Photo Gallery

Die Transzendentalen Spiele Sri Krishnas

Von A.C. Bhaktivedanta Swami Prabhupada
Die Transzendentalen Spiele Sri Krishnas
Kṛṣṇa - Der Höchste Persönliche Gott
Originale Version 1. Auflage 1974
34. Kapitel:
 
Krishna
 
Die Trennungsgefühle der gopīs


 

Die gopīs aus Vṛndāvana liebten Kṛṣṇa so sehr, daß sie nicht damit zufrieden waren, nur nachts, während des rāsa-Tanzes, mit Ihm zusammenzusein. Sie wollten sich auch tagsüber Seiner Gesellschaft erfreuen. Wenn Kṛṣṇa zusammen mit Seinen Kuhhirtenfreunden und den Kühen in den Wald zog, konnten die gopīs zwar nicht leiblich bei Ihm sein, doch ihre Herzen waren bei Ihm. Und weil ihre Herzen mit Ihm gingen, war es ihnen möglich, sich Seiner Gemeinschaft in ihren starken Trennungsgefühlen zu erfreuen. Śrī Caitanya und Seine direkten Nachfolger, die Gosvāmīs, lehren uns, dieses starke Gefühl der Trennung zu entwickeln. Wenn wir auch nicht physisch mit Kṛṣṇa zusammen sind, so können wir doch mit Ihm, wie die gopīs, durch Trennungsgefühle verbunden werden. Kṛṣṇas transzendentale Gestalt, Seine Eigenschaften, Seine Spiele und alles, was noch zu Ihm gehört, sind mit Ihm identisch. Es gibt neun verschiedene Arten des hingebungsvollen Dienens. Hingebungsvolles Dienen für Kṛṣṇa in Gefühlen der Trennung erhebt den Gottgeweihten auf die höchste Stufe der Vollkommenheit, auf die Stufe der gopīs.

Śrīnivāsācārya sagt in seinen Gebeten zu den sechs Gosvāmīs, daß die Gosvāmīs ihre materiell einträglichen Regierungsämter niederlegten und das damit verbundene fürstliche Leben aufgaben, um nach Vṛndāvana zu gehen, wo sie wie gewöhnliche Bettelmönche von Tür zu Tür zogen. Doch waren sie so sehr von den Trennungsgefühlen der gopīs erfüllt, daß sie in jedem Augenblick transzendentale Freude genossen. So fühlte auch Śrī Caitanya, der, als Er Sich in Jagannātha Purī aufhielt, das Wesen Rādhārāṇīs annahm, die Trennung von Kṛṣṇa. Die Gottgeweihten, die sich in der Nachfolge der Mādhva-Gauḍīya-sampradāya befinden, sollten ebenfalls Trennung von Kṛṣṇa empfinden, Seine transzendentale Gestalt verehren und über Seine transzendentalen Lehren, Seine Spiele, Seine Eigenschaften, Seine Gefährten und alles, was sonst noch mit Ihm verbunden ist, sprechen. Und die geistigen Meister müssen die Gottgeweihten zur höchsten Vollkommenheit der Hingabe führen. Ständige Trennung zu empfinden, während man im Dienst des Herrn beschäftigt ist, bildet die Vollkommenheit des Kṛṣṇa-Bewußtseins.

Um sich an Kṛṣṇa zu erinnern, während Er abwesend war, pflegten die gopīs über Ihn zu sprechen. »Liebe Freundinnen«, sagte eine gopī, »wußtet ihr schon, daß Sich Kṛṣṇa auf dem linken Ellenbogen ausruht, wenn Er Sich auf dem Boden niedergelassen hat, und daß Er dann Seinen Kopf auf die linke Hand stützt? Während Er mit Seinen zarten Fingern Flöte spielt, spielen Seine Augenbrauen hin und her, und der Klang Seiner Flöte erzeugt eine solch wunderbare Stimmung, daß die Bewohner der himmlischen Planeten, die mit ihren Frauen und Lieben im Weltraum reisen, ihre Himmelsfahrzeuge anhalten, da sie vom Klang der Flöte überwältigt sind. Die Frauen der Halbgötter schämen sich jedesmal ihrer Musikalität und ihres Gesangs. Und nicht nur das, es überkommt sie solch starkes Liebessehnen, daß sich ihr Haar löst und ihre Kleidung verrutscht.« Eine andere gopī sagte: »Meine lieben Freundinnen, Kṛṣṇa ist immer mit einer goldenen Halskette geschmückt und Er ist so schön, daß die Glücksgöttin stets an Seiner Brust bleibt. Kṛṣṇa spielt nur auf Seiner Flöte, um die Herzen Seiner vielen Geweihten zu beleben. Er ist der einzige Freund der leidenden Lebewesen. Wenn Er auf Seiner transzendentalen Flöte spielt, nehmen die Kühe und alle anderen Tiere in Vṛndāvana, obwohl sie gerade fressen wollen, nur noch einen kleinen Bissen Nahrung in ihre Mäuler und hören dann auf zu kauen. Ihre Ohren stellen sich auf, und sie erstarren in ihren Bewegungen. Sie scheinen dann nicht mehr lebendig zu sein, sondern sehen aus wie gemalt. Kṛṣṇas Flötenspiel ist so bezaubernd, daß selbst die Tiere wie gebannt stehen, von uns ganz zu schweigen.« Eine andere gopī sagte: »Meine lieben Freundinnen, nicht nur die Tiere, sondern auch die unbeseelten Dinge wie die Flüsse und Seen von Vṛndāvana werden reglos, wenn Kṛṣṇa mit Pfauenfedern im Haar und am ganzen Körper mit Erdfarben aus Vṛndāvana bemalt an ihnen vorbeiwandert. Mit den Blättern und Blumen, die Ihn schmücken, sieht Er aus wie ein Held. Wenn Er auf Seiner Flöte spielt und mit Balarāma die Kühe zusammenruft, hört die Yamunā auf zu fließen und wartet darauf, daß der Wind den Staub von Seinen Lotosfüßen zu ihr herüberweht. Doch die Yamunā ist ebenso unglücklich wie wir; auch sie erhält nicht Kṛṣṇas Barmherzigkeit. Der Fluß bleibt nur wie erstarrt stehen und hält seine Wellen zurück, wie auch wir manchmal aufhören zu weinen, weil wir zu traurig darüber sind, weil wir mit Kṛṣṇa nicht zusammensein können.«

In Kṛṣṇas Abwesenheit vergossen die gopīs ständig Tränen, und nur wenn sie Kṛṣṇa aus dem Wald zurückerwarteten, hielten sie inne. Wenn sie dann aber sahen, daß Kṛṣṇa nicht kam, wurden sie erneut betrübt und begannen wieder zu weinen. Kṛṣṇa ist der ursprüngliche Persönliche Gott, der Ursprung aller Viṣṇu-Formen, und die Kuhhirtenjungen sind alle Halbgötter. Śrī Viṣṇu wird ständig verehrt und umgeben von verschiedenen Halbgöttern wie Śiva, Brahmā, Indra, Candra und vielen anderen. - Wenn Kṛṣṇa durch den Wald von Vṛndāvana zog oder auf dem Govardhana-Hügel spazierenging, wurde Er immer von den Kuhhirtenjungen begleitet. Auf Seinen Ausflügen spielte Er oft auf Seiner Flöte, um die Kühe zu Sich zu rufen. Schon durch Seine Gegenwart wurden die Bäume, Sträucher und andere Pflanzen im Wald augenblicklich Kṛṣṇa-bewußt. Ein Kṛṣṇa-bewußter Gottgeweihter opfert alles für Kṛṣṇa. Obwohl Bäume und Sträucher kein sehr hoch entwickeltes Bewußtsein haben, werden auch sie, wenn sie mit Kṛṣṇa und Seinen Freunden in Berührung kommen, Kṛṣṇa-bewußt. Sie wollen dann alles geben - was sie haben mögen -, ihre Früchte, ihre Blüten und den Honig, der fortwährend von ihren Ästen tropft.

Kṛṣṇa ging oft am Ufer der Yamunā entlang, die Stirn wunderschön mit tilaka geschmückt, eine Girlande aus Waldblumen um den Hals und den Körper mit Sandelholzpaste und tulasī-Blättern bestrichen. Die Hummeln wurden ganz verrückt nach dem köstlichen Schatz und dem süßen Nektar, dessen Duft Seine Nähe erfüllte. Weil Sich Kṛṣṇa über das Summen der Bienen freute, spielte Er dazu auf Seiner Flöte, und vereinigt wurden die Klänge so betörend, daß auch die Wassertiere, die Kraniche, Schwäne, Enten und noch viele andere Vögel wie verzaubert verharrten. Statt weiter zu schwimmen oder zu fliegen, hielten sie überwältigt inne. Sie schlossen die Augen und fielen in Trance, wobei sie Kṛṣṇa in tiefer Meditation verehrten.«

Eine andere gopī sagte: »Liebe Freundinnen, Kṛṣṇa und Balarāma sind mit Ihren Ohrringen und Perlenketten herrlich anzusehen. Sie vergnügen Sich oben auf dem Govardhana-Hügel, und alles versinkt in einen Ozean transzendentaler Freude, wenn Kṛṣṇa auf Seiner Flöte spielt und die ganze Schöpfung bezaubert. Sowie Er zu spielen beginnt, stellen die Wolken aus Furcht vor Ihm ihr lautes Donnern ein. Und statt Kṛṣṇa bei Seinem Flötenspiel zu stören, antworten sie Ihm mit ganz sanftem Gedonner und überbringen so Kṛṣṇa, ihrem Freund, ihre Grüße.

Kṛṣṇa gilt als Freund der Wolken, weil die Wolken wie auch Kṛṣṇa die Menschen erfreuen, wenn diese sich unwohl fühlen. Wenn die Menschen im Sommer unter sengender Hitze leiden, erquicken die Wolken sie mit Regengüssen, und wenn sie im materiellen Leben vom lodernden Feuer der materiellen Qualen geplagt werden, verschafft Kṛṣṇa ihnen Erleichterung. Da die Wolken und Kṛṣṇa zudem die gleiche Körperfarbe haben, werden sie als Freunde angesehen, und wenn die Wolken ihren höhergestellten Freund beglückwünschen wollten, ließen sie nicht Wasser, sondern kleine Blumen vom Himmel regnen und schwebten über Seinem Haupt, um Ihn vor der heißen Sonne zu schützen.«

Eine der gopīs sagte zu Mutter Yaśodā: »Meine liebe Mutter, Dein Sohn ist einer der geschicktesten Hirtenjungen. Er kennt die verschiedensten Künste — wie man die Kühe hütet, wie man Flöte spielt und vieles mehr. Er komponiert sogar eigene Lieder, und wenn Er sie singen will, setzt Er Seine Flöte an die Lippen. Wenn Er abends und morgens auf Seiner Flöte spielt, neigen alle Halbgötter, wie Śiva, Brahmā, Indra und Candra, ihre Häupter und lauschen mit großer Aufmerksamkeit. Obwohl sie sehr erfahren und gelehrt sind, können sie den musikalischen Aufbau von Kṛṣṇas Melodien nicht begreifen. Sie versuchen es zwar und hören Ihm aufmerksam zu, aber sie werden nur verwirrt.«

Eine andere gopī sagte: »Meine lieben Freundinnen, wenn Kṛṣṇa mit Seinen Kühen heimkehrt, vertreiben die Abdrücke Seiner Fußsohlen, die mit Flagge, Blitz, Stab und Lotosblume gezeichnet sind, die Schmerzen, die die Erde fühlt, wenn die Kühe über sie hinweg ziehen. Er sieht beim Gehen so anmutig aus, und Er trägt ständig Seine Flöte bei Sich. Wir brauchen Ihn nur anzuschauen und werden schon von Lust ergriffen und möchten Seine Gesellschaft genießen. In solchen Momenten hören all unsere Bewegungen auf. Wir werden genau wie die Bäume und stehen ganz still. Wir vergessen sogar, wie wir aussehen.«

Kṛṣṇa hütete viele Tausende von Kühen, die je nach der Farbe des Fells in verschiedene Gruppen aufgeteilt waren. Sie trugen auch unterschiedliche Namen, die sich ebenfalls nach ihrer Zeichnung richteten. Wenn Kṛṣṇa von den Weidegründen nach Hause aufbrechen wollte, hatten sich gewöhnlich die Kühe bereits versammelt. Ebenso wie die Vaiṣṇavas auf 108 Perlen chanten, die die 108 individuellen gopīs repräsentieren, so hatte auch Kṛṣṇa 108 verschiedene Kuhherden, die Er einzeln mit Namen rief.

»Wenn Kṛṣṇa aus dem Wald zurückkehrt«, sagte eine gopī zu ihrer Freundin, »trägt Er eine Girlande aus tulasī-Blättern. Er legt Seine Hand dann auf die Schulter eines Freundes und beginnt auf Seiner transzendentalen Flöte zu spielen. Die Frauen der schwarzen Hirsche sind jedesmal wie verzaubert, wenn sie den Klang Seiner Flöte hören, der dem der vīṇā gleicht. Sie laufen dann zu Kṛṣṇa und werden so betört, daß sie stehen bleiben und ihr Zuhause und ihre Gatten vergessen. So wie wir vom Ozean der transzendentalen Eigenschaften Kṛṣṇas bezaubert werden, werden die Hirschkühe von den Klängen Seiner Flöte betört.«

Eine gopī erzählte Mutter Yaśodā: »Meine liebe Mutter, wenn Dein Sohn ins Dorf zurückkehrt, schmückt Er Sich mit den Blüten der kunda-Blume und spielt, um Seine Freunde zu erleuchten und zu erfreuen, auf Seiner Flöte. Der Wind, der von Süden her weht, macht alles so angenehm in seiner aromatischen Kühle. Halbgötter wie die Gandharvas und Siddhas nutzen die wohltuende Atmosphäre und bringen Kṛṣṇa Gebete dar, indem sie ihre Posaunen und Trommeln ertönen lassen. Kṛṣṇa ist sehr gütig zu den Einwohnern von Vrajabhūmi, und wenn Er mit Seinen Kühen und Freunden ins Dorf zurückkehrt, erinnern sich alle Bewohner daran, wie Er den Govardhana-Hügel in die Luft hob. Selbst die mächtigsten Halbgötter, wie Brahmā und Śiva, nutzen die Gelegenheit, um von den himmlischen Planeten herunterzukommen und dem Höchsten ihre Abendgebete darzubringen, und zusammen mit den Hirtenjungen rühmen sie die Eigenschaften Śrī Kṛṣṇas.«

Kṛṣṇa wird auch mit einem Mond verglichen, der im Ozean Devakīs geboren wurde. Wenn Er abends heimkehrt, scheint Er müde zu sein, aber dennoch versucht Er, die Einwohner von Vṛndāvana durch Seine glückspendende Anwesenheit zu erfreuen. Wenn Kṛṣṇa mit Blumen bekränzt zurückkehrt, sieht Sein Gesicht unbeschreiblich schön aus. Mit dem weiten Gang eines Elefanten zieht Er in Vṛndāvana ein, bis Er langsamen Schrittes zu Hause angelangt. Bei Seiner Rückkehr vergessen die Männer, Frauen und Kühe die sengende Hitze des Tages.«

An all diese transzendentalen Spiele und Taten Kṛṣṇas erinnerten sich die gopīs während Seiner Abwesenheit von Vṛndāvana. Sie geben uns eine gewisse Vorstellung davon, wie anziehend Kṛṣṇa ist. »Jeder und alles fühlt sich zu Kṛṣṇa hingezogen« - das ist die vollkommene Beschreibung der Anziehungskraft Kṛṣṇas. Das Beispiel der gopīs ist sehr lehrreich für alle, die versuchen, sich in das Kṛṣṇa-Bewußtsein zu vertiefen. Es zeigt uns, daß man sehr leicht mit Kṛṣṇa zusammensein kann, indem man sich an Seine transzendentalen Spiele erinnert. Jeder hat die Neigung, jemanden zu lieben. Diese Liebe auf Kṛṣṇa zu richten, bildet den Zentralpunkt des Kṛṣṇa-Bewußtseins. Wenn man ständig den Hare-Kṛṣṇa-mantra chantet und sich an die transzendentalen Spiele Kṛṣṇas erinnert, kann man völlig im Kṛṣṇa-Bewußtsein verankert werden und auf diese Weise sein Leben erhaben und erfolgreich machen.

Hiermit enden die Erklärungen Bhaktivedantas zum 34. Kapitel des Buches Kṛṣṇa:
»Die Trennungsgefühle der gopīs.«.