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Die Transzendentalen Spiele Sri Krishnas

Von A.C. Bhaktivedanta Swami Prabhupada
Die Transzendentalen Spiele Sri Krishnas
Kṛṣṇa - Der Höchste Persönliche Gott
Originale Version 1. Auflage 1974
32. Kapitel:
 
Krishna
 
Der rāsa-Tanz


 

Als die gopīs die besänftigenden Worte Kṛṣṇas, des Höchsten Persönlichen Gottes, vernahmen, schmolzen ihre Herzen vor Freude. Und als sie dann die Hände und Füße des Höchsten Persönlichen Gottes berührten, verflog ihr heftiger Trennungsschmerz vollends.

Kurz darauf begann der Höchste Persönliche Gott Seinen rāsa-Tanz. Wenn ein Junge mit vielen Mädchen tanzt, nennt man dies rāsa-Tanz. Kṛṣṇa begann also, umgeben von den schönsten und glücklichsten Mädchen der drei Welten, zu tanzen. Die gopīs von Vṛndāvana, die sich so sehr zu Ihm hingezogen fühlten, tanzten mit Kṛṣṇa, Hand in Hand.

Kṛṣṇas rāsa-Tanz sollte niemals mit einem weltlichen Tanz verglichen werden, wie z. B. mit einem der auf Bällen und Gesellschaften üblichen Tänze. Der rāsa-Tanz ist völlig spirituell, und um diese Tatsache zu bestätigen, erweiterte Sich Kṛṣṇa, der höchste Mystiker, so viele Male, wie gopīs anwesend waren. Er stellte Sich neben jedes der Mädchen, legte jeweils zwei gopīs, zur Rechten und zur Linken, Seine Hände auf die Schultern und begann mit ihnen zu tanzen, wobei jede gopī dachte, Kṛṣṇa tanze nur mit ihr allein, da sie Seine mystischen Erweiterungen, die mit den anderen tanzten, nicht wahrnehmen konnte. Die Bewohner des Himmels waren von Kṛṣṇas Tanz mit den gopīs sehr angezogen, und so versammelten sie sich in ihren Himmelsfahrzeugen über dem Schauplatz, um Kṛṣṇa bei Seinem wunderbaren rāsa-Tanz zuzuschauen. Die Gandharvas und Kinnaras begannen zu singen, und zusammen mit ihren Frauen schütteten die Gandharvas Blumen über die tanzenden Paare.

Als die gopīs und Kṛṣṇa miteinander tanzten, ertönte ein glückseliges Klingen von ihren Glöckchen, Schmuckstücken und Armreifen. Kṛṣṇa glich einem bläulichen Saphir, eingefaßt in eine goldene, mit kostbaren Edelsteinen besetzte Halskette, und während Er und die gopīs tanzten, entfalteten sie außergewöhnliche körperliche Symptome, die sich in den Bewegungen ihrer Beine ausdrückten, der Art und Weise, wie sie die Hände aufeinanderlegten, den Bewegungen ihrer Augenbrauen, ihrem Lächeln, den Bewegungen der Brüste der gopīs, ihren Gewändern, ihren Ohrringen, ihren Wangen und ihrem Haar, in welchem wundervolle Blumen steckten. - Als sie so gemeinsam sangen und tanzten, glichen sie Wolken, aus denen es gleichzeitig blitzte, donnerte und schneite. Kṛṣṇas Aussehen glich dem einer Gruppe von Wolken; die Schönheit der gopīs glich Blitzen am Himmel; ihre Lieder waren wie Donner, und die Schweißperlen auf ihren Gesichtern erinnerten an fallenden Schnee. So waren die gopīs wie auch Kṛṣṇa ganz in den Tanz vertieft. Als das Verlangen der gopīs nach Kṛṣṇa immer größer wurde, überzog ein Hauch von Rot ihre Hälse, und um sie zu erfreuen, begleitete Kṛṣṇa ihr Singen mit rhythmischem Händeklatschen.

Im Grunde ist die ganze Welt erfüllt von Kṛṣṇas Gesang, nur nehmen dies die verschiedenen Lebewesen in unterschiedlichem Maße wahr. In der Bhagavad-gītā heißt es dazu: ye yathā māṁ prapadyante. Kṛṣṇa tanzt - und auch die Lebewesen tanzen -, doch besteht ein großer Unterschied zwischen dem Tanzen in der spirituellen Welt und dem Tanzen in der materiellen Welt. Der Verfasser des Śrī Caitanya-caritāmṛta erklärt, daß Kṛṣṇa der Meistertänzer ist, und daß alle anderen Seine Diener sind. Jeder versucht, Kṛṣṇas Tanzen nachzuahmen. Diejenigen, die Kṛṣṇa-bewußt sind, verhalten sich richtig: Sie versuchen nicht, unabhängig von Kṛṣṇa zu tanzen. Die Lebewesen in der materiellen Welt jedoch versuchen, Kṛṣṇa zu imitieren und selbst der Höchste Persönliche Gott zu sein. Obwohl sie unter der Aufsicht māyās tanzen, glauben sie, Kṛṣṇa ebenbürtig zu sein. Doch dem ist nicht so. Im Kṛṣṇa-Bewußtsein gibt es diese falsche Auffassung nicht, denn ein Kṛṣṇa-bewußter Mensch weiß, daß Kṛṣṇa der Höchste Meister und daß jeder Sein Diener ist. Man muß zur Freude Kṛṣṇas tanzen, und nicht, um Ihn zu imitieren oder Ihm ebenbürtig zu werden. Die gopīs wollten Kṛṣṇa erfreuen, und so lobten und ermutigten sie Ihn, als Er ihnen ein Lied vortrug, indem sie sagten: »Du singst wunderschön, einfach wunderbar.« Und wenn sie manchmal selbst sangen, um Ihm eine Freude zu bereiten, dann pries Śrī Kṛṣṇa ihr Singen. Als einige der gopīs vom Singen und Tanzen müde wurden, legten sie ihre Hände auf Kṛṣṇas Schultern, worauf sich ihr Haar öffnete und die darinsteckenden Blumen zu Boden fielen. Der Wohlgeruch Seines Körpers, der betörende Duft der Lotosblüten wie auch anderer Blumen in Seiner Girlande und der Duft der Sandelholzpaste erfüllte sie mit großer Zuneigung, und so begannen sie Kṛṣṇa zu küssen. Manche gopīs berührten Kṛṣṇa Wange an Wange, und Kṛṣṇa bot ihnen dann gekaute Betelnüsse aus Seinem Mund, die sie im Kuß mit großer Freude austauschten. Die Entgegennahme der Betelnüsse aus dem göttlichen Mund erfüllte die gopīs mit neuem spirituellem Bewußtsein.

Als die gopīs nach geraumer Zeit vom vielen Singen und Tanzen erschöpft waren, ergriffen sie zur Erquickung Kṛṣṇas Hände und legten sie auf ihre erhobenen Brüste. Kṛṣṇas Hände wie auch die Brüste der gopīs sind ewiglich glückverheißend, und wenn sie sich gegenseitig berühren, verstärkt sich ihre spirituelle Qualität nur noch mehr. Die gopīs erfüllte das Zusammensein mit Kṛṣṇa, dem Gemahl der Glücksgöttin, mit solcher Glückseligkeit, daß sie vergaßen, jemals Ehemänner besessen zu haben. Und als Kṛṣṇa sie dann in Seine Arme schloß und mit ihnen sang und tanzte, verloren sie ihr Erinnerungsvermögen vollends. Im Śrīmad-Bhāgavatam wird die Schönheit der gopīs während des rāsa-Tanzes wie folgt beschrieben: »Sie trugen Lotosblumen im Haar; ihre Gesichter waren mit Sandelholzpaste bestrichen; ihre Stirn schmückte tilaka, und auf ihren lächelnden Lippen standen Schweißperlen. Hell klingelten ihre Fußglöckchen und Armreifen, und wenn die Blumen aus ihrem Haar vor die Lotosfüße Śrī Kṛṣṇas fielen, war Er sehr zufrieden.«

Wie in der Brahma-saṁhitā gesagt wird, sind die gopīs Erweiterungen der Freuden-Energie Kṛṣṇas. Indem der Herr ihre Körper mit Seinen Händen berührte und in ihre strahlenden Augen sah, erfreute Er Sich an ihnen, ähnlich wie ein Kind seine Freude daran hat, mit seinem eigenen Spiegelbild zu spielen. Als Kṛṣṇa ihre Körper berührte, fühlten sich die gopīs von spiritueller Energie durchdrungen, und in ihrer Ekstase gelang es ihnen trotz aller Bemühungen nicht, die lose gewordenen Kleider wieder zu ordnen. Ihr Haar und ihre Gewänder gerieten schließlich völlig durcheinander, und auch ihr Schmuck löste sich, als sie sich in der Gemeinschaft Kṛṣṇas vergaßen.

Während Sich Kṛṣṇa mit den gopīs im rāsa-Tanz vergnügte, versammelten sich die erstaunten Halbgötter mit ihren Gemahlinnen am Himmel. Auch der Mond, der von einer Art Lust ergriffen wurde, begann den rāsa-Tanz zu beobachten und war wie gebannt vor Verwunderung. Die gopīs hatten zur Göttin Kātyāyanī gebetet, Kṛṣṇa zum Gemahl zu bekommen, und nun erfüllte Kṛṣṇa ihnen diesen Wunsch, indem Er Sich nach der Zahl der gopīs in ebenso viele Formen erweiterte und Sich wie ein Ehemann ihrer erfreute.

Śrīla Śukadeva Gosvāmī bemerkte an dieser Stelle, daß Kṛṣṇa in Sich Selbst zufrieden ist - Er ist ātmārāma. Er benötigt niemand anderes, um zufrieden zu sein. Nur weil sich die gopīs danach gesehnt hatten, mit Ihm als Ehemann zusammenzusein, erfüllte Er ihren Wunsch.

Als Kṛṣṇa nun sah, daß die gopīs vom langen Tanzen ermüdet waren, liebkoste Er ihre Gesichter mit Seinen Lotoshänden, um sie zu erfrischen. Dankbar beschenkten Ihn die gopīs mit liebevollen Blicken. Sie waren durch die glückverheißende Berührung Seiner Hände überglücklich. Ihre lächelnden Wangen glühten vor Schönheit, und in transzendentaler Freude begannen sie von den ruhmvollen Taten und Spielen Kṛṣṇas zu singen. Als reine Gottgeweihte wurden sie sich, je länger sie mit Kṛṣṇa zusammenwaren, immer mehr Seiner überweltlichen Herrlichkeit bewußt, und so erwiderten sie Seine Liebe, indem sie Ihm zur Freude Seine transzendentalen Spiele rühmten. Kṛṣṇa ist der Höchste Persönliche Gott, der Meister aller Meister, und die gopīs verherrlichten Ihn aus Dankbarkeit für die ungewöhnliche Barmherzigkeit, mit der Er sie gesegnet hatte.

Zur Erquickung nach so langem Tanzen begaben Sich Kṛṣṇa und die gopīs schließlich in das Wasser der naheliegenden Yamunā. Die Girlanden aus Lilien, die die gopīs um den Hals trugen, waren durch die Umarmung Kṛṣṇas ganz zerdrückt, und das kuṅkuma-Puder von ihren Brüsten hatte die Blumen rötlich gefärbt. Einige Hummeln, die trotz der späten Stunde noch umhersummten, versuchten den Nektar aus den am Boden verstreuten Blüten zu holen. Als Kṛṣṇa mit den gopīs ins Wasser der Yamunā watete, glich Er einem Elefanten, der mit Seinen weiblichen Gefährtinnen ein Bad nimmt. Die gopīs wie auch Kṛṣṇa vergaßen ihre wirkliche Identität, als sie im Wasser miteinander spielten, und so spritzten die gopīs Kṛṣṇa naß, wobei sie Ihm liebevoll zulächelten und Ihm scherzende Worte zuriefen, was Kṛṣṇa großes Vergnügen bereitete.

Als die Halbgötter auf den himmlischen Planeten sahen, wie sehr Sich Kṛṣṇa daran erfreute, mit den gopīs zu scherzen und sie mit Wasser zu bespritzen, überschütteten sie die Badenden mit einem wahren Blumenregen. Auf diese Weise wollten sie den einzigartigen rāsa-Tanz Śrī Kṛṣṇas, des Höchsten Genießenden, und Seine transzendentalen Spiele mit den gopīs im Wasser der Yamunā preisen.

Nach einiger Zeit stiegen Kṛṣṇa und die gopīs wieder aus dem Wasser und begannen am Ufer der Yamunā entlangzuschlendern, wo ein angenehmer Wind wehte, der den Duft der verschiedensten Blumen über Wasser und Land trug. Während sie so am Ufer entlanggingen, trug Kṛṣṇa wunderbare Gedichte vor und erfreute Sich somit im wohltuenden Mondlicht des Herbstes der Gesellschaft der gopīs.

Sexuelles Verlangen tritt ganz besonders stark im Herbst auf, doch das Wundervolle an Kṛṣṇas Zusammensein mit den gopīs ist, daß hier bei Ihnen von sexuellem Verlangen keine Rede sein konnte. Śukadeva Gosvāmī bestätigt diese Tatsache mit den Worten avaruddha-saurataḥ, die darauf hinweisen, daß der Geschlechtstrieb beim rāsa-Tanz völlig kontrolliert war. Es besteht nämlich, wie bereits erklärt, ein Unterschied zwischen Kṛṣṇas Tanzen mit den gopīs und dem Tanzen gewöhnlicher Lebewesen in der materiellen Welt. Um weitere Mißverständnisse über den rāsa-Tanz und die liebende Beziehung zwischen Kṛṣṇa und den gopīs zu klären, sagte Mahārāja Parīkṣit zu Śukadeva Gosvāmī: »Kṛṣṇa erschien auf der Erde, um die regulierenden Prinzipien der Religion wieder einzuführen, und um die Vorherrschaft der Irreligion zu beenden. Sein Verhältnis zu den gopīs indessen scheint mir die irreligiösen Prinzipien in der materiellen Welt beinahe zu befürworten. Es überrascht mich daher zu hören, daß Er Sich mitten in der Nacht mit verheirateten Frauen vergnügte.«

Śukadeva Gosvāmī freute sich sehr über diese verwunderte Feststellung Mahārāja Parīkṣits, denn so bot sich ihm die Gelegenheit, in seiner Antwort vor den abscheulichen Handlungen der Māyāvādīs zu warnen, die Kṛṣṇa imitieren wollen und sich mit jungen Mädchen und Frauen vergnügen. Eine der grundlegenden Anweisungen der Veden verbietet es strikt, mit einer anderen Frau als der eigenen sexuell zu verkehren. Kṛṣṇas Liebesverhältnis mit den gopīs schien diese Vorschrift zu verletzen, und so erkundigte sich Mahārāja Parīkṣit nach den näheren Zusammenhängen. Im Grunde wußte er über diese Dinge Bescheid, denn Śukadeva Gosvāmī hatte ihm alles genau erklärt, doch weil er die transzendentale Natur von Kṛṣṇas rāsa-Tanz noch klarer herausstellen wollte, stellte er sich überrascht. Seine Frage ist sehr wichtig, um den ungezügelten sexuellen Ausschweifungen der prakṛta-sahajiyās [* Pseudo-Gottgeweihte, die Kṛṣṇas Liebesbeziehung mit den gopīs grobweltlich nachahmen. *] entgegenzuwirken.

Mahārāja Parīkṣit gebrauchte mehrere wichtige Worte, die der näheren Erläuterung bedürfen. Das erste dieser Worte, jugupsitam, bedeutet »verabscheuenswert«. Mahārāja Parīkṣits erster Zweifel lautete also: Śrī Kṛṣṇa ist der Höchste Persönliche Gott, und Er erschien, um die religiösen Prinzipien wieder festzusetzen. - Warum traf Er Sich also mitten in der Nacht mit verheirateten Frauen und vergnügte Sich mit ihnen, indem Er mit ihnen tanzte, sie umarmte und küßte?

Nach den vedischen Unterweisungen ist dies nicht statthaft. Er Selbst hatte anfangs, als die gopīs zu Ihm kamen, zu ihnen gesagt, sie sollten wieder nach Hause gehen. Nach den Grundsätzen der Veden ist es ausgesprochen verabscheuungswürdig, verheiratete Frauen oder junge Mädchen zu sich zu rufen, um dann leidenschaftlich mit ihnen zu tanzen. Was also war der Grund für Kṛṣṇas sonderbares Verhalten?

Ein anderes wichtiges Wort, das Mahārāja Parīkṣit gebrauchte, ist āptakāma. Einige Menschen werden gewiß glauben, Kṛṣṇa sei voller Lust gewesen, als Er von so vielen schönen Mädchen umringt war, doch Mahārāja Parīkṣit erklärte, daß dies nicht möglich ist. Kṛṣṇa konnte nicht wollüstig gewesen sein, denn erstens war Er, nach materiellen Gesichtspunkten, erst acht Jahre alt, und in diesem Alter kann ein Junge noch nicht von Lust ergriffen werden, und zweitens besagt das Wort »āptakāma«, daß Er, der Höchste Persönliche Gott, in Sich Selbst zufrieden ist. Selbst wenn Er lustvolle Wünsche gehegt hätte, hätte Er nicht die Hilfe anderer in Anspruch zu nehmen, um Sein Verlangen zu stillen. Eine andere Auffassung geht dahin, daß Kṛṣṇa, auch wenn Er Selbst nicht lustvoll gewesen sei, vielleicht durch das sehnsüchtige Verlangen der gopīs verführt worden sei. Doch Mahārāja Parīkṣit verwendete auch das Wort yadu-pati, welches darauf hinweist, daß Kṛṣṇa die vortrefflichste Persönlichkeit in der Yadu-Dynastie war. Die Könige der Yadu-Dynastie waren als die frommsten Menschen der damaligen Zeit angesehen, und ihre Nachkömmlinge standen ihnen natürlich in dieser Hinsicht in nichts nach. Kṛṣṇa, der in dieser frommen Familie geboren wurde, konnte also unmöglich verführt werden - nicht einmal von solch schönen Mädchen wie den gopīs. Unter diesen Gesichtspunkten steht es also ganz fest, daß Kṛṣṇa nichts Abscheuliches tun konnte. Indessen fragte sich Mahārāja Parīkṣit, warum Kṛṣṇa so handelte. Welcher Grund verbarg sich dahinter? Ein anderes Wort, das Mahārāja Parīkṣit gebrauchte, als er sich an Śukadeva Gosvāmī wandte, ist »suvrata«, was soviel bedeutet wie »das Gelübde auf sich zu nehmen, fromm zu handeln.« Śukadeva Gosvāmī war als brahmacārī erzogen worden, und daher war es ausgeschlossen, daß er sich mit sexuellen Themen befaßte. Dies ist den brahmacārīs nämlich streng untersagt, und erst recht einem vorbildlichen brahmacārī wie Śukadeva Gosvāmī. Da aber Mahārāja Parīkṣit die äußerliche Form des rāsa-Tanzes höchst fragwürdig vorkam, bat er Śukadeva Gosvāmī um eine klärende Erläuterung. Śukadeva Gosvāmī antwortete sogleich, daß eine Verletzung der religiösen Prinzipien durch den höchsten Kontrollierenden nur ein weiterer Beweis Seiner unbegrenzten Macht sei. Es sei wie mit dem Feuer, das jede Unreinheit verbrennen könne; darin zeige sich die überlegene Macht des Feuers. Ebenso habe die Sonne die Kraft, aus Kot und Urin Wasser zu ziehen, ohne dabei selber verunreinigt zu werden; vielmehr werde der unreine, schmutzige Ort durch die reinigende Kraft ihrer Strahlen entkeimt.

Man mag nun einwenden: Wenn Kṛṣṇa die höchste Autorität ist, soll man dann nicht Seinem Beispiel folgen? - Doch als vorbeugende Antwort sagte Śukadeva Gosvāmī unmißverständlich, daß Iśvara, der höchste Kontrollierende, nicht an Seine Unterweisungen gebunden sei und sie daher ganz nach Seinem Willen aufheben könne, daß dies aber nur dem Kontrollierenden Selbst möglich sei, nicht den Kontrollierten. Die außergewöhnlichen und unvergleichlichen Taten des Kontrollierenden können von niemandem nachgemacht werden. Śukadeva Gosvāmī warnte deshalb die bedingten Seelen, die im Grunde genommen nichts kontrollieren können, sich auch nur vorzustellen, sie könnten die außerordentlichen Tätigkeiten des Kontrollierenden nachahmen. Ein Māyāvādī-Philosoph mag zwar von sich behaupten, Gott oder Kṛṣṇa zu sein, doch kann er nicht wie Kṛṣṇa handeln. Er wird seine Anhänger vielleicht überreden können, mit ihm den rāsa-Tanz nachzuahmen, doch wird er niemals fähig sein, den Govardhana-Hügel hochzuheben. Schon in früheren Zeiten gab es viele Māyāvādī-Betrüger, die ihre Anhänger täuschten, indem sie sich als Kṛṣṇa ausgaben, um den rāsa-līlā zu genießen. In vielen Fällen jedoch konnte die Regierung eingreifen und sie einsperren und bestrafen. Auch Thākura Bhaktivinoda hatte einmal mit einer sogenannten Inkarnation Viṣṇus zu tun, die junge Mädchen dazu verführte, mit ihm rāsa-līlā abzuhalten. Es wurden viele Klagen gegen diesen Wüstling erhoben, und daher beauftragte die Regierung Thākura Bhaktivinoda, der zu jener Zeit Richter in Orissa war, diesem das Handwerk zu legen. Thākura Bhaktivinoda konnte ihn schließlich festnehmen und bestrafte ihn in gehöriger Weise.

Der rāsa-līlā-Tanz kann also von niemandem imitiert werden, und Śukadeva Gosvāmī warnt sogar davor, auch nur daran zu denken, dies zu tun. Er sagte zu Mahārāja Parīkṣit, daß jeder, der aus Verblendung den rāsa-Tanz Kṛṣṇas nachahme, sterben werde - ebenso wie ein Mensch, der versuche, Śiva nachzuahmen, wie dieser einen Ozean von Gift ausleerte. Śiva trank einmal einen Ozean voll Gift aus und behielt das Gift in seiner Kehle. Es färbte lediglich seine Kehle blau, und deshalb wird er auch Nīlakaṇta genannt, doch wenn ein gewöhnlicher Mensch versuchte, Śiva zu imitieren, indem er Gift tränke oder gañja rauchte, würde er mit Sicherheit zugrunde gehen. Śrī Kṛṣṇas Liebesbeziehungen zu den gopīs sind erst recht etwas ganz und gar Außergewöhnliches.

Die meisten der gopīs waren in ihren vorangegangenen Leben große, mit den vedischen Schriften wohlvertraute Weise gewesen, in denen, als Śrī Kṛṣṇa als Rāmacandra erschien, der Wunsch entstand, sich mit Ihm zu erfreuen. Rāmacandra nahm Sich damals vor, sie zu segnen und ihr Verlangen zu erfüllen, wenn Er als Kṛṣṇa erscheinen würde. Daher war der Wunsch der gopīs, sich mit Kṛṣṇa zu erfreuen, langgehegt. Sie hatten sogar zur Göttin Kātyāyanī gebetet, um Kṛṣṇa als ihren Ehemann zu bekommen. Es gibt noch viele andere Besonderheiten, die die höchste Autorität Śrī Kṛṣṇas beweisen, und die zeigen, daß Er nicht an die Regeln und Regulierungen der materiellen Welt gebunden ist. In besonderen Fällen tut Er sogar etwas, das gegen alle Regeln verstößt, nur um Seinen Geweihten eine Gunst zu erweisen. Dies ist Ihm nur möglich, weil Er der höchste Kontrollierende ist. Gewöhnliche Menschen aber sollten sich an Kṛṣṇas Anweisungen in der Bhagavad-gītā halten und nicht einmal im entferntesten daran denken, Kṛṣṇa im rāsa-Tanz nachzuahmen.

Daß Kṛṣṇa den Govardhana-Hügel hochhob und große Dämonen wie Pūtanā und andere tötete, ist zweifellos etwas Außergewöhnliches, aber auch der rāsa-Tanz ist etwas gänzlich Ungewöhnliches, das von keinem gewöhnlichen Sterblichen nachgeahmt werden kann. Ein gewöhnlicher Mensch, der wie Arjuna gemäß seiner vorgeschriebenen Pflicht handelt, sollte dieser Pflicht zur Freude Kṛṣṇas nachkommen; das liegt im Bereich seiner Möglichkeiten. Arjuna war ein Krieger, und Kṛṣṇa verlangte von ihm, daß er zu Seiner Zufriedenheit kämpfe. Arjuna erklärte sich deshalb dazu bereit, obwohl er zuerst nicht gewillt war zu kämpfen. Pflichten sind für gewöhnliche Menschen unerläßlich. Diese sollten nicht hochmütig werden und versuchen, Kṛṣṇa zu imitieren, sich im rāsa-līlā vergnügen und sich somit zugrunderichten. Man sollte sich darüber im klaren sein, daß Kṛṣṇa bei allem, was Er zur Freude der gopīs tat, kein persönliches Interesse verfolgte. In der Bhagavad-gītā heißt es dazu: na māṁ karmāṇi limpanti. »Kṛṣṇa genießt oder erleidet niemals das Ergebnis Seines Tuns.« Infolgedessen kann Er unmöglich irreligiös handeln. Er ist transzendental zu allen Aktivitäten und religiösen Prinzipien. Er ist unberührt von den Erscheinungsweisen der materiellen Natur. Er ist der höchste Beherrschende aller Lebewesen, ganz gleich, ob sie zur menschlichen Gesellschaft, zur Gesellschaft der Halbgötter auf den himmlischen Planeten oder zu niederen Formen des Lebens gehören. Er ist der höchste Beherrschende aller Lebewesen und der materiellen Natur; deshalb ist Er erhaben über religiöse oder irreligiöse Prinzipien.

Śukadeva Gosvāmī erklärte Mahārāja Parīkṣit weiter, daß sich die großen Weisen und Gottgeweihten, die vom bedingten Leben reingewaschen sind, selbst in der unreinen materiellen Welt frei bewegen können, da sie sich ständig Kṛṣṇa, den Höchsten Persönlichen Gott, in ihrem Herzen vergegenwärtigen. Diese Meditation erhebt sie sogar über die Gesetze von Freude und Leid, die den Erscheinungsweisen der materiellen Natur unterstehen. Wie könnte also Kṛṣṇa, der in Seiner inneren Kraft erscheint, jemals den Gesetzen des karma unterworfen sein?

In der Bhagavad-gītā sagt der Herr eindeutig, daß Er, wenn Er in die materielle Welt herabkommt, mit Hilfe Seiner inneren Energie erscheint. - Er wird nicht, wie ein gewöhnliches Lebewesen, durch das Gesetz des karma gezwungen, einen materiellen Körper anzunehmen. Jedes andere Lebewesen ist gezwungen, entsprechend seinen vorangegangenen Handlungen einen bestimmten Körper anzunehmen, doch wenn Kṛṣṇa erscheint, erscheint Er in Seinem Körper - dieser wird Ihm nicht aufgrund früherer Handlungen aufgezwungen.

Sein Körper dient als Träger für Seine transzendentale Freude, die von Seiner inneren Energie entfaltet wird. Er ist nicht an die Gesetze des karma gebunden. Der Māyāvādī-Monist dagegen muß, gezwungen von den Gesetzen der Natur, einen bestimmten Körper annehmen; das zeigt, daß seine Behauptung, mit Kṛṣṇa, Gott, eins zu sein, reine Spekulation Natur ist. Solche Menschen, die verkünden, eins mit Kṛṣṇa zu sein, und sich im rāsa-līlā ergehen, stellen für die Allgemeinheit eine große Gefahr dar. Kṛṣṇa, der Höchste Persönliche Gott, ist bereits als Überseele in den Herzen der gopīs wie auch in den Herzen ihrer Ehemänner gegenwärtig. Er ist der Führer aller Lebewesen, wie in der Kaṭha Upaniṣad bestätigt wird: nityo nityānām cetanaś cetanānām. Die Überseele lenkt die individuelle Seele, in bestimmter Weise zu handeln, und damit ist die Überseele der eigentliche Handelnde, und Sie ist auch der Zeuge aller Handlungen.

In der Bhagavad-gītā wird bestätigt, daß Kṛṣṇa im Herzen jedes Lebewesens weilt, und daß Er die Ursache aller Handlungen, aller Erinnerungen und allen Vergessens ist. Er ist die ursprüngliche Person, die durch das Studium der Veden zu erkennen ist; Er ist der Verfasser der Vedānta-Philosophie, und Er kennt die Vedānta-Philosophie in Vollkommenheit. Die sogenannten Vedāntisten und Māyāvādīs können Kṛṣṇa nicht verstehen, wie Er ist; statt dessen führen sie ihre Anhänger in die Irre, indem sie die Handlungen Kṛṣṇas auf unautorisierte Weise nachahmen. Kṛṣṇa, die Überseele eines jeden, weilt bereits im Körper eines jeden; wenn Er daher jemanden ansieht oder umarmt, gibt es keine Frage von Anstand oder Schicklichkeit. Man mag sich nun fragen, warum Kṛṣṇa, wenn er doch in Sich Selbst vollkommen ist, überhaupt Spiele mit den gopīs manifestierte, die den sogenannten Moralisten unserer Welt anstößig erscheinen? Die Antwort lautet, daß solche Offenbarungen eine besondere Barmherzigkeit für die gefallenen, bedingten Seelen darstellen.

Die gopīs sind eigentlich Erweiterungen Seiner inneren Energie, doch weil Kṛṣṇa den rāsa-līlā entfalten wollte, erschienen sie, ebenso wie Er Selbst, wie gewöhnliche Menschen. Die höchste Genußfreude in der materiellen Welt entsteht durch den sexuellen Austausch zwischen Mann und Frau. Der Mann lebt nur, um sich von Frauen betören zu lassen, und die Frau lebt nur, um von Männern betört zu werden. Auf diesem Prinzip beruht das materielle Leben. Sowie die gegenseitige Anziehung zustandekommt, werden die Menschen mehr und mehr ins materielle Dasein hineingezogen. Um ihnen eine besondere Gunst zu erweisen, entfaltete Kṛṣṇa deshalb Seinen rāsa-līlā. Auf diese Weise wollte Er die bedingten Seelen faszinieren, denn da sie sich so sehr zur Sexualität hingezogen fühlen, würde es ihnen gewiß große Freude bereiten, von Kṛṣṇas liebender Beziehung zu den gopīs zu hören, wodurch sie den Wunsch entwickeln könnten, selbst an Kṛṣṇas Spielen teilzunehmen; auf diese Weise würden sie aus der materiellen Welt befreit werden. Im Zweiten Canto des Śrīmad-Bhāgavatam erklärt Mahārāja Parīkṣit, daß die Spiele und Taten Krṣṇas wie Medizin für die bedingten Seelen sind, denn schon, wenn sie nur über Kṛṣṇa hören, können sie von der materiellen Krankheit geheilt werden. Sie sind dem materiellen Genuß verfallen und es gewohnt, Liebesgeschichten zu lesen; doch wenn sie von den transzendentalen Spielen Kṛṣṇas mit den gopīs hören, werden sie von aller materiellen Verunreinigung befreit.

Wie und von wem sie hören sollen, wird ebenfalls von Śukadeva Gosvāmī erklärt. Die einzige Schwierigkeit liegt darin, daß es auf der Welt so viele Māyāvādīs gibt. Wenn die Menschen, ohne die Wirkung der Māyāvāda-Philosophie zu kennen, solchen Leuten, die sich eins mit Gott glauben und die das Śrīmad-Bhāgavatam nur vortragen, um sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen, zuhören, werden sie verwirrt werden. Es wird nicht empfohlen, daß gewöhnliche Menschen untereinander über den rāsa-līlā sprechen, da sie fast immer von der Māyāvāda-Philosophie beeinflußt sind. Wenn jedoch ein fortgeschrittener Gottgeweihter den rāsa-līlā erklärt, werden die Zuhörer allmählich zur Ebene des Kṛṣṇa-Bewußtseins erhoben und von der materiellen Verunreinigung befreit werden.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist, daß sich die gopīs, die mit Kṛṣṇa tanzten, nicht in ihren materiellen Körpern befanden. Sie tanzten mit Kṛṣṇa in ihren spirituellen Körpern, während ihre Ehemänner dachten, daß ihre Frauen an ihrer Seite schliefen. Die sogenannten Ehemänner der gopīs waren nämlich vom Einfluß der äußeren Energie Kṛṣṇas bezaubert, so daß sie nicht verstehen konnten, daß ihre Frauen fortgelaufen waren, um mit Kṛṣṇa zu tanzen. Welchen Grund gibt es dann noch, Kṛṣṇa vorzuwerfen, mit verheirateten Frauen getanzt zu haben? Die Körper der gopīs, die ihren Ehemännern gehörten, lagen im Bett; es waren die spirituellen Bestandteile Kṛṣṇas, die mit Ihm tanzten. Kṛṣṇa ist die höchste Person, das spirituelle Ganze, und Er tanzte mit den spirituellen Körpern der gopīs. Es besteht also nicht die geringste Berechtigung, Kṛṣṇa in irgendeiner Weise der Unmoral zu beschuldigen.

Nachdem der rāsa-Tanz zu Ende war, brach die brāhma-muhūrta an. Die brāhma-muhūrta beginnt ungefähr anderthalb Stunden vor Sonnenaufgang, und es wird empfohlen, zu dieser Zeit aufzustehen und sich, nachdem man die tägliche Körperreinigung beendet hat, spirituellen Tätigkeiten zu widmen, wie an der maṅgala-ārātrika-Zeremonie teilzunehmen und den Hare Kṛṣṇa-mantra zu chanten. Die Zeit der brāhma- muhūrta eignet sich nämlich besonders gut zur Durchführung spiritueller Tätigkeiten.

Als nun diese günstige Stunde gekommen war, bat Kṛṣṇa die gopīs, Ihn zu verlassen. Obgleich sie Seine Gesellschaft nicht gern aufgaben, waren sie doch sehr gehorsam und Ihm daher sehr lieb. Sowie Kṛṣṇa sie bat, nach Hause zu gehen, verließen sie Ihn sogleich und kehrten nach Vṛndāvana zurück.

Śukadeva Gosvāmī beendete die Schilderung des rāsa-Tanzes, indem er Mahārāja Parīkṣit darauf hinwies, daß jeder, der durch die richtige Quelle von den Spielen Kṛṣṇas erfahre, der Viṣṇu Selbst ist, und von den gopīs als den Erweiterungen Seiner inneren Energie höre, von der gefährlichsten Krankheit, nämlich der der Lust, geheilt werde. Wenn jemand solchen Beschreibungen der rāsa-līlā aufmerksam zuhört, wird er vollständig von dem lüsternen Verlangen nach Sexualität befreit und auf die höchste Ebene der spirituellen Verwirklichung erhoben. Doch weil die Menschen fast ausschließlich von Māyāvādīs hören und selbst ebenfalls Māyāvādīs sind, verfallen sie immer mehr der sinnlichen Begierde. Die bedingte Seele sollte die Beschreibung des rāsa-lilā-Tanzes nur von einem autorisierten geistigen Meister hören und von ihm geschult werden, um dieses Thema völlig verstehen zu können. Auf diese Weise kann sie zur höchsten Stufe des spirituellen Lebens erhoben werden; andernfalls wird sie noch tiefer verstrickt. Die materielle Lust ist eine Art Krankheit des Herzens, und als Heilmittel gegen die materielle Herzkrankheit der bedingten Seele wird empfohlen, über Kṛṣṇa zu hören —, doch nicht von den Māyāvādī-Halunken. Nur wenn man aus der richtigen Quelle empfängt und so das richtige Verständnis erreicht, kann einem geholfen werden.

Śukadeva Gosvāmī bezeichnete jemanden, der im spirituellen Leben geschult ist, als śraddhānvita. Śraddhā oder Vertrauen bildet die Grundvoraussetzung für spirituelles Leben, denn nur jemand, der auf Kṛṣṇa, den Höchsten Persönlichen Gott, die Höchste Spirituelle Seele, vertraut, ist in der Lage, von Ihm zu hören und Ihn zu beschreiben. Śukadeva Gosvāmī gebrauchte an dieser Stelle auch das Wort »anuśṛṇuyāt«. »Anu« bedeutet »immer« und »śṛṇuyāt« wird mit »folgen« übersetzt. Man muß demnach stets von der Nachfolge der geistigen Meister hören, und nicht von irgendeinem hergelaufenen berufsmäßigen Sprecher, einem Māyāvādī oder einem anderen gewöhnlichen Menschen. Anuśṛṇuyāt bedeutet also mit anderen Worten, daß man einem autorisierten geistigen Meister folgen soll, der sich in der Nachfolge der geistigen Meister befindet, und der ständig im Kṛṣṇa-Bewußtsein tätig ist. Wenn man bereit ist, die Botschaft von einem solchen Menschen zu hören, wird sich der gewünschte Erfolg mit Sicherheit einstellen. Durch das Hören der rāsa-līlā wird man zur höchsten Ebene des spirituellen Lebens erhoben.

Śukadeva Gosvāmī gebrauchte außerdem die beiden Worte »bhaktim« und »parām«. »Bhaktim parām« bedeutet »hingebungsvolles Dienen, das über der Anfänger-Stufe steht.« Diejenigen, die sich lediglich zur Tempelverehrung hingezogen fühlen, jedoch nicht mit der Philosophie der bhakti vertraut sind, befinden sich noch auf der Anfangsstufe, d. h. diese Form der bhakti bildet noch nicht die Stufe der Vollkommenheit. Die vollkommene Stufe der bhakti, des hingebungsvollen Dienens, ist gänzlich frei von aller materiellen Verunreinigung. Der weitaus gefährlichste Aspekt der Verunreinigung ist die Lust oder sexuelle Begierde. Bhaktim parām, »hingebungsvolles Dienen« ist jedoch so mächtig, daß man in dem Maße, wie man Fortschritte auf diesem Pfad macht, seine Anziehung zum materiellen Leben verliert. Wer den wirklichen Nutzen aus dem Hören der rāsa-līlā ziehen kann, erreicht mit Sicherheit die transzendentale Ebene. Er wird frei von aller Lust, die sich in seinem Herzen angesammelt hat.

Śrīla Viśvanātha Cakravartī Ṭhākura, ein autorisierter Kommentator, weist darauf hin, daß nach der Aussage der Bhagavad-gītā jeder Tag und jede Nacht Brahmās eine Zeitspanne von 4 300 000 X 1000 Sonnenjahren umfaßt. Nach Viśvanātha Cakravartī Ṭhākura fand der rāsa-Tanz während des langen Zeitraums von Brahmās Nacht statt, ohne daß die gopīs dies bemerkten. Nur um das Begehren der gopīs zu erfüllen, dehnte Kṛṣṇa die Nacht über eine solch lange Periode aus. Man mag sich nun fragen, wie dies möglich war, und Viśvanātha Cakravartī Ṭhākura erinnert uns daran, daß Kṛṣṇa, obwohl Er sogar einmal mit Stricken gefesselt wurde, Seiner Mutter das ganze Universum in Seinem Mund offenbarte. Wie war das möglich? Die Antwort lautet, daß Kṛṣṇa alles zur Freude Seiner Geweihten tun kann. Weil die gopīs den Wunsch hatten, sich mit Kṛṣṇa zu vergnügen, wurde ihnen die Gelegenheit gegeben, mit Ihm für so lange Zeit zusammenzusein. Damit löste Kṛṣṇa Sein Versprechen ein, das Er ihnen vor langer Zeit gegeben hatte, als sie einmal am Cirghat in der Yamunā badeten. Er stahl damals ihre Kleider und versprach ihnen, in einer zukünftigen Nacht ihr Verlangen nach Ihm zu erfüllen. Beim rāsa-Tanz erhielten sie endlich die Gelegenheit, Kṛṣṇa als ihren geliebten Gemahl in die Arme zu schließen. Aber diese Nacht war keine gewöhnliche Nacht; es war eine Nacht Brahmās, die Millionen und Abermillionen von Jahren währte. Für Kṛṣṇa ist alles möglich, denn Er ist der Höchste Kontrollierende.



Hiermit enden die Erklärungen Bhaktivedantas zum 32. Kapitel des Buches Kṛṣṇa:
»Der rāsa-Tanz«.