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Sri Isopanisad

von A.C Bhaktivedanta Swami Prabhupāda
 


Śrī Īśopaniṣad | Fünfzehnter Mantra

हिरण्मयेन पात्रेण सत्यस्यापिहितं मुखम्
तत् त्वं पूषन्न् अपावृणु सत्यधर्माय दृष्टये॥ १५॥

hiraṇmayena pātreṇa satyasyāpihitaṁ mukham
tat tvaṁ pūṣann apāvṛṇu satyadharmāya dṛṣṭaye || 15 ||

hiraṇmayena – durch Ausstrahlung des Lichtes; pātrena – durch die leuchtende Verhüllung; satyasya – der Absoluten Wahrheit; apihitam – verhüllt; mukham – Gesicht; tat – diese Verhüllung; tvam – du Selbst; pūṣan – O Erhalter; apāvṛṇu – entferne gütigerweise; satya– lauterem; dharmāya – dem Gottgeweihten; dṛṣṭaye – um zu offenbaren

ÜBERSETZUNG

O mein Herr, Erhalter allen Lebens, Dein wirkliches Gesicht ist durch Deine leuchtende Ausstrahlung verhüllt. Entferne gütigerweise diese Verhüllung, und offenbare Dich dem, der Dir bedingungslos sein Leben geweiht hat.

ERKLÄRUNG

In der Bhagavad-gītā erklärt Kṛṣṇa, Gott, Seine von Ihm ausgehenden Strahlen, die das Brahma-jyoti genannt werden – die leuchtende Ausstrahlung Seiner überweltlichen Gestalt – folgendermaßen:

‹Ich bin der Ursprung des unpersönlichen Brahman, welches unsterblich, unvergänglich und ewig ist, der Urquell nie endenden Glücks.› (Gītā 14.27)

Brahman, Paramātmā und Bhagavan sind drei Aspekte der gleichen Absoluten Wahrheit. Brahman ist die Offenbarung der Absoluten Wahrheit, die für den Anfänger am ehesten wahrnehmbar ist. Paramātmā ist die Offenbarung der Absoluten Wahrheit für die weiter Fortgeschrittenen. Und Bhagavan ist die allerletzte Erkenntnis der Absoluten Wahrheit. Das wird auch in der Gītā bestätigt, in der Kṛṣṇa sagt, daß Er die endgültige Absolute Wahrheit ist. Er ist der Ursprung des Brahma-jyoti wie auch des alldurchdringenden Paramātmā-Aspekts.

Ebenso wie Er sagt, daß das Brahma-jyoti, die unpersönliche Offenbarung der Absoluten Wahrheit, von Ihm ausgeht, so sagt Er auch in der Gītā, daß es nicht notwendig ist, Seine unbegrenzte Kraft zu erklären. Mit anderen Worten: Er erhält durch einen Seiner uneingeschränkten Teilaspekte, dem allesdurchdringenden Paramātmā, die gesamte stoffliche Schöpfung. Und auch in der transzendentalen Welt erhält Er alle Manifestationen. Deshalb wird Er im Śruti Mantra der Śrī Īśopaniṣad Pūṣan, der eigentliche Erhalter, genannt.

Der personenhafte Gott, Śrī Kṛṣṇa, ist immer von transzendentaler Glückseligkeit erfüllt. Als Er in Vṛndāvana in Indien vor fünftausend Jahren sichtbar war, befand Er Sich ständig in transzendentaler Glückseligkeit, auch schon zu Beginn Seiner überweltlichen Spiele als Kind. Das Töten der verschiedensten Dämonen, wie Agha, Baka, Pūtanā und Pralamba, war auch mit dieser überweltlichen Freude verbunden. Bei Sich zu Hause im Dorf vergnügte Er Sich gemeinsam mit Seiner Mutter, Seinen Schwestern und Freunden als der unartige Butterdieb, und jeder Seiner Gefährten wurde durch Seine diebischen Spiele in himmlische Glückseligkeit versetzt. Kṛṣṇa wird der Butterdieb genannt, aber dieses Wort wird nie im abfälligen Sinne gebraucht. Der Ausdruck Butterdieb wird so angewendet, daß man die damit verbundene Freude der geläuterten Gottgeweihten versteht. Alles, was Kṛṣṇa in Vṛndāvana tat, geschah zur Freude Seiner Gefährten dort. Diese Manifestationen offenbarte Er, um all die anzuziehen, die sich mit fruchtlosem Spekulieren sowie der Akrobatik des sogenannten Haṭha-Yoga abgeben, um die Absolute Wahrheit zu finden.

Über die Kindheitsspiele Kṛṣṇas mit Seinen Spielgefährten, den Hirtenknaben, sagt Śukadeva Gosvāmī im Śrīmad-Bhāgavatam folgendes:

‹Der persönliche Gott, der als unpersönliches Brahman der Glückseligkeit erkannt und der von den Gottgeweihten als der allerhöchste Herr verehrt wird, den die Materialisten aber für einen gewöhnlichen Menschen halten, spielte mit den Hirtenknaben, die nach unendlich vielen guten Taten zu Seinen Gespielen geworden waren.›

Und so gibt es zwischen Kṛṣṇa und Seinen ewigen Gefährten einen ununterbrochenen transzendentalen liebenden Austausch, der folgende Beziehungen mit einschließt: śanta – Ruhe; dāsya – Dienen; sakhya – Freundschaft; vātsalya – elterliche Zuneigung und mādhurya – innigste überweltliche Liebe.

Es wird gesagt, daß Kṛṣṇa Vṛndāvana-dhāma nie verläßt, und man mag sich jetzt fragen, wie es Ihm außerdem noch möglich ist, den Lauf Seiner verschiedenen Schöpfungen zu lenken. Die Antwort findet sich in der Gītā: Er durchdringt die gesamte stoffliche Schöpfung durch Seinen uneingeschränkten Teilaspekt, der Puruṣa-Inkarnation genannt wird. Kṛṣṇa hat nichts mit der stofflichen Schöpfung, Erhaltung und Auflösung zu tun, aber Er verursacht all dies durch Seine uneingeschränkte Erweiterung, diesen Paramātmā, den Überseelen-Aspekt. Jedes lebende Wesen wird Ātmā, Seele, genannt. Der höchste Ātmā, der alle anderen lenkt, ist der Paramātmā, die Überseele.

Das ganze System der Gottesvergegenwärtigung ist eine große Wissenschaft. Die Materialisten können nur die vierundzwanzig Faktoren der stofflichen Schöpfung analysieren und darüber ihre Vermutungen anstellen. Ihnen ist sehr wenig über den Puruṣa, über Gott, bekannt. Die Anhänger vom Unpersönlichen werden auch nur von der leuchtenden Ausstrahlung des Brahma-jyoti verwirrt. Will man die Absolute Wahrheit in aller Fülle wahrnehmen, dann muß man über die vierundzwanzig stofflichen Elemente wie auch die leuchtende Ausstrahlung hinausgelangen. Die Śrī Īśopaniṣad bestätigt dies, indem sie um die Entfernung der Hiraṇmaya-pātra, der leuchtenden Umhüllung, bittet. Nur wenn diese Umhüllung entfernt wird, und nur wenn man den höchsten gestalthaften Gott erkennt, so wie Er wirklich ist, kann es eine wirkliche Erkenntnis der Absoluten Wahrheit geben.

Der Paramātmā-Aspekt des persönlichen Gottes wird in drei uneingeschränkte Teilaspekte eingeteilt, die zusammen Viṣṇu-tattva genannt werden. Das Viṣṇu-tattva innerhalb des Universums, (eines der drei Hauptgottheiten – Brahmā, Viṣṇu und Śiva), ist der Kṣirodaka-śāyī Viṣṇu. Er ist der alldurchdringende Paramātmā in jedem individuellen Lebewesen. Und der Garbhodaka-śāyī Viṣṇu ist die zusammenfassende Überseele aller lebenden Wesen. Jenseits dieser beiden befindet sich der im Ozean aller Ursachen ruhende Kāraṇodaka-śāyī Viṣṇu. Er ist der Schöpfer aller Universen. Das Yoga-System lehrt den ernsthaft Forschenden, nachdem er die vierundzwanzig stofflichen Elemente der kosmischen Schöpfung überwunden hat, diese Viṣṇu-tattvas zu erkennen. Durch empirische Philosophie kann man das unpersönliche Brahma-jyoti, die leuchtende Ausstrahlung des transzendentalen Körpers Śrī Kṛṣṇas, erkennen. Das wird in der Bhagavad-gītā wie auch in der Brahma-saṁhitā (5.40) bestätigt:

‹In den Millionen und Abermillionen von Universen gibt es unzählige Planeten, jeder einzelne von ihnen durch kosmische Konstitution verschieden vom anderen und alle befinden sich in einem Bereich des Brahma-jyoti. Dieses Brahma-jyoti ist die persönliche Ausstrahlung des höchsten gestalthaften Gottes, den ich verehre.›

Dieser Mantra der Brahma-saṁhitā ist die Stufe tatsächlicher Erkenntnis der Absoluten Wahrheit, und der zur Diskussion stehende Śruti Mantra der Śrī Īśopaniṣad ist eine Bestätigung dieses Mantras als der Weg, der zur tatsächlichen Erkenntnis führt. Es ist ein schlichtes Gebet an Gott, das Brahma-jyoti zu entfernen, damit man das wirkliche Gesicht Gottes sehen kann.

Vollkommene Erkenntnis bedeutet, die Wurzel des Brahman zu erkennen. Die Wurzel des Brahman ist Śrī Kṛṣṇa, der Herr, und in den heiligen Schriften wie dem Śrīmad-Bhāgavatam wird die Gotteswissenschaft eingehend beschrieben. Der Verfasser des Bhāgavatam, Śrīla Vyāsadeva, hat durch ihm zuteil gewordene Erkenntnis festgestellt, daß die Höchste Wahrheit als Brahman, Paramātmā oder Bhagavān zu beschreiben ist. Nie aber hat er gesagt, daß die Höchste Wahrheit als Jīva, als gewöhnliches Lebewesen angesehen werden darf. Deshalb ist das Lebewesen nicht die allmächtige Höchste Wahrheit. Sonst brauchte wohl niemand den Herrn zu bitten, die leuchtende Umhüllung zu entfernen und Sein wirkliches Gesicht zu zeigen.

Wenn sich also die Allerhöchste Wahrheit nicht vollkommen manifestiert, dann wird das unpersönliche Brahman erkannt. Wird die stoffliche Kraft Gottes vergegenwärtigt, wobei überhaupt kein oder nur geringes Wissen von der transzendentalen Kraft vorhanden ist, so wird das Paramātmā-Erkenntnis genannt. Deshalb sind sowohl Brahman- wie auch Paramātmā-Erkenntnis der Absoluten Wahrheit Teilerkenntnisse. Aber wenn man den höchsten personenhaften Gott, Śrī Kṛṣṇa, nach Entfernung des Hiraṇmaya-pātra in Seiner vollen Kraft erkennt, dann erkennt man: Vāsudevaḥ sarvam iti. Śrī Kṛṣṇa, der Herr, auch Vāsudeva genannt, ist der Ursprung von Brahman, Paramātmā und Bhagavān. Er ist Bhagavān, die Wurzel. Brahman und Paramātmā sind Seine Zweige.

In der Bhagavad-gītā gibt es eine vergleichende Analyse der drei Arten der Transzendentalisten, die Jñānīs (Verehrer des unpersönlichen Brahman), Yogīs (Verehrer des Paramātmā-Aspekts) und Bhaktas (Gottgeweihte) genannt werden. In der Gītā wird gesagt, daß von allen Transzendentalisten der Jñānī, der das vedische Wissen erlangt hat, der höchste ist. Die Yogīs jedoch stehen noch höher als die Jñānīs. Und die Yogīs stehen auch weit über denjenigen, die dem gewinnbringenden Werketun nachgehen. Und von allen Yogīs ist ‹derjenige, der ständig mit seiner ganzen Kraft dem Herrn dient, der allerhöchste.›

Daraus ist ersichtlich, daß ein Philosoph höher steht als ein Arbeiter und ein Mystiker einem Philosophen weitaus überlegen ist. Und von allen mystischen Yogīs ist derjenige, der dem Pfad des Bhakti-Yoga, dem liebevollen Gottdienen, folgt, der Vollkommenste. Die Śrī Īśopaniṣad führt uns dieser Vollkommenheit des Lebens entgegen. » weiter

 

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