mathurā zurück. Sie reisten mit der rasenden Geschwindigkeit des Windes und verursachten dabei einen Lärm wie zusammenstoßende Wolken. Die Einwohner von Mathurā, die Kṛṣṇa und Balarāma schon seit langer Zeit vermißt hatten, waren außer sich vor Freude, Sie wiederzusehen. Sie fühlten sich so glücklich wie Menschen, die ihren verlorenen Besitz wiedererlangt hatten.

Hiermit endet die Erläuterung Bhaktivedantas zum 44. Kapitel des Buches Kṛṣṇa:
»Kṛṣṇa bringt Seinem Lehrer den Sohn zurück«.