Śrī Īśopaniṣad Die Erkenntnis, die uns Kṛṣṇa, der höchsten göttlichen Person, näherbringt Mit ursprünglichem Sanskrit-Text, Umschreibungen, entsprechenden deutschen Wörtern für jede Strophe, Übersetzungen ins Deutsche und ausführlichen Erklärungen von Seine Göttliche Gnade A.C. Bhaktivedanta Swami Prabhupāda Gründer und Ācarya der Internationalen Gesellschaft für Kṛṣṇa-Bewußtsein Für die Übersetzung aus dem Englischen verantwortlich: Maṇḍalibhadra Dāsa Adhikārī und Haripriyā Devi Dasi Copyright © 1969 ISKCON PRESS Library of Congress Catalogue Card Number: 78-102853 Alle Rechte vorbehalten Erste Ausgabe »O mein Herr, o urerster Philosoph, Erhalter des Universums, o regulierendes Prinzip. Ziel aller geläuterten Gottgeweihten, wohlmeinender Freund aller Vorfahren der Menschheit, bitte entferne den Glanz Deiner transzendentalen Strahlen, damit ich Deine Wonnegestalt sehen kann.« – Śrī Īśopaniṣad / 16. Mantra Fast allen heiligen Schriften dieser Welt ist zu entnehmen, daß Gott, die Absolute Wahrheit, letztlich Gestalt hat. Philosophen, Gelehrte und Mystiker können aufgrund ihrer unvollkommenen Sicht bestenfalls bis zum unpersönlichen Aspekt der Absoluten Wahrheit vordringen. Die Śrī Īśopaniṣad gibt uns zu verstehen, daß einzig der geläuterte Gottgeweihte, der Ācārya, der der Guru-paramparā genannten Nachfolge der echten geistigen Meister angehört, der Überbringer der Absoluten Wahrheit ist. Der Gründer und Ācārya der Internationalen Gesellschaft für Kṛṣṇa-Bewußtsein, A.C. Bhaktivedanta Swami Prabhupāda enthüllt in seinem Kommentar zur Śrī Īśopaniṣad mit jener eindringlichen Klarheit, die einzig der vollkommen in der Transzendenz verankerten Persönlichkeit gegeben ist, die wahre Bedeutung der sich auf die Absolute Wahrheit beziehenden Worte ›unverkörpert‹ und ›formlos‹. Gottes Gestalt ist nicht stofflich, nicht der Geburt, dem Tod, der Krankheit und dem Alter unterworfen. Seine Gestalt ist überweltlich, unvergänglich, ganz Fülle und Seligkeit. Gott in Seinem persönlichen Aspekt zu erkennen bedeutet, den Ursprung aller Ursprünge erkennen und es bedeutet, mit Ihm die persönliche individuelle Beziehung wiederaufnehmen, die seit Ewigkeiten zwischen uns und ihm besteht. Darin liegt die Vollkommenheit und das Ziel des menschlichen Lebens. Die Śrī Īśopaniṣad und der Überbringer dieser transzendentalen Botschaft, A.C. Bhaktivedanta Swami Prabhupāda, führen uns dieser Vollkommenheit des Lebens entgegen. ISKCON PRESS EUROPA EINLEITUNG Die Lehre der Veden Ein Vortrag, der von A.C. Bhaktivedanta Swami Prabhupāda am 6. Oktober 1969 in der Conway Hall in London, England, gehalten wurde. Meine Damen und Herren! Das heutige Thema ist die Lehre der Veden. Was sind nun die Veden? Die Sanskritwurzel des Wortes Veda kann verschiedenartig ausgelegt werden, aber letztlich gibt es nur ein Ziel. Veda bedeutet Wissen. Alles Wissen, dem Sie sich aufschließen, ist Veda, denn die Lehren der Veden sind das ursprüngliche Wissen. In dem bedingten Zustand ist unser Wissen durch viele Unzulänglichkeiten beeinträchtigt. Der Unterschied zwischen einer bedingten Seele und einer befreiten Seele besteht darin, daß die bedingte Seele vier Unvollkommenheiten unterworfen ist. Erstens einmal machen wir alle Fehler. In Indien beispielsweise wurde Mahātmā Gandhi als eine sehr große Persönlichkeit gefeiert, aber er beging sehr viele Fehler. Auch am Ende seines Lebens warnten ihn seine Mitarbeiter: ‹Mahātmā Gandhi, gehe nicht zur Tagung nach Neu Delhi. Einige Freunde von uns haben gehört, daß Gefahr droht.› Aber er hörte nicht. Er bestand darauf zu gehen und wurde getötet. Sogar große Persönlichkeiten wie Mahātmā Gandhi, Präsident Kennedy (es gibt ihrer so viele), machen Fehler. Irren ist menschlich. Das ist die eine Unvollkommenheit der bedingten Seele. Eine weitere Unvollkommenheit: falsche Vorstellungen zu haben. Illusion bedeutet, etwas, was nicht ist, zu akzeptieren: Māyā. Māyā bedeutet das, was nicht ist. Jeder Mensch akzeptiert den Körper als das Selbst. Werden Sie gefragt, wer Sie sind, dann werden Sie sagen: ‹Ich bin Herr Müller, ich bin ein reicher Mann. Ich bin dieses, und ich bin jenes.› All das sind sich auf den Körper beziehende Identifikationen. Aber Sie sind nicht dieser Körper. Das ist Illusion. Die dritte Unvollkommenheit ist der Betrugssinn. Alle Menschen betrügen ihre Nächsten. Auch wenn ein Mensch der größte Narr ist, tut er doch so, als sei er sehr intelligent. Obgleich schon gesagt wurde, daß der Mensch sich in der Illusion befindet und Fehler macht, wird er dennoch theoretisieren: ‹Ich glaube, das ist so, und das ist so.› Aber der Mensch kennt noch nicht einmal seine eigene Position. Er schreibt Bücher der Philosophie, obgleich er unvollkommen ist. Darin besteht seine Krankheit. Das ist Betrug. Und letztlich sind unsere Sinne unvollkommen. Wir sind sehr stolz auf unsere Augen. Oft wird jemand herausfordernd sagen: ‹Kannst du mir Gott zeigen?› Aber haben Sie denn die Augen, um Gott zu sehen? Sie werden nie sehen, wenn Sie nicht die geeigneten Augen haben. Wenn jetzt in diesem Augenblick das Zimmer dunkel wird, können Sie noch nicht einmal Ihre Hände sehen. Welche Sehkraft haben Sie also dann? Deshalb können wir nicht erwarten, daß uns Wissen (Veda) durch diese unvollkommenen Sinne zuteil wird. Mit all diesen Mängeln des bedingten Lebens sind wir nicht imstande, irgendjemandem vollkommenes Wissen zu übermitteln. Wir selbst sind ja nicht vollkommen. Deshalb akzeptieren wir die Veden so, wie sie sind. Sie werden vielleicht die Veden Hindu nennen, aber das Wort Hindu ist unzutreffend. Wir sind keine Hindus. Unsere wirkliche Identifikation ist Varṇāśrama. Varṇāśrama sind diejenigen, die den Veden folgen und erkennen, daß die menschliche Gesellschaft in acht Gruppen des Varṇa und Āśrama eingeteilt ist. Es gibt vier Unterteilungen in der Gesellschaft und vier im geistigen Leben. Das nennt man Varṇāśrama. In der Bhagavad-gītā wird gesagt: ‹Diese Unterteilungen gibt es überall, weil sie von Gott geschaffen sind.› Die Unterteilungen sind folgende: Brāhmaṇa, Kṣatriya, Vaiśya, Śūdra. Mit Brāhmaṇa sind die wirklich intelligenten Menschen gemeint, diejenigen, die wissen, was das Brahman ist. Etwas weniger intelligent als die Brahmanen sind die Kṣatriyas, denen die Verwaltung obliegt. Dann folgen die Vaiśyas, die Kaufleute. Diese ganz natürlichen Einteilungen findet man überall. Das alles wurzelt in den vedischen Prinzipien, die wir vorbehaltlos akzeptieren. Die vedischen Prinzipien sind axiomatische Wahrheit, denn die Möglichkeit irgendeines Fehlers ist ausgeschlossen. In Indien beispielsweise gilt der Dung der Kuh als rein, und doch ist der Dung der Kuh Kot eines Tieres. Einmal finden wir in den vedischen Unterweisungen, daß wir uns sofort waschen müssen, wenn wir Kot berührt haben. Und dann wiederum heißt es, daß der Dung der Kuh rein ist. Wenn man den Dung der Kuh an einen unreinen Ort bringt, dann wird dieser Ort rein. Jetzt werden Sie einwenden, daß das ein Widerspruch ist. Und vom gewöhnlichen Standpunkt aus betrachtet ist es auch ein Widerspruch, aber es ist tatsächlich so. Eine feststehende Tatsache. In Kalkutta analysierte einer der führenden Wissenschaftler und Ärzte den Dung der Kuh und stellte fest, daß er alle antiseptischen Eigenschaften enthält. Wenn man in Indien zu jemandem sagt: ‹Das mußt du tun›, so wird er entgegnen: ‹Wieso? Steht das in den Veden, daß ich dir widerspruchslos folgen muß?› Es ist nicht möglich, die vedischen Unterweisungen auszulegen. Aber wenn man letzten Endes genau nachforscht, warum es diese Unterweisungen gibt, wird man feststellen, daß sie alle ihre Richtigkeit haben. Die Veden sind keine Zusammenstellung menschlichen Wissens. Das vedische Wissen hat seinen Ursprung in der transzendentalen Welt, in Kṛṣṇa, dem Herrn. Die Veden werden auch Śruti genannt. Mit Śruti ist die Erkenntnis gemeint, die durch Hören erlangt wird. Es handelt sich nicht um spekulative Erkenntnis. Śruti, wird gesagt, sei wie die Mutter. Wir lernen sehr viel von unserer Mutter. Wenn wir, zum Beispiel, wissen wollen, wer unser Vater ist, wer kann uns das sagen? Unsere Mutter. Wenn die Mutter sagt: ‹Hier ist dein Vater›, dann müssen wir ihr glauben. Man kann unmöglich durch Experimente herausfinden, ob das nun tatsächlich unser Vater ist. Wenn Sie also etwas wissen wollen, was außerhalb Ihres Erfahrungsbereiches liegt, jenseits Ihres experimentellen Wissens, jenseits der Aktivität Ihrer Sinne, dann müssen Sie die Veden akzeptieren. Es läßt sich unmöglich experimentieren. Es ist schon experimentiert worden. Es steht schon alles fest. Was die Mutter uns in diesem Falle sagt, muß als Wahrheit akzeptiert werden. Es gibt keinen anderen Weg. Man nennt die Veden die Mutter und Brahmā den Großvater und Vorfahr, weil er der erste war, der im vedischen Wissen unterwiesen wurde. Das erste lebende Wesen war Brahmā. Er empfing das vedische Wissen und gab es an Nārada und andere Schüler und Söhne weiter, und sie wiederum gaben es an ihre Schüler weiter. Auf diese Weise kommt das vedische Wissen zu uns durch die Nachfolge der geistigen Meister. Auch in der Bhagavad-gītā wird bestätigt, daß das vedische Wissen auf diese Weise zu verstehen ist. Wenn Sie sich mit experimenteller Erkenntnis abmühen wollen, dann kommen Sie zu derselben Schlußfolgerung, aber um Zeit zu sparen, sollten Sie das akzeptieren. Wenn Sie wissen wollen, wer Ihr Vater ist, und wenn Sie die Autorität Ihrer Mutter akzeptieren, dann kann das, was sie sagt, ohne Widerspruch entgegengenommen werden. Es gibt drei Arten der Beweisführung: Prakyakṣa, Anumāṇa und Śabda. Prakyakṣa bedeutet direkt. Direkter Beweis ist unzulänglich, weil unsere Sinne unvollkommen sind. Täglich sehen wir die Sonne, und uns erscheint sie so groß wie eine kleine Scheibe, aber in Wirklichkeit ist sie viel größer als viele andere Planeten. Welchen Wert hat dieses Sehen dann? Deshalb müssen wir Bücher lesen, um die Sonne verstehen zu können. Direkte Erfahrung also ist unvollkommen. Dann gibt es noch induktives Wissen: ‹Es könnte so sein›, Hypothese. Zum Beispiel besagt Darwins Theorie, es könnte so oder so sein, aber das ist keine Wissenschaft. Das ist eine Vermutung, und auch das ist unvollkommen. Aber wenn Sie das Wissen von der richtigen Instanz empfangen, dann ist dieses Wissen vollkommen. Wenn Sie ein Programmheft vom Rundfunk erhalten, dann zweifeln Sie es nicht an. Sie lehnen es nicht ab, und Sie brauchen auch nicht zu spekulieren, weil es von der zuständigen Instanz kommt. Das vedische Wissen wird Śabda-pramāṇa genannt. Ein weiterer Name ist Śruti. Śruti bedeutet, daß dieses Wissen durch das Ohr vernommen werden muß. Die Veden unterweisen uns, daß wir von den zuständigen Quellen hören müssen, um transzendentales Wissen zu verstehen. Transzendentales Wissen ist Wissen, das aus dem Reiche kommt, das jenseits des Universums liegt. Innerhalb dieses Universums gibt es materielles Wissen, und jenseits dieses Universums gibt es transzendentales Wissen. Wir können noch nicht einmal ans Ende des Universums gelangen. Wie sollte es uns dann möglich sein, die transzendentale Welt zu erreichen? Deshalb ist es nicht möglich, auf diese Weise vollkommenes Wissen zu erlangen. Es gibt die transzendentale Welt. Es gibt eine andere Natur, die sich jenseits der Manifestation und der Nicht-Manifestation befindet. Aber auf welche Weise werden Sie wissen, daß es tatsächlich ein Reich gibt, in dem die Planeten und deren Bewohner unvergänglich sind? Das Wissen darüber ist vorhanden, aber wie wollen Sie darüber spekulieren? Das ist unmöglich. Deshalb brauchen Sie die Hilfe der Veden. Dafür ist das vedische Wissen da. In unserer Bewegung des Kṛṣṇa-Bewußtseins akzeptieren wir das Wissen von der höchsten zuständigen Instanz, Kṛṣṇa. Kṛṣṇa wird von Menschen verschiedener Geistesrichtungen als die höchste Instanz akzeptiert. Ich spreche jetzt von den zwei Arten der Transzendentalwissenschaftler. Die einen nennt man Māyāvādī, Anhänger des Unpersönlichen. Gewöhnlich gelten sie als Vedantisten, die den Lehren Śaṅkarācāryas folgen. Die anderen werden Vaiṣṇavas genannt wie Rāmānujācārya, Madhvācārya, Viṣṇusvāmī. Sowohl die Śaṅkara-sampradāya als auch die Vaiṣṇava-sampradāya haben Kṛṣṇa als die höchste göttliche Person akzeptiert. Śaṅkarācārya ist angeblich ein Māyāvādī, ein Anhänger des Unpersönlichen, der die Lehre vom Unpersönlichen, vom eigenschaftslosen Brahman verkündete, aber in Wirklichkeit bekennt er sich indirekt zum persönlichen Gott. In seinem Kommentar zur Bhagavad-gītā schrieb er: ‹Nārāyaṇa, die höchste göttliche Person, ist jenseits dieser kosmischen Manifestation.› Und dann bestätigt er noch einmal: ‹Jener höchste gestalthafte Gott, Nārāyaṇa, ist Kṛṣṇa. Er ist als der Sohn Devakīs und Vasudevas erschienen.› Śaṅkarācārya hat ganz besonders die Namen von Kṛṣṇas Vater und Mutter hervorgehoben. Und so sind sich alle Transzendentalisten darüber einig, daß Kṛṣṇa die höchste göttliche Person ist. Darüber gibt es gar keinen Zweifel. Unsere Erkenntnis im Kṛṣṇa-Bewußtsein kommt direkt von Kṛṣṇa, aus der Bhagavad-gītā. Wir haben die Bhagavad-gītā so wie sie ist veröffentlicht, weil wir Kṛṣṇas Worte akzeptieren, so wie Er sie gesprochen hat, ohne sie auszulegen. Das versteht man unter vedischem Wissen. Wir akzeptieren das vedische Wissen als vollkommen. Das ist Kṛṣṇa-Bewußtsein. Das spart viel Zeit. Wenn Sie die wirkliche Autorität, den Ursprung des Wissens akzeptieren, dann sparen Sie viel Zeit. Zum Beispiel gibt es zwei Arten der Wissensforschung in der materiellen Welt, induktive und deduktive. Durch das Deduzieren akzeptieren wir, daß der Mensch sterblich ist. Unser Vater sagt, der Mensch ist sterblich. Unsere Schwester sagt, der Mensch ist sterblich, jeder sagt, der Mensch ist sterblich, und wir bezweifeln das nicht. Wir akzeptieren das als eine Tatsache. Der Mensch ist sterblich. Wenn wir herausfinden wollen, ob der Mensch wirklich sterblich ist, dann müssen wir jeden einzelnen Menschen untersuchen, und dann werden wir anfangen zu glauben, daß es vielleicht einen Menschen gibt, der nicht zu sterben braucht. Auf diese Weise wird unsere Forschungsarbeit nie ihr Ende finden. Dieser Weg wird im Sanskrit Āroha, der aufsteigende Weg genannt. Wenn wir durch eigene Bemühungen, durch unsere unvollkommenen Sinne Wissen erlangen wollen, dann werden wir nie zum Ziel gelangen. Das ist nicht möglich. In der Brahma-saṁhitā steht, wir sollen uns einmal vorstellen, wir säßen in einem Flugzeug, das sich mit der Geschwindigkeit des Geistes fortbewegt. Unsere heutigen Flugzeuge fliegen vielleicht mit einer Geschwindigkeit von dreitausend Stundenkilometern. Wie groß ist aber dagegen die Geschwindigkeit des Geistes? Wenn wir zu Hause sitzen und an Indien denken, das vielleicht zehntausend Kilometer entfernt ist, dann ist Indien sofort bei uns. Unser Geist hat sich dort hinbegeben. Die Geschwindigkeit des Geistes ist enorm. Deshalb sagt man: ‹Wenn wir uns mit dieser Geschwindigkeit Millionen Jahre fortbewegen, dann werden wir feststellen, daß die transzendentale Welt unbegrenzt ist.› Es ist noch nicht einmal möglich, sich ihr zu nähern. Deshalb heißt es in der Unterweisung der Veden (in diesem Zusammenhang wird das Wort ‹obligatorisch› gebraucht), daß wir einen echten geistigen Meister, einen Guru, aufsuchen müssen. Und wodurch zeichnet sich nun ein geistiger Meister aus? Er hat wirklich gehört, und zwar von denjenigen, denen das vedische Wissen in seiner ganzen Fülle zuteil geworden ist. Sonst kann er kein echter geistiger Meister sein. Er muß fest im Brahman verankert sein. Das sind die Qualifikationen, auf die es ankommt. Diese Bewegung des Kṛṣṇa-Bewußtseins gründet vollkommen in den vedischen Prinzipien. In der Bhagavad-gītā sagt Kṛṣṇa: ‹Das eigentliche Ziel der vedischen Erkenntnis besteht darin, Kṛṣṇa zu finden.› Auch in der Brahma-saṁhitā wird gesagt: ‹Kṛṣṇa, Govinda, hat unzählige Formen, aber alle diese Formen sind eins.› Sie sind nicht wie unsere Formen, die unvollkommen sind. Seine Gestalt ist vollkommen. Unsere Gestalt hat einen Anfang, aber Seine Gestalt ist anfangslos. Sie ist Ananta. Und Seine unzähligen Seinsgestalten haben kein Ende. Ich sitze jetzt hier und nicht in meiner Wohnung. Auch Sie sitzen hier und nicht in Ihrer Wohnung. Aber Kṛṣṇa kann zur gleichen Zeit überall sein. Er kann in Goloka Vṛndāvana sein und zugleich ist Er überall, alldurchdringend. Er ist der Ursprung, der Älteste. Aber wenn wir uns ein Bild von Kṛṣṇa anschauen, sehen wir eine jugendliche Gestalt, fünfzehn bis zwanzig Jahre alt. Sie werden Ihn nie als alten Mann sehen. Sie haben vielleicht in der Bhagavad-gītā Bilder von Kṛṣṇa gesehen, als Wagenlenker. Damals war Er immerhin schon einhundert Jahre alt. Er hatte schon Urenkel, aber Er sah aus wie ein Jüngling. Kṛṣṇa, Gott, wird niemals alt. Darin liegt Seine Allmacht. Wenn Sie Kṛṣṇa durch das Studieren der vedischen Schriften finden wollen, dann werden Sie in Verwirrung geraten. Es ist zwar möglich, aber es ist sehr schwierig. Wir können Ihm aber sehr leicht durch die Gottgeweihten näherkommen. Ein Gottgeweihter kann Ihn zu uns bringen: ‹Hier ist Er. Schließen Sie sich Ihm auf!› Darin besteht die Kraft derjenigen, die ihr Leben Kṛṣṇa geweiht haben. Ursprünglich gab es nur einen Veda, und es war nicht nötig, ihn zu lesen. Die Menschen waren so intelligent und hatten solch gutes Erinnerungsvermögen, daß einmaliges Hören vom Munde des geistigen Meisters genügte, um ein wirkliches Verstehen in ihnen hervorzurufen. Sie verstanden sofort den ganzen Sinn. Aber vor fünftausend Jahren schrieb Vyāsadeva die Veden für die Menschen dieses Zeitalters, des Kali-Yugas, nieder. Er wußte, daß sich die Lebensdauer der Menschen verringern, daß ihr Erinnerungsvermögen sehr schlecht und daß auch ihre Intelligenz nicht mehr sehr groß sein würden. ‹Laßt mich deshalb dieses vedische Wissen lehren, indem ich es niederschreibe.› Er teilte es in vier Veden ein: Ṛg, Sāma, Atharva und Yajus. Dann gab er diese Veden in die Obhut seiner verschiedenen Schüler. Er vergaß auch nicht die weniger intelligenten Menschen, Strī, Śūdras und Dvija-bandhu. Er dachte an die Frauen und an die Śūdras (Arbeiter) und an die Dvija-bandhu. Dvija-bandhu sind diejenigen, die in vornehmen Familien geboren wurden, die aber nicht wirklich qualifiziert sind. Ein in einer Familie der Brahmanen geborener Mensch, der nicht die Qualifikationen eines Brahmanen hat, wird Dvija-bandhu genannt. Für diese Menschen stellte er das Mahābhārata, das die Geschichte Indiens genannt wird, und die achtzehn Purāṇas zusammen. Das sind alle vedischen Schriften: Die Purāṇas, das Mahābhārata, die vier Veden und die Upaniṣaden. Die Upaniṣaden sind ein Teil der Veden. Dann faßte Vyāsadeva das gesamte vedische Wissen für Gelehrte und Philosophen in der Vedānta-sūtra zusammen, in der das ganze vedische Wissen gipfelt. Vyāsadeva schrieb unter Anweisung seines Guru Mahārāj, seines geistigen Meisters, Nārada, persönlich die Vedānta-sūtra, aber immer noch nicht war er zufriedengestellt, auch nicht, nachdem er viele Purāṇas und Upaniṣaden zusammengestellt hatte. Das ist eine lange Geschichte, die im Śrīmad-Bhāgavatam beschrieben wird. Nārada, sein geistiger Meister, unterwies ihn: ‹Erkläre den Vedānta.› Vedānta bedeutet allerletzte Erkenntnis, und die allerletzte Erkenntnis ist Kṛṣṇa. Kṛṣṇa sagt, daß man Ihn durch die Veden verstehen muß. Vedānta-kṛd veda-vid eva cāham. Kṛṣṇa sagt: ‹Ich bin der Verfasser des Vedānta, und Ich bin der Kenner der Veden.› Deshalb ist das endgültige Ziel Kṛṣṇa. Das wird in allen Kommentaren der Vaiṣṇavas zur Vedānta-Philosophie gesagt. Wir Gauḍīya Vaiṣṇavas haben den Govinda-bhaṣya genannten Kommentar zur Vedānta-Philosophie von Baladeva Vidyābhūṣaṇa. Ebenso haben auch Rāmānujācārya und Madhvācārya ihre Kommentare. Śaṅkarācāryas Fassung ist nicht der einzige Kommentar. Es gibt viele Kommentare zum Vedānta, aber weil die Vaiṣṇavas nicht den ersten Vedānta-Kommentar herausgebracht haben, glauben die Menschen fälschlicherweise, daß Śaṅkarācāryas Kommentar der einzige ist. Außerdem hat Vyāsadeva den vollkommensten Kommentar zum Vedānta geschrieben, nämlich das Śrīmad-Bhāgavatam. Auch das Śrīmad-Bhāgavatam beginnt mit den ersten Worten der Vedānta-sūtra: Janmādyasya yataḥ. Und dieses janmādyasya yataḥ wird eingehend im Śrīmad-Bhāgavatam erklārt. Die Vedānta-sūtra deutet nur an, was das Brahman, was die Absolute Wahrheit ist: ‹Die Absolute Wahrheit ist das, von dem alles ausgeht.› Das gibt einen Gesamtüberblick, aber im Śrīmad-Bhāgavatam wird es in allen Einzelheiten erklärt. Wenn alles von der Absoluten Wahrheit ausgeht – was ist dann das Wesen der Absoluten Wahrheit? All das wird im Śrīmad-Bhāgavatam erklärt. Die Absolute Wahrheit muß bewußt sein. Svarāṭ. Er leuchtet aus Sich Selbst heraus. Unser Bewußtsein und unsere Erkenntnis wachsen durch das Wissen, das wir von anderen erhalten, aber Er leuchtet aus Sich Selbst heraus. Die ganze Essenz des vedischen Wissens ist die Vedānta-sūtra, und die Vedānta-sūtra wird vom Verfasser im Śrīmad-Bhāgavatam erklärt. Zum Schluß bitten wir diejenigen, die nach vedischer Erkenntnis streben, zu versuchen, die Erklärung allen Wissens durch das Śrīmad-Bhāgavatam und die Bhagavad-gītā zu verstehen. ANRUFUNG oṁ pūrṇam adaḥ pūrṇam idaṁ pūrṇāt pūrṇam udacyate pūrṇasya pūrṇam ādāya pūrṇam evāvaśiṣyate oṁ – das Vollkommene Ganze; pūrṇam – vollkommen vollendet; adaḥ – das; pūrṇam – vollkommen vollendet; idaṁ – diese Erscheinungswelt; pūrṇāt – vom Vollkommenen Ganzen; pūrṇam – vollkommene Einheit; udacyate – hervorgebracht; pūrṇasya – vom Vollkommenen Ganzen; pūrṇam – ganz vollkommen; ādāya – das fortgenommen wurde; pūrṇam – die vollkommene Ausgeglichenheit; eva – obgleich; avaśiṣyate – bleibt übrig. ÜBERSETZUNG Der gestalthafte Gott ist vollendet und vollkommen. Und weil Er vollkommen vollendet ist, ist auch all das, was von Ihm ausgeht, wie z.B. diese Erscheinungswelt, ein vollkommenes Ganzes, vollkommen ausgestattet. Was immer vom vollkommenen Ganzen hervorgebracht wird, ist ebenso vollkommen in sich selbst. Und obgleich Er das Vollkommene Ganze ist und obgleich zahllose vollkommene Einheiten von Ihm ausgehen, bleibt Er die vollkommene Ausgeglichenheit. ERKLÄRUNG Das Vollkommene Ganze, die höchste Absolute Wahrheit, ist der vollkommene, persönliche Gott. Das unpersönliche Brahman bildet unvollkommene Erkenntnis des Absolut Vollkommenen und ebenso die Erkenntnis des Paramātmā, der Überseele. Der höchste gestalthafte Gott ist Sac-cit-ānanda-vigraha: Unpersönliche Brahman-Erkenntnis ist die Erkenntnis Seines Sat- bzw. Ewigkeitsaspekts, und Paramātmā, die Überseelen-Erkenntnis, ist die Erkenntnis Seines Sat- und Cit-, Ewigkeits- und Wissensaspekts. Erkenntnis des persönlichen Gottes jedoch ist die Erkenntnis aller überweltlichen Eigenschaften, Sat, Cit und Ānanda, Glück. Durch die persönliche Erkenntnis wird dies in der vollkommenen Gestalt (Vigraha) wahrgenommen. Das Vollkommene Ganze also ist nicht gestaltlos. Wäre Er formlos oder in irgendeiner anderen Beziehung weniger als Seine Schöpfung, könnte Er nicht vollkommen sein. Das Vollkommene Ganze muß all das innehaben, was im Bereiche unserer Erfahrung und über dem Bereiche unserer Erfahrung liegt. Sonst könnte Er nicht vollkommen sein. Das Vollkommene Ganze, der persönliche Gott, besitzt unermeßliche Kräfte, und alle diese Kräfte sind vollkommen so wie Er Selbst. Deshalb ist auch diese Erscheinungswelt, diese Stoffeswelt, in sich selbst vollkommen. Die vierundzwanzig Elemente, aus denen sich dieses Universum zeitweilig manifestiert, sind vollkommen abgestimmt, um vollkommene Dinge hervorzubringen, die für die Erhaltung und das Dasein dieses Universums nötig sind. Keine von außen kommende Energie irgendeiner anderen Einheit ist für diese Erhaltung erforderlich. Dieses Universum hat seine eigene Zeit, die von der Energie des Vollkommenen Ganzen festgesetzt ist, und wenn diese Zeit beendet ist, dann wird diese vorübergehende Erscheinungsform durch die vollendete Ordnung des Vollkommenen aufgelöst werden. Für die kleinen vollkommenen Einheiten, d.h. für die Lebewesen, gibt es vollkommene Einrichtungen, um den Vollkommenen zu erkennen. Alle Arten von Unvollkommenheiten werden nur deshalb erfahren, weil das Wissen über den Vollkommenen unvollkommen ist. Die menschliche Form des Lebens ist eine vollkommene Manifestation des Bewußtseins des Lebewesens. Diese Form erlangt man, nachdem man im Kreislauf der Geburten und Tode, im Evolutionsvorgang, 8.400.000 Arten des Lebens durchwandert hat. Wenn ein Mensch seine Vollkommenheit innerhalb des Großen Vollkommenen in diesem Leben des vollen Bewußtseins nicht erkennt, dann verliert er die Möglichkeit, seine Vollkommenheit zu erkennen, und durch das Gesetz der stofflichen Natur wird er wieder in den Kreislauf der Evolution geworfen. Weil wir nicht wissen, daß es in der Natur eine vollendete Ordnung für unsere Erhaltung gibt, machen wir große Anstrengungen, uns die Reichtümer der Natur zunutze zu machen, um ein angeblich vollkommenes Leben im Sinnesgenuß zu schaffen. Dieses irreführende Leben im Sinnesgenuß wird Illusion genannt, weil sich ein Lebewesen, ohne sich dem Vollkommenen Ganzen anzupassen, nicht am Wirken der Sinne erfreuen kann. So ist, zum Beispiel, die Hand eines Körpers eine vollkommene Einheit, solange sie sich am vollständigen Körper befindet. Ist die Hand vom Körper losgelöst, mag sie noch die Erscheinung einer Hand haben, aber in Wirklichkeit hat sie nichts mehr von der Wirksamkeit einer Hand. Ebenso bilden die Lebewesen einen wesentlichen Bestandteil des Vollkommenen Ganzen. Solange die Teile vom Vollkommenen Ganzen losgelöst sind, ist auch eine illusorische Vorstellung der Vollkommenheit nicht ausreichend, um das erwünschte Ergebnis herbeizuführen. Die Vollkommenheit des menschlichen Lebens kann nur dann erkannt werden, wenn die menschliche Form des Lebens in den Dienst des Vollkommenen Ganzen gestellt wird. Jedes Dienen in dieser Welt, ob es nun sozialer, politischer, kommunaler, internationaler oder sogar interplanetarischer Natur ist, wird unvollkommen bleiben, solange es nicht dem Vollkommenen Ganzen angepaßt ist. Wenn alles dem Vollkommenen Ganzen angepaßt wird, dann werden auch die mit dem Vollkommenen verbundenen Teile in sich selbst vollkommen. ERSTER MANTRA īśāvāsyam idaṁ sarvaṁ yat kiñca jagatyāṁ jagat tena tyaktena bhuñjīthā mā gṛdhaḥ kasya svid dhanam īśā – von Gott; vāsyam – gelenkt; idaṁ – dies; sarvaṁ – alles; yat kiñca – was immer es ist; ca – und; jagatyām – Universum; jagat – alles Beseelte und Unbeseelte; tena – von Ihm; tyaktena – der Anteil, der beiseite gelegt ist; bhuñjīthāḥ – man darf annehmen; mā – nicht; gṛdhaḥ – Gebrauch machen; kasya svid – wem es gehört; dhanam – die notwendigen Dinge. ÜBERSETZUNG Alles Beseelte und Unbeseelte im Universum wird von Gott gelenkt und ist Gott gehörend. Man sollte deshalb nur solche Dinge annehmen, die für einen nötig sind, die für einen als Anteil beiseite gelegt sind. Man darf nicht andere Dinge annehmen, weiß man doch, wem sie gehören. ERKLÄRUNG Das vedische Wissen ist unfehlbar, weil es durch die lückenlose Nachfolge der geistigen Meister, die mit Gott Selbst begann, überliefert wird. Das vedische Wissen wird von den überweltlichen Quellen empfangen, und das erste Wort wurde von Gott Selbst gesprochen. Die von Gott gesprochenen Worte werden Apauruṣeya genannt, nicht von einem Wesen der irdischen Welt ausgesprochen. Ein Lebewesen der irdischen Welt hat vier Defekte, und zwar sind dies folgende: 1. Es begeht Fehler; 2. Es hat häufig falsche Vorstellungen; 3. Es versucht, andere zu betrügen und 4. Es ist mit unvollkommenen Sinnesorganen ausgestattet. Mit diesen Prinzipien der vier Unvollkommenheiten kann man keine vollständige Kenntnis auf dem Gebiet des allumfassenden Wissens vorbringen. Auf diese Weise werden die Veden nicht erkannt. Das vedische Wissen wurde ursprünglich dem Herzen Brahmās, dem ersten erschaffenen Lebewesen, verliehen, und Brahmā wiederum gab dieses Wissen weiter an seine Söhne und Schüler, die diesen Vorgang den Lauf der Geschichte hindurch fortsetzten. Da Gott pūrṇam, ganz vollkommen ist, schließt das die Möglichkeit aus, daß Er den Gesetzen der stofflichen Natur unterworfen ist. Die Lebewesen dagegen und die unbeseelten Objekte sind den Gesetzen der Natur unterworfen und somit letzten Endes der Kraft Gottes. Die Īśopaniṣad ist ein Teil des Yajur Veda, und als solche unterweist sie uns, wer der Eigentümer aller im Universum existierenden Dinge ist. Das wird auch in der Bhagavad-gītā im siebenten Kapitel bestätigt, in dem Parā und Āparā Prakṛti behandelt werden: Die Naturelemente – Erde, Feuer, Wasser, Luft, Äther, Geist-Verstand, Intelligenz und Ego – gehören alle zur stofflichen Kraft Gottes, während die Lebewesen, die organische Kraft, die höhere Kraft Gottes, Parā Prakṛti sind. Beide Prakṛtis bzw. Energien gehen von Gott aus, und letzten Endes ist Er der Regler von allem Existierenden. Alles im Universum gehört entweder zur Parā oder Āparā Prakṛti, und deshalb steht alles unter dem Eigentumsrecht des Höchsten Wesens. Das Höchste Wesen, der absolute, persönliche Gott, die vollkommene Person, hat die vollkommene und mächtige Intelligenz, alles durch Seine verschiedenen Kräfte zu ordnen. Das Höchste Wesen wird oft mit dem Feuer und alles Organische und Anorganische mit der Wärme und dem Licht des Feuers verglichen. Das Feuer verbreitet Energie in Form von Wärme und Licht, und ebenso offenbart Gott Seine Energie auf verschiedene Weise. Und Er bleibt der endgültige Regler, Erhalter und unumschränkte Herrscher von allem. Ihm ist alle Macht inne. Er ist der Allwissende, der Wohltäter aller, ganz erfüllt von unvorstellbarer Fülle: Macht, Reichtum, Ruhm, Schönheit, Wissen und Entsagung. Man sollte daher genug Intelligenz aufbringen, um zu verstehen, daß außer Gott niemand der Besitzer irgendwelcher Dinge ist. Man sollte nur die Dinge annehmen, die für einen als Anteil von Gott beiseite gelegt sind. Die Kuh, zum Beispiel, gibt Milch, aber trinken tut sie die Milch nicht. Ihre Milch ist als Nahrung für die Menschen bestimmt. Die Kuh ernährt sich von Gras und Stroh, aber ihre eigene Milch trinkt sie nicht. So hat das Gott eingerichtet, und wir sollten mit den Dingen zufrieden sein, die gütigerweise für uns von Ihm beiseite gelegt sind. Wir müssen immer daran denken, wem die Dinge, die wir besitzen, eigentlich gehören. Nehmen wir, zum Beispiel, das Haus, in dem wir wohnen, das aus Erde, Holz, Stein, Eisen, Zement und so vielen anderen Materialien hergestellt ist. Denken wir im Sinne der Śrī Īśopaniṣad, dann müssen wir erkennen, daß wir nicht imstande sind, irgendeines von den oben erwähnten Baumaterialien selbst herzustellen. Wir können sie nur zusammenfügen und durch unsere Arbeit in verschiedene Formen umwandeln. Ein Arbeiter kann nicht darauf Anspruch erheben, Eigentümer eines Gegenstandes zu sein, nur weil er hart gearbeitet hat, um ihn herzustellen. In der heutigen Gesellschaft gibt es ständig Streit zwischen Arbeitern und Kapitalisten. Dieser Streit hat jetzt internationale Proportionen angenommen, und die Welt ist in Gefahr. Die Menschen stehen sich im Haß gegenüber, mit gefletschten Zähnen, wie die Katzen und Hunde. Die Śrī Īśopaniṣad kann den Katzen und Hunden keine Ratschläge erteilen, aber den Menschen bringt sie, durch die echten Ācāryas, die heiligen Lehrer, die Botschaft Gottes. Die Menschheit möge diese vedische Weisheit von der Śrī Īśopaniṣad lernen, daß nämlich niemand sich über materielle Güter streiten sollte. Man muß sich mit den Privilegien zufrieden geben, die einem durch die Gnade Gottes gegeben sind. Es kann keinen Frieden geben, solange die Kommunisten oder Kapitalisten oder irgendwelche anderen Parteien sich anmaßen, Besitzansprüche auf die Reichtümer der Natur zu haben, die ganz und gar Eigentum Gottes sind. Die Kapitalisten können die Kommunisten nicht durch bloße politische Manöver im Zaume halten, noch können die Kommunisten die Kapitalisten dadurch besiegen, daß sie um das gestohlene Brot kämpfen. Wenn sie nicht das Eigentumsrecht des höchsten personenhaften Gottes anerkennen, dann sind alle Besitztümer, die sie als ihr Eigentum für sich in Anspruch nehmen, gestohlen, und deshalb sind sie der Bestrafung durch die Naturgesetze ausgesetzt. Sowohl Kommunisten als auch Kapitalisten haben die Bombe, und wenn sie nicht das Eigentumsrecht des Höchsten anerkennen, dann ist es ganz sicher, daß letztlich die Bombe beide Parteien vernichten wird. Um sich davor zu bewahren und somit auch Frieden in die Welt zu bringen, müssen deshalb beide Parteien den Unterweisungen der Śrī Īśopaniṣad folgen. Die Menschen sind nicht dazu bestimmt, sich wie die Katzen und Hunde zu streiten. Sie müssen intelligent genug sein, um sich über die Bedeutung des menschlichen Lebens klar zu werden und das Ziel des menschlichen Lebens zu erkennen. Das vedische Schrifttum ist für die Menschheit bestimmt und nicht für die Katzen und Hunde. Katzen und Hunde können andere Tiere töten und sich von Ihnen ernähren, und für sie gibt es da keine Frage der Sünde. Aber wenn ein Mensch ein Tier tötet, zur Befriedigung seines Gaumens, den er nicht beherrschen kann, dann ist er schuldig, die Gesetze der Natur gebrochen zu haben, und deshalb muß er bestraft werden. Für das Leben der Menschen gibt es einen Maßstab, der nicht auf das Leben der Tiere angewendet werden kann. Der Tiger ernährt sich weder von Reis, Weizen noch Kuhmilch, weil ihm sein Anteil in Form von Tiernahrung gegeben ist. Es gibt viele Säugetiere und Vögel, die entweder Vegetarier oder Nichtvegetarier sind, aber keines von ihnen überschreitet die Naturgesetze, wie sie durch Gottes Willen angeordnet sind. Unter den Lebewesen – ob es nun Säugetiere, Vögel oder Reptilien sind – herrscht eine genaue Befolgung der Naturgesetze, und deshalb gibt es da weder eine Frage der Sünde, noch sind die Unterweisungen der Veden für sie bestimmt. Und somit ist allein das menschliche Leben ein Leben der Verantwortlichkeit. Es ist auch falsch zu glauben, daß man sich vor einer Überschreitung der Naturgesetze schützt, wenn man Vegetarier wird. Die Pflanzen haben auch Leben. Ein Leben ist dazu bestimmt, sich von einem anderen Lebewesen zu ernähren. Das ist das Gesetz der Natur. Man sollte nicht stolz darauf sein, ein strenger Vegetarier zu sein. Wichtig ist, daß man den höchsten Herrn erkennt. Das Bewußtsein der Tiere ist nicht entwickelt genug, um Gott zu erkennen, aber der Mensch besitzt genug Intelligenz, um aus den vedischen Schriften zu lernen, wie die Naturgesetze sich auswirken. Und aus diesem Wissen kann er seinen Nutzen ziehen. Der Mensch setzt sich großer Gefahr aus, wenn er die Unterweisung der Veden mißachtet. Deshalb muß er die Autorität des höchsten Herrn klar erkennen. Er muß sein Leben einzig und allein Gott weihen. Alles muß er dem Dienste Gottes darbringen und nur die Reste der Speise zu sich nehmen, die zuerst dem Herrn dargebracht wurde. Auf diese Weise ist er imstande, seine Pflichten erst wirklich zu erfüllen. In der Bhagavad-gītā gibt uns der Herr ausdrücklich zu verstehen, daß Er von den Händen eines echten Gottgeweihten vegetarische Nahrung akzeptiert. Deshalb sollte man nicht nur strenger Vegetarier werden, sondern auch sein Leben Gott weihen und seine Speise Gott darbringen und nur Prasādam, die Gnade Gottes, zu sich nehmen. Solch ein Gottgeweihter kann erst wirklich die Pflichten des menschlichen Lebens erfüllen. Wer das nicht tut, nimmt nur Sünden zu sich und wird dadurch mannigfaltigen Leiden unterworfen, die die direkten Nachwirkungen der Sünden sind. Die Ursünde ist das bewußte Nichtbefolgen der Naturgesetze durch Nichtanerkennen des Eigentumsrechtes Gottes. Nichtbefolgen der Naturgesetze bzw. der Gebote Gottes bringt dem Menschen den Untergang. Wenn man jedoch ganz sachlich die Naturgesetze kennt, ohne durch überflüssiges Anhaften oder Abgestoßensein beeinflußt zu sein, dann wird man mit Sicherheit wieder von Gott anerkannt. Auf diese Weise wird man befähigt, in die ewige Heimat, zu Gott, zurückzukehren. ZWEITER MANTRA kurvann eveha karmāṇi jijīviṣec chataṁ samāḥ evaṁ tvayi nānyatheto ´sti na karma lipyate nare kurvan – ständig tun; eva – auf diese Weise; iha – in diesem Leben; karmāṇi – Werk; jijīviṣet – man mag danach streben zu leben; śatam— einhundert; samāḥ – Jahre; evam – so zu leben; tvayi – die; na – kein; anyathā – Alternative; itaḥ – von diesem Pfad; asti – es gibt; na – nicht; karma – Werk; lipyate – kann gebunden werden; nare – eines Menschen. ÜBERSETZUNG Wenn man ständig in diesem Sinne seine Werke tut, kann man danach streben, Hunderte von Jahren zu leben, weil diese Art des Werketuns nicht an das Gesetz des Karma bindet. Für den Menschen gibt es außer diesem Weg keine andere Möglichkeit. ERKLÄRUNG Keiner möchte sterben. Jeder möchte leben, solange er sich noch irgendwie dahinschleppen kann. Dieser Hang offenbart sich nicht nur individuell, sondern auch kollektiv, in der Gemeinschaft, in der Gesellschaft und im Volk. Unter allen Lebewesen herrscht ein harter Kampf ums Dasein, und in den Veden steht, daß das für die Lebewesen ganz natürlich ist. Die eigentliche Beschaffenheit des Lebewesens ist ewig, aber durch das Gebundensein im stofflichen Dasein muß es von einem Körper zum anderen wechseln. Dieser Vorgang wird Seelenwanderung genannt. Diese Seelenwanderung wird auch Karma-bandhana genannt, durch sein eigenes Werketun gebunden sein. Ein Lebewesen muß arbeiten, um für seinen Lebensunterhalt aufzukommen, das ist das Gesetz der stofflichen Natur. Wenn wir nicht im Sinne der vorgeschriebenen Pflichten unseres individuellen Lebens handeln, dann übertreten wir das Gesetz der Natur und binden uns selbst mehr und mehr an den Kreislauf der Geburten und Tode. Den Kreislauf der Geburten und Tode gibt es nicht nur in der menschlichen Form des Lebens. Wenn sich jedoch einem Lebewesen die Möglichkeit eines Lebens als Mensch bietet, besteht Aussicht darauf, von der Kette des Karma-Gesetzes frei zu werden. Karma, Akarma und Vikarma sind Prinzipien, die sehr klar in der Bhagavad-gītā beschrieben werden. Handlungen, die im Sinne der in den Offenbarungsurkunden vorgeschriebenen Pflichten ausgeführt werden, werden Karma genannt. Handlungen, die einen von dem Kreislauf der Geburten und Tode befreien, werden Akarma genannt. Und Handlungen, die im Mißbrauch der eigenen Freiheit ausgeführt werden und die einen in die unteren Regionen des Lebens führen, werden Vikarma genannt. Von diesen drei Handlungsweisen ziehen intelligente Menschen diejenige vor, die einen von weiterem Gebundensein an das Karma frei macht. Der Durchschnittsmensch will gute Arbeit leisten, um Anerkennung zu finden und um Prestige in dieser Welt oder einer anderen zu erlangen, aber die fortgeschrittenen Menschen wollen ganz und gar frei werden von den Aktionen und Reaktionen des Werketuns. Die intelligenten Menschen wissen sehr wohl, daß sowohl gutes wie auch schlechtes Werketun Anlaß für die physischen Leiden des Lebens sind. Deshalb trachten sie nach Betätigung, die sie von den Reaktionen des guten und schlechten Werketuns frei macht. Dieses Freiwerden vom guten und schlechten Werketun wird hier in der Śrī Īśopaniṣad beschrieben. Die Unterweisung der Śrī Īśopaniṣad wird eingehender in der Bhagavad-gītā erklärt, die auch manchmal Gītopaniṣad genannt wird und die die Essenz aller Upaniṣaden ist. Der persönliche Gott sagt in der Bhagavad-gītā, daß der Zustand des Naiṣkarma oder Akarma nicht erfahren werden kann, wenn man nicht den vorgeschriebenen Pflichten nachgeht, wie sie in den vedischen Schriften erwähnt werden. Die Veden können die Energien eines Menschen, die das Werketun hervorrufen, in einer solchen Weise regeln, daß der Mensch allmählich die Autorität des Höchsten Wesens zu erkennen beginnt. Wenn man die Autorität des personenhaften Gottes erkennt, dann bedeutet das, daß man die Stufe des positiven Wissens erlangt hat. Auf dieser geläuterten Stufe des Lebens, auf der die drei Erscheinungsweisen der Natur – nämlich Reinheit, Leidenschaft und Unwissenheit – nicht mehr wirken können, wird es einem ermöglicht, auf der Grundlage des Naiṣkarmya bzw. der Arbeit, die nicht an den Kreislauf der Geburten und Tode bindet, seine Werke zu tun. In Wirklichkeit braucht man nichts weiter zu tun, als Gott in hingebungsvoller Liebe zu dienen. Auf der unteren Stufe des Lebens kann man sich jedoch nicht plötzlich die Tätigkeiten des liebenden Gottdienens zu eigen machen, noch ist man in der Lage, gänzlich mit dem Reaktionen hervorrufenden Werketun aufzuhören. Für eine bedingte Seele ist es üblich, direkt oder indirekt für die Befriedigung der Sinne zu arbeiten, für das eigene selbstische Interesse. Der Durchschnittsmensch will für den eigenen Sinnesgenuß arbeiten. Wird dieses Prinzip des Sinnesgenusses des Einzelnen erweitert, um die Gesellschaft, das Volk oder die Menschheit mit einzuschließen, dann nimmt dieses Prinzip verschiedene anziehende Namen an; wie zum Beispiel Altruismus, Sozialismus, Kommunismus, Nationalismus, Humanismus usw. Diese Ismen sind gewiß sehr anziehende Formen des Karma-bandhana, des Gebundenseins durch das eigene Werketun. Die Unterweisung der Śrī Īśopaniṣad jedoch ist folgende: Sollten Sie eines dieser Ismen zu Ihrer Lebensaufgabe gemacht haben, dann konzentrieren Sie alles auf Gott hin. Es schadet nichts, wenn man ein häuslicher Mensch wird, ein Altruist, Sozialist, Kommunist, Nationalist oder Humanist – vorausgesetzt, alle Handlungen werden in Beziehung zur Īśāvāsya, der in Gott gegründeten Erkenntnis, ausgetragen. In Gott gegründete Handlungen werden in der Bhagavad-gītā als so kostbar bewertet, daß man sogar durch ganz wenige solcher Handlungen vor der größten Gefahr bewahrt werden kann. Die größte Gefahr des Lebens besteht darin, wieder in den Evolutionskreislauf der Geburten und Tode herabzusinken. Sollte ein Mensch irgendwie diese Möglichkeit des Geistes, die dieses Leben als Mensch bietet, nicht begreifen und sollte er somit wieder in den Evolutionskreislauf herabsinken, dann kann man das nur als ein äußerst bedauerliches Vorkommnis ansehen, obgleich verblendete Menschen infolge ihrer unvollkommenen Sinnesorgane das nicht verstehen können. Deshalb rät uns die Śrī Īśopaniṣad, unsere Kraft im Sinne der Īśāvāsya zu gebrauchen, und, dahingehend in Anspruch genommen, können wir den Wunsch haben, viele viele Jahre zu leben. Sonst ist ein langes Leben nicht mehr wert als das Leben eines Baumes, der auch ein Lebewesen ist, welches Hunderte von Jahren lebt. Es ist sinnlos, solange wie die Bäume zu leben oder wie ein Blasebalg zu atmen oder wie Schweine und Hunde Kinder zu kriegen oder wie ein Kamel zu fressen. Ein bescheidenes Leben mit in Gott gegründeten Tätigkeiten ist wertvoller als der kolossale Schwindel des sogenannten Altruismus oder Sozialismus, die überhaupt nichts mit Gott zu tun haben. Wenn Betätigungen, wie zum Beispiel im Altruismus, im Geiste der Śrī Īśopaniṣad ausgetragen werden, dann werden alle diese Betätigungen, wie in der Bhagavad-gītā gesagt wird, eine Art des Karma-yoga. Das schützt den Austragenden gegen die Gefahren des Evolutionsvorgangs der Geburten und Tode. Solche in Gott gegründeten Handlungen, auch wenn sie nur halb zu Ende geführt sind, sind trotzdem gut für den Austragenden, weil sie ihm für die nächste Geburt die menschliche Form des Lebens gewährleisten. Und so bietet sich eine nochmalige Gelegenheit, die Position auf dem Pfad des Freiwerdens zu verbessern. DRITTER MANTRA asuryā nāma te lokā andhena tamasāvṛtāḥ tāṁs te pretyābhigacchanti ye ke cātma-hano janāḥ asuryāḥ – für die asuras bestimmt; nāma – berühmt unter dem Namen; te – jene; lokāḥ – Planeten; andhena – Unwissenheit; tamasā – Finsternis; āvṛtāḥ – bedeckt von; tān – dort; te – sie; pretya – nach dem Tode; abhigacchanti – gehen ein; ye – jeder; ke – alle; ca – und; ātma-hanaḥ – der Mörder der Seele; janāḥ – Menschen. ÜBERSETZUNG Der Mörder der Seele, wer immer er sein mag, muß in die Planeten eingehen, die als die Welten der Ungläubigen bekannt sind und die erfüllt sind von Finsternis und Unwissenheit. ERKLÄRUNG Die vielen Verantwortungen unterscheiden das menschliche Leben vom Tierleben. Diejenigen, die diese Verantwortungen erkennen und in diesem Geiste ihre Werke tun, werden Suras, göttlich, genannt. Und die, die diesen Verantwortungen nicht nachkommen und die keine Kenntnis von diesen Verantwortungen haben, werden Asuras, Dämonen, genannt. Im Universum gibt es nur diese beiden Arten von Menschen. Im Ṛg Veda wird erwähnt, daß die Suras immer nach den Lotosfüßen Viṣṇus, des höchsten Herrn, streben und sich auch dementsprechend verhalten. Ihre Wege sind erleuchtend wie der Lauf der Sonne. Die intelligenten Menschen müssen sich ständig darauf besinnen, daß diese besondere Körperform nach einer Evolution von Millionen von Jahren, von einem Körper zum anderen übergehend, erlangt wurde. Diese Stoffeswelt wird manchmal mit einem Ozean verglichen und dieser menschliche Körper mit einem stabilen Boot, das dazu bestimmt ist, diesen Ozean zu überqueren. Das vedische Schrifttum und die Ācāryas, die heiligen Lehrer, werden mit kundigen Bootsführern verglichen, und die Möglichkeiten, die der menschliche Körper bietet, werden mit den günstigen Winden verglichen, die dem Boot helfen können, reibungslos ans gewünschte Ziel zu gelangen. Sollte ein Mensch mit all diesen Möglichkeiten sein Leben nicht vollkommen für die Selbstverwirklichung verwenden, dann muß solch ein Asura als ein Ātma-hana, als ein Mörder der Seele, angesehen werden. Dem Mörder der Seele ist es bestimmt, in die finstersten Regionen der Unwissenheit einzugehen, um unaufhörlich zu leiden. Hier spricht die Śrī Īśopaniṣad in klaren Worten eine Mahnung aus. Die Lebensbedürfnisse der Schweine, Hunde, Kamele, Esel usw. sind genauso wesentlich wie die unserigen. Aber die Lebensbedürfnisse dieser Tiere werden unter unangenehmeren Bedingungen erfüllt, während dem Menschen durch die Naturgesetze alle Möglichkeiten für ein angenehmes Leben gegeben sind, weil die menschliche Form des Lebens wichtiger ist als das Tierleben. Und warum ist dem Menschen ein besseres Leben gegeben, besser als das der Schweine und anderer Tiere? Warum sind einem Angestellten in Vertrauensstellung alle Möglichkeiten eines komfortablen Lebens gegeben und nicht einem kleinen Beamten? Die Antwort ist, daß dem Angestellten in Vertrauensstellung Pflichten obliegen, die gehobener Natur sind. Ebenso sind die Pflichten im Leben eines Menschen von größerer Bedeutung als die der Tiere, die ständig nur damit beschäftigt sind, ihre hungrigen Mägen zu füllen. Die heutige seelenvernichtende Zivilisation hat die Probleme des leeren Magens nur noch gesteigert. Treten wir an das polierte Tier, an den heutigen zivilisierten Menschen heran, dann gibt er uns zu verstehen, daß er für die Zufriedenstellung seines Magens arbeiten will und daß Selbstverwirklichung unnötig ist. Aber die Gesetze der Natur sind so unerbittlich, daß trotz seines Eifers, nur intensiv für seinen Magen zu arbeiten, immer noch das Problem der Arbeitslosigkeit bleibt, auch noch, nachdem die Aussicht auf Selbstverwirklichung verurteilt wurde. Uns ist diese menschliche Form des Lebens nicht gegeben, um uns abzumühen wie der Esel, das Schwein oder der Hund, sondern um die höchste Vollkommenheit des Lebens zu erlangen. Wenn wir von Selbstverwirklichung nichts wissen wollen, dann sorgt das Naturgesetz dafür, daß wir sehr schwer arbeiten müssen, auch wenn wir das gar nicht wollen. In unserer Zeit ist der Mensch gezwungen, sich wie karrenzerrende Esel und Ochsen abzurackern. Dies sind einige Beispiele von Regionen, in die ein Asura zur Arbeit verbannt wird, wie in dieser Strophe der Śrī Īśopaniṣad offenbart wird. Sollte ein Mensch seinen Pflichten als Mensch nicht nachkommen, dann wird er gezwungen, zu den Planeten, die Asurya genannt werden, abzuwandern, zu den entarteten Lebensformen, um sich in Unwissenheit und Finsternis abzuplagen. In der Bhagavad-gītā wird auch gesagt, daß den nicht vollkommen selbstverwirklichten Menschen, denen es in früheren Leben nicht gelungen war, Gott näher zu kommen, die sich aber aufrichtig darum bemüht hatten, mit anderen Worten, deren Bemühung um Erkenntnis ihrer Beziehung zu Gott erfolglos bleiben, die Möglichkeit gegeben wird, in eine Familie der Śuci oder Śrīmata geboren zu werden. Śuci bedeutet ein geistig fortgeschrittener Brahmane, und Śrīmata bedeutet ein Vaiśya bzw. ein Angehöriger des Kaufmannsstandes. Das heißt, daß diesen vom Ziel abgeirrten Wesen aufgrund ihrer aufrichtigen Bemühungen eine günstigere Gelegenheit zur Selbstverwirklichung gegeben wird. Wenn also schon denen, die das Ziel nicht erreicht haben, die Möglichkeit gegeben wird, in angesehenen, edlen Familien geboren zu werden, dann können wir uns kaum die Position derjenigen vorstellen, deren Bemühen erfolgreich war. Schon ein Versuch, sich Gott zu vergegenwärtigen, gewährleistet im folgenden Leben die Geburt in einer angesehenen Familie. Aber diejenigen, die sich nicht auf diese Weise bemühen, die von der Illusion umgarnt sein wollen, die zu materialistisch sind und die dem leiblichen Genuß zu sehr anhaften, müssen in die finstersten Regionen der Hölle eingehen. Das wird vom gesamten vedischen Schrifttum bestätigt. Solche materialistischen Asuras protzen manchmal mit Religiosität und sehen das endgültige Ziel im materiellen Wohlstand. Die Bhagavad-gītā jedoch tadelt diese Menschen, die nur aufgrund trügerischer Vollkommenheit bedeutend genannt werden und denen materieller Wohlstand und die Stimmen der Unwissenden die Macht gegeben haben. Solche Asuras, bar jeglicher Selbstverwirklichung und ohne Vorstellung von Īśāvāsya, dem Herrn, gehen zweifellos in die finstersten Regionen ein. Daraus können wir ersehen, daß wir nicht dazu bestimmt sind, auf unsicheren Grundlagen nur die ökonomischen Probleme zu lösen. Wir sind darüberhinaus dazu bestimmt, die Probleme des stofflichen Daseins zu lösen, in das wir durch die Regelung der Natur versetzt wurden. VIERTER MANTRA anejad ekaṁ manaso javīyo nainad devā āpnuvan pūrvam arṣat tad dhāvato ´nyān atyeti tiṣṭhat tasminn apo mātariśvā dadhāti anejat – fest; ekam – einem; manasaḥ – den Geist übertreffend; javīyaḥ – schnell; na – nicht; enat – der höchste Herr; devāḥ – die Halbgötter wie Indra usw.; āpnuvan – können sich nähern; pūrvam– der erste von allen; arṣat – der, der alles weiß; tat – das; dhāvataḥ – diejenigen, die sich schnell bewegen; anyān – andere; atyeti – er übertrifft; tiṣṭhat – obgleich sich befindend; tasmin – an einem Ort; apaḥ – Wasser; mātariśvā– die Halbgötter, die über Luft und Regen gebieten; dadhāti – ausführen. ÜBERSETZUNG Der persönliche Gott ist, wenn auch stets in Seinem Reiche, schneller als der Geist und übertrifft alle anderen spielend. Die mächtigen Halbgötter kommen Ihm nicht einmal annähernd gleich. Obgleich Er an einem bestimmten Orte weilt, gebietet Er über die, die für Luft und Regen sorgen. Er überragt alle an Vortrefflichkeit. ERKLÄRUNG Den höchsten Herrn, den absoluten gestalthaften Gott, können selbst die größten Philosophen durch intellektuelles Spekulieren nicht erfassen. Er kann einzig durch Seine Gnade von dem sich Ihm liebevoll Weihenden erkannt werden. In der Brahma-saṁhitā wird gesagt, daß die Philosophen, die keine Gottgeweihten sind und die sich mit der Schnelligkeit des Geistes fortbewegen können oder mit der Geschwindigkeit der Luft und die Hunderte von Jahren im Weltenraum umherwandern können, dem Absoluten immer noch sehr sehr fern sind. In den Upaniṣaden wird beschrieben, wie der absolute persönliche Gott in Seinem überweltlichen Reiche, das Kṛṣṇa-loka genannt wird, weilt und wie Er dort, in Seine göttlichen Spiele vertieft, ständig gegenwärtig ist. Aber durch Seine unvorstellbare Kraft durchwaltet Er gleichzeitig jeden Teil der Schöpfungskraft. Im Viṣṇu Purāṇa wird diese Kraft mit dem Licht und der Wärme des Feuers verglichen. Das Feuer kann Licht und Wärme von einer bestimmten Stelle ausstrahlen, und ebenso kann der absolute persönliche Gott überallhin Seine mannigfaltigen Kräfte verbreiten, obgleich Er ständig in Seinem überweltlichen Reiche gegenwärtig ist. Diese Kräfte sind unzählbar, doch werden sie grundsätzlich eingeteilt in: die innere Kraft, die an der Grenze verlaufende Kraft und die äußere Kraft. Jede dieser Kräfte hat Hunderte und Millionen von Unterteilungen. Die herrschenden Halbgötter, die ermächtigt sind, über die Naturphänomene zu walten, wie Luft, Licht, Regen usw., gehören alle zur an der Grenze verlaufenden Kraft der Absoluten Person. Die Lebewesen – und das schließt die Menschen mit ein – sind auch ein Produkt der an der Grenze verlaufenden Kraft Gottes. Das Weltall der Materie ist eine Schöpfung der äußeren Kraft Gottes, und das überweltliche Reich, in dem sich das Königsland Gottes befindet, ist die Manifestation Seiner inneren Kraft. Die mannigfaltigen Energien Gottes sind überall durch Seine verschiedenen Kräfte vertreten. Obgleich kein Unterschied zwischen Ihm und Seinen Energien besteht, darf man trotzdem nicht den falschen Schluß daraus ziehen, daß der höchste Herr, der auf diese Weise überallhin verbreitet ist, Sein ganz persönliches Dasein einzig im unpersönlichen Brahman hat. Die Menschen ziehen gewöhnlich nur nach dem Grade ihres Verstandesvermögens ihre Schlüsse. Der höchste Herr ist aber nicht unserem Unvermögen, Ihn zu verstehen, unterworfen. Deshalb geben uns die Upaniṣaden zu verstehen, daß niemand durch seine eigene beschränkte Kraft Gott näherkommen kann. In der Bhagavad-gītā sagt der Herr, daß niemand Ihn erkennen kann, auch nicht die großen Ṛṣis und Suras. Und erst recht nicht die Asuras, die noch nicht einmal befähigt sind, Gottes Wesen zu verstehen. Der vierte Mantra der Śrī Īśopaniṣad gibt uns ganz klar zu verstehen, daß die Absolute Wahrheit allerletztlich die Absolute Person ist. Sonst wäre es wohl kaum nötig, so viele Dinge als Beweis Seiner persönlichen Eigenschaften zu erwähnen. Individuelle Teile der Kräfte Gottes haben, obgleich ihnen alle Qualitäten Gottes gegeben sind, trotzdem beschränkte Wirkungskreise und sind deshalb als begrenzt anzusehen. Die Teile entsprechen niemals dem Ganzen. Deshalb können die Teile die volle Kraft Gottes nicht richtig einschätzen. Die verblendeten und unwissenden Lebewesen, die wesentliche Bestandteile Gottes sind, versuchen unter dem Einfluß der Stoffeskraft, Mutmaßungen über das transzendentale Dasein Gottes anzustellen. Die Śrī Īśopaniṣad ermahnt sie, von allen intellektuellen Spekulationen über die Identität Gottes abzulassen. Man muß das Überweltliche aus den erhabenen Quellen der Veden erfahren, die bereits im Wissen des Überweltlichen wurzeln. Jeder Teil des Vollkommenen Ganzen ist mit einer bestimmten Wirkungskraft versehen, und wenn der Teil seine besonderen, ihm zustehenden Tätigkeiten vergißt, dann wird das Māyā, Illusion, genannt. Deshalb hat uns die Śrī Īśopaniṣad gleich von Anfang an ermahnt, darauf bedacht zu sein, die Position einzunehmen, die uns von Gott zugewiesen ist. Das heißt aber nicht, daß die individuelle Seele keine eigene Initiative hat. Weil sie ein wesentlicher Bestandteil Gottes ist, muß sie ebenfalls die Initiative Gottes haben. Die richtige Anwendung unserer Initiative, unserer aktiven Natur, gepaart mit genug Intelligenz, um zu verstehen, daß alles nur die Kraft Gottes ist, kann zum Wiederaufleben unseres eigentlichen Bewußtseins führen, das wir durch unsere Verbindung mit Māyā, mit der äußeren Kraft, verloren haben. Alle Kräfte kommen von Gott, und deshalb muß jede einzelne Kraft einzig und allein dafür eingesetzt werden, den Willen Gottes auszuführen. Der Herr kann von denen erkannt werden, die sich eine ergebene Haltung zu eigen gemacht haben. Vollkommenes Wissen bedeutet, den Herrn in allen Seinen Eigenschaften zu kennen, von Seinen Kräften zu wissen und zu wissen, wie die Kräfte sich durch Seinen Willen auswirken. Diese Dinge werden ausschließlich vom Herrn in der Bhagavad-gītā beschrieben, die die Essenz aller Upaniṣaden ist. FÜNFTER MANTRA tad ejati tan naijati tad dūre tad v antike tad antarasya sarvasya tad u sarvasyāsya bāhyataḥ tat – der höchste Herr; ejati – bewegt Sich; tat – Er; na – nicht; ejati – bewegt Sich; tat – Er (ist); dūre – weit entfernt; tat – Er (ist); u – auch; antike – ganz nah; tat – Er (ist); antaḥ – in; asya – von dem; sarvasya – alle; tat – Er (ist); u – auch; sarvasya – alle; asya – hiervon; bāhyataḥ – außerhalb von. ÜBERSETZUNG Der höchste Herr bewegt Sich und bewegt Sich nicht. Er ist weit entfernt, und doch ist Er ganz nah. Er ist in allen Dingen, und dann wiederum ist Er jenseits aller Dinge. ERKLÄRUNG Hier findet sich eine Erklärung des überweltlichen Wirkens des höchsten Herrn durch Seine unvorstellbaren Kräfte. Zwei Gruppen sich widersprechender Worte werden hier erwähnt, um die unvorstellbare Kraft Gottes zu bekunden. Er bewegt sich, und Er bewegt sich nicht. Diese beiden Wendungen widersprechen sich. Wenn jemand sich bewegen kann, dann ist es falsch zu sagen, daß er sich nicht bewegen kann. Diese Widersprüche zeigen die unvorstellbare Macht Gottes. Mit unserem begrenzten Wissen können wir diese Dinge nicht in Einklang bringen, und deshalb wird Gott vom Standpunkt unseres begrenzten Verstandesvermögens begriffen. Die Philosophen, die Anhänger der Lehre vom Unpersönlichen, die der Māyā-vāda-Schule angehören, akzeptieren nur den unpersönlichen Aspekt von Gottes Wirken und bestreiten Seine persönlichen Eigenschaften. Die Bhāgavata-Lehre jedoch erkennt beide Seiten Gottes, die persönliche und die unpersönliche. Und die Bhāgavatas akzeptieren auch Seine unvorstellbaren Kräfte. Ohne unermeßliche Kraft verlieren die Worte höchster Herr ihre Bedeutung. Wir dürfen es nicht als erwiesen betrachten, daß es ein persönliches Dasein Gottes nicht gibt, nur weil wir Gott nicht vor uns sehen können. Um dieses Argument zu widerlegen, weist die Śrī Īśopaniṣad darauf hin, daß der Herr weit fort von uns und ebenfalls ganz nahe bei uns ist. Das Reich Gottes befindet sich jenseits dieser stofflichen Welt. Uns ist es noch nicht einmal möglich, dieses Weltall der Materie zu messen. Wenn schon das Weltall der Materie so unglaublich fern von uns ist, wie fern muß dann erst das überweltliche Reich sein, das ganz und gar jenseits der stofflichen Welt liegt. Daß das überweltliche Reich unglaublich fern dieses Weltalls der Materie liegt, wird auch in der Bhagavad-gītā bestätigt. Aber obgleich der Herr so weit fort ist, kann Er doch augenblicklich, in weniger als einer Sekunde, vor uns erscheinen, mit einer Schnelligkeit, die gewaltiger ist als die des Geistes oder der Luft. Er kann sich so schnell fortbewegen, daß niemand Ihn übertreffen kann. Das wurde schon in der vorherigen Strophe beschrieben. Wenn jedoch Gott in Seiner Gestalt unter uns sichtbar wird, dann mißachten wir Ihn. In der Bhagavad-gītā mißbilligt der Herr diese Mißachtung von verblendeten Menschen. Der Herr sagt, daß die Verblendeten Ihn verspotten und Ihn für einen der Sterblichen halten. Aber Er ist kein Sterblicher, noch erscheint Er unter uns mit einem Leib von grobstofflicher Beschaffenheit. Viele sogenannte Gelehrte sagen, daß Gott ebenso wie die gewöhnlichen Lebewesen in einem Körper aus Materie herabsteigt. Diese verblendeten Menschen stellen Gott, dessen unvorstellbare Macht sie nicht erfassen können, auf die gleiche Stufe wie den gewöhnlichen Menschen. Weil Gott von unvorstellbaren Kräften erfüllt ist, kann Er unser Dienen durch jegliches Medium entgegennehmen, und Er kann Seine verschiedenen Kräfte nach Seinem Willen wandeln. Die Zweifler behaupten, Gott kann sich nicht verkörpern, oder wenn überhaupt, dann erscheint Er in einer der stofflichen Seinsformen. Diese Behauptung wird nichtig, sobald wir Seine unvorstellbaren Kräfte als Realitäten akzeptieren. Sollte Er in einer der stofflichen Seinsformen vor uns erscheinen, dann kann Er ohne weiteres die stoffliche Kraft in geistige Kraft umwandeln. Da der Ursprung der Kräfte ein und derselbe ist, können die Kräfte ganz nach dem Willen des Kraftursprungs verwendet werden. Zum Beispiel erscheint Gott in den Arcās, den Bildgestalten, die dem Anschein nach aus Erde und Stein hergestellt sind. Diese Formen jedoch – aus Holz, Stein oder irgendwelchen anderen Materialien geformt – sind keine Götzenbilder, wie von den Bilderstürmern behauptet wird. Im jetzigen Zustand unseres unvollkommenen physischen Daseins können wir den höchsten Herrn mit unserem unvollkommenen Sehvermögen nicht wahrnehmen. Dennoch wird den Gottgeweihten, die Ihn durch die physische Sehkraft wahrnehmen wollen, von Gott Gnade erwiesen, der dem Anschein nach in physischer Form erscheint, um das Dienen der sich Ihm Weihenden entgegenzunehmen. Das bedeutet aber nicht, daß diese Gottgeweihten, die sich auf der untersten Stufe des liebevollen Dienens befinden, ein Götzenbild anbeten. Sie verehren Gott, den Herrn, der bereit ist, in einer ihnen zugänglichen Form zu erscheinen. Diese Arcā-Form wird nicht nach der Laune oder auf Bestellung des Anbetenden angefertigt. Diese Form, mit all ihrem Zubehör, existiert ewiglich. Von einem aufrichtig sich Hingebenden kann das auch tatsächlich wahrgenommen werden, nicht jedoch von einem Atheisten. In der Bhagavad-gītā sagt der Herr, daß Er die sich Ihm Weihenden nach dem Grad ihrer Hingabe behandelt. Er behält Sich das Recht vor, Sich, außer dem sich Ihm Weihenden, nicht jedem zu offenbaren. Deshalb ist Er für die sich Ihm hingebende Seele ständig in Reichweite, während Er für die sich Ihm nicht hingebende Seele weit weit entfernt ist und nicht erreicht werden kann. Es gibt zwei Worte in den Offenbarungsurkunden, die in diesem Zusammenhang von Bedeutung sind: Saguṇa und Nirguṇa, mit Eigenschaften und ohne Eigenschaften. Saguṇa bedeutet nicht, daß der Herr den Gesetzen der stofflichen Natur unterliegt, wenn Er sichtbar wird, obgleich Er voller Eigenschaften ist und obgleich Er in der physischen Form erscheint. Für Ihn gibt es keinen Unterschied zwischen stofflichen und geistigen Kräften, weil Er der Ursprung aller solcher Kräfte ist. Er ist der Regler aller dieser verschiedenen Kräfte, und als solcher ist Er nie, so wie wir, ihrem Einfluß ausgesetzt. Die stoffliche Kraft wirkt sich gemäß Seinen Anweisungen aus, und deshalb kann Er die stoffliche Kraft für Seine Zwecke gebrauchen, ohne jedoch von irgendwelchen Eigenschaften Seiner Kräfte beeinflußt zu werden. Noch wird Er für diese Zwecke je ein gestaltloses Wesen. Allerletztlich ist Er der Inbegriff der Gestalt, der urerste Herr. Der eigenschaftslose Aspekt, der Glanz des Brahman, ist das Leuchten der Strahlen, die von Seiner Gestalt ausgehen, ebenso wie die Sonnenstrahlen vom Sonnengott ausgehen. Als der junge Heilige Prahlāda Mahārāj in Anwesenheit seines gottlosen Vaters von diesem gefragt wurde: ‹Wo ist denn nun dein Gott?›, antwortete der Knabe Prahlāda, daß Gott überall sei. Darauf fragte ihn der Vater zornentbrannt, ob sein Gott auch in den Säulen des Palastes sei. Der Knabe bejahte das. Daraufhin zertrümmerte der gottlose König die nächstbeste Säule, und sofort erschien der Herr als Nṛsiṁha (die Verkörperung in Halb-Mensch-, Halb-Löwengestalt) aus dem Inneren der Säule und tötete den gottlosen König. Das bedeutet, daß der Herr in allen Dingen, die durch Seine verschiedenen Kräfte erschaffen sind, gegenwärtig ist. Und durch Seine unvorstellbare Macht kann Er überall sichtbar werden, um dem sich Ihm aufrichtig Weihenden Gnade zu erweisen. Der Herr als Nṛsiṁha erschien nicht auf Befehl des gottlosen Königs aus dem Inneren der Säule, sondern auf Wunsch des Gottgeweihten Prahlāda. Ein Atheist kann dem Herrn nicht befehlen zu erscheinen, aber um dem sich Ihm hingebungsvoll Weihenden Gnade zu erweisen, kann der Herr überall und zu jeder Zeit sichtbar werden. Die Bhagavad-gītā sagt als Bestätigung dazu, daß der Herr erscheint, um die Ungläubigen zu vernichten und die Gläubigen zu beschützen. Natürlich hat der Herr genügend Kräfte und Bevollmächtigte, die die Ungläubigen vernichten können, doch bereitet es Ihm Freude, den Gottgeweihten Gnade zu erweisen, und so steigt Er als eine der Inkarnationen herab. Er tut das also nur, um den sich Ihm Weihenden Gnade zu erweisen und aus keinem anderen Grund. In der Brahma-saṁhitā wird gesagt, daß Govinda, der urerste Herr, durch Seine uneingeschränkten Teilaspekte alles durchdringt. Er durchdringt sowohl das Universum wie auch die Atome des Universums. Jenseits ist Er in der Virāṭa-Gestalt und diesseits als der Antaryāmi gegenwärtig. Als Antaryāmi ist Er Zeuge all unseren Tuns, und in Form des Karma-phala läßt Er uns das Ergebnis unseres Tuns zukommen. Wir selbst mögen wohl vergessen, was wir in unseren früheren Leben getan haben, aber da der Herr als Zeuge unseres Tuns gegenwärtig ist, bleibt auch die Auswirkung unseres Tuns nie aus, und wir haben somit die Reaktionen zu erdulden. In Wirklichkeit gibt es diesseits und jenseits nichts außer Gott. Alles ist eine Offenbarung Seiner verschiedenen Kräfte, gleich der Wärme und dem Licht des Feuers. Das bedeutet, daß es ein Einssein zwischen den verschiedenen Kräften gibt. Trotz dieses Einsseins jedoch genießt der Herr in Seiner persönlichen Gestalt all das, was die unvollkommenen Sinnesorgane der winzigen Teile, der Lebewesen, genießen können. SECHSTER MANTRA yas tu sarvāṇi bhūtāny ātmany evā nupaśyati sarva-bhūteṣu cātmānaṁ tato na vijugupsate yaḥ – ein Mensch; tu – aber; sarvāṇi – alles; bhūtāni – Lebewesen; ātmani – in Beziehung zum höchsten Herrn; eva – nur; anupaśyati – der alles genau sieht; sarva-bhūteṣu – in jedem Lebewesen; ca – und; ātmānam – die Überseele; tataḥ – danach: na – nicht; vijugupsate – haßt irgendein Wesen. ÜBERSETZUNG Ein Mensch, der alles in Beziehung zum höchsten Herrn sieht, der alle Wesen als Seine wesentlichen Bestandteile sieht und der den höchsten Herrn in allem sieht, verabscheut nichts, noch haßt er irgendein Wesen. ERKLÄRUNG Hier findet sich eine Erklärung des Mahābhāgavata, der überragenden Persönlichkeit, die alles in Verbindung mit dem höchsten gestalthaften Gott sieht. Es gibt drei Stufen, auf denen man die Gegenwart des höchsten Gottes erkennt: Auf der untersten Stufe der Gotterkenntnis wird der Mensch Kaniṣṭha Adhikārī genannt. Er geht, je nach der Art seines Glaubens, in ein bestimmtes Gotteshaus, wie zum Beispiel in den Tempel, die Kirche oder die Moschee und betet dort, wie es die heiligen Schriften vorschreiben. Die Anhänger dieser Richtung glauben, daß Gott in den Gotteshäusern ist und nirgendwo anders. Sie erkennen nicht, welchen Punkt ein Mensch in der Erkenntnis Gottes erlangt hat. Sie folgen ihren routinemäßigen Handlungsweisen, und manchmal streiten sie miteinander, weil sie eine bestimmte Art der Anbetung für besser halten als eine andere. Diese Kaniṣṭha Adhikārīs, die sich auf der untersten Stufe der Hingabe befinden, werden materialistische Gottgeweihte genannt, d.h. diejenigen, die gerade versuchen, den materiellen Bereich zu überwinden, um der geistigen Ebene näherzukommen. Über diesen Kaniṣṭha Adhikārīs stehen die Madhyam Adhikārīs, die Gottgeweihten, die sich im Zwischenstadium des hingebungsvollen Dienens befinden. Diese Madhyam Adhikārīs befolgen in Verbindung mit Gott vier Grundsätze, die folgende sind: 1. Sie sehen zu allererst den höchsten Herrn; 2. dann sehen sie die sich Gott Weihenden; und 3. die Unschuldigen, die keine Kenntnis von Gott haben; und 4. letztlich sehen sie die Atheisten, die nicht an Gott glauben und die diejenigen verabscheuen, die ihr Leben Gott weihen. Ein Madhyam Adhikārī verhält sich verschiedenartig gegenüber den oben genannten Grundsätzen. Er verehrt den Herrn und sieht Ihn als das Objekt aller Liebe, und er schließt Freundschaft mit denen, die ihr Leben Gott weihen. Er versucht, die verborgene Gottesliebe in den Herzen der harmlosen Menschen zu wecken, aber er nähert sich nicht den Atheisten, die schon die bloße Erwähnung des Namen Gottes verhöhnen. Über diesem Madhyam Adhikārī steht der Uttama Adhikārī, der alles in Beziehung zum höchsten Herrn sieht. Er macht keinen besonderen Unterschied zwischen den Atheisten und den Theisten, denn er sieht in jedem Einzelnen einen Teil Gottes. Er weiß, daß es keinen Unterschied zwischen einem hochgelehrten Brahmanen und einem Straßenhund gibt, weil beide Teile Gottes sind, obgleich sie sich durch die verschiedenen Eigenschaften der stofflichen Auswirkung in verschiedenen Körpern befinden. Der Teil des höchsten Herrn, der ein Brahmane ist, hat sein geringes Maß an Willensfreiheit, welches ihm von Gott gegeben wurde, nicht mißbraucht, während der Teil, der ein Hund ist, seine Freiheit mißbraucht hat und nun, durch das Naturgesetz bestraft, in die von Unwissenheit erfüllte Form eines Hundes eingeschlossen ist. Ungeachtet der jeweiligen Taten des Brahmanen und des Hundes versucht der Uttama Adhikārī, beiden Gutes zu tun. Solch ein gelehrter Gottgeweihter läßt sich nicht durch den stofflichen Körper des Brahmanen und des Hundes täuschen. Ihn zieht einzig der geistige Funke in jedem Wesen an. Die Menschen, die einen Uttama Adhikārī im Sinne vom Einssein, des gemeinsamen Verbundenseins, imitieren, die aber auf der Ebene körperlicher Beziehungen handeln, sind falsche Philanthropen. Deshalb muß die universelle Brüderlichkeit von einem Uttama Adhikārī gelernt werden, der sein Leben Gott geweiht hat und nicht von einem verblendeten Menschen, der kein genaues Bild von der individuellen Seele und der Überseele hat, die ein uneingeschränkter Teilaspekt des alldurchdringenden höchsten Herrn ist. In diesem Mantra der Śrī Īśopaniṣad wird ganz deutlich erwähnt, daß man wahrnehmen, sehen muß. Das bedeutet, daß man dem vorhergehenden Ācārya, dem unfehlbaren Lehrer, folgen muß. Anupaśyati ist das eigentliche Sanskritwort, das in diesem Zusammenhang gebraucht wird. Anu bedeutet folgen, und paśyati bedeutet wahrnehmen. Man darf nicht versuchen, die Dinge so zu sehen, wie man sie mit dem bloßen Auge wahrnimmt. Das bloße Auge kann durch seine stoffliche Mangelhaftigkeit nichts in seiner richtigen Perspektive sehen. Man kann die Wahrheit nicht wirklich verstehen, ohne sie von einem höheren Ursprung vernommen zu haben. Und der höchste Ursprung ist das vedische Wissen, das von Gott Selbst verkündet wird. Diese Wahrheit wird durch die Nachfolge der geistigen Meister von Gott an Brahmā weitergegeben, von Brahmā an Nārada, von Nārada an Vyāsa und von Vyāsa an Seine vielen Schüler. Ehemals war es nicht nötig, die Botschaft der Veden aufzuzeichnen, weil die Menschen in vergangenen Zeitaltern intelligenter waren und ein ausgeprägteres Gedächtnis hatten, und weil sie ohne weiteres, nur durch einmaliges Hören vom Munde des echten Geisteslehrers, seinen Unterweisungen folgen konnten. Es gibt heute viele Kommentare über die Offenbarungsurkunden, aber die meisten richten sich nicht nach den Grundsätzen Śrīla Vyāsadevas, der ursprünglich die vedische Weisheit lehrte. Das entscheidende, vollkommenste und erhabenste Werk Śrīla Vyāsadevas ist das Śrīmad-Bhāgavatam, welches der maßgebliche Kommentar zur Vedānta-sūtra ist. Ebenso gibt es die Bhagavad-gītā, die vom Herrn Selbst gesprochen und die von Vyāsadeva aufgezeichnet wurde. Dies sind die wesentlicheren der vielen Offenbarungsurkunden, und jeder Kommentar, der nicht den Grundsätzen der Gītā oder des Śrīmad-Bhāgavatam entspricht, ist als unzulässig anzusehen. Zwischen den Upaniṣaden, dem Vedānta, den Veden, der Bhagavad-gītā und dem Śrīmad-Bhāgavatam besteht eine vollkommene symmetrische Übereinstimmung. Deshalb sollte niemand versuchen, über die Veden irgendwelche Schlüsse zu ziehen, ohne nicht von denen, die sich nach den Grundsätzen Vyāsadevas richten, d.h. die direkte Nachfolger Vyāsadevas sind, unterwiesen zu werden oder wenigstens von denen, die an den persönlichen Gott und Seine mannigfaltigen Kräfte glauben. Ein Uttama Adhikārī, der sein Leben Gott geweiht hat, kann im Sinne der Bhagavad-gītā nur derjenige werden, der sich schon im befreiten Zustand befindet. In jedem Menschen und in jedem Lebewesen sieht er seinen eigenen Bruder. Die Politiker, die immer nur nach materiellem Gewinn streben, können das nicht verstehen. Nachahmung dieses befreiten Zustandes bedeutet, der äußeren Hülle, dem Körper zu dienen, (um Ruhm oder dergleichen als Belohnung zu erlangen), aber damit ist der Geistesseele nicht gedient. Solche Imitatoren haben keine Kenntnis von der transzendentalen Welt. Der Uttama Adhikārī sieht die Seele eines Wesens, und er dient ihr auf geistiger Ebene, was automatisch auch die materielle Ebene mit einschließt. SIEBENTER MANTRA yasmin sarvāṇi bhūtāny ātmaivābhūd vijānataḥ tatra ko mohaḥ kaḥ śoka ekatvam anupaśyataḥ yasmin – im Zustand; sarvāṇi – alle; bhūtāni – Lebewesen; ātmā – der geistige Funke (cit-kaṇa); eva– nur; abhūt – es wird eine Tatsache; vijānataḥ – jemand, der Wissen hat; tatra – darüber; kaḥ – was; mohaḥ – Illusion; kaḥ – was; śokaḥ – Angst; ekatvam – von gleicher Beschaffenheit; anupaśyataḥ – jemand, der alles im Sinne der Unterweisungen der großen Meister sieht. ÜBERSETZUNG Demjenigen, der alle lebenden Wesen unveränderlich als geistige Funken sieht, der Beschaffenheit nach eins mit Gott, dem wird das wahre Wissen von allen Dingen zuteil. Was könnte da noch Illusion oder Angst in ihm hervorrufen? ERKLÄRUNG Außer den beiden weiter fortgeschrittenen Gottgeweihten, die zuvor beschrieben wurden, kann niemand genau den geistigen Stand eines Lebewesens erkennen. Die Lebewesen sind qualitativ eins mit Gott, ähnlich wie die Funken des Feuers qualitativ eins sind mit dem Wesen des Feuers. Aber was die Quantität betrifft, sind die Funken nicht das Feuer. Die Quantität der Wärme und des Lichtes, die im Feuer gegenwärtig sind, gleichen nicht der Quantität der Wärme und des Lichtes in den Funken. Der Mahā-bhāgavata, der große Gottgeweihte, sieht ein Einssein in dem Sinne, daß alles die Kraft des höchsten Herrn ist. Und da zwischen der Kraft und dem Kraftursprung kein Unterschied besteht, gibt es in diesem Sinne ein Einssein. Ohne Wärme und Licht verliert das Wort Feuer seinen Sinn, doch vom analytischen Standpunkt aus unterscheiden sich Wärme und Licht vom Feuer. Aber in der Synthese sind Wärme, Licht und Feuer ein und dasselbe. Die Sanskritworte ekatvam anupaśyataḥ bedeuten, die Einheit der Lebewesen aus der Sicht der Offenbarungsurkunden zu erkennen. Jeder individuelle Funke des Höchsten Ganzen besitzt fast achtzig Prozent der bekannten Eigenschaften des Ganzen, die aber nicht denen Gottes gleichkommen. Da die Lebewesen nur winzige Teile des Höchsten Ganzen sind, sind diese Eigenschaften nur in winziger Quantität vorhanden. Es verhält sich so wie mit einem Tropfen Wasser und dem Ozean: Die Salzmenge in einem Tropfen läßt sich nicht mit der Salzmenge im ganzen Ozean vergleichen. Aber die Beschaffenheit des Salzes in einem Tropfen ist der chemischen Zusammensetzung nach gleich der Beschaffenheit des Salzes im Ozean. Wäre das einzelne Lebewesen gleichwertig in Qualität wie auch Quantität, dann würde es nie vom Einfluß der stofflichen Energie umhüllt werden. Es wurde ja schon in den vorangegangenen Mantras gesagt, daß kein Lebewesen, auch nicht die mächtigen Halbgötter, es dem Höchsten Wesen in irgendeiner Weise gleichtun kann. Deshalb bedeutet ekatvam nicht, daß das Lebewesen dem höchsten Herrn in jeder Hinsicht ebenbürtig ist. Es bedeutet im weiteren Sinne, daß es ein gemeinsames Ziel gibt, genauso wie in einer Familie das Bestreben aller Angehörigen eins ist. Obgleich eine Nation sich aus den verschiedensten individuellen Bürgern zusammensetzt, ist doch das nationale Interesse das gleiche. Da die Lebewesen wesentliche Bestandteile der gleichen Höchsten Familie sind, sind die Interessen des Höchsten Wesens und die der einzelnen Teile nicht voneinander verschieden. Jedes Lebewesen ist ein Sohn des Höchsten Wesens. Die Bhagavad-gītā sagt, daß alle lebenden Kreaturen im gesamten Universum, einschließlich der Vögel, Reptilien, Ameisen, Wassertiere, Bäume u.s.w. von der an der Grenze verlaufenden Kraft des höchsten Herrn ausgehen. Und deshalb gehören sie alle zu derselben Familie des Höchsten Wesens. Im geistigen Leben stehen die Interessen nicht im Widerspruch zueinander. Alle Lebewesen sind für die Freude bestimmt. Von Natur aus, von der Veranlagung her, ist jedes Lebewesen, sowohl der höchste Herr wie auch jeder einzelne Teil, ewiglich für die Freude bestimmt. Die Lebewesen, die in dem stofflichen Leib eingeschlossen sind, suchen auch immer nach Freude, aber sie suchen ihre Freude auf einer Ebene, die nicht für sie bestimmt ist. Außer dieser stofflichen Welt gibt es die überweltliche Ebene, wo das Höchste Wesen und Seine unzähligen Beigesellten ohne die geringste Spur stofflicher Eigenschaften von Freude erfüllt sind. Diese Ebene wird Nirguṇa genannt. Auf der Nirguṇa-Ebene gibt es keinen Konflikt in der Freude. Hier in der vergänglichen Welt herrscht ständig Streit zwischen den einzelnen Wesen, weil hier der Mittelpunkt der Freude nicht begriffen wird. Der Mittelpunkt der Freude ist der höchste Herr, der der Mittelpunkt des erhabenen überweltlichen Rāsa-Tanzes ist. Wir alle sind dazu bestimmt, uns mit Ihm zu vereinigen, uns mit nur einem überweltlichen Interesse und ohne jeglichen Konflikt des Lebens zu erfreuen. Das ist die hohe Ebene der geistigen Bestrebungen. Und sobald solch eine vollkommene Form des Einsseins realisiert wird, kann von Illusion oder Wehklagen nicht mehr die Rede sein. Māyā, Illusion, bedeutet eine gottlose Zivilisation, deren Auswirkung Leid bringt. Die gottlose Zivilisation, die von den heutigen Politikern gefördert wird, ist ständig voller Ängste. Das ist das Gesetz der Natur. Niemand ist imstande, wie in der Bhagavad-gītā erklärt wird, sich diesem Gesetz zu entziehen. Nur diejenigen, die sich den Lotosfüßen des höchsten Herrn hingeben, können die zwingenden Naturgesetze überwinden. Sollten wir deshalb den Wunsch haben, uns aller Arten von Illusionen und Ängsten zu entledigen und eine Eintracht zwischen allen verschiedenen Interessen zu schaffen, dann müssen wir Gott in all unser Tun bringen. Mit den Ergebnissen unseres Tuns müssen wir den Interessen Gottes und nicht einem anderen Zweck dienen, weil wir, wie hier in der Śrī Īśopaniṣad erwähnt wird, nur, indem wir dem Interesse Gottes dienen, die Bedeutung des Ātma-bhūta wahrnehmen können. In der Bhagavad-gītā wird gesagt, daß dies und die Bedeutung des Brahma-bhūta ein und dasselbe sind: Der höchste Ātmā, die Höchste Seele, ist der Herr Selbst und der unendlich kleine Ātmā ist das Lebewesen. Der höchste Ātmā, der Paramātmā allein versorgt alle individuellen, unendlich kleinen Wesen, weil Er Sich ihrer Zuneigung erfreuen möchte. Ein Vater setzt sich durch seine Kinder fort, und er versorgt sie, um Freude an ihnen zu haben. Wenn die Kinder des Vaters seinem Willen ergeben sind, dann verlaufen die Familienangelegenheiten reibungslos, die Interessen sind eins, und es herrscht eine angenehme Atmosphäre. Genau dasselbe gibt es auf der transzendentalen Ebene des Brahman, bzw. in der absoluten Familie des Param Brahman, des höchsten geistigen Wesens. Das Param Brahman ist genauso eine Person wie auch die individuellen Wesen Personen sind. Kein Wesen ist eigenschaftslos. Diese transzendentalen Personen sind angefüllt mit transzendentaler Glückseligkeit, Erkenntnis und unvergänglichem Leben. Das ist die wahre Position des geistigen Daseins. Und sobald man diese transzendentale Position voll erkannt hat, gibt man sich augenblicklich den Lotosfüßen des Höchsten Wesens, Śrī Kṛṣṇa, hin. Aber solche Mahātmās, solche großen Seelen, sieht man nur selten, weil man diese transzendentale Erkenntnis erst nach unendlich vielen Geburten erlangt. Ist sie einem aber erst einmal zuteil geworden, dann gibt es keine Illusion und kein Leid mehr, kein Elend des vergänglichen Daseins und keine Geburt und keinen Tod mehr, wie wir sie in unserem jetzigen Lebenszustand erfahren. Das ist die Unterweisung, die uns mit diesem Mantra der Śrī Īśopaniṣad gegeben wird. ACHTER MANTRA sā paryagāc chukram akāyam avraṇam asnāviraṁ śuddham apāpa-viddham kavir manīṣī paribhūḥ svayambhūr yāthātathyato ’rthān vyadadhāc chāśvatībhyaḥ samābhyaḥ saḥ – solch ein Mensch; paryagāt – muß wirklich kennen; śukram – den Allmächtigen; akāyam – unverkörpert; avraṇam – unfehlbar; asnāviram – ohne Venen; śuddham – antiseptisch; apāpa-viddham – prophylaktisch; kaviḥ – allwissend; manīṣī – Philosoph; paribhūḥ – der Allesüberragende; svayambhūḥ – unabhängig; yāthātathyataḥ – in der Ausführung von; arthān – Wünsche; vyadadhāt – belohnt; śāśvatībhyaḥ – seit unvordenklichen; samābhyaḥ – Zeiten. ÜBERSETZUNG Solch ein Mensch muß wirklich den Allesüberragenden kennen, der unverkörpert ist, allwissend, unfehlbar, ohne Venen, vollkommen rein und unbefleckt, der unabhängige Philosoph, der seit unvordenklichen Zeiten die Wünsche aller Wesen erfüllt. ERKLÄRUNG Hier findet sich eine Beschreibung der transzendentalen und unvergänglichen Form des absoluten persönlichen Gottes. Gott hat Gestalt. Er hat Seine Ihm eigene überweltliche Gestalt, die ganz und gar nicht derjenigen der irdischen Welt ähnelt. Den Lebewesen in dieser Welt sind durch die stoffliche Natur verschiedene Formen gegeben, und sie funktionieren wie jede andere materielle Maschine. Die physiologische und anatomische Struktur des Körpers eines Lebewesens muß einen mechanischen Aufbau haben, mit Venen und all dem, was zur stofflichen Verkörperung gehört. Aber im überweltlichen Körper Gottes gibt es keine Venen. Hier wird deutlich gesagt, daß Er unverkörpert ist. Das bedeutet, daß es keinen Unterschied zwischen Seinem Körper und Seiner Seele gibt. Noch nimmt Er, so wie wir, durch das Gesetz der Natur einen Körper an. Im stofflichen Dasein unterschiedet sich die Seele von dem grobstofflichen Körper und dem feinstofflichen Geist. Gott aber steht über diesen getrennten Einrichtungen. Bei Ihm gibt es keinen Unterschied zwischen Körper und Geist. Er ist das Vollkommene Ganze, und Sein Geist und Körper und Er Selbst sind ein und dasselbe. In der Brahma-saṁhitā findet sich eine ähnliche Beschreibung der Gottesgestalt. Gott wird dort als Sac-cit-ānanda-vigraha beschrieben. Das bedeutet, daß Er die unvergängliche Form, der Inbegriff aller Fülle überweltlichen Daseins, Erkenntnis und Glückseligkeit ist. Die vedischen Schriften sagen ganz eindeutig, daß Er einen vollkommen anders gearteten, überweltlichen Körper hat und daß Er daher manchmal als formlos beschrieben wird. Diese Formlosigkeit bedeutet, daß Seine Form nicht wie die unsere ist, daß Ihm keine Form eigen ist, die wir wahrnehmen können. In der Brahma-saṁhitā wird weiter gesagt, daß der Herr alles mit jedem beliebigen Teil Seines Körpers tun kann. Es heißt dort, daß Er mit jedem einzelnen Teil Seines Körpers wie zum Beispiel der Hand die Funktionen aller anderen Sinne erfüllen kann. Das bedeutet, daß der Herr mit Seinen Händen gehen kann, daß Er Dinge mit den Beinen annehmen kann, daß Er mit Seinen Händen und Füßen sehen kann und mit Seinen Augen essen kann. In den Śruti Mantras wird gesagt, daß Seine Hände und Beine nicht wie die unseren sind, daß sie so geartet sind, daß Er alles, was wir Ihm darbringen, auch annehmen kann und daß Er Sich schneller überallhin bewegen kann, als irgendein anderer. In diesem Mantra der Śrī Īśopaniṣad wird das durch den Gebrauch des Wortes allmächtig bestätigt. Auch die Śrī Vigraha, d.h. die zu verehrende Bildgestalt Gottes, die von den echten Ācāryas in den Tempeln aufgestellt wird, denen Erkenntnis Gottes im Sinne des Siebenten Mantra zuteil geworden ist, unterscheidet sich nicht von der ursprünglichen Gottesgestalt. Śrī Kṛṣṇa ist die eigentliche Gottgestalt. Er erweitert Sich durch unzählige Formen wie z.B. Baladeva, Rāma, Nṛsiṁha, Varāha usw., und alle diese Formen sind ein und dieselbe göttliche Person. Ebenso ist die Arcā-vigraha, die in den Tempeln verehrt wird, eine erweiterte Form Gottes. Durch Verehrung der Arcā-vigraha kann man sich ohne weiteres Gott nähern, der stets bereit ist, das Dienen des sich Ihm Weihenden durch Seine allmächtige Kraft anzunehmen. Die Vigraha steigt durch Bitten der Ācāryas, der heiligen Lehrer, herab, und sie wirkt sich durch Seine allmächtige Kraft ganz in ursprünglicher Weise aus. Die Unwissenden, die keine Kenntnis von diesen Mantras der Śrī Īśopaniṣad oder irgendeinem anderen der Śruti Mantras haben, glauben, daß die Śrī Vigraha, die von den geläuterten Gottgeweihten verehrt wird, aus stofflichen Elementen zusammengesetzt ist. Diese Menschen mit ihrem geringen Wissen kennen nicht die Allmacht Kṛṣṇas, der nach Seinem Wunsch Materie in Geist und Geist in Materie umwandeln kann. Deshalb manifestiert Sich Kṛṣṇa denjenigen, die sich dem intellektuellen Spekulieren hingeben, nicht in Seiner ganzen Fülle. Er kann nur nach dem Grade der eigenen Hingabe erkannt werden. Und der entartete Zustand der Lebewesen ist einzig auf das Vergessen unserer Beziehung zu Gott zurückzuführen. Aus diesem wie auch aus vielen anderen Mantras der Veden geht ganz eindeutig hervor, daß Gott seit unvordenklichen Zeiten der Versorgende ist. Die Lebewesen begehren, und Gott versorgt sie mit den Objekten des Begehrens, je nach dem Grade der Qualifikation. Will man Richter beim obersten Gerichtshof werden, dann muß man sich nicht nur die nötigen Qualifikationen zu eigen gemacht haben, man ist auch von der Einstellung der dafür in Frage kommenden Autorität, die den Titel eines Richters beim obersten Gericht verleihen kann, abhängig. Die Qualifikationen eines Richters beim obersten Gericht zu haben, reicht nicht aus, um dieses Amt auch zu bekleiden. Dieses muß durch höhere Autorität verliehen werden. Ebenso gewährt Gott den Lebewesen, je nach dem Grade ihrer Qualifikationen – mit anderen Worten nach dem Gesetz des Karma – Anteil an der Freude. Diese Qualifikationen haben jedoch ohne die Gnade Gottes keine Bedeutung. Gewöhnlich wissen die Menschen nicht, worum sie Gott bitten sollen oder welche Position ihrem Wesen entspricht. Wenn jedoch ein Mensch seine veranlagungsgemäße Position kennt, dann bittet er, in den Kreis der ewigen Gefährten Gottes aufgenommen zu werden, um Ihm in transzendentaler Liebe dienen zu können. Aber unter dem Einfluß der stofflichen Natur bittet der Mensch stattdessen um Dinge anderer Art. Diese Mentalität bezeichnet die Bhagavad-gītā als gespaltene oder verrenkte Intelligenz. Geistige Intelligenz besteht aus einer Einheit, und das Gegenteil davon ist Verschiedenheit. Im Śrīmad-Bhāgavatam wird gesagt, daß die Menschen, die von den vergänglichen Schönheiten der äußeren Kraft fasziniert werden, ihr wirkliches Lebensziel, das in der Rückkehr zu Gott liegt, vergessen. Aufgrund dieses Vergessens versucht man, die Dinge durch alle möglichen Pläne und Programme zu ordnen. Das kann man mit dem Kauen des schon gekauten Abfalls vergleichen. Aber Kṛṣṇa ist so gütig, daß Er das den vergeßlichen Lebewesen erlaubt, ohne Sich in ihre Aktivitäten einzumischen. Will ein Lebewesen in die Hölle eingehen, dann erlaubt es Kṛṣṇa ihm, ohne Sich einzumischen, und wenn es zurück nach Hause kommen will, zurück zu Gott, hilft Er ihm, auch das zu tun. Gott wird hier als Paribhūḥ bezeichnet, als der Größte von allen. Niemand ist größer als Er, niemand kommt Ihm gleich. Die anderen Lebewesen werden hier als Bettler bezeichnet, die Ihn um die Erfüllung ihrer Wünsche bitten, und Er erfüllt auch ihre Wünsche. Hätten die anderen Wesen die gleiche Kraft wie Gott oder wären sie allmächtig oder allwissend, würde niemand etwas von Ihm erbitten, auch nicht die sogenannte Befreiung. Wirkliche Befreiung für das Lebewesen bedeutet, sich zurück zu Gott zu begeben. Sonst bleibt die Befreiung, wie sie sich die Anhänger der Lehre vom Unpersönlichen vorstellen, ein Mythos, und das Bitten um Befriedigung der Sinne setzt sich ewiglich fort, es sei denn, der Bittende besinnt sich und erkennt seine veranlagungsgemäße Bestimmung. Kṛṣṇa, der höchste Herr, ist unabhängig. Als Er vor 5.000 Jahren auf dieser Erde erschien, offenbarte Er durch Seine Handlungen die vollkommene Manifestation Gottes. Als Knabe tötete Er mit der Unbeschwertheit eines spielenden Kindes viele mächtige Dämonen. Mit der gleichen unbekümmerten Ausgelassenheit hob Er den Berg Govardhana empor. Sein Tanz mit den Gopīs hatte überhaupt keinen Bezug auf gesellschaftliche Beschränkungen und sinnliche Berührungen. Das Beisammensein der Gopīs mit Kṛṣṇa wurde, obgleich die Gopīs sich Ihm in uneingeschränkter Liebe näherten, sogar von Caitanya Mahāprabhu verehrt, der ein strenger Sannyāsin war und ein rigoroser Befolger der Regeln der Disziplin. Um dieses zu bestätigen, sagt die Śrī Īśopaniṣad, daß Er ‹antiseptisch› ist und ‹prophylaktisch›, rein und unbefleckt. Antiseptisch ist in dem Sinne zu verstehen, daß sogar ein nach der Wertschätzung der irdischen Welt unreines Wesen nur dadurch, daß es Ihn berührt, geläutert werden kann. Das Wort prophylaktisch bezieht sich auf die Verbindung mit Ihm. Das wird in der Bhagavad-gītā erklärt. Dort wird gesagt, daß ein übergewissenhafter Gottgeweihter am Anfang wie durācāra, wie von nicht gutem Benehmen erscheinen mag. Aber trotzdem muß man ihn als rein akzeptieren, weil er sich auf dem richtigen Pfad befindet. Darin besteht das heilbringende Wesen der Verbindung zu Gott. Gott ist apāpa-viddham, das bedeutet, daß so etwas wie Sünde Ihn nicht berühren kann. Auch wenn Er etwas tun sollte, was wie eine Sünde erscheinen mag, sind doch alle solche Handlungen vollkommen gut, weil es ganz außer Frage steht, daß Sünden auf Ihn einwirken könnten. Unter allen Umständen ist Er śuddham, vollkommen rein. Er wird oft mit der Sonne verglichen. Die Sonne zieht Feuchtigkeit aus vielen unberührbaren Stellen dieser Erde und bleibt selbst rein. Sie reinigt sogar noch die abscheulichsten Dinge durch ihre sterilisierende Wirkung. Wenn die Sonne schon so mächtig ist, obgleich sie nur ein stoffliches Objekt ist, dann können wir uns vielleicht eine Vorstellung von der Reinheit, der Kraft und der Allmacht Gottes machen. NEUNTER MANTRA andhaṁ tamaḥ praviśanti ye'vidyām upāsate tato bhūya iva te tamo ya u vidyāyāṁ ratāḥ andham – vollkommene Unwissenheit; tamaḥ – Finsternis; praviśanti – gehen ein; ye – jene; avidyām – Unwissenheit; upāsate – verehren; tataḥ – ferner; bhūyaḥ – in Betracht gezogen; iva – wie; te – jene; tamaḥ – Finsternis; ye – jene; u – auch; vidyāyām – mit Bildung; ratāḥ –befassen. ÜBERSETZUNG Diejenigen, deren Tun in Unwissenheit gründet, werden in die finstersten Regionen der Unwissenheit eingehen. Noch eher trifft das auf diejenigen zu, die sich mit sogenannter Bildung befassen. ERKLÄRUNG Dieser Mantra enthält eine Gegenüberstellung von Vidyā und Avidyā. Avidyā, Unwissenheit, ist ohne Zweifel gefahrvoll, aber Vidyā, fehlgeleitete Erkenntnis ist noch gefahrvoller. Auf die heutige Zivilisation trifft diese Erklärung der Śrī Īśopaniṣad mehr als auf irgendeine andere Zeit zu. Die heutige Zivilisation hat, was die Bildung der Allgemeinheit angeht, beträchtliche Fortschritte gemacht, und doch sind als Folge davon die Menschen unglücklicher als zuvor, weil zuviel Nachdruck auf den materiellen Fortschritt gelegt wird, ohne jeden Sinn für den wichtigsten, den geistigen Aspekt des Lebens. Was Vidyā angeht, so hat der erste Mantra der Śrī Īśopaniṣad ganz eindeutig erklärt, daß der höchste Herr Eigentümer aller Dinge ist, und Vergessen dieser Tatsache wird Unwissenheit genannt. Je mehr ein Mensch diese Tatsache vergißt, desto mehr befindet er sich in der Finsternis; und in Anbetracht dessen ist eine gottlose Zivilisation, die auf den sogenannten Fortschritt der Bildung ausgerichtet ist, gefahrvoller als eine Zivilisation, in der der überwiegende Teil der Menschen weniger fortgeschritten ist. Es gibt verschiedene Gruppen von Menschen, die Karmis, Jñānīs und Yogīs genannt werden. Die Karmis geben sich ganz der Sinnesbefriedigung hin. Fast 99,9 Prozent aller Menschen der heutigen Zivilisation sind mit Aktivitäten in Anspruch genommen, die unter den Bannern der verschiedensten Unternehmungen wie Industrialismus, wirtschaftliche Entwicklung, Altruismus, politisches Bewußtsein usw. ihre Sinne befriedigen. Allen diesen Unternehmungen liegt mehr oder weniger die Befriedigung der Sinne zugrunde, ohne jede Beziehung zum Gottesbewußtsein, wie es im ersten Mantra der Śrī Īśopaniṣad beschrieben wird. Im Sinne der Bhagavad-gītā sind Menschen, die sich der stumpfen Sinnesbefriedigung hingeben, Mūdhas – von Finsternis umgeben wie der Esel, das Symbol der Dummheit. Die Menschen, die einzig für die Sinnesbefriedigung leben, ohne das Leben wirklich zu nutzen, schätzen im Sinne der Śrī Īśopaniṣad Avidyā hoch ein. Und diejenigen, die vorgeben, diese Art von Zivilisation im Namen des Bildungsfortschritts zu unterstützen, richten mehr Schaden an als diejenigen, die sich auf der Stufe tierischer Sinnesbefriedigung befinden. Der Fortschritt der gottlosen Menschen auf dem Gebiet des Wissens ist so gefährlich wie ein Edelstein auf der Brillenzeichnung der Kobra. Die Kobra, die mit einem Edelstein geschmückt ist, ist genauso gefährlich wie eine, die nicht derartig geschmückt ist. Der Fortschritt gottloser Menschen auf dem Gebiete des Wissens gleicht im Sinne der Hari-bhakti-sudhodaya der Ausschmückung eines toten Körpers. Bei einer Beerdigung in Indien wie auch in anderen Ländern gehen einige aus Mitgefühl für die Trauernden der Prozession mit dem geschmückten Leichnam voran. Ebenso besteht die heutige Zivilisation aus einem Flickwerk von Unternehmungen, die dazu bestimmt sind, die unablässigen Leiden dieses stofflichen Daseins zu verdecken. Unternehmungen dieser Art haben die Befriedigung der Sinne zum Ziel, aber über den Sinnen steht der Geist, und über dem Geist steht die Intelligenz, und über der Intelligenz ist die Seele. Das Ziel der Erziehung und Bildung muß deshalb die Selbstverwirklichung, Erkenntnis der geistigen Werte der Seele, sein. Jede Art der Erziehung, die nicht zu einer solchen Erkenntnis des Lebens führt, muß als Avidyā, als Unwissenheit angesehen werden. Und solche Unwissenheit zu fördern bedeutet, in die finstersten Regionen der Unwissenheit einzugehen. Die Veden nennen solche falschen Lehrer: 1. Veda-vāda-rata, 2. Māyayā apahṛta-jñāna, 3. Āsuram bhāvam, 4. Narādhama. Die Veda-vāda-rata-Menschen geben vor, im vedischen Schriftum bewandert zu sein, aber leider haben sie sich vollkommen von dem Ziel der Veden abgewendet. In der Bhagavad-gītā wird gesagt, daß der Zweck der Veden darin besteht, den persönlichen Gott zu erkennen, aber diese Veda-vāda-rata-Menschen sind überhaupt nicht an dem persönlichen Gott interessiert. Im Gegenteil, sie sind darauf aus, in den Himmel zu kommen. Wie schon im ersten Mantra der Śrī Īśopaniṣad erwähnt wurde, sollten wir uns darüber im klaren sein, daß der persönliche Gott der Besitzer aller Dinge ist, und wir müssen uns mit dem uns zugewiesenen Teil der zum Leben notwendigen Dinge zufrieden geben. Das Ziel aller vedischen Schriften liegt darin, dieses Gottesbewußtsein in den vergeßlichen Lebewesen zu erwecken. Das gleiche Prinzip wird auf verschiedene Art in den verschiedenen heiligen Schriften der Welt dargelegt, damit die verblendete Menschheit einem Verständnis näherkommen kann. Und so liegt das endgültige Ziel darin, den Menschen zurück zu Gott zu führen. Anstatt den Sinn der Veden zu erkennen, betrachten es die Veda-vāda-rata-Menschen als selbstverständlich, daß Begleiterscheinungen wie z.B. das Zuteilwerden himmlischer Freuden für die Sinnesbefriedigung das endgültige Ziel der Veden ist. Diese sinnliche Begierde jedoch ist der eigentliche Grund ihrer Bindung an die Materie. Diese Menschen verleiten andere durch falsche Auslegung der vedischen Schriften, und sie verurteilen manchmal die Purāṇas, die autorisierte Erklärungen der Veden für Laien sind. Die Veda-vāda-ratas geben ihre eigenen Erklärungen über die Veden ab und übergehen die Autorität der großen Lehrer, die Ācāryas genannt werden, und sie neigen dazu, irgendwelche skrupellosen Menschen aus ihren Reihen als führende Exponenten des vedischen Wissens zu erheben. Diese Menschen werden ganz besonders durch diesen Mantra der Śrī Īśopaniṣad mit dem treffenden Sanskritwort Vidyā-rata verurteilt. Vidyā bedeutet Veda, weil Veda der Ursprung aller Erkenntnis ist. Und rata bedeutet, mit etwas beschäftigt sein. Vidyā-rata bedeutet, mit dem Erforschen der Veden beschäftigt sein. Und so werden die sogenannten Vidyā-ratas hier verurteilt, weil sie sich den Ācāryas widersetzen und den Sinn der Veden nicht kennen. Solche Veda-vāda-ratas finden gewöhnlich in jedem Wort der Veden eine Bedeutung, die ihre eigenen Zwecke fördert, ohne zu wissen, daß die vedischen Schriften nicht eine Ansammlung gewöhnlicher Bücher sind und nur durch die Nachfolge der geistigen Meister verstanden werden können. Man muß die Verbindung zu einem echten geistigen Meister herstellen, um die transzendentale Botschaft der Veden zu verstehen. Das ist die Unterweisung der Kaṭha Upaniṣad. Aber diese Veda-vāda-rata-Menschen haben ihre eigenen Ācāryas, die sich nicht in der transzendentalen Nachfolge der geistigen Meister befinden. Und so sinken sie durch falsche Auslegung der Veden in die finstersten Regionen der Unwissenheit herab, tiefer noch als diejenigen, die überhaupt kein Wissen von den Veden haben. Die Gruppe der Māyayā-apahṛta-jñāna sind selbstgemachte ‹Götter›. Diese Menschen halten sich selbst für Gott und glauben, daß es nicht nötig ist, einen anderen Gott zu verehren. Sie würden es gutheißen, einen gewöhnlichen Menschen zu verehren, solange er wohlhabend ist, aber sie werden niemals die eigentliche göttliche Person verehren. Diese verblendeten Menschen sind nicht imstande, ihre eigene Verblendung zu erkennen, was die Frage angeht, wie Gott jemals in die Illusionskraft verstrickt werden kann. Sollte Gott jemals der Illusion unterliegen, dann wäre die Illusion mächtiger als Gott. Aber sie sagen auch, daß Gott allmächtig ist. Wie kann aber Gott, wenn Er allmächtig ist, der Illusionskraft unterliegen? Die selbstgemachten Götter können all diese Fragen nicht klar beantworten, aber sie sind überzeugt davon, daß sie selbst Gott geworden sind. ZEHNTER MANTRA anyad evāhur vidyayā anyad āhur avidyayā iti śuśruma dhirāṇāṁ ye nas tad vicacakṣire anyat – anders; eva – zweifellos; āhuḥ – gesagt; vidyayā – durch Bildung von Erkenntnis; anyat – anderes; āhuḥ – gesagt; avidyayā – Unwissenheit; iti – auf diese Weise; śuśruma – gehört; dhirāṇām – die nicht von der Materie Beeinflußten; ye – jene; naḥ – uns; tat – das; vicacakṣire – erklärt. ÜBERSETZUNG Die Weisen sagen, daß das Bemühen um Erkenntnis sich auf eine andere Art auswirkt als die Förderung der Unwissenheit. ERKLÄRUNG Die Bhagavad-gītā sagt im dreizehnten Kapitel, daß praktische Erkenntnis auf folgende Weise erlangt werden kann: 1. Man muß selbst ein Mensch von feinem Wesen werden und lernen, nicht sich selbst, sondern anderen Menschen Respekt zu erweisen. 2. Man darf sich nicht als ein religiöser Mensch ausgeben, um sich auf diese Weise Namen und Ruhm zu verschaffen. 3. Man darf anderen weder durch Handlungen des Körpers und des Geistes, noch durch Worte Anlaß zur Beängstigung geben. 4. Man muß Nachsicht üben, auch wenn man von anderen provoziert wird. 5. Man muß lernen, in seinem Umgang mit anderen Falschheit zu vermeiden. 6. Man muß einen echten geistigen Meister haben, der einen allmählich auf die Stufe der geistigen Erkenntnis erheben kann, und solch einem Ācārya, einem geistigen Meister, muß man sich hingeben, ihm dienen und aufschlußreiche Fragen stellen. 7. Man muß den regulierenden Prinzipien folgen, die in den Offenbarungsurkunden niedergelegt sind, um der Stufe der Selbsterkenntnis näherzukommen. 8. Man muß in den Lehren der Offenbarungsurkunden verankert sein. 9. Man muß sich vollkommen den Praktiken enthalten, die dem Interesse der Selbsterkenntnis entgegenstehen. 10. Man soll nicht mehr Nahrung zu sich nehmen, als für die Erhaltung des Körpers nötig ist. 11. Man darf sich nicht fälschlicherweise mit der stofflichen Hülle des grobstofflichen Körpers identifizieren, noch die Menschen als sein Eigen ansehen, die mit dem eigenen Körper verwandt sind. 12. Man muß sich immer daran erinnern, daß man den Leiden der sich wiederholenden Geburten, dem Tode, dem Alter und den Krankheiten ausgesetzt ist, solange man den stofflichen Körper hat. Es hat keinen Sinn, Pläne zu schmieden, um sich von den Leiden des stofflichen Körpers zu befreien. Das beste ist, den Weg zu finden, durch den man seine überweltliche Identität wiedererlangen kann. 13. Man darf nicht an mehr als an den zum Leben notwendigen Dingen hängen, um auf dem Weg der Erkenntnis Fortschritte machen zu können. 14. Man soll nur in dem Grade an Frau, Kind und Haus hängen, wie in den Offenbarungsurkunden empfohlen wird. 15. Man soll in Bezug auf das Erwünschte und Unerwünschte, welches einzig dem Geist entspringt, weder glücklich noch unglücklich sein. 16. Man muß sein Leben dem höchsten persönlichen Gott, Śrī Kṛṣṇa, weihen und Ihm mit ungeteilter Aufmerksamkeit dienen. 17. Man soll das Gefühl dafür entwickeln, an einem abgesonderten Ort mit ruhiger und stiller Atmosphäre wohnen zu wollen, die der überweltlichen Erkenntnis förderlich ist und die überfüllten Orte meiden, an denen die Nicht-Gottgeweihten sich zusammenfinden. 18. Man muß Wissenschaftler, Philosoph werden und nach geistiger Erkenntnis forschen – nicht nach materieller Erkenntnis – und erkennen, daß das transzendentale Wissen unvergänglich ist, während materielles Wissen mit dem Tod des Körpers endet. Diese achtzehn Punkte bilden einen allmählich sich entfaltenden Vorgang, durch den wirkliche Erkenntnis entsteht. Außer diesen achtzehn Punkten werden alle anderen Punkte in die Kategorie der Unwissenheit eingestuft. Śrīla Bhaktivinode Ṭhākur, ein großer Ācārya, sagte, daß alle Arten materieller Erkenntnis nur äußere Aspekte der Illusionskraft seien; widmen wir uns solcher Erkenntnis, dann haben wir dem Esel nichts voraus. Hier in der Śrī Īśopaniṣad wird dasselbe Prinzip wiederholt. Fortschritt in materieller Erkenntnis bedeutet in Wirklichkeit, einen Menschen auf die Stufe eines Esels zurückzuversetzen. Einige materialistische Politiker, die vorgeben, geistige Erkenntnis zu besitzen, verurteilen die heutige Zivilisation als satanisch, aber leider sind sie nicht daran interessiert, nach den Grundsätzen der Bhagavad-gītā wirkliche Erkenntnis zu erlangen. Deshalb sind sie nicht imstande, den entarteten Zustand zu ändern. Heutzutage glauben sogar die Kinder, sich selbst genug zu sein, und deshalb erweisen sie den Älteren keinen Respekt. Aufgrund der falschen Erziehungsmethoden an unseren Universitäten machen die jungen Menschen in aller Welt den Älteren Sorgen. Deshalb ermahnt uns die Śrī Īśopaniṣad sehr eindringlich, die Förderung der Unwissenheit von dem Streben nach Erkenntnis zu unterscheiden. Die Universitäten sind nichts weiter als Zentren vollkommener Unwissenheit. Infolgedessen erfinden die Wissenschaftler tödliche Waffen, um andere Länder damit zu vernichten. Die Studenten der Universitäten werden heutzutage nicht über die regulierenden Prinzipien des Brahmacarya, des geistigen Lebens, unterrichtet, noch glauben sie an die verschiedenen Unterweisungen der heiligen Schriften. Die Prinzipien der Religion werden nur gelehrt, um damit Namen und Ruhm zu erwerben und nicht, um praktisch danach zu handeln. Deshalb herrschen nicht nur auf sozialen und politischen Gebieten Feindseligkeiten, sondern auch im Bereiche der Religion. Auch der Nationalismus in den verschiedensten Teilen der Welt hat sich aufgrund der unzulänglichen Erziehung der Menschen entwickelt. Die Menschen wissen nicht, daß diese winzige Erde nur ein Häufchen Materie ist, das mit vielen anderen Teilchen im unermeßlichen Stoffesraum umherschwebt. Verglichen mit der Unermeßlichkeit des Raumes sind diese stofflichen Teilchen wie Staubpartikel in der Luft. Weil Gott gütigerweise diese Teilchen der Materie als in sich selbst vollkommen erschaffen hat, sind sie mit allem notwendigen Zubehör vollkommen ausgestattet, um im Raum umherschweben zu können. Die Lenker unserer Raumfahrzeuge sind sehr stolz auf ihre Errungenschaften, aber ihr Blick richtet sich nicht auf den Höchsten Lenker jener viel großartigeren, gigantischen Satelliten, die Planeten genannt werden. Es gibt unzählige Sonnen, die sich im Raum befinden und unzählige Konstellationen der Planetensysteme. Wir winzigen Kreaturen, unscheinbare Teile des höchsten Herrn, versuchen, diese unendlich vielen Planeten im Laufe der sich wiederholenden Geburten und Tode zu beherrschen, aber im allgemeinen wird das durch Alter und Krankheit verhindert. Die Lebenserwartung eines Menschen beträgt ungefähr hundert Jahre, obgleich diese sich allmählich bis zu zwanzig oder dreißig Lebensjahren verringern wird. Aufgrund ihrer Erziehung, die auf vollkommener Unwissenheit beruht, haben die verblendeten Menschen ihren eigenen Nationalismus innerhalb dieser Planeten geschaffen, um sich für diese wenigen zwanzig oder dreißig Jahre an den Sinnesgenuß zu klammern. Diese verblendeten Menschen entwerfen unzählige Pläne, um irgendeinen abgegrenzten Teil dieser Erde so vollkommen wie möglich zu machen, was letzten Endes lächerlich ist. Und aufgrund dessen ist jede Nation Anlaß zur Beunruhigung für die anderen Nationen geworden. Mehr als fünfzig Prozent ihrer Kraft wird an Verteidigungsmaßnahmen verschwendet, ohne sich um die Bildung wirklichen Wissens zu kümmern, und fälschlicherweise sind sie stolz darauf, in materieller wie auch geistiger Erkenntnis Fortschritte zu machen. Die Śrī Īśopaniṣad warnt uns vor dieser Art der Fehlerziehung, und die Bhagavad-gītā unterweist uns darin, wie wir wirkliches Wissen entwickeln können. In diesem Mantra wird darauf hingewiesen, daß die Unterweisung von Vidyā, d.h. Wissen, von einem Dhīra empfangen werden muß. Dhīra bedeutet ungestört, nicht durch materielle Illusion verwirrt. Niemand kann ungestört sein, wenn ihm nicht vollkommene geistige Erkenntnis zuteil geworden ist. Wenn einem vollkommene geistige Erkenntnis zuteil geworden ist, dann verlangt man nicht mehr nach Dingen, die man erworben hat, noch klagt man über Dinge, die verloren gingen. Solch ein Dhīra hat erkannt, daß der stoffliche Körper und Geist, die er durch zufällige stoffliche Verbindung erlangt hat, Fremdstoffe sind, und deshalb zieht er den bestmöglichen Nutzen aus seinem unglückseligen Zustand. Der stoffliche Körper und Geist sind ein unglückseliger Zustand für das geistige Lebewesen. Dem Lebewesen obliegen verschiedene Funktionen in der lebendigen Welt, aber diese stoffliche Welt ist leblos. Solange die lebendigen geistigen Funken die leblosen Teilchen der Materie manipulieren, solange erscheint diese leblose Welt wie eine lebendige Welt. Aber in Wirklichkeit sind es die lebendigen Seelen, die wesentliche Bestandteile des höchsten lebenden Wesens sind, die die Welt bewegen. Die Dhīras sind diejenigen, die all diese Tatsachen durch das Hören von höherstehenden Autoritäten wissen, und die sie durch das Befolgen der regulierenden Prinzipien erkannt haben. Um den regulierenden Prinzipien folgen zu können, muß man Zuflucht bei einem echten geistigen Meister suchen. Die transzendentale Botschaft kommt mit den regulierenden Prinzipien vom Geisteslehrer zum Schüler und nicht auf dem riskanten Weg der Erziehung, die auf vollständiger Unwissenheit beruht. Nur durch solch ergebenes Hören kann man ein Dhīra werden. In der Bhagavad-gītā wurde Arjuna durch ergebenes Hören der Worte des persönlichen Gottes ein Dhīra. Der vollkommene Schüler muß wie Arjuna sein, und der geistige Meister muß wie der Herr, wie Gott, sein. Das ist der Weg, durch den man vom Dhīra, von dem Ungestörten, Wissen empfangen kann. Adhīra ist jemand, der nicht die Ausbildung eines Dhīra empfangen hat und der daher kein leitendes Vorbild sein kann. Die heutigen Politiker, die sich als Dhīras ausgeben, sind in Wirklichkeit Adhīras. Von ihnen kann man kein vollkommenes Wissen erwarten. Sie sind zu sehr mit ihren Vergütungen in Form von Dollars und Mark in Anspruch genommen. Wie könnten sie da wohl die Bevölkerung auf den richtigen Weg der Selbsterkenntnis führen? Man muß in ergebener Haltung von einem Dhīra hören, um wirklicher Bildung in seinem Leben teilhaftig zu werden. ELFTER MANTRA vidyāṁ cāvidyāṁ ca yas tad vedobhayaṁ saha avidyayā mṛtyuṁ tīrtvā vidyayāmṛtam aśnute vidyām – wirkliche Erkenntnis; ca – und; avidyām – Unwissenheit; ca – und; yaḥ – jemand; tad – das; veda – kennt; ubhayam – beide; saha – gleichzeitig; avidyayā – Wirkungsweise der Unwissenheit: mṛtyum – sich wiederholende Tode; tīrtvā – überwinden ; vidyayā – Wirkungsweise der Erkenntnis; amṛtam – Unsterblichkeit; aśnute – sich ertreuen. ÜBERSETZUNG Nur wer die Wirkungsweise der Unwissenheit und die der transzendentalen Erkenntnis zugleich begreifen kann, kann die Einwirkung der sich wiederholenden Geburten und Tode überwinden und sich des vollen Segens der Unsterblichkeit erfreuen. ERKLÄRUNG Seit Beginn dieser stofflichen Welt versucht jeder, sich ein unvergängliches Leben einzurichten. Das Gesetz der Natur aber ist so grausam, daß niemand dem Griff des Todes entkommen kann. Keiner möchte sterben. Das ist eine praktische Tatsache. Noch will man alt oder krank werden. Aber das Gesetz der Natur erlaubt niemandem Immunität gegen Tod, Alter und Krankheit. Der Fortschritt der materiellen Erkenntnis hat diese Probleme des Lebens nicht gelöst. Die materielle Wissenschaft mag zwar die Wasserstoffbombe entdeckt haben, um den Tod zu beschleunigen, aber sie ist nicht imstande, etwas zu entdecken, was die Menschen vor dem unerbittlichen Griff des Todes, der Krankheit und des Alters bewahren kann. Durch die Purāṇas erfahren wir von den Aktivitäten des Königs Hiraṇyakaśipu: In materieller Hinsicht war er sehr weit vorangekommen, und durch seine Errungenschaften und durch die Macht seiner Unwissenheit wollte er den Tod überwinden. Er unterwarf sich einer bestimmten Art der Meditation, die so streng war, daß die ganzen Planetensysteme durch seine mystischen Kräfte gestört wurden. Er zwang den Schöpfer des Universums, den Halbgott, der Brahmā genannt wird, zu ihm herabzusteigen. Dann verlangte er von ihm zu einem Amara, d.h. unsterblich gemacht zu werden. Brahmā weigerte sich, dies zu gewähren, weil sogar er, der stoffliche Schöpfer, der über alle Planeten gebietet, nicht ein Amara ist. Wie in der Bhagavad-gītā bestätigt wird, ist ihm eine lange Lebensdauer gegeben, aber das bedeutet nicht, daß er unsterblich ist. Hiraṇya bedeutet Gold, und Kaśipu bedeutet weiches Bett. Er war also an diesen beiden Dingen interessiert: Geld und Frauen, und er wollte diese Art des Lebens durch illusorisches Unsterblichwerden genießen. In der Hoffnung, sein Begehren erfüllt zu sehen und ein Amara zu werden, verlangte er indirekt viele andere Dinge von Brahmā. Niemandem sollte es möglich sein, ihn zu töten, weder Mensch, Tier, Halbgott, noch irgendeinem der 8.400.000 Lebensarten. Und er sollte nicht an Land sterben, in der Luft oder im Wasser oder durch irgendeine Waffe. Und so setzte sich das fort, und Hiraṇyakaśipu dachte in seiner Verblendung, daß ihn das gegen den Tod schützen würde. Aber zum Schluß wurde er, obgleich Brahmā ihm alle diese Wünsche gewährte, von den Krallen der Halb-Mensch-, Halb-Löweninkarnation des persönlichen Gottes, der keine andere Waffe benötigte, getötet. Auf dem Schoße des wundersamen Lebewesens, welches sich jenseits seiner Vorstellungskraft befand, wurde er in Stücke gerissen. Daraus ist zu schließen, daß sogar Hiraṇyakaśipu, der mächtigste aller Materialisten, durch seine vielen Pläne nicht vor dem Tod bewahrt werden konnte. Und was soll dann schon von den lächerlichen Hiraṇyakaśipus der heutigen Zeit erreicht werden, die Pläne machen, die jeden Augenblick wieder vereitelt werden? Die Śrī Īśopaniṣad unterweist uns, nicht einseitige Anstrengungen zu unternehmen, um den Kampf ums Dasein zu bestehen. Jeder Mensch kämpft hart um seine Existenz, aber das Gesetz der stofflichen Natur ist so unerbittlich, daß niemand imstande ist, es zu überwinden. Um unvergängliches Leben zu erlangen, muß man bereit sein, zurück zu Gott zu kehren. Wie man nun zurück zu Gott gelangen kann, ist eine ganz andere Art der Erkenntnis. Sie muß aus den vedischen Offenbarungsurkunden wie den Upaniṣaden, dem Vedānta, der Bhagavad-gītā, dem Śrīmad-Bhāgavatam usw. gelernt werden. Um also glücklich in diesem Leben zu werden und ein unvergängliches, glückseliges Leben nach Verlassen dieses stofflichen Leibes zu erlangen, muß man sich diesen heiligen Schriften aufschließen, um transzendentale Erkenntnis zu erlangen. Das bedingte Lebewesen hat seine ewige Verbindung mit Gott vergessen. Es hat fälschlicherweise diesen vergänglichen Ort der Geburt als das Ein und Alles akzeptiert. Gott hat gütigerweise die oben genannten heiligen Schriften in Indien und andere Schriften in anderen Ländern offenbart, um die vergeßlichen Menschen daran zu erinnern, daß ihre Heimat nicht hier in dieser stofflichen Welt ist. Das Lebewesen ist ein geistiges Wesen, und es kann nur glücklich sein, wenn es in Verbindung mit Gott in seine geistige, seine transzendentale Heimat zurückkehrt. Der persönliche Gott schickt Seine echten Diener zur Verbreitung der Botschaft Gottes von Seinem Reiche aus, und manchmal kommt Er auch Selbst, um diese Aufgabe zu erfüllen. Alle lebenden Wesen sind Seine geliebten Söhne, Seine wesentlichen Bestandteile, und deshalb tut es Gott mehr leid als uns selbst, wenn wir in diesem stofflichen Zustand ständig Leid erdulden müssen. Die Leiden der stofflichen Welt sind auch indirekte Ermahnungen, die auf unsere Unvereinbarkeit mit toter Materie hinweisen. Die intelligenten Wesen nehmen sich diese Ermahnungen zu Herzen und benutzen ihre Zeit dazu, um Vidyā, transzendentale Erkenntnis, zu erlangen. Das menschliche Leben bietet die beste Möglichkeit, geistige Erkenntnis zu erlangen, und ein Mensch, der diese Gelegenheit nicht nutzt, wird ein Narādhama, der erbärmlichste aller Menschen genannt. Avidyā, d.h. materieller Fortschritt in der Erkenntnis für die Sinnesbefriedigung, bedeutet sich wiederholende Tode wie auch sich wiederholende Geburten. Da das Lebewesen dem Wesen nach transzendental ist, wird es weder geboren, noch stirbt es. Geburten und Tode beziehen sich auf den Körper, die äußere Hülle der Geistesseele. Das läßt sich mit dem An- und Ausziehen von Kleidung vergleichen. Die verblendete Menschheit, die sich stumpfsinnig der Bildung von Avidyā, von Unwissenheit, widmet, kümmert sich nicht weiter um diesen unerbittlichen Vorgang. Sie ist von der Schönheit der Illusionskraft verblendet, und deshalb tut sie die gleichen Dinge wieder und immer wieder, ohne eine Lehre aus dem Naturgesetz zu ziehen. Für den Menschen ist es erforderlich, Vidyā, transzendentale Erkenntnis, zu erlangen. Uneingeschränkter Sinnesgenuß in dem erkrankten materiellen Zustand der Sinne muß, so weit es geht, eingeschränkt werden. Uneingeschränkter Sinnesgenuß in diesem stofflichen Zustand ist der Weg der Unwissenheit und des Todes. Die Lebewesen sind nicht ohne transzendentale Sinne. Jedes Lebewesen hat in seiner ursprünglichen transzendentalen Form alle die Sinne, die jetzt von der Stoffeskraft, von Leib und Geist bedeckt sind. Die Aktivitäten der stofflichen Sinne sind pervertierte Reflektionen der transzendentalen göttlichen Spiele. Der krankhafte Zustand der Geistesseele entsteht, wenn sie sich, von der Stoffeskraft umhüllt, zu betätigen beginnt. Erst wenn die Krankheit geheilt ist, ist wirklicher Sinnesgenuß möglich. In unserer reinen geistigen Form, frei von jeglicher stofflicher Verunreinigung, ist geläutertes Genießen der Sinne möglich. Das Ziel des menschlichen Lebens sollte daher nicht der pervertierte Sinnesgenuß sein, sondern darin bestehen, die materielle Krankheit zu heilen. Die materielle Krankheit zu verschlimmern, ist kein Zeichen der Erkenntnis. Es ist ein Zeichen von Avidyā, Unwissenheit. Die Höhe des Fiebers darf nicht von 39°C auf 41°C gebracht werden. Das wäre nicht gut für die Gesundheit. Das Fieber muß auf die Normaltemperatur von 37°C heruntergebracht werden. Das sollte das Ziel des menschlichen Lebens sein. Die heutige materielle Zivilisation neigt dazu, das Fieber des materiellen Zustandes auf die Höhe zu treiben, welches in der Form von Atomenergie schon auf 41°C angestiegen ist. Die verblendeten Politiker jammern, daß die Welt jeden Augenblick in die Luft gehen kann. Das ist das Ergebnis des Fortschritts in materieller Erkenntnis und der Vernachlässigung des wichtigsten Teiles des Lebens, nämlich geistige Erkenntnis zu erlangen. Hier warnt uns die Śrī Īśopaniṣad, einem so gefährlichen Pfad, der zum Tode führt, nicht zu folgen. Stattdessen müssen wir darüber hinaus geistige Erkenntnis entwickeln, damit wir vollkommen frei von dem unerbittlichen Griff des Todes werden können. Das bedeutet nicht, daß alle Aktivitäten, die der Erhaltung des Körpers dienen, aufhören sollen. Man unterbindet nicht die Aktivitäten, ebenso wie wir die Temperatur nicht ganz und gar beseitigen, wenn wir uns von einer Krankheit zu erholen versuchen. Geistige Erkenntnis muß mit Hilfe des Körpers und des Geistes erlangt werden, und deshalb ist die Erhaltung des Körpers und des Geistes nötig, um unser Ziel zu erreichen. Die Normaltemperatur von 37°C muß beibehalten werden, und sie darf nicht aus lauter Dummheit auf 41°C erhöht werden. Es war das Ziel der großen Weisen und Heiligen Indiens, die Normaltemperatur durch ein ausgeglichenes System materieller und geistiger Erkenntnis beizubehalten. Zu keiner Zeit haben sie den Mißbrauch menschlicher Intelligenz für krankhafte Sinnesbefriedigung gebilligt. Das durch den Hang zur Sinnesbefriedigung entartete Tun der Menschen ist in den Veden unter den Prinzipien der Erlösung geordnet worden. Dieses System setzt sich aus vier Unterteilungen zusammen: Religion, wirtschaftlichem Fortschritt, Sinnesbefriedigung und Erlösung. Heutzutage haben die Menschen weder an Religion noch an Erlösung ein Interesse. Sie haben nur ein Ziel im Leben, die Sinnesbefriedigung. Und um dieses Ziel zu erreichen, machen sie die verschiedensten Pläne für den wirtschaftlichen Fortschritt. Die verblendete Menschheit glaubt, daß die Religion beibehalten werden muß, weil sie dem wirtschaftlichen Fortschritt hilft, und daß wirtschaftlicher Fortschritt für die Sinnesbefriedigung nötig ist. Um weitere Sinnesbefriedigung nach dem Tode, im Himmel, zu gewährleisten, gibt es ein System religiöser Vorschriften. Aber dies ist nicht der Zweck der Prinzipien der Erlösung. Der Weg der Religion ist in Wirklichkeit für die Selbsterkenntnis gedacht. Ökonomischer Fortschritt ist einzig notwendig, um den Körper in gesunder Verfassung zu erhalten. Ein Mensch muß unter gesunden Lebensumständen leben, mit einem gesunden Geist, um Vidyā, wirkliche Erkenntnis, zu erlangen, welches das Ziel des menschlichen Lebens ist. Dieses Leben ist nicht dafür bestimmt, so schwer wie ein Esel zu arbeiten oder nach Avidyā, der Sinnesbefriedigung, zu streben. Der Pfad des Vidyā wird in seiner ganzen Vollkommenheit im Śrīmad-Bhāgavatam geschildert. Das Bhāgavatam lenkt den Menschen in die Richtung, wo er nach der Absoluten Wahrheit zu forschen beginnt. Die Absolute Wahrheit wird Schritt für Schritt als Brahman, Paramātmā und letztlich als Bhagavān, als der persönliche Gott erkannt. Die Absolute Wahrheit wird von den aufgeschlossenen Menschen erkannt, die durch das Befolgen der oben erwähnten achtzehn Prinzipien der Bhagavad-gītā Erkenntnis und ein Nicht-Mehr-Anhaften an den Dingen erlangt haben. Die Essenz dieser achtzehn Prinzipien besteht darin, sich dem transzendentalen liebenden Gottdienen hinzugeben. Deshalb wird allen Menschen nahegelegt, diese Geisteswissenschaft des hingebungsvollen Gottdienens zu erlernen. Wenn Religiosität, wirtschaftlicher Fortschritt und Sinnesbefriedigung nicht das liebende Gottdienen zum Ziel haben, dann sind diese Dinge, wie in den folgenden Mantras der Śrī Īśopaniṣad erklärt wird, nichts weiter als verschiedene Formen vollständiger Unwissenheit. Um Vidyā zu erlangen, besonders in diesem Zeitalter, muß man ständig über den persönlichen Gott hören und chanten (singen und sprechen) und Ihn, der der Herr der Transzendentalisten ist, mit konzentrierter Aufmerksamkeit verehren. ZWÖLFTER MANTRA andhaṁ tamaḥ praviśanti ye ’sambhūtim upāsate tato bhūya iva te tamo ya u sambhūtyāṁ ratāḥ andham – Unwissenheit; tamaḥ – Finsternis; praviśanti – gehen ein; ye– diejenigen; asambhūtim – Halbgötter; upāsate – verehren; tataḥ – noch eher; bhūyaḥ – wiederum; iva – genauso; te– die; tamaḥ – Finsternis; ye– diejenigen; u – auch; sambhūtyām – im Absoluten; ratāḥ – befassen. ÜBERSETZUNG Diejenigen, die die Halbgötter verehren, gehen in die finstersten Regionen der Unwissenheit ein und noch eher die Verehrer des Absoluten. ERKLÄRUNG Das Sanskritwort Asambhūti bezieht sich auf diejenigen, die kein unabhängiges Dasein haben. Sambhūti ist der absolute personenhafte Gott, der absolut unabhängig von allem ist. In der Bhagavad-gītā beschreibt Sich Śrī Kṛṣṇa, der absolute persönliche Gott, folgendermaßen: ‹Ich bin die letzte Ursache der Kräfte, die den Halbgöttern, den großen Weisen und den Mystikern gegeben sind. Da diese aber mit begrenzten Kräften ausgestattet sind, ist es sehr schwierig für sie zu erkennen, wie Ich Selbst, durch Meine eigene innerste Kraft, in der Form eines Menschen erscheine.› Alle Philosophen und großen Rṣis, alle großen Mystiker, versuchen, durch ihre winzige Hirnkraft das Absolute vom Relativen zu unterscheiden. Das hilft ihnen jedoch nur, den Punkt zu erreichen, an dem sie die Relativität negieren, ohne irgendeine positive Spur des Absoluten zu erkennen. Definition des Absoluten durch Negation bedeutet unvollständige Erkenntnis. Diese negativen Definitionen führen dazu, daß man sich ein eigenes Konzept schafft und sich einbildet, das Absolute sei formlos und ohne Eigenschaften. Aber diese Negationen sind lediglich das Gegenteil der relativen Formen und Eigenschaften, und deshalb sind sie selbst auch relativ. Durch diese Auffassung des Absoluten kann man höchstens der eigenschaftslosen Ausstrahlung Gottes, dem Brahman, näherkommen, aber man kann nicht weiter, nicht auf die Stufe Bhagavāns, des persönlichen Gottes gelangen. So wissen also diejenigen, die sich dem intellektuellen Spekulieren hingeben, nicht, daß Kṛṣṇa der absolute gestalthafte Gott ist und daß das eigenschaftslose Brahman die leuchtende Ausstrahlung Seines transzendentalen Körpers ist, während Paramātmā, die Überseele, Sein alldurchdringender Aspekt ist. Sie haben keine Kenntnis davon, daß Kṛṣṇa Seine ewige Gestalt hat, mit transzendentalen Eigenschaften ewiger Glückseligkeit und Erkenntnis. Die keineswegs unabhängigen Halbgötter und großen Weisen erkennen Ihn, weil sie selbst unvollkommen sind, als einen der mächtigen Halbgötter, und sie nehmen an, daß die Brahman-Ausstrahlung letztlich die Absolute Wahrheit ist. Diejenigen aber, die ihr Leben Kṛṣṇa geweiht haben und die durch ihre echte liebende Hingabe sich Ihm vollends ausliefern, können erkennen, daß Er die Absolute Person ist und daß alles allein von Ihm ausgeht. Solche Gottgeweihten geben sich im liebenden Dienen Kṛṣṇa hin, dem Ursprung von allem. In der Bhagavad-gītā wird auch gesagt, daß nur verwirrte Menschen, die von starken Begehren nach Sinnesbefriedigung getrieben werden, die Halbgötter zur Lösung ihrer zeitweiligen Probleme verehren. Vorübergehende Erlösung von irgendwelchen Schwierigkeiten zu erreichen ist das Verlangen weniger intelligenter Menschen. Die Lebewesen sind in das stoffliche Dasein verstrickt. Sie müssen vollkommen von der Versklavung durch die Materie befreit werden, um für immer auf der überweltlichen Ebene vom Leid befreit zu werden, wo es ewige Seligkeit, ewiges Leben und unvergängliche Erkenntnis gibt. In der Bhagavad-gītā wird gesagt, daß die Anbeter der Halbgötter zu den Planeten der jeweiligen Halbgötter gelangen können. Die Anbeter des Mondes können zum Mond gelangen, die Anbeter der Sonne können in das Sonnengestirn eingehen usw. Die heutigen Wissenschaftler versuchen, mit Hilfe von Raketen zum Mond zu gelangen, und das ist in Wirklichkeit gar kein so neues Unternehmen. Der Mensch mit seinem fortgeschrittenen Bewußtsein neigt ganz natürlicherweise dazu, im Weltenraum umherzuwandern und andere Planeten zu erreichen, sei es durch Satelliten, mystische Kräfte oder durch Anbetung der herrschenden Gottheit des entsprechenden Planeten. In den vedischen Schriften wird gesagt, daß man auf jede der oben angegebenen Wege andere Planeten erreichen kann, ganz besonders aber durch Anbetung des Halbgottes, der über den entsprechenden Planeten gebietet. Aber diese Planeten sind nur zeitweilige Orte des Aufenthalts; die einzigen unvergänglichen Planeten sind die Vaikuṇṭha-lokas, die man im transzendentalen Reich findet und über die der gestalthafte Gott gebietet. Die Bhagavad-gītā bestätigt dies folgendermaßen: ‹Auch wenn man auf den höchsten Planeten, das Brahma-loka, gelangt, muß man wieder zurückkehren. Aber wer Mich erlangt (in der transzendentalen Welt), der braucht nicht wieder geboren zu werden.› Die Śrī Īśopaniṣad gibt uns zu verstehen, daß wir in den finstersten Regionen der Unwissenheit verbleiben, solange wir die stofflichen Planeten durchwandeln, welchen Weg wir auch einschlagen mögen. Das ganze Universum ist von den gigantischen stofflichen Elementen bedeckt, genauso wie eine Kokosnuß, die halb mit Wasser gefüllt ist. Da sie luftdicht abgeschlossen ist, herrscht im Inneren eine dichte Finsternis. Deshalb sind Planeten wie die Sonne und der Mond nötig, um das Innere des Universums zu erleuchten. Außerhalb des Universums gibt es die unendliche Fülle des unbegrenzten Brahma-jyoti-Raumes, angefüllt mit den Vaikuṇṭha-lokas. Der größte und der höchste Planet im Brahma-jyoti ist das Kṛṣṇa-loka, das Goloka Vṛndāvana, in dem der persönliche Gott, Śrī Kṛṣṇa, weilt. Śrī Kṛṣṇa, der Herr, verläßt nie dieses Kṛṣṇa-loka, wo Er mit Seinen ewig Beigesellten weilt, und doch ist Er allgegenwärtig, die gesamten stofflichen und geistigen Manifestationen durchdringend. Diese Tatsache wurde schon im vierten Mantra der Śrī Īśopaniṣad erklärt. Gott ist, genauso wie die Sonne, überall gegenwärtig. Man kann sich mit der höchstmöglichen Geschwindigkeit im Weltenraum fortbewegen, aber trotzdem wird man immer noch die Sonne vorfinden, obgleich die Sonne sich in ihrem eigenen unbeirrbaren Umlauf befindet. Die Probleme des Lebens können nicht durch das Zum-Mond-Fahren gelöst werden. Es gibt viele Pseudo-Fromme, die sich nur deshalb der Religion zuwenden, weil sie nach Namen und Ruhm trachten. Diese pseudo-religiösen Menschen haben nicht den Wunsch, aus diesem Universum herauszukommen und das transzendentale Reich zu erlangen. Unter dem Vorwand, Gott zu verehren, sind sie ausschließlich daran interessiert, ihren Status quo in der materiellen Welt beizubehalten. Die Atheisten und die Verfechter der Unpersönlichkeitslehre führen diese verblendeten pseudo-religiösen Menschen durch die Verbreitung des Kultes des Atheismus in die finstersten Regionen. Die Atheisten verneinen direkt die Existenz des höchsten persönlichen Gottes, und die Anhänger der Unpersönlichkeitslehre unterstützen die Atheisten, indem sie das Konzept von der unpersönlichen Existenz des höchsten Herrn verbreiten. Bis jetzt sind wir in der Śrī Īśopaniṣad noch nicht auf einen Mantra gestoßen, der den gestalthaften Gott verneint hätte. Es wird gesagt, daß Er Sich schneller als irgendein anderer fortbewegen kann. Diejenigen, die zu anderen Planeten gelangen wollen, sind ohne Zweifel Personen, und wenn Gott Sich schneller fortbewegen kann als sie alle, warum sollte Er dann als unpersönlich angesehen werden? Gott als unpersönlich anzusehen, ist auch wieder nur ein Zeichen der Unwissenheit, die auf unvollkommener Erkenntnis der Absoluten Wahrheit beruht. Die unwissenden pseudo-religiösen Menschen, die sich sogenannte Inkarnationen zurechtfabrizieren und die sich direkt an den Unterweisungen der Veden vergehen, laufen somit Gefahr, in die finstersten Regionen des Universums einzugehen, weil sie alle diejenigen irreführen, die ihnen folgen. Die Anhänger der unpersönlichen Lehre geben sich den Verblendeten gegenüber, die keine Kenntnis von der vedischen Weisheit haben, gerne selbst als Inkarnationen Gottes aus. Und wenn solche Menschen überhaupt irgendwelches Wissen haben, dann ist das in ihren Händen gefährlicher als die Unwissenheit selbst. Die Verfechter der Unpersönlichkeitslehre verehren nicht einmal die Halbgötter, wie in den heiligen Schriften empfohlen wird. In den heiligen Schriften wird geraten, je nach den gegebenen Umständen die Halbgötter zu verehren, aber zu gleicher Zeit wird auch gesagt, daß das nicht unbedingt notwendig ist. In der Bhagavad-gītā wird ganz klar gesagt, daß das, was die Verehrung der Halbgötter hervorbringt, nicht von Dauer ist. Die ganze stoffliche Welt ist vergänglich, und deshalb ist alles, was innerhalb der Finsternis des stofflichen Daseins erreicht wird, auch vergänglich. Die Frage ist dann also, wie man wirkliches, unvergängliches Leben erlangen kann. Gott gibt uns zu verstehen, daß wir vollkommen von der Bindung an die Geburten und Tode befreit werden, sobald wir Ihn durch liebevolles Dienen erreichen, dem einzigen Weg, sich dem persönlichen Gott zu nähern. Mit anderen Worten ist der Weg der Erlösung, das Sich-Freimachen aus dem Griff der Materie, vollkommen abhängig von den Prinzipien der Erkenntnis und der Loslösung. Und die pseudo-religiösen Menschen haben weder Erkenntnis, noch sind sie imstande, sich von den materiellen Dingen zu lösen. Die meisten von ihnen wollen unter dem Vorwand altruistischer und philantropischer Aktivitäten und im Namen religiöser Prinzipien ihr Leben in den goldenen Ketten materieller Versklavung fortsetzen. Durch falsche religiöse Gefühlsregungen protzen sie mit sogenanntem liebevollen Dienen, geben sich aber gleichzeitig allen möglichen unmoralischen Prinzipien hin und präsentieren sich obendrein noch als geistige Meister und Gottgeweihte. Diejenigen, die den Prinzipien der Religion zuwiderhandeln, erweisen den autorisierten Acāryas, den heiligen Lehrern in der Nachfolge der geistigen Meister, keinen Respekt; und um die Menschen irrezuführen, werden sie selbst sogenannte Acāryas, ohne den Prinzipien der Acāryas zu folgen. Diese Verbrecher in der menschlichen Gesellschaft sind die gefährlichsten Elemente, und weil es keine wirklichen religiösen Regierungen gibt, setzen sie ihre Tätigkeiten fort, ohne von dem Gesetz bestraft zu werden. Sie können jedoch das Gesetz des Allerhöchsten nicht umgehen, der eindeutig in der Bhagavad-gītā erklärt hat, daß diese von Neid erfüllten Dämonen, die sich in der Verkleidung religiöser Propagandisten befinden, in die finstersten Regionen der Hölle geworfen werden. Es wird in der Śrī Īśopaniṣad bestätigt, daß die Anhänger der Pseudo-Religion, nachdem sie ihre geistigen Meisterschaften beendet haben, die doch nur den Zwecken der Sinnesbefriedigung dienen, den abscheulichsten Orten des Universums entgegenstreben. DREIZEHNTER MANTRA anyad evāhuḥ sambhavād anyad āhur asambhavāt iti śuśruma dhīrāṇāṁ ye nas tad vicacakṣire anyat – anderes; eva – zweifellos; āhuḥ – es wird gesagt; sambhavāt – durch Verehrung des höchsten Herrn, des Ursprungs aller Ursprünge; anyat– anderes; āhuḥ – es wird gesagt; asambhavāt – durch Verehrung des Nicht-Höchsten; iti – auf diese Weise; śuśruma – ich hörte es; dhīrāṇām – von den nicht von der Materie Beeinflußten; ye – jene; naḥ – uns; tat– darüber; vicacakṣire – unmißverständlich erklären. ÜBERSETZUNG Es wird gesagt, daß die Verehrung des Höchsten Ursprungs aller Ursprünge etwas anderes bewirkt als die Verehrung des Nicht-Höchsten. All dies wurde von den großen Meistern vernommen, die in der Transzendenz verankert waren und die es deutlich erklärten. ERKLÄRUNG In diesem Mantra der Śrī Īśopaniṣad wird das System des Hörens von den in der Transzendenz verankerten großen Meistern bestätigt. Ohne von den echten Ācāryas zu hören, die niemals von dem Wandel dieser stofflichen Welt beeinflußt werden, kann man nicht den wirklichen Schlüssel zur transzendentalen Erkenntnis erhalten. Der echte Geisteslehrer, der durch seinen nicht von der Stoffeswelt beeinflußten Ācārya ebenfalls die Śruti Mantras, das vedische Wissen, vernommen hat, erfindet niemals irgendetwas, noch äußert er irgendetwas, was nicht in den vedischen Schriften erwähnt wird. In der Bhagavad-gītā wird ganz klar gesagt, daß die Verehrer der Pitṛs, der Vorfahren, zu den Vorfahren gelangen. Die grobschlächtigen Materialisten, die Pläne machen, um hier in dieser Welt zu bleiben, bleiben auch in dieser Welt, und die Gottgeweihten, die niemanden außer Kṛṣṇa, den Herrn, den Höchsten Ursprung aller Ursprünge verehren, gelangen zu Ihm in Seinem Reiche in der transzendentalen Welt. Auch hier in der Śrī Īśopaniṣad wird gesagt, daß durch verschiedene Arten der Verehrung verschiedene Wirkungen erzielt werden. Wenn wir den höchsten Herrn verehren, dann werden wir ohne Zweifel zum höchsten Herrn in Seinem ewigen Reich gelangen, und wenn wir die Halbgötter wie die der Sonne und des Mondes verehren, dann besteht kein Zweifel, daß wir in die entsprechenden Planeten eingehen. Und wenn wir auf diesem erbärmlichen Planeten mit unseren Planungsausschüssen und unseren politischen Machenschaften bleiben wollen, dann können wir auch das tun. In keiner der authentischen heiligen Schriften wird gesagt, daß man letztlich das gleiche Ziel erreichen wird, ganz gleich, was man tut oder was man verehrt. Solche verblendeten Theorien geben die selbstgemachten Meister von sich, die nicht der Paramparā, dem echten System der Nachfolge der geistigen Meister angehören. Ein echter geistiger Meister wird nicht sagen, daß für jeden, der seine eigene Art der Verehrung hat, sei es die der Halbgötter oder die des Allerhöchsten, diese Verehrung zum gleichen Ziel führt. Für einen Durchschnittsmenschen ist es sehr leicht zu begreifen, daß ein Mann, der mit dem Zug von Bombay losfährt, das Ziel erreichen wird, für das er einen Fahrschein gelöst hat, und kein anderes. Jemand, der sich eine Fahrkarte für Kalkutta besorgt hat, kann auch in Kalkutta ankommen. Aber die heutigen sogenannten Meister verkünden, daß man, ganz gleich, welchen geistigen Fahrschein man erstanden hat, das Höchste Ziel erreichen wird. Diese weltlichen und kompromißvollen Angebote ziehen viele Verblendete an, die sich auf diese Weise mit ihren selbstverfaßten Methoden der geistigen Erkenntnis aufspielen. Aber die Unterweisungen der Veden billigen das nicht. Wenn einem nicht die Erkenntnis von einem echten Geisteslehrer zuteil geworden ist, einem Meister, der sich in der anerkannten Traditionsfolge befindet, kann man kein wirkliches Wissen erlangen. In der Bhagavad-gītā sagt Kṛṣṇa zu Arjuna: ‹O du Bezwinger des Feindes, auf diese Weise kannten die großen Könige die Prinzipien des Yoga (der Gītā). Aber da das System der Paramparā unterbrochen ist, scheinen diese Prinzipien jetzt verloren zu sein.› Als Kṛṣṇa, der Herr, in dieser Welt gegenwärtig war, waren die Prinzipien des Bhakti-yoga, wie sie in der Bhagavad-gītā dargelegt sind, entstellt worden, und so mußte Kṛṣṇa dieses System der lückenlosen Nachfolge wieder festsetzen, beginnend mit Arjuna, der der vertrauteste Freund und Geweihte des Herrn war. Kṛṣṇa sagt ausdrücklich, daß die Prinzipien der Gītā dem Arjuna nur deshalb verständlich waren, weil er Sein Freund war und Ihm sein Leben geweiht hatte. Mit anderen Worten kann man die Bhagavad-gītā nur verstehen, wenn man ein Gottgeweihter und ein Freund Gottes ist. Das bedeutet, daß nur derjenige die Gītā verstehen kann, der dem Beispiel Arjunas folgt. Heutzutage gibt es viele Menschen, die keine Beziehung zu Arjuna oder Kṛṣṇa, dem Herrn, haben, die aber diesen transzendentalen Dialog auslegen. Sie legen die Strophen der Bhagavad-gītā auf ihre eigene Weise aus und vertreten allen möglichen Unsinn im Namen der Gītā. Solche Interpreten glauben weder an Śrī Kṛṣṇa noch an Sein ewiges Reich. Wie sollten sie dann über die Bhagavad-gītā Erklärungen abgeben können? Die Gītā sagt ganz klar, daß nur diejenigen, die von Sinnen sind, die Halbgötter verehren. Kṛṣṇa gibt uns letztlich den Rat, alle anderen Arten und Formen der Verehrung aufzugeben und sich bedingungslos nur Ihm hinzugeben. Die Menschen, die von allen Reaktionen der Sünde gereinigt sind, können solchen unerschütterlichen Glauben an Gott haben. Andere, mit ihren fadenscheinigen Arten der Verehrung, werden weiter im stofflichen Raum hängen bleiben. In dem falschen Glauben, daß alle Pfade zum gleichen Ziel führen, werden sie vom wirklichen Pfad abgebracht. In diesem Mantra ist das Sanskritwort Sambhavāt, Verehrung der Allerhöchsten Ursache, von großer Bedeutung. Kṛṣṇa ist der ursprüngliche personenhafte Gott, und alles Existierende ist von Ihm ausgegangen. In der Gītā offenbart Sich Kṛṣṇa. Er sagt, daß Er der Schöpfer von allem ist, auch von Brahmā, Viṣṇu und Śiva. Und weil diese drei Hauptgottheiten der stofflichen Welt von Gott erschaffen sind, ist Er der Schöpfer von allem Existierenden, sowohl in den stofflichen wie auch in den transzendentalen Welten. Im Atharva Veda wird ebenso bestätigt, daß der Eine, der vor der Schöpfung von Brahmā existierte und der Eine, der Brahmā mit dem vedischen Wissen erleuchtete, Śrī Kṛṣṇa, der Herr ist. ‹Die Allerhöchste Person hatte den Wunsch, die Lebewesen zu erschaffen, und so erschuf Nārāyaṇa alle Wesen. Von Nārāyaṇa wurde Brahmā geboren. Nārāyaṇa erschuf alle Prajāpatis. Nārāyaṇa erschuf Indra. Nārāyaṇa erschuf die acht Vasus. Nārāyaṇa erschuf die elf Rudras. Nārāyaṇa erschuf die zwölf Ādityas.› Da Nārāyaṇa die uneingeschränkte Manifestation Kṛṣṇas ist, sind Nārāyaṇa und Kṛṣṇa Ein und Derselbe. Es gibt auch spätere Schriften, die sagen, daß der allerhöchste Herr der Sohn Devakīs ist. Seine Kindheit mit Devakī und Vasudeva und Seine Identität mit Nārāyaṇa sind auch von Śrīpad Śaṅkarācārya bestätigt worden, obgleich Śaṅkarā kein Vaiṣṇava, kein Anhänger des Persönlichen war. Es gibt auch noch andere Hinweise, auch im Atharva Veda, wo folgendes gesagt wird: ‹Nur Nārāyaṇa existierte am Anfang, und es gab weder Brahmā noch Śiva noch Agni, weder Feuer noch Wasser. Es gab keine Sterne, keine Sonne und keinen Mond. Er bleibt nicht allein. Er erschafft ganz nach Seinem Wunsche.› Im Mokṣa-dharma wird gesagt: ‹Ich habe die Prajāpatis und die Rudras erschaffen. Sie haben kein vollkommenes Wissen von Mir, weil auch sie von Meiner Illusionskraft bedeckt sind.› Im Varāha Purāṇa wird gesagt: ‹Nārāyaṇa ist der höchste gestalthafte Gott, und von Ihm wurde der vierköpfige Brahmā manifestiert und auch Rudra, der später allwissend wurde.› Und so bestätigt das gesamte vedische Schrifttum, daß Nārāyaṇa, Kṛṣṇa, der Ursprung aller Ursprünge ist. Auch in der Brahma-saṁhitā wird gesagt, daß Śrī Kṛṣṇa der höchste Herr ist. Er ist ‹Govinda›, der alle Lebewesen erfreut, und Er ist der urerste Ursprung aller Ursprünge. Der wirklich intelligente Mensch wird all dies durch die Aussagen großer Weiser und durch die Unterweisungen der Veden wissen, und er wird sich daher entschließen, Kṛṣṇa als das Ein und Alles zu verehren. Ein Mensch wird buddha, wirklich weise genannt, wenn er sich ausschließlich der Verehrung Śrī Kṛṣṇas hingibt. Diese Überzeugung festigt sich, wenn man mit Glauben und Liebe die transzendentale Botschaft von dem in der Transzendenz verankerten Ācārya hört. Jemand, der keinen Glauben an Kṛṣṇa, keine Liebe für Ihn hat, kann nicht von dieser einfachen Wahrheit überzeugt werden. Solche Menschen ohne Glauben werden in der Bhagavad-gītā als Mūḍhas, als dumm wie die Esel bezeichnet. Es wird gesagt, daß die Mūḍhas den persönlichen Gott verspotten, weil ihnen kein vollkommenes Wissen von den Ācāryas zuteil geworden ist. Jemand, der von dem Sog der Stoffeskraft verwirrt wird, hat nicht die Qualifikationen, ein Ācārya zu werden. Bevor Arjuna die Bhagavad-gītā hörte, war er durch diesen Sog, durch die Reaktionen und Einflüsse der Familie, der Gesellschaft und der Gemeinde in Verwirrung gebracht, und deshalb wollte er ein Philanthrop und ein Mensch der Gewaltlosigkeit werden. Als er aber durch das Hören des vedischen Wissens in Form der Bhagavad-gītā, die von der Höchsten Person gesprochen wurde, buddha wurde, entschied er sich anders und gab sich ganz Kṛṣṇa, Gott, hin, der die Schlacht von Kurukṣetra geplant hatte. Indem er seine sogenannten Verwandten bekämpfte, gab sich Arjuna Gott hin. Auf diese Weise wurde er ein echter Gottgeweihter. So etwas ist nur möglich, wenn man den wirklichen Kṛṣṇa verehrt und nicht einen fabrizierten ‹Kṛṣṇa›, der von den verblendeten Menschen erfunden wurde, die keine Kenntnis von der Kompliziertheit der Wissenschaft Kṛṣṇas haben, wie sie in der Bhagavad-gītā und dem Śrīmad-Bhāgavatam beschrieben wird. Im Sinne der Vedānta-sūtra ist das Sambhūta der Ursprung von Geburt und Erhaltung und die Ursubstanz nach der Auflösung. Das Śrīmad-Bhāgavatam ist der wirkliche Kommentar zu den Vedānta-sūtras. Es stammt vom selben Verfasser und es gibt uns zu verstehen, daß der Ursprung aller Emanationen nicht ein toter Stein ist, sondern abhijñaḥ, etwas voll Bewußtes. Deshalb sagt der urerste Herr, Śṛī Kṛṣṇa, in der Bhagavad-gītā, daß Er im vollen Bewußtsein der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft ist; und niemand, einschließlich der Halbgötter wie Śiva und Brahmā, kennt Ihn in Seiner Fülle. Diejenigen, die von dem Wandel des stofflichen Daseins beeinflußt und verwirrt werden, können Ihn nicht in Seiner Fülle erkennen. Solche halb gebildeten geistigen Meister versuchen, Kompromisse zu schließen und machen die Masse Mensch zu Objekten der Verehrung. Sie wissen nicht, daß solche Verehrung der Massen nicht möglich ist, noch sind die Massen vollkommen. Das ist so, als ob man Wasser auf die Blätter des Baumes gießt, statt die Wurzeln zu bewässern. Der ganz natürliche Vorgang der Verehrung besteht darin, die Wurzeln des Baumes, von denen aus die Blätter wachsen, zu bewässern. Aber die verwirrten Führer der heutigen Regierungen sind mehr von den Blättern als von der Wurzel angezogen, und deshalb vertrocknet alles, weil es an Nahrung mangelt, obgleich die Blätter ständig begossen werden. Die Śrī Īśopaniṣad gibt uns den Rat, die Wurzel bzw. den Ursprung allen Keimens zu bewässern. Verehrung der Massen durch Erweisung von körperlichen Diensten, die doch nie vollkommen sein können, ist nicht so wichtig wie der Seele zu dienen. Die Seele ist die Wurzel, aus der, je nach dem Gesetz des Karma, der stofflichen Reaktion, die verschiedenen Arten der Körper entstehen. Man erweist den lebenden Wesen keinen wirklichen Dienst, wenn man nur dem Menschen durch ärztlichen Beistand, soziale Annehmlichkeiten und Erziehungsmöglichkeiten dient, während hilflose Tiere in den Schlachthäusern getötet werden. Das Lebewesen leidet in verschiedenen Arten der Körper unaufhörlich an der physischen Krankheit der Geburt, des Alters und des Siechtums. Die menschliche Form des Lebens bietet die Möglichkeit, aus dieser Verstrickung des stofflichen Daseins herauszufinden. Und das kann ganz einfach durch die Wiederherstellung der verlorenen Beziehung der Lebewesen mit dem höchsten Herrn geschehen. Und der Herr kommt persönlich, um uns diese Philosophie der Hingabe an den Allerhöchsten, den Sambhūtam, zu lehren. Wirklicher Dienst an der Menschheit bedeutet, die Hingabe zu Gott zu lehren und nur Ihn mit ganzer Kraft und Liebe zu verehren. Das ist die Unterweisung der Śrī Īśopaniṣad in diesem Mantra. Der einfachste Weg, um in diesem Zeitalter der Verwirrungen den höchsten Herrn zu verehren, besteht darin, von Seinen transzendentalen Aktivitäten zu hören und über sie zu chanten (singen und sprechen). Diejenigen jedoch, die sich dem intellektuellen Spekulieren hingeben, halten die Aktivitäten Gottes nur für Einbildung. Deshalb schließen sie sich von diesem Vorgang des Hörens aus und erfinden irgendwelche Wortspielereien, die jeder Substanz entbehren, um die Aufmerksamkeit der leichtgläubigen Massen auf sich zu lenken. Anstatt über die Aktivitäten Śrī Kṛṣṇas zu hören, ziehen sie es vor, für sich selbst Reklame zu machen, indem sie ihre Anhänger dazu verleiten, die Pseudo-Geisteslehrer zu verehren. In der heutigen Zeit ist die Zahl solcher Heuchler ganz beträchtlich angewachsen, und es ist für die geläuterten Gottgeweihten sehr schwer geworden, die Menschen vor der ruchlosen Propaganda dieser Heuchler und Imitationsinkarnationen Gottes zu bewahren. Die Upaniṣaden leiten unsere Aufmerksamkeit indirekt auf den Urersten Herrn, Śrī Kṛṣṇa, hin, und die Bhagavad-gītā, die die Zusammenfassung aller Upaniṣaden ist, weist direkt auf Kṛṣṇa hin. Man muß deshalb über Kṛṣṇa hören, so wie Er in der Gītā und dem Śrīmad-Bhāgavatam erscheint. Das hilft, den Geist langsam von allem Schmutz zu reinigen. Das Bhāgavatam sagt: ‹Durch das Hören über die Aktivitäten des Herrn wird die Aufmerksamkeit des Herrn auf den Gottgeweihten gelenkt. Und Gott, der bei jedem Lebewesen weilt, hilft dem Gottgeweihten, indem Er ihm den richtigen Weg zeigt.› Das gleiche wird auch von der Bhagavad-gītā bestätigt. Diese innere Führung durch Gott reinigt das Herz des Gottgeweihten von allem Schmutz, der sich durch die stofflichen Erscheinungsformen der Leidenschaft und der Unwissenheit angesammelt hat. Die Nicht-Gottgeweihten unterliegen der Führung der Leidenschaft und der Unwissenheit. Durch Leidenschaft kann man sich nicht von der stofflichen Anziehung freimachen, und durch Unwissenheit kann man nicht erkennen, was man selbst eigentlich ist und wer Gott ist. Und so gibt es im Zustand der Leidenschaft keine Möglichkeit zur Selbsterkenntnis, wie gut man auch immer die falsche Rolle eines religiösen Menschen spielen mag. Durch die Gnade des Herrn lösen sich für einen Gottgeweihten die Erscheinungsformen der Leidenschaft und Unwissenheit auf, und er wird sofort in der Eigenschaft der Reinheit, dem Zeichen eines vollkommenen Brahmanen, gefestigt. Diese Stufe der brahmanischen Qualifikation kann jeder erlangen, vorausgesetzt, er folgt dem Pfad des liebenden Dienens unter der Führung eines echten geistigen Meisters. Das Bhāgavatam sagt, daß jedes Lebewesen von niedriger Geburt unter der Führung eines geläuterten Gottgeweihten gereinigt werden kann. Das erste Anzeichen brahmanischer Qualifikation macht sich bemerkbar, wenn der Anwärter in der Ausübung des liebenden Gottdienens glücklich und enthusiastisch wird. Und so wird ihm, ganz automatisch, alles über die Gotteswissenschaft enthüllt. Und indem er so die Gotteswissenschaft erkennt, wird er allmählich von seinen materiellen Bindungen befreit, und sein zweifelnder Geist wird durch die Gnade Gottes kristallklar. Nur auf dieser Stufe kann man befreit werden und Gott in jeder Lebensphase wahrnehmen. Das ist die Vollkommenheit des Sambhavāt, wir es in diesem Mantra der Śrī Īśopaniṣad beschrieben wird. VIERZEHNTER MANTRA sambhūtiṁ ca vināśaṁ ca yas tad vedobhyaṁ saha vināśena mṛtyuṁ tīrtvā sambhūtyāmṛtam aśnute sambhūtim – der ewige persönliche Gott, Sein transzendentaler Name, Seine Gestalt, Spiele, Eigenschaften, ewigen Gefährten und die Mannigfaltigkeit Seines Reiches usw.; ca – und; vināśam – und die vergängliche stoffliche Manifestation der Halbgötter, Menschen, Tiere usw., einschließlich ihrer falschen Namen, ihres falschen Ruhmes usw.; ca – auch; yaḥ – wie sie sind; tad – das; veda – erkennen; ubhayam – beide; saha – gleichzeitig; vināśena – alles, was der Auflösung unterliegt; mṛtyum – Tod; tīrtvā – überwindet; sam-bhūtyā – im ewigen Königreich Gottes; amṛtam – Unsterblichkeit; aśnute – erfreut. ÜBERSETZUNG Man muß den gestalthaften Gott und Seinen transzendentalen Namen wie auch die vergängliche Schöpfung mit ihren vergänglichen Halbgöttern, Menschen und Tieren vollkommen erkannt haben. Hat man diese Erkenntnis, überwindet man den Tod und mit ihm die kurzlebige kosmische Manifestation. Und im ewigen Königreich Gottes erfreut man sich des ewigen Lebens der Glückseligkeit und Erkenntnis. ERKLÄRUNG Die menschliche Zivilisation hat durch ihren sogenannten Fortschritt der Erkenntnis viele Dinge entwickelt wie z.B. die Raumschiffe und die Atomenergie. Aber es war ihr nicht möglich, Bedingungen zu schaffen, unter denen der Mensch nicht zu sterben, nicht wiedergeboren zu werden, nicht zu altern und keine Krankheiten zu erleiden braucht. Wenn den sogenannten Wissenschaftlern diese Fragen von intelligenten Menschen gestellt werden, dann antwortet der Wissenschaftler sehr geschickt, daß die materielle Wissenschaft Fortschritte macht und daß es letzten Endes möglich sein wird, einen Menschen zu liefern, der nicht zu sterben und nicht zu altern braucht. Solche Antworten der Wissenschaftler dieser Welt sind ein Beweis dafür, daß sie sich über die stoffliche Natur in vollkommener Unwissenheit befinden. In der stofflichen Natur befindet sich alles unter den unerbittlichen Gesetzen der Materie, und alles muß sechs Stufen des Daseins durchlaufen: Geburt, Wachstum, Lebensdauer, Transformation, Zerfall und schließlich Tod. Alles, was in Verbindung zur stofflichen Natur steht, unterliegt diesen ebengenannten Gesetzen des Daseins. Deshalb kann niemand, sei es Halbgott, Mensch, Tier oder Baum, in dieser stofflichen Welt für immer leben. Die Lebensdauer mag in den verschiedenen Lebensarten unterschiedlich sein. Brahmā, das höchste Lebewesen in dieser stofflichen Welt, mag eine Lebensdauer von Millionen von Jahren haben, während winzige Mikroben nur ein paar Stunden leben, aber das ist von keiner Bedeutung. Niemand kann in dieser stofflichen Welt ewig leben. Die Dinge hier entstehen und sie werden unter bestimmten Umständen erschaffen. Eine Zeitlang bleiben sie, und wenn sie Leben haben, dann wachsen sie, vermehren sich, dann schwinden sie allmählich dahin und schließlich werden sie aufgelöst. Durch dieses Gesetz sind sogar die Brahmās – es gibt Millionen Brahmās in den verschiedenen Universen, und jeder einzelne ist größer als der Vorangegangene – früher oder später dem Tode unterworfen. Deshalb wird die ganze stoffliche Welt Martya-loka, Ort des Todes, genannt. Die Wissenschaftler und Politiker dieser Welt versuchen, den Tod in dieser Welt abzuschaffen, weil sie aufgrund ihrer Unkenntnis der vedischen Schriften kein Wissen von der unvergänglichen transzendentalen Natur haben. Die Veden sind voller Erkenntnis, die durch Erfahrung gereift ist. Aber der heutige Mensch lehnt es ab, Wissen von den Veden, den Purāṇas und anderen heiligen Schriften zu empfangen. Durch das Viṣṇu Purāṇa erfahren wir, daß Viṣṇu, der personenhafte Gott, verschiedene Kräfte hat, die Parā, höhere Kraft und Aparā, Avidyā, niedere Kraft genannt werden. Die stoffliche Energie, in die wir zurzeit verstrickt sind, wird Avidyā, niedere Energie genannt, und die stoffliche Schöpfung entfaltet sich durch diese Energie. Aber es gibt eine andere, höherstehende Energie, Parā-śakti genannt, in der alles sich von dieser stofflichen niederen Energie unterscheidet. Jene Natur ist die ewige, unvergängliche Schöpfung des Herrn. Alle stofflichen Planeten, die oberen, unteren und in der Mitte liegenden, einschließlich Sonne, Mond und Venus, sind über das ganze Universum hin verstreut. Diese Planeten existieren nur für die Dauer von Brahmās Leben. Einige der unteren Planeten jedoch werden am Ende eines Brahmā-Tages aufgelöst, und sie werden am nächsten Tag Brahmās wiedererschaffen. Die Zeitrechnung auf den höherstehenden Planeten unterscheidet sich von unserer Zeitrechnung. Auf vielen der höheren Planeten gleicht eines unserer Jahre vierundzwanzig Stunden bzw. einem Tag und einer Nacht. Die vier Zeitalter der Erde (Satya, Tretā, Dvāpara und Kali) ergeben im Sinne der Zeitrechnung dieser höheren Planeten eine Dauer von zweiundzwanzigtausend Jahren und fünf Monaten. Multipliziert man diese Zeitdauer mit eintausend, dann ergibt das einen Tag Brahmās. Die Nacht Brahmās ist ebenso lang. Diese Tage und Nächte ergeben Monate und Jahre, und Brahmā lebt einhundert solcher Jahre. Am Ende seines Lebens wird die gesamte Manifestation der Universen aufgelöst. Die Wesen, die in Sonne und Mond leben, und auch die, die sich im System des Martya-loka befinden, welches auch diese Erde und viele Planeten, die unter dieser Erde liegen, miteinschließt, gehen alle während der Nacht Brahmās in die Wasser der Vernichtung ein. Während dieser Zeit bleibt kein Lebewesen, keine der Lebensarten, manifestiert, obgleich sie geistig weiterbestehen. Diese Stufe der Nicht-Manifestation wird avyakta genannt. Und wenn am Ende von Brahmās Leben das ganze Universum aufgelöst wird, dann gibt es wieder den Zustand des avyakta. Aber jenseits dieser beiden nicht-manifestierten Zustände gibt es eine andere transzendentale Atmosphäre, eine überweltliche Natur, in der es eine große Anzahl transzendentaler Planeten gibt, die ewiglich bestehen, auch wenn alle Planeten innerhalb dieses stofflichen Universums aufgelöst werden. Die kosmische Manifestation innerhalb des Verwaltungsbereiches der verschiedenen Brahmās ist eine Manifestation von einem Viertel der Energie des Herrn. Diese Energie wird geringwertig, untergeordnet genannt. Die transzendentale Natur jenseits des Verwaltungsbereiches Brahmās wird Tri-pada-vibhūti, dreiviertel der Energie des Herrn, genannt, und sie ist höherstehende Energie bzw. Parā-prakṛti. Die herrschende höchste Person in der transzendentalen Welt ist der Herr, Śrī Kṛṣṇa. Man kann sich Ihm nur durch uneingeschränktes liebendes Dienen nähern und auf keine andere Weise wie, zum Beispiel, durch Jñāna (Philosophie) und Yoga (Mystik), und noch viel weniger durch Karma (gewinnbringendes Werketun). Die Karmīs, die ihre Werke tun, um einen Gewinn für sich daraus zu erzielen, können bis zu den Planeten des Svarga-loka, die auch die Sonne und den Mond mit einschließen, gelangen. Die Jñānīs und Yogīs können noch höhere Planeten erreichen wie, zum Beispiel, das Brahma-loka. Und wenn sie durch das liebende Gottdienen besser qualifiziert sind, dann sind sie, je nach Qualifikation, befähigt, entweder in die leuchtende kosmische Atmosphäre (das Brahman) oder in die Planeten der transzendentalen Welt einzugehen. Es ist jedoch nicht möglich, in die transzendentalen Planeten, die Vaikunṭḥas genannt werden, einzugehen, wenn man nicht im liebevollen Gottdienen geschult wurde. Auf den stofflichen Planeten versucht jeder, angefangen von Brahmā bis hinunter zur Ameise, die stoffliche Natur zu beherrschen, und das wird die materielle Krankheit genannt. Solange diese materielle Krankheit andauert, ist das Lebewesen dem Wechsel der Körper unterworfen, sei es in der Form eines Halbgottes, eines Menschen oder eines Tieres. Und letztlich muß es für die Dauer der beiden Verwüstungen (Brahmās Nacht und am Ende von Brahmās Leben) den nicht-manifestierten Zustand ertragen. Wenn wir den Ablauf der sich wiederholenden Geburten und Tode beenden und deren Begleiterscheinungen, Alter und Krankheit beseitigen wollen, dann müssen wir versuchen, in die transzendentalen Planeten einzugehen, auf denen überall Kṛṣṇa durch Seine uneingeschränkten Erweiterungen die herrschende Person ist. Niemand kann über Kṛṣṇa herrschen. Und jeder, der versucht, Herr über die stoffliche Natur zu sein, ist eine bedingte Seele, die den Gesetzen der stofflichen Natur unterworfen ist und somit die Qualen der sich wiederholenden Geburten und Tode erleiden muß. Gott erscheint hier, um die Prinzipien der Religion wieder festzusetzen, und das grundlegende Prinzip besteht darin, Ihm gegenüber eine Haltung der Hingabe zu entwickeln. Kṛṣṇa lehrt uns das im zweiten Teil der Bhagavad-gītā, aber verblendete Menschen haben diese wesentlichste aller Lehren falsch interpretiert und die Menschen auf die verschiedenste Art und Weise irregeführt. Man hat es den Menschen nahegelegt, Krankenhäuser zu bauen, doch sind sie nicht daran interessiert, wirkliches Wissen zu erlangen und durch liebevolles Gottdienen in das transzendentale Reich einzugehen. Man hat die Menschen gelehrt, sich nur für Werke zu interessieren, die vorübergehende Erleichterung schaffen. Das aber kann die Lebewesen nie glücklich machen. Sie gründen die verschiedensten öffentlichen und halb-staatlichen Institutionen, um mit der zerstörerischen Macht der Natur fertig zu werden. Aber sie wissen nicht, wie sie die unüberwindliche Natur beruhigen können. Viele Menschen werden als große Gelehrte der Bhagavad-gītā zelebriert, aber diese Menschen übersehen den wirklichen Weg, den die Gītā uns weist, durch den die stoffliche Natur beruhigt werden kann. Die mächtige Natur kann nur durch das Erwachen des Gottesbewußtseins beruhigt werden, wie es unmißverständlich in der Gītā gesagt wird. Die Śrī Īśopaniṣad lehrt uns in diesem Mantra, daß man gleichzeitig vollkommene Erkenntnis des Sambhūti wie auch der Vināśa haben muß. Wenn man nur die Vināśa, die vergängliche stoffliche Manifestation, kennt, kann man keinen Menschen erretten. Die Natur nimmt ihren Lauf, und ständig gibt es Verwüstungen. Und alle Anstrengungen, Krankenhäuser zu bauen, können niemanden vor diesen Katastrophen bewahren. Die Menschen können nur durch vollkommene Erkenntnis des ewigen Lebens, voller Glückseligkeit und reinem Bewußtsein, gerettet werden. Das ganze vedische System ist darauf ausgerichtet, die Menschen auf den Weg zu bringen, der zum unvergänglichen Leben führt. Die Menschen werden oft durch andere zeitweilig anziehende Dinge, die die Sinnesbefriedigung zum Ziel haben, in die Irre geführt; aber diese Art des fehlgeleiteten Dienens ist erniedrigend. Man muß seine Mitmenschen im eigentlichen Sinne erretten. Es hat nichts damit zu tun, ob man die Wahrheit liebt oder nicht. Die Wahrheit ist da. Wenn man vor den sich wiederholenden Geburten und Toden bewahrt werden will, muß man sich dem liebenden Gottdienen hingeben. Das ist der einzige Weg, und deshalb kann es hierin keinen Kompromiß geben. FÜNFZEHNTER MANTRA hiraṇmayena pātrena satyasyāpihitaṁ mukham tat tvaṁ pūṣann apāvṛṇu satya-dharmāya dṛṣṭaye hiraṇmayena – durch Ausstrahlung des Lichtes; pātrena – durch die leuchtende Verhüllung; satyasya – der Absoluten Wahrheit; apihitam – verhüllt; mukham – Gesicht; tat – diese Verhüllung; tvam – du Selbst; pūṣan – O Erhalter; apāvṛṇu – entferne gütigerweise; satya– lauterem; dharmāya – dem Gottgeweihten; dṛṣṭaye – um zu offenbaren ÜBERSETZUNG O mein Herr, Erhalter allen Lebens, Dein wirkliches Gesicht ist durch Deine leuchtende Ausstrahlung verhüllt. Entferne gütigerweise diese Verhüllung, und offenbare Dich dem, der Dir bedingungslos sein Leben geweiht hat. ERKLÄRUNG In der Bhagavad-gītā erklärt Kṛṣṇa, Gott, Seine von Ihm ausgehenden Strahlen, die das Brahma-jyoti genannt werden – die leuchtende Ausstrahlung Seiner überweltlichen Gestalt – folgendermaßen: ‹Ich bin der Ursprung des unpersönlichen Brahman, welches unsterblich, unvergänglich und ewig ist, der Urquell nie endenden Glücks.› (Gītā 14.27) Brahman, Paramātmā und Bhagavan sind drei Aspekte der gleichen Absoluten Wahrheit. Brahman ist die Offenbarung der Absoluten Wahrheit, die für den Anfänger am ehesten wahrnehmbar ist. Paramātmā ist die Offenbarung der Absoluten Wahrheit für die weiter Fortgeschrittenen. Und Bhagavan ist die allerletzte Erkenntnis der Absoluten Wahrheit. Das wird auch in der Gītā bestätigt, in der Kṛṣṇa sagt, daß Er die endgültige Absolute Wahrheit ist. Er ist der Ursprung des Brahma-jyoti wie auch des alldurchdringenden Paramātmā-Aspekts. Ebenso wie Er sagt, daß das Brahma-jyoti, die unpersönliche Offenbarung der Absoluten Wahrheit, von Ihm ausgeht, so sagt Er auch in der Gītā, daß es nicht notwendig ist, Seine unbegrenzte Kraft zu erklären. Mit anderen Worten: Er erhält durch einen Seiner uneingeschränkten Teilaspekte, dem allesdurchdringenden Paramātmā, die gesamte stoffliche Schöpfung. Und auch in der transzendentalen Welt erhält Er alle Manifestationen. Deshalb wird Er im Śruti Mantra der Śrī Īśopaniṣad Pūṣan, der eigentliche Erhalter, genannt. Der personenhafte Gott, Śrī Kṛṣṇa, ist immer von transzendentaler Glückseligkeit erfüllt. Als Er in Vṛndāvana in Indien vor fünftausend Jahren sichtbar war, befand Er Sich ständig in transzendentaler Glückseligkeit, auch schon zu Beginn Seiner überweltlichen Spiele als Kind. Das Töten der verschiedensten Dämonen, wie Agha, Baka, Pūtanā und Pralamba, war auch mit dieser überweltlichen Freude verbunden. Bei Sich zu Hause im Dorf vergnügte Er Sich gemeinsam mit Seiner Mutter, Seinen Schwestern und Freunden als der unartige Butterdieb, und jeder Seiner Gefährten wurde durch Seine diebischen Spiele in himmlische Glückseligkeit versetzt. Kṛṣṇa wird der Butterdieb genannt, aber dieses Wort wird nie im abfälligen Sinne gebraucht. Der Ausdruck Butterdieb wird so angewendet, daß man die damit verbundene Freude der geläuterten Gottgeweihten versteht. Alles, was Kṛṣṇa in Vṛndāvana tat, geschah zur Freude Seiner Gefährten dort. Diese Manifestationen offenbarte Er, um all die anzuziehen, die sich mit fruchtlosem Spekulieren sowie der Akrobatik des sogenannten Haṭha-Yoga abgeben, um die Absolute Wahrheit zu finden. Über die Kindheitsspiele Kṛṣṇas mit Seinen Spielgefährten, den Hirtenknaben, sagt Śukadeva Gosvāmī im Śrīmad-Bhāgavatam folgendes: ‹Der persönliche Gott, der als unpersönliches Brahman der Glückseligkeit erkannt und der von den Gottgeweihten als der allerhöchste Herr verehrt wird, den die Materialisten aber für einen gewöhnlichen Menschen halten, spielte mit den Hirtenknaben, die nach unendlich vielen guten Taten zu Seinen Gespielen geworden waren.› Und so gibt es zwischen Kṛṣṇa und Seinen ewigen Gefährten einen ununterbrochenen transzendentalen liebenden Austausch, der folgende Beziehungen mit einschließt: śanta – Ruhe; dāsya – Dienen; sakhya – Freundschaft; vātsalya – elterliche Zuneigung und mādhurya – innigste überweltliche Liebe. Es wird gesagt, daß Kṛṣṇa Vṛndāvana-dhāma nie verläßt, und man mag sich jetzt fragen, wie es Ihm außerdem noch möglich ist, den Lauf Seiner verschiedenen Schöpfungen zu lenken. Die Antwort findet sich in der Gītā: Er durchdringt die gesamte stoffliche Schöpfung durch Seinen uneingeschränkten Teilaspekt, der Puruṣa-Inkarnation genannt wird. Kṛṣṇa hat nichts mit der stofflichen Schöpfung, Erhaltung und Auflösung zu tun, aber Er verursacht all dies durch Seine uneingeschränkte Erweiterung, diesen Paramātmā, den Überseelen-Aspekt. Jedes lebende Wesen wird Ātmā, Seele, genannt. Der höchste Ātmā, der alle anderen lenkt, ist der Paramātmā, die Überseele. Das ganze System der Gottesvergegenwärtigung ist eine große Wissenschaft. Die Materialisten können nur die vierundzwanzig Faktoren der stofflichen Schöpfung analysieren und darüber ihre Vermutungen anstellen. Ihnen ist sehr wenig über den Puruṣa, über Gott, bekannt. Die Anhänger vom Unpersönlichen werden auch nur von der leuchtenden Ausstrahlung des Brahma-jyoti verwirrt. Will man die Absolute Wahrheit in aller Fülle wahrnehmen, dann muß man über die vierundzwanzig stofflichen Elemente wie auch die leuchtende Ausstrahlung hinausgelangen. Die Śrī Īśopaniṣad bestätigt dies, indem sie um die Entfernung der Hiraṇmaya-pātra, der leuchtenden Umhüllung, bittet. Nur wenn diese Umhüllung entfernt wird, und nur wenn man den höchsten gestalthaften Gott erkennt, so wie Er wirklich ist, kann es eine wirkliche Erkenntnis der Absoluten Wahrheit geben. Der Paramātmā-Aspekt des persönlichen Gottes wird in drei uneingeschränkte Teilaspekte eingeteilt, die zusammen Viṣṇu-tattva genannt werden. Das Viṣṇu-tattva innerhalb des Universums, (eines der drei Hauptgottheiten – Brahmā, Viṣṇu und Śiva), ist der Kṣirodaka-śāyī Viṣṇu. Er ist der alldurchdringende Paramātmā in jedem individuellen Lebewesen. Und der Garbhodaka-śāyī Viṣṇu ist die zusammenfassende Überseele aller lebenden Wesen. Jenseits dieser beiden befindet sich der im Ozean aller Ursachen ruhende Kāraṇodaka-śāyī Viṣṇu. Er ist der Schöpfer aller Universen. Das Yoga-System lehrt den ernsthaft Forschenden, nachdem er die vierundzwanzig stofflichen Elemente der kosmischen Schöpfung überwunden hat, diese Viṣṇu-tattvas zu erkennen. Durch empirische Philosophie kann man das unpersönliche Brahma-jyoti, die leuchtende Ausstrahlung des transzendentalen Körpers Śrī Kṛṣṇas, erkennen. Das wird in der Bhagavad-gītā wie auch in der Brahma-saṁhitā (5.40) bestätigt: ‹In den Millionen und Abermillionen von Universen gibt es unzählige Planeten, jeder einzelne von ihnen durch kosmische Konstitution verschieden vom anderen und alle befinden sich in einem Bereich des Brahma-jyoti. Dieses Brahma-jyoti ist die persönliche Ausstrahlung des höchsten gestalthaften Gottes, den ich verehre.› Dieser Mantra der Brahma-saṁhitā ist die Stufe tatsächlicher Erkenntnis der Absoluten Wahrheit, und der zur Diskussion stehende Śruti Mantra der Śrī Īśopaniṣad ist eine Bestätigung dieses Mantras als der Weg, der zur tatsächlichen Erkenntnis führt. Es ist ein schlichtes Gebet an Gott, das Brahma-jyoti zu entfernen, damit man das wirkliche Gesicht Gottes sehen kann. Vollkommene Erkenntnis bedeutet, die Wurzel des Brahman zu erkennen. Die Wurzel des Brahman ist Śrī Kṛṣṇa, der Herr, und in den heiligen Schriften wie dem Śrīmad-Bhāgavatam wird die Gotteswissenschaft eingehend beschrieben. Der Verfasser des Bhāgavatam, Śrīla Vyāsadeva, hat durch ihm zuteil gewordene Erkenntnis festgestellt, daß die Höchste Wahrheit als Brahman, Paramātmā oder Bhagavān zu beschreiben ist. Nie aber hat er gesagt, daß die Höchste Wahrheit als Jīva, als gewöhnliches Lebewesen angesehen werden darf. Deshalb ist das Lebewesen nicht die allmächtige Höchste Wahrheit. Sonst brauchte wohl niemand den Herrn zu bitten, die leuchtende Umhüllung zu entfernen und Sein wirkliches Gesicht zu zeigen. Wenn sich also die Allerhöchste Wahrheit nicht vollkommen manifestiert, dann wird das unpersönliche Brahman erkannt. Wird die stoffliche Kraft Gottes vergegenwärtigt, wobei überhaupt kein oder nur geringes Wissen von der transzendentalen Kraft vorhanden ist, so wird das Paramātmā-Erkenntnis genannt. Deshalb sind sowohl Brahman- wie auch Paramātmā-Erkenntnis der Absoluten Wahrheit Teilerkenntnisse. Aber wenn man den höchsten personenhaften Gott, Śrī Kṛṣṇa, nach Entfernung des Hiraṇmaya-pātra in Seiner vollen Kraft erkennt, dann erkennt man: Vāsudevaḥ sarvam iti. Śrī Kṛṣṇa, der Herr, auch Vāsudeva genannt, ist der Ursprung von Brahman, Paramātmā und Bhagavān. Er ist Bhagavān, die Wurzel. Brahman und Paramātmā sind Seine Zweige. In der Bhagavad-gītā gibt es eine vergleichende Analyse der drei Arten der Transzendentalisten, die Jñānīs (Verehrer des unpersönlichen Brahman), Yogīs (Verehrer des Paramātmā-Aspekts) und Bhaktas (Gottgeweihte) genannt werden. In der Gītā wird gesagt, daß von allen Transzendentalisten der Jñānī, der das vedische Wissen erlangt hat, der höchste ist. Die Yogīs jedoch stehen noch höher als die Jñānīs. Und die Yogīs stehen auch weit über denjenigen, die dem gewinnbringenden Werketun nachgehen. Und von allen Yogīs ist ‹derjenige, der ständig mit seiner ganzen Kraft dem Herrn dient, der allerhöchste.› Daraus ist ersichtlich, daß ein Philosoph höher steht als ein Arbeiter und ein Mystiker einem Philosophen weitaus überlegen ist. Und von allen mystischen Yogīs ist derjenige, der dem Pfad des Bhakti-Yoga, dem liebevollen Gottdienen, folgt, der Vollkommenste. Die Śrī Īśopaniṣad führt uns dieser Vollkommenheit des Lebens entgegen. SECHZEHNTER MANTRA pūṣann ekarṣe yama sūrya prājāpatya vyūha raśmīn samūha tejo yat te rūpaṁ kalyāṇatamaṁ tat te paśyāmi yo ’sāvasau puruṣaḥ so ’hamasmi pūṣan – der Erhalter; ekarṣe – der urerste Philosoph; yama – das regulierende Prinzip; sūrya – das Ziel der Sūris (der großen Gottgeweihten); prājāpatya – der wohlmeinende Freund der Prajāpatis (der Vorfahren der Menschheit); vyūha – bitte richte es so ein; raśmīn – die Strahlen; samūha – löse auf; tejaḥ – Ausstrahlung; yat – jener; te – deiner; rūpam – Gestalt; kalyāṇa-tamam – glückselig; tat – damit; te – deine; paśyāmi – ich sehen kann; yaḥ – jemand, der ist; asau – die Sonne; asau – jene; puruṣaḥ – der gestalthafte Gott; saḥ – Er; aham – ich selbst; asmi – ich bin ÜBERSETZUNG O mein Herr, o urerster Philosoph, Erhalter des Universums, o regulierendes Prinzip, Ziel aller geläuterten Gottgeweihten, wohlmeinender Freund aller Vorfahren der Menschheit, bitte entferne den Glanz Deiner transzendentalen Strahlen, damit ich Deine Wonnegestalt sehen kann. Du bist der ewige allerhöchste gestalthafte Gott, gleich der Sonne wie auch ich. ERKLÄRUNG Die Sonne und die Sonnenstrahlen sind qualitativ eins. Ebenso sind der Herr und die Lebewesen qualitativ eins. Die Sonne ist eins, aber die Moleküle der Sonnenstrahlen sind unzählig. Die Sonnenstrahlen machen einen Teil der Sonne aus; die Sonne und die Strahlen zusammen ergeben die vollkommene Sonne. Innerhalb des Sonnenplaneten gibt es den Sonnengott, und ebenso gibt es innerhalb des höchsten transzendentalen Planeten, Goloka Vṛndāvana, von dem das leuchtende Brahma-jyoti ausgeht, den ewigen Gott. In der Brahma-saṁhitā wird gesagt: ‹Das transzendentale Reich Kṛṣṇas, Gottes, ist das Land, in dem man die Steine der Weisen findet, aus denen die Häuser gebaut sind, von Bäumen überschattet, die alle Wünsche erfüllen. Kṛṣṇa hütet dort die Surabhi-Kühe, umgeben von Tausenden von Göttinnen des Glücks, die Ihm mit großer Ehrfurcht dienen.› Die Beschreibung dieses transzendentalen Reiches Kṛṣṇas findet sich in der Brahma-saṁhitā, und das Brahma-jyoti wird darin als die Ausstrahlung beschrieben, die von diesem Planeten ausgeht, ebenso wie die Sonnenstrahlen von der Sonne ausgehen. Ohne über den Glanz des Brahma-jyoti hinauszugelangen, kann man keine Kenntnis vom Reiche Kṛṣṇas haben. Die Philosophen, die sich dem Unpersönlichen widmen und die durch das leuchtende Brahma-jyoti verblendet werden, können weder das wirkliche Reich Kṛṣṇas noch Seine überweltliche Gestalt erkennen. Aufgrund ihres geringen Wissens können die Denker die ganz und gar glückselige Gestalt Kṛṣṇas nicht begreifen. Deshalb wendet sich die Śrī Īśopaniṣad mit diesem Gebet an den Herrn, daß Er die leuchtenden Strahlen des Brahma-jyoti entfernen möge, damit der geläuterte Gottgeweihte Seine ganz und gar glückselige transzendentale Gestalt wahrnehmen kann. Durch Erkenntnis des unpersönlichen Brahma-jyoti erfährt man den glückseligen Aspekt des Allerhöchsten; durch Erkenntnis des Paramātmā, des alldurchdringenden Aspekts des Allerhöchsten, erfährt man noch glückseligere Erleuchtung, und wenn man dem persönlichen Gott direkt gegenübersteht, dann erfährt der Gottgeweihte den glückseligsten Aspekt des Allerhöchsten. Da Kṛṣṇa, die Allerhöchste Wahrheit, als Philosoph, Erhalter und wohlmeinender Freund usw. angesprochen wird, darf Er deshalb nicht als unpersönlich angesehen werden. Gerade darauf wird in der Śrī Īśopaniṣad hingewiesen. Das Wort Erhalter ist von ganz besonderer Bedeutung: Der Herr erhält ganz besonders diejenigen, die Ihm ihr Leben geweiht haben, obgleich Er der Erhalter von allen Wesen ist. Wenn der Gottgeweihte über das unpersönliche Brahma-jyoti hinausgelangt, wenn er den persönlichen Aspekt des Herrn und Seine glückseligste unvergängliche Gestalt erschaut, dann erkennt der Gottgeweihte die Absolute Wahrheit in Ihrer ganzen Fülle. Śrīla Jīva Gosvāmī sagt folgendes in seiner Bhāgavata-sandarbha: ‹Der vollkommene Begriff der Absoluten Wahrheit wird in dem personenhaften Gott erkannt, weil Er allmächtig ist und Ihm alle Kraft in der Transzendenz inne ist. Im Brahma-jyoti wird die volle Kraft der Absoluten Wahrheit nicht erkannt, und deshalb ist die Erkenntnis des Brahman nur eine Teilerkenntnis des persönlichen Gottes. O ihr gelehrten Weisen, die erste Silbe des Wortes Bhagavān ist von zweifacher Bedeutung: erstens im Sinne von „der, der vollkommen erhält“ und zweitens, im Sinne von „Behüter“. Die zweite Silbe – Ga – bedeutet Lenker, Führer oder auch Schöpfer. Die Silbe va (oder ba) bedeutet, daß jedes Wesen in Ihm und Er in jedem Wesen lebt. Mit anderen Worten bedeutet der transzendentale Klang Bhagavān unendliche Erkenntniskraft, Energie, Fülle, Stärke und Einfluß, alles ohne eine Spur materieller Unzulänglichkeit.› Kṛṣṇa erhält all die, die Ihm bedingungslos ihr Leben weihen, und Er lenkt solche Gottgeweihten auf dem Pfad, der zur Vollkommenheit der liebenden Hingabe führt. Als Lenker der Gottgeweihten läßt Er sie letztlich das ersehnte Ziel des liebenden Dienens erreichen, das heißt, Er Selbst schenkt Sich den Gottgeweihten. Die Gottgeweihten sehen Kṛṣṇa direkt, durch Seine motivlose Gnade, und auf diese Weise hilft Er ihnen, den höchsten aller überweltlichen Planeten, Goloka Vṛndāvana zu erreichen. Als Schöpfer kann Er in den Gottgeweihten alle notwendigen Eigenschaften entstehen lassen, damit sie Ihn letztlich erlangen können. Kṛṣṇa ist der Ursprung aller Ursprünge. Er Selbst hat keinen Ursprung, denn Er ist der urerste Ursprung. Und als solcher hat Er durch Manifestation Seiner eigenen inneren Kraft Freude an Sich Selbst. Die äußere Kraft wird, genau genommen, nicht von Ihm manifestiert, denn Er erweitert Sich zu den Puruṣas, und durch diese Formen erhält Er die Aspekte der stofflichen Manifestation. Durch diese Erweiterungen erschafft, erhält und löst Er die kosmische Manifestation auf. Auch die Lebewesen sind individuelle Erweiterungen Seines Selbsts, und weil einige der Lebewesen danach begehren, Herr zu sein, erlaubt Er ihnen, in die kosmische Schöpfung einzugehen mit der freien Entscheidung, ihren Hang zum Beherrschen voll auszuleben. Weil Seine wesentlichen Bestandteile, die Lebewesen, gegenwärtig sind, wird diese ganze Erscheinungswelt zur Aktion und Reaktion in Bewegung gesetzt. Den Lebewesen wird alle Möglichkeit gegeben, die stoffliche Natur zu beherrschen, aber der endgültige Lenker ist Kṛṣṇa, der Herr Selbst, durch Seinen uneingeschränkten Paramātmā-Aspekt, die Überseele, die eine der Puruṣas ist. Deshalb gibt es einen sehr großen Unterschied zwischen den Ātmā genannten Lebewesen und dem Lenker, dem Paramātmā, der Seele und der Überseele. Paramātmā ist der Lenker, und Ātmā ist der Gelenkte; deshalb können sich beide nicht auf der gleichen Stufe befinden. Der Paramātmā wirkt Sich ganz im Einklang mit dem Ātmā aus, und auf diese Weise ist Er der ständige Begleiter des Lebewesens. Der alldurchdringende Aspekt Kṛṣṇas, der in allen Wach- und Schlafzuständen existiert sowie in potentiellen Zuständen, von dem auch die Jīva-śakti (die Lebenskraft) der bedingten wie auch der befreiten Seelen ausgeht, wird Brahman genannt. Und so ist Kṛṣṇa, der Herr, Ursprung sowohl des Paramātmā als auch des Brahman, und deshalb ist Er der Ursprung aller Lebewesen und der Ursprung von allem Existierenden. Jemand, der das erkannt hat, gibt sich augenblicklich dem liebenden Gottdienen hin. Solch ein reiner und vollkommen erkennender Gottgeweihter ist ganz mit Herz und Seele an Ihn gebunden, und wenn solch ein Gottgeweihter mit gleichgesinnten Gottgeweihten beisammen ist, dann tun sie nichts anderes, als durch Kṛṣṇas transzendentale Aktivitäten Seinen Ruhm zu preisen. Diejenigen, die nicht so vollkommen wie die lauteren Gottgeweihten sind, die nur den Brahman- oder den Paramātmā-Aspekt Kṛṣṇas erkannt haben, wissen die Aktivitäten solcher vollkommenen Gottgeweihten nicht zu schätzen. Kṛṣṇa jedoch hilft den lauteren Gottgeweihten immer dadurch, daß Er ihnen die notwendige Erkenntnis in ihren Herzen zuteil werden läßt, und durch Seine motivlose Gnade löst Er die Finsternis der Unwissenheit auf. Das können die Philosophen und die Yogīs sich nicht vorstellen, weil sie sich mehr oder weniger auf ihre eigene Stärke verlassen. Wie in der Kaṭha Upaniṣad gesagt wird, kann Kṛṣṇa nur von denjenigen erkannt werden, denen Er Gnade erweist, und von keinem anderen sonst. Und solche besondere Gnade wird nur den geläuterten Gottgeweihten erwiesen. Die Śrī Īśopaniṣad spricht hier von solcher jenseits der Sphäre des Brahman befindlichen Gnade Kṛṣṇas, des Herrn. SIEBZEHNTER MANTRA vāyur anilam amṛtam athedaṁ bhasmāntaṁ śarīram oṁ krato smara kṛtaṁ smara krato smara kṛtaṁ smara vāyuḥ – die Lebensluft; anilam – die Gesamtheit der Luft; amṛtam – unzerstörbar; atha – jetzt; idam – diesen; bhasmāntam – nachdem es zu Asche geworden ist; śarīram – der Körper; oṁ – O Herr; krato – der Empfänger aller Opferdarbringungen; smara – bitte erinnere Dich; kṛtam– alles, was von mir getan wurde; smara – bitte erinnere Dich; krato – der endgültige Empfänger; smara – bitte erinnere Dich; kṛtam – alles, was ich für Dich getan habe; smara – bitte erinnere Dich. ÜBERSETZUNG Möge dieser vergängliche Leib zu Asche verbrennen und der Odem des Lebens in die Fülle der Luft eingehen. O mein Herr, erinnere Dich jetzt bitte aller meiner Opferdarbringungen. Und weil Du der endgültige Empfänger bist, erinnere Dich bitte an alles, was ich für Dich getan habe. ERKLÄRUNG Dieser vergängliche stoffliche Körper ist ohne Zweifel ein fremdes Gewand. In der Bhagavad-gītā wird ganz eindeutig gesagt, daß das Lebewesen nach Auflösung dieses stofflichen Leibes nicht zerstört wird; noch verliert es seine Identität. Die Identität des Lebewesens ist deshalb niemals eigenschaftslos oder ohne Form; im Gegenteil, es ist das stoffliche Gewand, welches formlos ist und welches nach der Form des unzerstörbaren individuellen Wesens Gestalt annimmt. Kein Lebewesen ist ursprünglich formlos, wie Menschen mit geringer Erkenntnis annehmen. Auch hier im siebzehnten Mantra bestätigt die Śrī Īśopaniṣad die Erkenntnis, daß das Lebewesen nach Auflösung des stofflichen Körpers weiterbesteht. Im Weltall der Materie gibt es, was die Erschaffung der verschiedenen Körperformen der Lebewesen angeht, je nach ihren Begehren für die Sinnesbefriedigung, ein wundervolles Wirken der stofflichen Natur. Demjenigen, der sich dazu hingezogen fühlte, Abfall zu fressen, wird der stoffliche Körper gegeben, der sich sehr gut zum Fressen von Abfall eignet, wie der Körper eines Schweines. Ähnlich hat der Tiger einen Körper, der es ihm ermöglicht, das Blut anderer Tiere zu schmecken und ihr Fleisch zu fressen. Der Mensch ist nicht dafür geschaffen, Abfall oder Fleisch zu fressen, weil seine Zähne anders geformt sind. Noch hat er Verlangen nach Abfall, auch nicht auf der unterentwickeltsten Stufe des menschlichen Lebens. Die Zähne des Menschen sind derart beschaffen, daß sie Früchte und Gemüse zerkleinern können, mit zwei Eckzähnen, um auch Fleisch essen zu können. Die stofflichen Körper aller Tiere und Menschen sind Fremdkörper für die Lebewesen, und sie ändern sich je nach dem Grade ihres Begehrens nach Sinnesbefriedigung. In diesem Evolutionskreislauf wechselt man von einem Körper in den anderen über. Vom Leben im Wasser – als die Welt vom Wasser überflutet war – zum Pflanzenleben, von der Pflanze zum Wurm, vom Wurm zum Vogel, vom Vogel zum Säugetier und vom Säugetier zur menschlichen Form. Diese menschliche Form, durch die der Sinn für geistige Erkenntnis gegeben ist, ist die höchste Entwicklung des Lebens, und die höchste Entwicklung geistigen Verstehens wird in diesem Mantra der Veden beschrieben: Dieser stoffliche Körper soll beim Verlassen zu Asche verbrannt werden, und der Lebensodem soll in die unvergängliche Fülle der Luft eingehen. Die Aktivitäten der Lebewesen werden innerhalb des Körpers durch Bewegung der verschiedenen Arten der Luft hervorgerufen. Das wird zusammenfassend Prāṇa-vāyu genannt. Die Yogīs versuchen gewöhnlich, die verschiedenen Arten der Luft im Körper zu meistern und die Seele von einem Luftkreis zum anderen zu erheben, bis sie sich zum Brahma-randhra, dem höchsten Luftkreis erhoben hat. Dann kann der Yogī, der die Vollkommenheit erlangt hat, zu jedem beliebigen Planeten überwechseln. Er gibt also den stofflichen Körper auf, um in einen anderen Körper einzugehen, und die höchste Vollkommenheit dieses Wechselns der Körper wird erreicht, wenn man imstande ist, diesen stofflichen Körper vollends aufzugeben, worauf auch in diesem Mantra hingewiesen wird. Dann ist es einem möglich, in die transzendentale Atmosphäre einzugehen, in der man eine vollkommen andere Art des Körpers entwickelt, einen überweltlichen Körper, der niemals dem Tode oder dem Wandel unterworfen ist. Hier in dieser stofflichen Welt muß man seinen Körper wechseln. Aufgrund der verschiedenen Begehren nach Sinnesbefriedigung wird man von der stofflichen Natur dazu gezwungen. Diese Begehren sind in den verschiedenen Lebensarten vorhanden, angefangen bei den Mikroben bis zu den vollkommensten Stoffeskörpern wie die Brahmās und die der Halbgötter. Sie alle haben Stoffeskörper der verschiedensten Formen, und der intelligente Mensch sieht nicht in der Vielfalt der Körper ein Einssein, sondern in der geistigen Identität. Der geistige Funke, der ein wesentlicher Bestandteil Gottes ist, ist der gleiche, ob er sich nun im Körper eines Schweines oder im Körper eines Halbgottes befindet. Je nach den guten und schlechten Taten der Lebewesen gibt es verschiedene Körper. Der menschliche Körper ist sehr hoch entwickelt, mit vollem Bewußtsein der Konstitution des Körpers. Im Sinne der vedischen Schriften gibt sich der wirklich vollkommene Mensch, nachdem er viele viele Leben hindurch Erkenntnis gesammelt hat, Gott hin. Die Erkenntnis erreicht die Vollkommenheit nur dann, wenn der Erkennende den Punkt erlangt hat, an dem er sich dem Allerhöchsten, der Vāsudeva genannt wird, hingibt. Auch wenn wir über unsere geistige Identität Erkenntnis erlangt haben und auch, nachdem wir in das Brahma-jyoti eingegangen sind, fallen wir dennoch in die stoffliche Atmosphäre zurück, wenn wir nicht zu der Erkenntnis gekommen sind, daß die Lebewesen unvergängliche Teile des Ganzen sind und als solche niemals das Ganze werden können. Das Brahma-jyoti, das von dem überweltlichen Körper Gottes ausgeht, ist voller geistiger Funken. Die geistigen Funken, die individuelle Identitäten und sich ihres Daseins voll bewußt sind, wollen manchmal Genießer der Sinne werden. Und so werden ihnen bestimmte Positionen im Weltall der Materie zugewiesen, damit sie unter dem Gebot der Sinne die Rolle sogenannter Herren spielen können. Die Krankheit der Lebewesen in dieser stofflichen Welt ist der Drang beherrschen zu wollen. Unter dem Zwang dieser Gier nach Sinnesgenuß wandern die Lebewesen durch die verschiedenen Formen der Körper, die sich in diesem Weltall der Materie manifestieren. Mit dem Brahma-jyoti eins werden zu wollen, ist deshalb keine reife Erkenntnis. Sich vollkommen und bedingungslos Gott hinzugeben und den Wunsch nach überweltlichem Dienen zu entwickeln, ist die Stufe der höchsten Vollkommenheit. In diesem Mantra bittet der Mensch darum, nach Verlassen des stofflichen Körpers und der stofflichen Luft, in das Reich Gottes einzugehen. Bevor sein stofflicher Leib zu Asche wird, betet der Gottgeweihte zu Gott, Sich seines Tuns und seiner Opferdarbringungen zu erinnern. Dieses Gebet wird in vollem Bewußtsein der vergangenen Taten und des endgültigen Ziels zur Stunde des Todes gebetet. Wenn man ganz den Gesetzen der Materie unterliegt, dann erinnert man sich an die Schandtaten, die man in seinem stofflichen Körper begangen hat, und deshalb erhält man nach dem Tode wieder einen stofflichen Körper. Diese Wahrheit wird von der Bhagavad-gītā bestätigt. Es wird dort gesagt, daß der Geist zur Todesstunde dem eines sterbenden Tieres gleicht, und diesem Geisteszustand entsprechend geht man in das nächste Leben ein. Im Gegensatz zu den Tieren, die keinen entwickelten Geist haben, kann ein Mensch sich an das Tun seines entschwindenden Lebens wie an einen Traum erinnern, und deshalb bleibt sein Geist von sinnlichen Begehren durchsetzt, und er kann somit nicht in das überweltliche Reich mit einem überweltlichen Körper eingehen. Den Gottgeweihten jedoch wird durch Ausübung des liebevollen Dienens wirkliche Liebe zu Gott zuteil. Und auch wenn ein Gottgeweihter sich zur Todesstunde nicht an sein Gottdienen erinnert, vergißt Kṛṣṇa, Gott, ihn dennoch nicht. Dieses Gebet soll Gott an die Opferdarbringungen des Gottgeweihten erinnern. Aber auch ohne dieses Erinnern vergißt Kṛṣṇa das liebende Dienen des echten Gottgeweihten nicht. Kṛṣṇa spricht in der Gītā ausführlich über Seine vertraute Beziehung mit den Gottgeweihten. In diesem Zusammenhang erklärt Śrīla Bhaktivinode Ṭhākur die Strophen der Gītā: ‹Man muß einem Gottgeweihten, der bemüht ist, dem Beispiel der Heiligen zu folgen, Ehrerbietung erweisen, auch wenn solch ein Gottgeweihter charakterlich nicht einwandfrei erscheinen mag. Wir müssen versuchen, die wirkliche Bedeutung der Worte „charakterlich nicht einwandfrei“ zu verstehen. Eine bedingte Seele muß für einen doppelten Zweck handeln, nämlich einerseits für die Erhaltung des Körpers und andererseits für die Selbsterkenntnis. Ansehen in der Gesellschaft, Entwicklung des Geistes, Sauberkeit, Mäßigung, Ernährung und der Kampf ums Dasein gehören zur Erhaltung des Körpers. Und die Aktivitäten, die der Erkenntnis des Selbsts dienen, entwickeln sich mit der Hingabe des Gottgeweihten, und so handelt man auf zwei verschiedenen Ebenen. Diese beiden verschiedenen Funktionen laufen parallel, weil eine bedingte Seele die Tätigkeiten zur Erhaltung des Körpers nicht aufgeben kann. Diese Tätigkeiten, die zur Erhaltung des Körpers dienen, nehmen jedoch in dem Grade ab, in dem das liebende Gottdienen sich steigert. Und solange der Grad des liebenden Dienens nicht den richtigen Punkt erreicht, besteht die Möglichkeit, daß zeitweilig weltlicher Sinn erkennbar wird. Aber es muß hier bemerkt werden, daß dieser weltliche Sinn sich nicht für lange Zeit halten kann. Durch die Gnade Gottes finden diese Unvollkommenheiten bald ihr Ende. Deshalb ist der Pfad des liebenden Gottdienens der einzig richtige. Da man sich auf dem richtigen Pfade befindet, hindert einen auch dieses zeitweilige Erscheinen der Weltlichkeit nicht, Fortschritt in der Selbsterkenntnis zu machen.› Und in der Bhagavad-gītā sagt Kṛṣṇa: ‹Gibt sich jemand dem liebenden Gottdienen hin, ist dieser Mensch trotz widerwärtiger Handlungen als ein Heiliger anzusehen, weil er sich auf dem richtigen Pfade befindet. Sehr bald wird er rechtschaffen und erlangt ewigen Frieden. O Sohn der Kunti, es ist Mein Versprechen, daß die Gottgeweihten niemals vergehen werden. O Sohn der Pṛthā, jeder, der bei Mir Zuflucht sucht, sei es eine Frau, ein Händler oder jemand von niedriger Herkunft, kann dem höchsten Ziele näherkommen und erst recht die Brahmanen, die Rechtschaffenden, die Gottgeweihten und heiligen Könige! In dieser leidvollen Welt sind sie es, die im liebenden Gottdienen gefestigt sind. Diene Mir in Liebe und gib dich Mir hin. Wenn du dich Mir vollkommen hingeschenkt hast, wirst du auch ganz sicher zu Mir kommen.› (Gītā, 9.30-34) Diese Möglichkeit des liebenden Gottdienens bleibt den Anhängern vom Unpersönlichen vorenthalten, weil sie dem Brahma-jyoti-Aspekt des Herrn anhaften. Sie können weder, wie in den vorangegangenen Mantras empfohlen wird, das Brahma-jyoti durchdringen, noch glauben sie an einen persönlichen Gott. Meist geben sie sich mit Semantik ab und mit Wortspielereien, die ihrem Hirnkasten entsprungen sind. Auf diese Weise jagen die Verfechter der Unpersönlichkeitslehre vergeblichen Mühen nach, wie es auch in der Bhagavad-gītā im zwölften Kapitel bestätigt wird. All das, worauf in diesem Mantra der Śrī Īśopaniṣad hingewiesen wird, kann leicht durch ständigen Kontakt mit dem persönlichen Aspekt der Absoluten Wahrheit erlangt werden. Das liebevolle Gottdienen besteht für den Gottgeweihten hauptsächlich aus neun transzendentalen Aktivitäten: 1. Über den Herrn hören. 2. Den Ruhm des Herrn preisen. 3. Sich an den Herrn erinnern. 4. Den Lotosfüßen des Herrn dienen. 5. Den Herrn verehren. 6. Dem Herrn Gebete darbringen. 7. Dem Herrn dienen. 8. Mit dem Herrn eine freundschaftliche Beziehung unterhalten. 9. Alles dem Herrn hingeben. Diese neun Prinzipien des liebevollen Gottdienens, zusammen oder einzeln, helfen dem Gottgeweihten, ständig mit dem Herrn in Verbindung zu bleiben. Deshalb ist es für einen Gottgeweihten leicht, sich am Ende des Lebens an Gott zu erinnern. Folgenden großen Gottgeweihten war es möglich, durch Ausübung nur eines dieser neun Prinzipien die Vollkommenheit zu erreichen: 1. Mahārāj Parīkṣit, dem das Śrīmad-Bhāgavatam offenbart wurde, erreichte durch Hören das ersehnte Ziel. 2. Śukadeva Gosvāmī, der Sprecher des Śrīmad-Bhāgavatam, erlangte durch Lobpreisung des Herrn seine Vollkommenheit. 3. Akrūra erlangte durch Beten das ersehnte Ziel. 4. Prahlada Mahārāj erreichte dadurch, daß er sich an den Herrn erinnerte, das ersehnte Ziel. 5. Pṛthu Mahārāj erlangte durch Verehrung die Vollkommenheit. 6. Lakṣmī, die Göttin des Glücks, erlangte die Vollkommenheit dadurch, daß sie den Lotosfüßen des Herrn diente. 7. Hanuman erreichte dadurch, daß er persönlich dem Herrn diente, das ersehnte Ziel. 8. Arjuna erreichte durch Freundschaft das Ziel. 9. Mahārāj Bali erlangte dadurch, daß er alles hergab, was er sein eigen nannte, das höchste Ziel. Die Erklärung dieses Mantras sowie praktisch aller anderen Mantras der vedischen Hymnen wird in den Vedānta-sūtras zusammengefaßt, und dann werden sie noch einmal genau im Śrīmad-Bhāgavatam erklärt. Das Śrīmad-Bhāgavatam ist die reife Frucht am Baume der vedischen Weisheit. Im Śrīmad-Bhāgavatam wird dieser spezielle Mantra durch die Fragen Mahārāj Parīkṣits und die Antworten Gosvāmī Śukadevas unmittelbar nach ihrem Zusammentreffen erklärt. Da das Hören und Chanten der Gotteswissenschaft das grundlegende Prinzip des Lebens in liebender Hingabe ist, wird das gesamte Bhāgavatam von Mahārāj Parīkṣit vernommen und es wird von Gosvāmī Śukadeva gechantet. Mahārāj Parīkṣit stellte Śukadeva tiefgehende Fragen, weil Śukadeva ein größerer geistiger Meister war als alle anderen großen Yogīs und Transzendentalisten seiner Zeit. Die Frage, die Mahārāj Parīkṣit stellte, war folgende: ‹Was ist die Pflicht des Menschen, besonders zur Stunde des Todes?› Gosvāmī Śukadeva antwortete, daß alle, die danach streben, von ihren Ängsten frei zu werden, über den persönlichen Gott, der alle Dinge lenkt, der alle Schwierigkeiten beseitigt und der die Überseele aller Lebewesen ist, hören und Ihn lobpreisen sollen. Die sogenannte menschliche Gesellschaft schläft gewöhnlich des nachts oder befriedigt ihren Geschlechtstrieb. Und tagsüber versuchen die Menschen, so viel Geld wie möglich zu machen oder sie machen Anschaffungen für die Familie. Und keiner nimmt sich Zeit, über den persönlichen Gott zu sprechen oder über Ihn Fragen zu stellen. Auf vielerlei Art weisen die Menschen die Existenz Gottes von sich, überhaupt, indem sie Ihn als unpersönlich, d.h. ohne sinnliches Wahrnehmungsvermögen ansehen. In den vedischen Schriften, den Upaniṣaden, den Vedānta-sūtras, der Bhagavad-gītā und dem Śrīmad-Bhāgavatam, in allen heiligen Schriften wird gesagt, daß Gott ein empfindungsfähiges Wesen ist, hoch über allen anderen Lebewesen stehend. Und Seine von höchster Freude durchdrungenen Aktivitäten sind mit Ihm identisch. Deshalb sollte man nicht den weltlichen Politikern mit ihren sinnlosen Aktivitäten und den sogenannten führenden Persönlichkeiten der Gesellschaft Gehör schenken und sie zum Gesprächsstoff machen. Man sollte stattdessen sein Leben so einrichten, daß kein Moment vergeudet wird, ohne im Gottesbewußtsein zu handeln. Die Śrī Īśopaniṣad führt uns solchem Bewußtsein entgegen. Woran wird man sich zur Todesstunde, wenn die Funktionen des Körpers gestört sind, erinnern können, wenn man nicht mit der Ausübung dieser liebenden Hingabe vertraut ist? Und wie kann man dann den Allmächtigen bitten, Sich seiner Opferdarbringungen zu erinnern? Opferdarbringung bedeutet, die Ansprüche der Sinne zu opfern. Und das können wir lernen, wenn wir noch zu Lebzeiten unsere Sinne in den Dienst Gottes stellen. Auf diese Weise wird uns das Ergebnis davon zur Stunde des Todes zugute kommen. ACHTZEHNTER MANTRA agne naya supathārāye asmān viśvāni deva vayunāni vidvān yuyodhy asmaj juhurāṇam eno bhūyiṣṭhāṁ te nama-uktiṁ vidhema. agne – O mein Herr, mächtig wie das Feuer; naya – bitte führe mich; supathā – auf den rechten Pfad; rāye – O Allmächtiger; asmān – jeder; viśvāni – alles einschließend; deva– O mein Herr; vayunāni – alles Tun; vidvān – der Kenner; yuyodhi – erlöse mich von; asmat – uns; juhurāṇam – alle Hindernisse auf dem Pfad; enaḥ – alle Sünden; bhūyiṣṭhām – zu Boden fallend; te – Dir; namaḥ – Ehrerbietungen; uktim – Worte; vidhema – handle ich. ÜBERSETZUNG O mein Herr, mächtig wie das Feuer, Allmächtiger, jetzt handle ich, um Dir höchste Ehrerbietung zu erweisen. Ich falle zu Boden, Dir zu Füßen. O mein Herr, bitte führe mich auf den rechten Pfad, um Dich zu erlangen. Da Du alles weißt, was ich in der Vergangenheit getan habe, bitte ich Dich, erlöse mich von den Nachwirkungen meiner einstigen Sünden, damit ich ungehindert vorankommen kann. ERKLÄRUNG Diese Hingabe und das Bitten um die grundlose Gnade des Herrn führt den Gottgeweihten allmählich auf den Pfad der vollkommenen Selbsterkenntnis. Gott wird hier mit dem Feuer verglichen, weil Er alles zu Asche verbrennen kann, auch die Sünden der sich hingegebenen Seele. Wie schon in den vorangegangenen Mantras gesagt wurde, ist der wirkliche, endgültige Aspekt des Absoluten Seine Eigenschaft als persönlicher Gott. Seine unpersönliche Eigenschaft des Brahma-jyoti ist eine strahlende Umhüllung, die das Gesicht Gottes verdeckt. Gewinnbringendes Werketun, d.h. der Karma-kāṇḍa-Pfad der Selbsterkenntnis, steht auf der untersten Stufe. Sobald dieses Werketun auch nur ein wenig von den regulierenden Prinzipien der Veden abweicht, wird es in Vikarma umgewandelt, d.h. es wirkt sich gegen die Interessen des Handelnden aus. Solches Vikarma wird von den törichten Menschen zur Befriedigung der Sinne ausgetragen, und so werden diese Handlungen zu Hindernissen auf dem Pfade der Selbsterkenntnis. Selbsterkenntnis ist in der menschlichen Form des Lebens möglich und in keiner anderen Form. Es gibt 8.400.000 Arten des Lebens, von denen die menschliche Form, wenn sie mit den Qualifikationen der brahmanischen Kultur in Einklang gebracht wird, die einzige Möglichkeit bietet, Erkenntnis der Transzendenz zu erlangen. Die brahmanische Kultur bedeutet Wahrhaftigkeit, Meistern der Sinne, Nachsicht, Einfachheit, volle Erkenntnis und vollkommener Glaube an Gott und nicht nur stolz sein auf seine hohe Herkunft. Der Sohn eines Brahmanen zu sein, bietet die Möglichkeit, ein Brahmane zu werden, genauso wie der Sohn eines berühmten Mannes zu sein die Möglichkeit bietet, ein berühmter Mann zu werden. Aber dieses Geburtsrecht ist nicht alles, weil man immer noch selbst die brahmanischen Qualifikationen erlangen muß. Sobald man stolz auf seine Geburt als Sohn eines Brahmanen wird und sich nicht bemüht, die Qualifikationen eines wirklichen Brahmanen zu erlangen, entartet man augenblicklich und irrt vom Pfad der Selbsterkenntnis ab. Die Lebensaufgabe als Mensch hat man dann verfehlt. In der Bhagavad-gītā versichert uns Gott, daß den Yoga-bhraṣṭas, den Seelen, die vom Pfad der Selbsterkenntnis abgekommen sind, die Möglichkeit gegeben wird, sich zu fangen, indem sie in Familien echter Brahmanen und in Familien reicher Kaufleute geboren werden. Das bietet bessere Möglichkeiten zur Selbsterkenntnis: Sohn eines Reichen zu werden oder Sohn eines wirklichen Brahmanen. Und wenn diese Gelegenheit von den törichten Menschen mißbraucht wird, dann geschieht es notwendigerweise, daß einem die mit dem menschlichen Leben verbundenen Möglichkeiten, die einem vom Allmächtigen gegeben wurden, nicht mehr geboten werden. Die regulierenden Prinzipien sind so ausgerichtet, daß derjenige, der ihnen folgt, von der Ebene des gewinnbringenden Werketuns auf die Ebene der transzendentalen Erkenntnis erhoben wird. Und von der Stufe der transzendentalen Erkenntnis erreicht man nach vielen vielen Geburten, wenn man sich ganz Gott hingibt, die Vollkommenheit. Aber wenn man sich gleich zu Anfang hingibt, wie in diesem Mantra geraten wird, dann übertrifft man sofort alle Stufen der Weiterentwicklung. Und das geschieht ganz einfach dadurch, daß man sich eine dienende Haltung zu eigen macht. Wie in der Bhagavad-gītā gesagt wird, nimmt Gott sich augenblicklich solch hingegebener Seele an und erlöst sie von allen Nachwirkungen ihres sündhaften Tuns. Die Aktivitäten des Karma-kāṇḍa sind von sündhaftem Tun durchsetzt und im Jñāna-kāṇḍa, dem Pfad der philosophischen Erkenntnis, verringert sich die Ansammlung dieses sündhaften Tuns. Aber im liebenden Gottdienen, auf dem Pfade des Bhakti, gibt es kaum eine Möglichkeit sündhafter Nachwirkungen. Wenn man sein Leben Gott weiht, dann erlangt man alle guten Eigenschaften Gottes, und gleichzeitig natürlich auch die Eigenschaften eines Brahmanen. Ein Gottgeweihter erlangt automatisch die Qualifikationen eines erfahrenen Brahmanen, der ermächtigt ist, Opferdarbringungen zu vollziehen, auch wenn solch ein Gottgeweihter nicht in einer Familie der Brahmanen geboren wurde. Darin zeigt sich die Allmacht Gottes, daß Er einen Menschen, der in einer Familie der Brahmanen geboren wurde, so herabsinken lassen kann wie einen Hundeesser. Er kann aber auch einen zutiefst gesunkenen Hundeesser zu mehr als zu einem qualifizierten Brahmanen machen. Das alles geschieht durch die Kraft des liebenden Gottdienens. Der Allmächtige Herr, der im Herzen jedes Wesens weilt, gibt dem Ihm aufrichtig sich Hingebenden Unterweisungen, die ihn auf den richtigen Pfad führen. Solche Unterweisungen werden ganz besonders dem Gottgeweihten gegeben, auch wenn er nach etwas anderem begehrt. Für andere gibt Gott Seine Billigung nur auf das Risiko des Handelnden hin, aber im Falle eines Gottgeweihten lenkt ihn der Herr, damit er niemals etwas Falsches tun kann. Im Śrīmad-Bhāgavatam wird gesagt, daß der Herr dem Gottgeweihten so gütig gesinnt ist, daß Er, obgleich der Gottgeweihte sich manchmal in das Vikarma verstrickt – gegen die Unterweisungen der Veden handelt – die Auswirkungen der Vergehen des sich Hingebenden durch Läuterung seines Herzens augenblicklich auflöst, weil solch eine hingegebene Seele dem Herrn sehr lieb ist. Hier in diesem Mantra bittet der Gottgeweihte den Herrn, sein Herz zu reinigen. Irren ist menschlich. Eine bedingte Seele begeht sehr viele Fehler, und das einzige Heilmittel gegen solche in Unwissenheit begangenen Sünden besteht darin, sich den Lotosfüßen Śrī Kṛṣṇas hinzugeben, damit Er den Gottgeweihten führen kann. Gott nimmt sich der vollkommen hingegebenen Seelen an. Alle Probleme werden gelöst, wenn man sich ganz Gott hingibt und im Sinne Seiner Unterweisungen handelt. Solche Unterweisungen werden dem aufrichtigen Gottgeweihten in zweifacher Weise zuteil: Einmal durch die Heiligen, die Schriften und den geistigen Meister und dann durch Gott Selbst, der im Herzen jedes Wesens weilt. Auf diese Weise ist der Gottgeweihte in jeder Beziehung geschützt. Das vedische Wissen ist transzendental und es kann nicht durch weltliche Erziehungssysteme verstanden werden. Man kann die vedischen Mantras nur durch die Gnade Gottes und des geistigen Meisters verstehen. Wenn man bei einem echten geistigen Meister Zuflucht sucht, dann bedeutet das, daß man die Gnade Gottes erlangt hat. Der Herr erscheint als geistiger Meister für den Gottgeweihten. Der geistige Meister, die Unterweisungen der Veden und Gott Selbst übernehmen ganz die Führung des Gottgeweihten. Für solch einen Gottgeweihten gibt es keine Möglichkeit mehr, wieder in den Pfuhl der stofflichen Illusion zurückzufallen. Für den Gottgeweihten, der auf diese Weise von allen Seiten beschützt wird, besteht die Gewißheit, daß er das endgültige Ziel der Vollkommenheit erreichen wird. Auf all das wird in diesem Mantra der Śrī Īśopaniṣad kurz hingewiesen, und im Śrīmad-Bhāgavatam wird das alles noch eingehender erklärt. Über die Herrlichkeit Gottes zu hören und zu chanten (zu singen und zu sprechen) ist an sich schon gutes und reines Tun. Gott ist darauf bedacht, daß wir alle Ihn auf diese Weise verehren, weil Er der wohlmeinende Freund aller Lebewesen ist. Und wenn man über die Herrlichkeit Gottes zu hören beginnt und wenn man beginnt, die Herrlichkeit Gottes zu preisen, dann werden alle unreinen Dinge im Inneren fortgespült. Die Hingabe wendet sich ganz und gar Gott zu. Auf dieser Stufe erlangt der Gottgeweihte die brahmanischen Eigenschaften, und die Nachwirkungen der niederen Eigenschaften werden vollkommen ausgelöscht. Durch dieses liebende Gottdienen wird er vollkommen erleuchtet. Auf diese Weise erkennt er die Wege Gottes und er erkennt, wie man zu Gott gelangen kann. Alle Zweifel vergehen und der Gottgeweihte wird vollkommen geläutert. Hiermit enden die Bhaktivedanta-Erklärungen zur Śrī Īśopaniṣad, der Erkenntnis, die uns Kṛṣṇa, der höchsten göttlichen Person näherbringt. ÜBER DEN GEISTESLEHRER Wenn wir über den echten geistigen Meister, den Guru, sprechen, dann sind Daten unzulänglich, und eine Beschreibung seines Lebens bringt uns ihm auch nicht näher. Wir können Bilder von ihm sehen und die Verehrung und Liebe, die seine Schüler für ihn haben, miterleben. Śrī Guru wird uns auf diese Weise nicht nähergebracht. Er entzieht sich unseres Bemühens, ihn in irgendwelche Formen zu zwängen, die uns vertraut sind und durch die wir das Objekt unseres Schauens unserer eigenen Haltung zugänglich machen können. Aber der echte Guru ist nicht irgendein Objekt dieser Welt. Die Lotosblume wächst aus dem Sumpf empor und wird doch nicht vom Wasser berührt. Und so erscheint der geistige Meister in dieser Welt und wird doch nicht von dieser Welt berührt. A.C. Bhaktivedanta Swami Prabhupāda erschien in dieser Welt am 1. September 1896 in Kalkutta. Seine Eltern nannten ihn Abhay Charan De, seine unzähligen Schüler in aller Welt nennen ihn Śrīla Prabhupāda. Wir erscheinen nicht in dieser Welt. Wir werden geboren. Aufgrund unserer unersättlichen Gier nach Sinnesgenuß. Wir sind nicht hierher gekommen, um zu geben. Wir wollen nehmen, Herr sein, unabhängig sein. Śrī Gurudeva ist nicht hier, um zu nehmen, er ist hier, um zu geben. Er ist nicht Herr, er ist Diener, nicht unabhängig, sondern vollkommen abhängig, von Gott, von Śrī Kṛṣṇa, von der Absoluten Wahrheit. (In dieser vollkommenen Gottabhängigkeit liegt die wirkliche Freiheit, die wir in dieser Welt vergebens suchen.) Weil wir nehmen wollen und nicht dienen wollen, können wir den wirklichen Diener, den Diener Gottes, den Gottgeweihten, den Bhakta nicht erkennen, der einzig hier ist, um zu geben. Die Beauftragten des Herrn, die echten Gottgeweihten, sind hier, um uns das kostbarste Geschenk überhaupt zu geben: Liebe zu Gott. Wir suchen in dieser Welt nach zerbrochenem Glas. In dem faden Glimmer, den diese nutzlosen Objekte uns vorgaukeln, sehen wir die Erfüllung all unserer Wünsche. Wir lauschen ergeben dem Ruf der Sinne und folgen ihm, durch alle Welten, durch alle Körper, als Wurm, als Hund, als Fisch, als Mensch, Sklaven unserer falschen Meister. Aber diese falschen Meister, denen wir uns auf diese Weise so rückhaltlos ausliefern, entlohnen uns ganz entsprechend unserer pervertierten Haltung des Genießenwollens mit: Geburt, Alter, Krankheit und Tod. Das Glück bleibt auf diese Weise aus, der Genuß, die Erfüllung, die Zufriedenheit, die Geborgenheit. Der bittere Nachgeschmack, den wir immer wieder kosten müssen, ist durchsetzt von Angst, Unsicherheit, Entbehrung und Unzufriedenheit. Wir suchen nach zerbrochenem Glas und wissen nicht, daß der kostbarste Edelstein auf unsere Zuwendung wartet, um uns mit jenem Reichtum zu beglücken, den wir in dieser vergänglichen Welt vergebens suchen. Śrī Gurudeva ist der Überbringer dieses Reichtums. Er lehrt durch beispielhaftes Verhalten. Er ist der Ācārya. Wie Śrīla Prabhupāda, der Gründer der Internationalen Gesellschaft für Kṛṣṇa-Bewußtsein, A.C. Bhaktivedānta Swāmī. Śrīla Prabhupāda besuchte die Universität in Kalkutta, studierte Philosophie, Volkswirtschaft, Englisch, war dann in einem großen Industriekonzern tätig, wurde Direktor. Seinem geistigen Meister, seinem Guru Mahārāj, Śrī Śrīmad Bhakti Siddhanta Sarasvatī Gosvāmī Prabhupāda begegnet er im Jahre 1922. Kṛṣṇa sagt in der Bhagavad-gītā im 4. Kapitel, 34. Strophe: ‹Vertraue dich der Führung eines geistigen Meisters an, um die Wahrheit zu erfahren. Stelle ihm in ergebener Haltung Fragen und diene ihm. Die selbstverwirklichte Seele kann dir Erkenntnis zuteil werden lassen, weil sie die Wahrheit gesehen hat.› In der ersten Fühlungnahme mit dem geistigen Meister gibt uns Śrīla Prabhupāda ein Beispiel. Er sagt: ‹Als ich zum erstenmal meinen Guru Mahārāj aufsuchte, sagte er über mich: „Dieser junge Mann hört gut zu. Er geht nicht fort. Deshalb werde ich ihn als Schüler annehmen.“ – Dadurch qualifizierte ich mich also, durch dieses Hören. Und ich stellte Fragen, wenn Guru Mahārāj sprach. Dann hörte ich weiter. Ich verstand manchmal, was gesagt wurde, und manchmal verstand ich nicht. Aber ich blieb. Andere kamen und gingen. Aber ich blieb und hörte weiter zu.› 1933 empfing Śrīla Prabhupāda in Allahabad die Initiation. Er wurde von seinem Guru Mahārāj dazu ausersehen, das Kṛṣṇa-Bewußtsein in die westliche Welt zu bringen. Das war 1936, kurz bevor Śrīla Bhakti Siddhanta Sarasvatī Gosvāmī Prabhupāda diese vergängliche Welt verließ. Der erste große Ācārya, der um die Jahrhundertwende zum erstenmal über das Kṛṣṇa-Bewußtsein und über die Lehre Kṛṣṇa Caitanyas in englischer Sprache schrieb, war Śrīla Bhaktivinode Ṭhākur, der Vater von Śrīla Bhakti Siddhanta Sarasvatī Gosvāmī Prabhupāda. Durch die Lauterkeit seines Wesens und durch seine heilbringende, vollkommen in der Transzendenz verankerte Persönlichkeit, gelang es Śrīla Bhaktivinode Ṭhākur, die Lehren Kṛṣṇa Caitanyas wieder in ihrer uneingeschränkten Fülle festzusetzen. Kṛṣṇa, der als Kṛṣṇa Caitanya, als goldener Avatāra des Kali-yugas, vor 500 Jahren in Indien erschien, verkündete, daß das Kṛṣṇa-Bewußtsein und das Singen der heiligen Gottesnamen in der ganzen Welt verbreitet werden würden. Und so begann Śrīla Bhaktivinode Ṭhākur zum erstenmal, über die Grenzen Indiens hinaus diese für alle Wesen bestimmte Lehre Kṛṣṇa Caitanyas zu verbreiten. Diese Aufgabe wurde von seinem Sohn Śrīla Bhakti Siddhanta Sarasvatī Gosvāmī Mahārāj fortgesetzt, der 64 Tempel des Kṛṣṇa-Bewußtseins in Indien gründete, die Gauḍīya Vaiṣṇava Math, und der auch zum erstenmal einige seiner Schüler in die westliche Welt schickte. Aber erst durch Śrīla Prabhupāda, der im Jahre 1965 im Alter von 70 Jahren nach Amerika kam, konnte das Kṛṣṇa-Bewußtsein durch seine tiefgreifende Einwirkung im Leben zahlloser Menschen seine ständig wachsende Verbreitung finden. Unser von der Kontemplation über die Sinnesobjekte abgestumpftes Wahrnehmungsvermögen ist machtlos, den geistigen Meister zu erkennen. Wir tragen in uns die verzerrten Trugbilder unserer sogenannten Erkenntnisse, mit denen wir diese Erscheinungswelt zu begreifen versuchen. Entspricht der geistige Meister nicht dem Bild, das wir uns von einem Weisen oder Heiligen gemacht haben, dann sind wir geneigt, ihn, den wirklichen Heilsbringer, nicht durch die engen Pforten unserer Herzen einzulassen. Śrī Gurudeva ist nicht gekommen, um unser falsches Ichgefühl zu bestätigen, um uns in lobender Anerkennung dem Händedruck heuchlerischer Ehrerbietung auszuliefern. Śrī Gurudeva ist gekommen, um uns frei zu machen von dieser Krankheit, die darin besteht, uns selbst als Mittelpunkt des Seins zu sehen und alles nach dem eigenen Wohl und Wehe als Maßstab zu messen. Den Pseudo-Yogis und Meditationsgauklern, den falschen Meistern und vergötterten Propheten zahlen wir den Preis der Seele, bar und ohne Zögern, solange sie uns in unserem Irrtum bestätigen, solange sie uns das Gift aus goldenen Bechern reichen, das zu Anfang wie Nektar mundet, doch sehr bald verheerend um sich greift und den letzten Rest der Sicht uns vollends raubt. Des Gurus Medizin ist oft bitter, wie die Medizin, die uns von der Krankheit löst. Der Guru sagt uns: ‹Fange nicht bei den kleinen Dingen des Lebens an, fange an beim Größten, beim Ursprung aller Dinge, groß und klein.› Der Guru sagt: ‹Werdet demütig, demütiger als das Stroh in der Gasse.› Der wirkliche Guru ist der Inbegriff der Demut. Er ist die sichtbar gewordene Gnade Gottes. Ohne ihn gibt es keinen Weg, der uns zurück zu Gott, zurück nach Hause bringt. Wir müssen versuchen, uns der erdrückenden Last unserer falschen Vorstellungen zu entledigen. Wir müssen den Mut haben, unsere eigene Unzulänglichkeit und vollkommene Unwissenheit einzugestehen. Wir müssen die Intelligenz haben, wie Śrīla Prabhupāda uns durch sein eigenes Beispiel gezeigt hat, zu hören. Aber das zu hören, was wert ist gehört zu werden. Wir müssen von dem Munde des echten Gurus die Botschaft Gottes hören. Wir müssen Fragen stellen. Wir müssen weiter hören. Ob wir alles verstehen oder nicht alles verstehen. Ob andere kommen, ob andere gehen. Wir müssen bleiben und weiter hören. Śrīla Prabhupāda spricht alle Bücher in ein Diktaphon. Die ganze Bhagavad-gītā in ihrer Urfassung, so wie sie ist und von großen Ācāryas, von der Guru-paramparā, der Nachfolge der geistigen Meister verkündet und gelebt wird, übersetzt er für uns und erklärt sie für uns. Und er läßt sie für uns in alle Sprachen der Well übersetzen, damit alle hören können, um die höchste Vollkommenheit des Lebens zu erreichen. Śrīla Prabhupāda übersetzt und erklärt für uns den wichtigsten Teil der vedischen Schriften, die 12 Bücher des Śrīmad-Bhāgavatam, die Lehren Kṛṣṇa Caitanyas, Nektar der liebenden Hingabe (dem Śrīla Rupa Gosvāmīs Bhakti-rasāmṛta-sindhu zugrunde liegt.) Wenn wir nur ein Buch davon lesen und durch dieses Buch den echten Ācārya, die selbstverwirklichte große Seele hören, wenn wir Fragen stellen und weiter hören, dann wird uns wirkliches Wissen zuteil werden, Erkenntnis über uns selbst, über diese vergängliche Welt, über die transzendentale Welt, über die Absolute Wahrheit, den persönlichen Gott, Śrī Kṛṣṇa. Wir werden aufhören, uns als Sklaven unserer falschen Meister der Qual der Dummheit zu opfern – durch Tod, Geburt, Alter, Krankheit im immer wiederkehrenden Kreislauf. Die fieberhafte Suche nach zerbrochenem Glas findet ein Ende, denn wir werden den Überbringer des kostbarsten Edelsteins, den echten Guru zu erkennen beginnen und mit ihm das Leben der Unvergänglichkeit und reinen Erkenntnis, das Leben der sich bis in alle Ewigkeiten steigernden Freude, für die wir alle geschaffen sind. ÜBER DIE INTERNATIONALE GESELLSCHAFT FÜR KṚṢṆA-BEWUSSTSEIN Die Internationale Gesellschaft für Kṛṣṇa-Bewußtsein wurde im Juli 1966 von A.C. Bhaktivedanta Swami Prabhupāda in New York gegründet. Die Internationale Gesellschaft für Kṛṣṇa-Bewußtsein, auch ISKCON genannt, setzt sich aus Menschen aller Alterstufen und aller Rassen zusammen, die ihr Leben Gott geweiht haben. Unter der kundigen Führung des Geisteslehrers folgen sie den Grundsätzen des Bhakti-yoga, des liebevollen Gottdienens, als Ziel und Sinn des Lebens. Das Zentrum allen Wirkens, das Ziel aller Bemühungen, aller Aufgaben und Arbeiten liegt darin, den persönlichen Gott Śrī Kṛṣṇa zu erfreuen. A.C. Bhaktivedanta Swami, der von seinen vielen Schülern Śrīla Prabhupāda genannt wird – jemand, zu dessen Füßen (Pada) sich viele Prabhus, d.h. Meister befinden, jemand, den man ewiglich bei den Lotosfüßen Kṛṣṇas findet, ein großer Heiliger – ist ein lauterer Gottgeweihter, und diejenigen Schüler, die seinen Unterweisungen aufrichtig nachkommen, können ebenfalls lautere Gottgeweihte werden. Die Gottgeweihten jedes Zentrums, die die Initiation empfangen haben, leben in städtischen Gemeinschaftssiedlungen (mit Ausnahme von New Vṛndāvana, dem Āśrama der ISKCON, bestehend aus Häusern, Tempeln, Ackerland und Kühen in den Bergen von West Virginia/USA) Um in einem Zentrum der Internationalen Gesellschaft für Kṛṣṇa-Bewußtsein zu leben, muß man bereit sein, den vier Grundprinzipien der Bewegung zu folgen: Kein Fleischessen, keine unzulässigen sexuellen Beziehungen, keine Rauschmittel (auch nicht Kaffee, Tee und Zigaretten) und keine Glücksspiele. Die Schüler Śrīla Prabhupādas gehen ganz im liebevollen Gottdienen auf. Sie chanten (singen und sagen) die heiligen Namen Gottes und stellen ihr Wirken ganz in den Dienst Gottes. Die praktische Ausübung des Kṛṣṇa-Bewußtseins bewirkt die vollkommene Reinigung des Selbsts. An den Vorlesungen und Vorträgen über das Kṛṣṇa-Bewußtsein, am Unterricht in Bhakti-yoga, wie überhaupt am ganzen Leben und Wirken in den Zentren und Āśramas des Kṛṣṇa-Bewußtseins kann jeder teilnehmen. Es werden keine Mitgliedsbeiträge oder sonstige Gebühren dafür verlangt. Um Gott zu dienen, braucht man nicht in den Wald zu gehen und zu meditieren. Man kann genau da bleiben, wo man ist. Man braucht sich auch nicht den Kopf zu rasieren, wie die Brahmacārīs es tun und die Sannyāsīs, die Mönche, man braucht keinen Dhoti zu tragen und in den Straßen den Gottesnamen zu singen. Man muß allerdings das Bewußtsein ändern, mit dem man seine Tätigkeiten ausübt. Man muß den Früchten seines Tuns entsagen. Man muß das Ergebnis seines Werketuns oder einen Teil davon Gott darbringen. Es gibt so viele Menschen, die im Geschäftsleben stehen, die sich aus den verschiedensten Verpflichtungen, die diese Art des Lebens mit sich bringt, nicht lösen können. Aber das bedeutet nicht, daß sie Gott nicht dienen können. Sie können Gott dienen, indem sie moralisch und mit einem Teil ihrer Zeit oder einem Teil ihres Einkommens die Bewegung des Kṛṣṇa-Bewußtseins unterstützen. Das Ziel der Hare-Kṛṣṇa-Bewegung liegt darin, so viele Zentren wie möglich zu gründen in allen Teilen der Welt, damit die Menschen praktisch sehen können, wie man in der heutigen Zeit ein geregeltes Leben geistiger Zielrichtung leben kann. Und damit jeder, ganz gleich wo, in welchem Lande oder in welchen Verhältnissen er sich befindet, die Möglichkeit hat, dieses Leben, das uns die Erfüllung bringt, nach der wir seit Ewigkeiten gesucht haben, zu teilen. Ein weiteres Ziel der Internationalen Gesellschaft für Kṛṣṇa-Bewußtsein, das sogar dem des Gründens von Zentren noch vorausgeht, ist die Übersetzung aller bis jetzt erschienenen Bücher Śrīla Prabhupādas und die Veröffentlichung dieser Bücher in die hauptsächlichsten Sprachen dieser Welt und verbunden damit die Vergrößerung der zur Gesellschaft gehörenden Druckerei (ISKCON PRESS) und der Aufbau der sich in Hamburg befindlichen Übersetzungszentrale für alle europäischen Sprachen. Śrīla Prabhupādas geistiger Meister, Śrīla Bhaktī Siddhanta Sarasvatī Gosvāmī Mahārāj, zeichnete einmal eine Skizze von einer Mṛdaṅga, einer Tontrommel, die gewöhnlich zur Begleitung des Saṅkīrtana, des gemeinsamen Singens der Gottesnamen benutzt wird. Gleich daneben zeichnete er noch eine Mṛdaṅga, aber diesmal weitaus größer als die erste. Er bemerkte dazu: ‹Die kleine Mṛdaṅga, die kann man während des Kīrtana einige Häuser weit hören. Aber die große Mṛdaṅga, die Druckerpresse, die kann man in der ganzen Welt hören.› Jeder Mensch, der nicht ganz in den Unzulänglichkeiten seiner eigenen Vorstellungen eingesponnen ist, die letztlich alle in vollkommener Unkenntnis über das, was wirklich ist und das, was nur zu sein scheint, gründen, wird augenblicklich die unmittelbare Bedeutung der Lehren Śrīla Prabhupādas erkennen, die für alle Menschen bestimmt sind, ganz gleich welcher Rasse oder Glaubensrichtung sie angehören. Das Saṅkīrtana, wie man es jetzt in fast allen Teilen der Welt, wo immer es Tempel der Internationalen Gesellschaft für Kṛṣṇa-Bewußtsein gibt, sieht, ist keine Modeerscheinung oder irgendeine vorübergehende Begleiterscheinung der Hare-Kṛṣṇa-Bewegung. Es ist das Ziel der ISKCON, die ganze Welt mit dem Saṅkīrtana, mit dem Singen der heiligen Gottesnamen zu überfluten. Das Saṅkīrtana ist die eigentliche Grundlage der Lehren Caitanya Mahāprabhus und somit die eigentliche Grundlage der Hare-Kṛṣṇa-Bewegung. In den acht Strophen der Śikṣāṣṭakam genannten Unterweisung Caitanya Mahāprabhus finden wir die ganze Essenz der Saṅkīrtana-Bewegung. ‹Gepriesen sei das Śrī Kṛṣṇa Saṅkīrtana, welches das Herz von allem, seit Jahren angesammelten Schmutz reinigt. Es löscht das furchtbare Waldbrandfeuer des bedingten Lebens, der sich ständig wiederholenden Geburten und Tode. Diese Saṅkīrtana-Bewegung wirkt sich segensreich für die ganze Menschheit aus, weil sie den höchsten Segen wie Mondlicht überallhin verbreitet. Sie ist das Leben aller transzendentalen Erkenntnis, sie läßt den Ozean der göttlichen Wonne immer mehr anwachsen und sie läßt uns die Fülle des Nektars der Ewigkeit kosten, nach dem wir uns unablässig sehnen. (Śrī Śrī Śikṣāṣṭakam, 1) Wir müssen versuchen zu verstehen, daß es sich bei dem Singen und Sagen der heiligen Gottesnamen, ganz besonders wie sie im Mahāmantra, dem großen Mantra der Erlösung – HARE KṚṢṆA, HARE KṚṢṆA, KṚṢṆA KṚṢṆA, HARE HARE / HARE RĀMA, HARE RĀMA, RĀMA RĀMA, HARE HARE – enthalten sind, nicht um irgendwelche Wortzusammenstellungen dieser Welt handelt. Kṛṣṇa und Rāma sind absolute Namen Gottes, die nicht irgendein Mensch erfunden hat, um damit ein unbekanntes Etwas zu titulieren. Kṛṣṇa und Rāma sind Namen des lebendigen Gottes, der das höchste individuelle gestalthafte Wesen ist, der Ursprung aller Ursprünge, der durch die Kraft Seiner unvorstellbaren Allmacht von Seinem Namen, von Seinen Aktivitäten nicht verschieden ist. Śrī Kṛṣṇa Caitanya Mahāprabhu, der Kṛṣṇa Selbst ist und der aus Seiner motivlosen Barmherzigkeit heraus vor nur 500 Jahren in dieser Welt als lauterer Gottgeweihter sichtbar wurde, um allen gefallenen Jīva-Seelen durch das Saṅkīrtana-yajña Gnade zu erweisen, sagt in Seinem Śikṣāṣṭakam : ‹O mein Herr! Nur Dein heiliger Name bringt alle Segnungen über die Lebewesen, und deshalb hast Du Hunderte und Millionen von Namen wie Kṛṣṇa und Govinda. In diese transzendentalen Namen hast Du alle Deine transzendentalen Kräfte eingehen lassen und es gibt keine starren Regeln, diese heiligen Namen zu singen. O mein Herr, Du hast es gütigerweise durch Deine heiligen Namen für uns so leicht gemacht, Dir näherzukommen, aber unglücklicherweise ziehen mich diese heiligen Namen nicht an. (Śrī Śrī Śikṣāṣṭakam, 2) Da Gott von Seinem Namen nicht verschieden ist, können wir direkt, durch das Singen und Sagen Seines heiligen Namens, mit Ihm Verbindung aufnehmen. Und da Er ständig auf unsere Umkehr wartet, um uns mit dem höchsten Geschenk des Lebens zu beglücken, ist Er, sobald wir auch nur ein wenig Aufrichtigkeit zeigen, augenblicklich bereit, uns entgegenzukommen. Gehen wir auch nur einen Schritt auf Gott zu, kommt Er uns sofort zehn Schritte entgegen. In den heiligen Schriften steht geschrieben, daß jeder, der auch nur einmal aufrichtig den Namen Kṛṣṇa sagt, von mehr Sünden befreit wird, als er überhaupt imstande ist, jemals zu begehen. Das Wort Sünde kommt von sondern. Abgesondert sein von Gott ist die einzige Sünde, die es gibt. Wenn wir ein wenig in die unermeßliche Tiefe der Philosophie des Kṛṣṇa-Bewußtseins eindringen, dann beginnen wir zu erahnen, mit welchem Segen die Menschheit beglückt wird, wenn sie mit den transzendentalen Klangschwingungen des Mahāmantra in Berührung kommt, welches von den Saṅkīrtana-Gruppen der Internationalen Gesellschaft für Kṛṣṇa-Bewußtsein in aller Welt verbreitet wird. Die leidende Menschheit, verstrickt in die Fesseln ihrer abgrundtiefen Unwissenheit, sieht in den von echter Freude erfüllten Gottgeweihten in ihren lachsfarbenen Dhotis und farbenprächtigen Saris nur bizarre Außenseiter, eine weitere Entartung der heutigen Zeit, etwas, das man bestenfalls duldet, aber etwas, dem man sich keinesfalls aufschließt, weil man ja, wie man glaubt, weiß, worum es sich handelt. Aber selbst diese Zweifler können die praktischen Ergebnisse, die von der Internationalen Gesellschaft für Kṛṣṇa-Bewußtsein in allen Teilen der Welt erzielt werden, nicht übersehen. Denn jeder Mensch, der sich dem Kṛṣṇa-Bewußtsein aufschließt, entwickelt automatisch alle guten Eigenschaften und Charakterzüge, die man gewöhnlich und dann auch nur teilweise, bei ganz außergewöhnlichen Menschen vorfindet. Wenn Menschen, die vorher jeden Halt verloren hatten, als Rauschgiftsüchtige, Alkoholiker und Kriminelle ihr Leben sinnlos fristeten, durch das Kṛṣṇa-Bewußtsein plötzlich zu verantwortungsvollen, pflichtbewußten Menschen höchster Charakterbildung werden, dann ist das letztlich nur eine Nebenerscheinung, die das Erwachen des ursprünglichen reinen Bewußtseins, das Wiederentdecken der eigentlichen Identität, begleitet. Das Kṛṣṇa-Bewußtsein ist nicht zu vergleichen mit den oberflächlichen Hilfestellungen, die man im Namen der Nächstenliebe seinen Mitmenschen gewährt. Jemanden vorübergehend aus seiner Bedrängnis zu befreien, damit er um so schneller in ähnliche Situationen gerät, verrät einzig das geringe Maß wirklicher Erkenntnis, die sich hinter dieser Hilfestellung verbirgt. Man hilft der äußeren Hülle und vergißt den Kern, auf den es ankommt. Man zieht dem Ertrinkenden den Anzug aus und schwimmt damit triumphierend zum Ufer zurück. Der Beifall der verblendeten Menschen ist einem gewiß, die in ihrer Verwirrung das Äußere für das Innere halten, das Unwesentliche für das Wesentliche. Aber der Mensch, auf den es ankommt, ist dem Ertrinken preisgegeben. Ein Mensch der Erkenntnis wendet sich der eigentlichen Substanz zu. Das Kṛṣṇa-Bewußtsein löst alle Probleme des Lebens, weil es sich unserer wirklichen Identität zuwendet, die weder darin besteht, daß wir uns als Amerikaner, als Deutsche oder Russen, als Schwarze oder Weiße bezeichnen, als Christen oder Buddhisten, Hinduisten oder Atheisten. Geistesseele ist unsere wirkliche Identität, Diener Gottes, wesentliche Bestandteile des Höchsten, untrennbar mit Ihm verbunden. Darin besteht unsere Brüderlichkeit, daß wir alle Söhne des EINEN Vaters sind. Daraus entwickelt sich der Weltfrieden, daß wir alle das Eigentumsrecht unseres Vaters anerkennen, der der Schöpfer aller Dinge ist. Darin liegt die Vollkommenheit des Lebens, daß wir uns Ihm wieder zuwenden mit dem unsäglichen Verlangen, Ihm liebevoll dienen zu wollen und damit der ganzen Menschheit und allen Wesen überall. Aussprache des Sanskrit und der diakritischen Zeichen Vokale a – ā – i – ī – u – ū – ṛ – ṝ – lr – e – ai – o – au Ṁ (anusvāra) – ḥ (visarga) Konsonanten Guttutale: ka – kha – ga – gha – ṅa Pallatale: ca – cha – ja – jha – ña Alveorale: ṭa – ṭha – ḍa – ḍha – ṇa Dentale: ta – tha – da – dha – na Labiale: pa – pha – ba – bha – ma Semivokale: ya – ra – la – va Sibilante: śa – ṣa – sa Aspirate: ha Die Vokale sind wie folgt auszusprechen: a – wie in hat ā – wie in haben i – wie in sind ī – wie in Bibel u – wie in und ū – wie in Hut Die Konsonanten sind wie folgt auszusprechen: c – wie tsch; Caitanya also wie Tschaitanya j – wie dsch; Arjuna also wie Ardschuna ḥ – (visarga) H-Endlaut: aḥ wie aha ṁ – (anusvara) wie in singen ṅ – wie in singen ñ – wie in laufen mit nachfolgendem j wie in Benjamin ṣ – wie das englische sh in shine, also Kṛshṇa ś – wie sch; Śrī also Schri v – wie w; Veda also Weda y – wie j; Yuga also Juga GLOSSAR Ācārya – Jemand, der durch beispielhaftes Verhalten lehrt. Der echte geistige Meister. Akarma (auch Naiṣkarma) – Tun, das von dem Kreislauf der Geburten und Tode freimacht. Antaryāmi – Der Herr als uneingeschränkter Teilaspekt im Herzen jedes Wesens. Der Zeuge von all unserem Tun. Anupaśyati – Sehen, wahrnehmen. Man nennt jemanden so, der die Allgegenwärtigkeit Gottes wahrnimmt. Das kann man nur, wenn man dem vorangegangenen Ācārya, dem vollkommen selbstverwirklichten Lehrer, folgt. Man darf nicht versuchen, mit der Mangelhaftigkeit des bloßen Auges zu sehen, sondern man muß die Wahrheit von einem höheren Ursprung vernehmen. Apāpaviddham – Ein Ausdruck, der besagt, daß Gott nicht sündigen kann. Aparā – Untergeordnete Kraft Gottes. Auch Avidyā genannt. Aparā Prakṛti – Untergeordnete, d.h. stoffliche Kraft Gottes. Die Naturelemente sind: Erde, Feuer, Wasser, Luft, Äther, Geist, Intelligenz und falsches Ego. Apauruṣeya – Nicht von einem Wesen der irdischen Welt geäußert. Von Gott gesprochene Worte. Arcā – Die Erscheinung des höchsten Herrn in Bildgestalt, aus Holz, Stein oder anderem Material gefertigt. Asambhūti – Diejenigen, deren Dasein nicht unabhängig ist. Asura – Diejenigen, die von den Pflichten des Kṛṣṇa-Bewußtseins nichts wissen oder die diese Pflichten vernachlässigen. Ātma-bhūta (auch Brahma-bhūta) – Freudige transzendentale Erkenntnis, daß das Selbst nicht der Körper ist, sondern die Geistesseele. Nach dem Ātma-bhūta (Brahma-bhūta) ist die nächste Stufe das Erkennen unseres Verhältnisses des liebenden Dienens mit dem persönlichen Gott, der der höchste Ātmā, das Höchste Brahman ist. Ātma-hana – Der Mörder der Seele. Derjenige, der es unterläßt, die menschliche Form des Lebens für die Selbsterkenntnis zu nutzen und der deshalb in die Planeten der Finsternis und Unwissenheit eingehen muß. Avidyā – Unkenntnis, vollkommene Unwissenheit. Avyakta – Der Zustand der Nicht-Manifestation, wenn alle Lebewesen in die Wasser der Zerstörung eingegangen sind, für die Dauer einer Nacht Brahmās. Während dieser Zeit bleibt kein Lebewesen sichtbar, obgleich sie geistig in einem Ruhezustand weiterexistieren. Bhagavān – Der Urgrund aller Füllen und allen Glücks, der höchste gestalthafte Gott. Bhakti – Hingebungsvolles, liebendes Gottdienen. In der Bhagavad-gītā wird gesagt, daß man alle Stufen der transzendentalen Weiterentwicklung übertreffen kann, wenn man die Haltung der liebenden Hingabe annimmt. Ohne Bhakti führt keiner der transzendentalen Wege zum Ziel. Bilderstürmer – Diejenigen, die nicht imstande sind zu akzeptieren, daß Gott in Bildgestalten, die dem Anschein nach aus Erde oder Stein hergestellt sind, erscheinen kann. Sie können die unvorstellbare Macht Gottes, durch die Er als Ursprung aller Kräfte stoffliche in geistige Kraft umwandeln kann, nicht als Realität akzeptieren. Brahmā – Das erste Lebewesen. Durch Gott ermächtigt, schafft Brahmā die stofflichen Welten. Er ist ihr oberster Verwalter. Brahma-bhūta – Siehe Ātma-bhūta. Brahmacarya – Das Leben des Schülers nach dem vedischen System, in dem das Zölibat eingehalten wird. Der Schüler ist ganz mit dem Studium und dem liebenden Gottdienen unter der Führung des echten geistigen Meisters beschäftigt. Brahma-jyoti – Ausstrahlung, die vom Körper des höchsten gestalthaften Gottes ausgeht. Um Vollkommenheit in der Erkenntnis der Absoluten Wahrheit zu erlangen, muß man über die leuchtende Ausstrahlung hinausgelangen, um den höchsten gestalthaften Gott in Seiner ganzen Fülle zu erkennen und Ihm in liebender Hingabe ewiglich zu dienen. Brahman – Unpersönliche, nicht-manifestierte Erkenntnis der Absoluten Wahrheit. Die Erkenntnis des Brahman-Aspekts der Absoluten Wahrheit ist nicht vollkommen, wenn man nicht weiter vordringt, um Paramātmā und Bhagavān zu verstehen. Erkenntnis des Brahman kann man mit dem Wahrnehmen der Sonnenstrahlen vergleichen. Derjenige, der nicht nur den Sonnenschein kennt, sondern auch die Sonnenscheibe, weiß mehr und wird mit dem Yogi verglichen. Jemand, der wirklich zum Sonnenplaneten gelangt und dem Sonnengott gegenübersteht, der weiß alles über die Sonne, die Sonnenscheibe und den Sonnenschein, Brāhmana – Die Brahmanen, die Transzendentalwissenschaftler, denen die Verantwortung obliegt, ihre Mitmenschen auf eine geistig höhere Ebene zu führen. Der Rang eines Brāhmana, eines Brahmanen, wird durch außergewöhnliche Wesensgrundzüge und nicht durch Geburt bestimmt. Brahma-randhra – Die höchste Luftschicht, die sich ganz oben auf dem Kopf befindet. Der vollendete Yogi kann seine Seele durch diese Schicht hindurchführen und seinen stofflichen Körper verlassen, um einen überweltlichen anzunehmen, der weder dem Tod noch dem Wandel unterworfen ist. Brahma-saṁhitā – Bedeutende heilige Schrift, den Veden zugehörig, die von Brahmā, dem ersten Lebewesen niedergeschrieben wurde und in der die Aktivitäten von Goloka, dem Reiche Kṛṣṇas, offenbart werden. Buddha – Wirklich gelehrt. Arjuna wurde durch das Hören der Bhagavad-gītā, der Essenz des vedischen Wissens, und durch Verehrung des Herrn, Śṛī Kṛṣṇas, buddha. Buddha (als Substantiv) wird im Śrīmad-Bhāgavatam als eine Inkarnation des persönlichen Gottes angesehen, dessen Erscheinen mit dem Beginn des Kali-yuga zusammentrifft und der allen Menschen die Gewaltlosigkeit lehrte. Garbhodaka-śāyī Viṣṇu – Eine Erweiterung des ersten Puruṣa-Avatār, Mahā Viṣṇu. (Siehe Karanodaka-śayī Viṣṇu.) Garbhodaka-śayī Viṣṇu geht in jedes Universum ein und legt Sich auf dem Garbha-Ozean nieder. Aus Seinem Nabel entspringt der Stengel einer Lotosblume, auf der Brahmā, der Herr des stofflichen Universums, geboren wird. Gopīs – Gespielinnen Kṛṣṇas in Vṛndāvana. Die größten und reinsten Gottgeweihten, die unvergleichlich sind, weil sie sich auf der höchsten Stufe reinster liebender Hingabe zum personenhaften Gott befinden. Govardhana-Berg – Berg in Vṛndāvana, wo Kṛṣṇa Seine transzendentalen Spiele mit den Kühen und den Hirtenknaben offenbarte. Das Wesen von Govardhana besteht darin, daß er nicht verschieden von Kṛṣṇa ist. Die Absolute Wahrheit ist nicht verschieden von Seinem Namen, Ruhm, Land, Seinen Gottgeweihten und Gefährten. Govinda – Ein Name für Kṛṣṇa, der Hirtenknabe, der alle Sinne Erfreuende. Hiranmaya Pātra – Die leuchtende Umhüllung, die die Anhänger des Unpersönlichen daran hindert, den gestalthaften Gott zu sehen. Hiraṇyakaśipu – Der mächtigste Materialist seiner Zeit. Er wollte die materiellen Freuden des Lebens genießen und versuchte, unsterblich zu werden. Er wurde aber von den Klauen Nṛsiṁhas, des Avatāra Gottes, in Halb-Mensch-, Halb-Löwengestalt getötet. Iśāvāsya – In Gott gegründet. Gott als das Zentrum des Seins erkennen. Die Īśopaniṣad unterweist uns, daß keine Handlungen, wie wir sie beispielsweise im Familienleben und in der Politik finden, schaden, solange der Mittelpunkt aller Aktivitäten Gott ist. Jñānīs – Die Menschen wie z.B. die Philosophen und metaphysischen Dichter, die sich dem intellektuellen Spekulieren hingeben, um auf diese Weise die Absolute Wahrheit zu erkennen. Durch Jñāna kann man bis zur Brahman-Erkenntnis der Absoluten Wahrheit vordringen. Kaniṣṭa Adhikārī – Ein Mensch auf der untersten Stufe der Gott-Vergegenwärtigung, der nach den gewohnheitsmäßigen Riten im Tempel oder in der Kirche betet, der aber nicht die verschiedenen Positionen, in denen sich die Gottgeweihten befinden, noch das geistige Wesen Gottes erkennt. Karanodaka-śāyī Viṣṇu (auch Mahā Viṣṇu) – Die gigantische Erweiterung des Herrn, die sich im Ozean der Ursachen, in einem Teil des transzendentalen Reiches niederlegt. Unzählige Universen entspringen den Poren Seines Körpers, wenn Er atmet. Diese Universen bestehen nur für die Dauer eines ausgehenden Atemzuges Mahā Viṣṇus. Das wird alles im Śrīmad-Bhāgavatam erklärt. Karma – Tun, das im Sinne der in den heiligen Schriften vorgeschriebenen Pflichten ausgeführt wird. Durch das Gesetz des Karma erzeugt jede Aktion in der stofflichen Welt eine Reaktion, sei sie nun gut oder schlecht. In der Bhagavad-gītā verheißt Śrī Kṛṣṇa, der höchste gestalthafte Gott, all denjenigen, die sich Ihm bedingungslos hingeben, Erlösung von allen stofflichen Reaktionen. Karma-bandhana – Die Bindung an das materielle Werketun, durch die das unvergängliche Lebewesen gezwungen wird, innerhalb dieser stofflichen Welt von einem Körper zum anderen zu wandern. Karma-yoga – Die Früchte seines Tuns Kṛṣṇa darbringen. Karmis – Diejenigen, die sich der Sinnesbefriedigung und den daraus entstehenden Reaktionen hingeben. Der Karmi will schwer arbeiten und die Früchte seiner Arbeit genießen, ohne Gott, dem Besitzer und Lenker aller Dinge, irgendetwas darzubringen. Kṣirodakaśāyī Viṣṇu – Die Erweiterung des Herrn, die innerhalb des Weltalls der Materie auf einer Insel mit weißem Sand im Milchozean, auf einem Planeten, der Śvetadvīpa genannt wird, weilt. Er ist der Erhalter des Universums, und Er waltet über die Erscheinungsform der Reinheit. Lenker – Gott ist der Lenker. Die individuellen Wesen lenken nur ihre eigenen Körper, aber Gott lenkt alle Körper, und das schließt auch sämtliche Planetensysteme mit ein: Sterne, Monde, die ganze kosmische Manifestation, Zeit, Raum und die Aktivitäten der stofflichen und geistigen Kräfte. Mādhurya – Der überweltliche Austausch innigster Liebe mit dem höchsten persönlichen Gott, wie er von den Gespielinnen Kṛṣṇas, den Kuhhirtinnen von Vṛndāvana erfahren wird. Die sexuelle Anziehung, wie sie diese Stoffeswelt kennt, ist eine pervertierte Reflektion des ursprünglichen transzendentalen Mādhurya-Austausches, der ewiglich in der transzendentalen Welt zwischen dem Herrn und Seinen Ihn liebenden Beigesellten existiert. Madhyam Adhikārī – Gottgeweihte auf der Zwischenstufe des liebenden Dienens, deren ausschließliche Liebe dem höchsten Herrn gilt, die Freundschaften mit den Gottgeweihten schließen, die Unschuldige lehren und die die ausgesprochenen Atheisten meiden. Mahābhāgavata – Großer Gottgeweihter, der alles in Bezug auf den höchsten gestalthaften Gott sieht. Martya-loka – Der Ort des Todes. Damit ist die gesamte vergängliche Welt gemeint. Māyayā apahṛta-jñāna – Die Menschen, die glauben, daß sie selbst Gott sind und die keinen Sinn in der Verehrung irgendeines anderen Gottes sehen. Sie sind jedoch unfähig zu sagen, wie sie unter die Herrschaft der Illusionskraft geraten sind, der Geburt, dem Tod, der Krankheit und dem Alter unterworfen, eingeschränkt durch die Erscheinungsformen der Reinheit, Leidenschaft und Unwissenheit. Wenn Gott auf diesem Planeten erscheint, dann ist Er niemals den stofflichen Gesetzen unterworfen, noch ist Er gezwungen, aufgrund Seines vergangenen Tuns einen Körper anzunehmen wie die gewöhnlichen Lebewesen oder die Māyayā apahṛta-jnāna. Muḍhā – Esel. Dieses Wort wird in der Bhagavad-gītā gebraucht, um diejenigen zu beschreiben, die sich ganz der Sinnesbefriedigung hingeben. Nārada – Der große Weise, der, seine Vīṇā spielend und den Hare-Kṛṣṇa-Mantra singend, durch die Universen wandert. Er wird der ursprüngliche geistige Meister genannt. Viele große Gottgeweihte sind seine Schüler wie beispielsweise Vyāsadeva und Prahlād. Narādhama – Die niedrigsten Menschen. Damit sind die gemeint, die die menschliche Form des Lebens nicht nutzen, um sich wieder Gott zuzuwenden. Nārāyana – Uneingeschränkte Manifestation Kṛṣṇas. Deshalb sind Nārāyaṇa und Kṛṣṇa identisch. Nārāyaṇa existierte vor der Schöpfung und Er erschuf aus Seinem eigenen Wunsch heraus die kosmische Manifestation. Nirguṇa – Ohne Attribute, ohne materielle Eigenschaften. Es bedeutet auch, daß sich die Eigenschaften Gottes jenseits aller Meßbarkeit befinden. Paramātmā (die Überseele) – Die Erweiterung Gottes, durch die Er im Herzen jedes Lebewesens erscheint, um ihnen Erinnern oder Vergessen zuteil werden zu lassen. Die individuellen Seelen sind Ātmā. Der höchste Ātmā, der sie alle lenkt, ist der Paramātmā, die Überseele. Param Brahman – Die Höchste Geistesseele. Param Brahman ist genauso wie die individuellen Lebewesen eine Person. Jedes Individuum ist veranlagungsgemäß eine winzige Geistesseele und Er ist die Höchste Seele, vollkommene Sac-cid-ānanda-vigraha. Die winzigen Brahman-Geistesseelen existieren zur Freude des Param Brahman. Paramparā – Nachfolge der geistigen Meister. Nur durch einen echten geistigen Meister in der autorisierten, lückenlosen Nachfolge, die direkt von Kṛṣṇa zu uns kommt, kann das vedische Wissen erkannt werden. Parā Prakṛti – Die höhere überweltliche Kraft Gottes. Die Lebewesen gehören zur Parā Prakṛti, befinden sich aber unter dem Schutz des Höchsten Wesens. Durch die Berührung mit der stofflichen Natur wird die höhere Natur des Lebewesens durch die stofflichen Erscheinungsformen der Reinheit, Leidenschaft und Unwissenheit zeitweilig bedeckt. Parā Śakti – Die höhere Kraft, die sich von dieser untergeordneten, stofflichen Natur unterscheidet. Die höhere Kraft ist ewig und unvergänglich. Das ist die wahre Natur aller Lebewesen. Auch Parā Prakṛti genannt. Paribhū – Beschreibung Gottes. Der Größte von allen. Niemand ist größer als Er. Prahlād Mahārāj – Der junge Gottgeweihte, der durch Nṛsiṁha, der Halb-Mensch-, Halb-Löweninkarnation Kṛṣṇas, vor den Zugriffen seines dämonischen Vaters Hiraṇyakaśipu gerettet wurde. Prāna Vāyu – Die Bewegung der verschiedenen Luftschichten im Körper. Die Yogis versuchen, diese Luftschichten zu meistern und die Seele zu bewegen, die von einer Luftschicht in die nächsthöhere emporgehoben werden soll. Prasādam – Göttliche Gnade. Die Speise, die Gott dargebracht wird. Prasādam wird von den Gottgeweihten als göttliche Gnade verteilt. In der Bhagavad-gītā sagt der Herr, daß Er Früchte, Gemüse und Getreide von dem echten Gottgeweihten annimmt. Purāṇas – Ergänzende vedische Schriften. Es gibt achtzehn Purāṇas, die für die allmähliche Erhebung der bedingten Seele in ein geistiges Leben bestimmt sind. Sechs Purāṇas sind für diejenigen bestimmt, die sich in der Erscheinungsweise der Unwissenheit, sechs für diejenigen, die sich in der Erscheinungsform der Leidenschaft und sechs für diejenigen, die sich in der Erscheinungsform der Reinheit befinden. Sie gipfelten in dem ‹fleckenlosen Purāṇa›, dem Śrīmad-Bhāgavatam, welches die reife Frucht aller vedischen Schriften ist. Pūrṇam – Ganz vollkommen, der allerhöchste Herr. Es ist ausgeschlossen, daß Er den Gesetzen der stofflichen Natur unterliegt. Puruṣa – Der Genießer, das männliche Prinzip. Einzig auf Gott zutreffend. In Seiner ursprünglichen Form verläßt Kṛṣṇa niemals Vṛndāvana im transzendentalen Reich. Alle Angelegenheiten Seiner verschiedenen Schöpfungen werden von Seinen uneingeschränkten Erweiterungen, von den Puruṣa-Inkarnationen geregelt. Das bedingte Lebewesen versucht als Genießer der Stoffeswelt, den Puruṣa zu imitieren. Aber die wirkliche, unvergängliche Position des Lebewesens besteht darin, ein ewiger Diener Gottes zu sein. Rāsa-Tanz – Das hochheilige und transzendentale Spiel Gottes mit den Gopīs, der liebende Austausch ohne den Rausch der Sinneslust, wie er sich in der stofflichen Welt zeigt. Der Rāsa-Tanz muß von den Lippen eines geläuterten Gottgeweihten kommend verstanden werden. Ṛṣis – Philosophen, Mystiker. Gewöhnlich meint man damit die Denker, die das Absolute durch ihre winzige Hirnkraft zu erlangen versuchen. Sie kommen nur bis zu negativen Definitionen des Absoluten. Die Absolute Wahrheit, der personenhafte Gott, offenbart Sich nur den Gottgeweihten, die sich dem transzendentalen liebenden Dienen hingeben. Rudra – Śiva, der über die stoffliche Erscheinungsform der Unwissenheit waltet. Zur Zeit der Auflösung der stofflicher Welten trägt er die Verantwortung für die Zerstörung. Saguṇa – Mit Eigenschaften. Die Verehrung des persönlichen Gottes wie in der Verehrung Seiner Bildgestalt im Tempel bedeutet nicht, daß Er den Gesetzen der stofflichen Natur untergeordnet ist, obgleich Er Eigenschaften hat und in stofflicher Form erscheint (Holz, Stein usw.) Für Ihn gibt es keinen Unterschied zwischen stofflichen und geistigen Kräften, weil Er der Ursprung und Lenker beider ist. Sākhya – Beziehung der Freundschaft mit dem höchsten Herrn. Diese Beziehung besteht zwischen Arjuna und Kṛṣṇa. Sambhūti – Der absolute gestalthafte Gott, der vollkommen unabhängig ist. Sambhavat – Verehrung des Allerhöchsten Ursprungs. Sannyāsa – Die Stufe der Entsagung. Sannyāsa bedeutet nicht, in den Dschungel zu gehen und aller Aktivität zu entsagen. Es bedeutet, alles Kṛṣṇa hinzugeben. Sogar ein Haushälter, ein verheirateter Mensch, der in der Welt lebt, kann das tun, wenn er von einem echten Geisteslehrer unterwiesen wird. Sac-cid-ānanda-vigraha – Unvergänglich, wissend und glückselig in vollendeter Gestalt. Der höchste gestalthafte Gott sowie die Lebewesen haben dieses Wesen gemein. Sein Wesen ist unendlich und unerschöpflich, aber Seine wesentlichen Bestandteile sind unendlich klein und begrenzt. Śaṅkara – Ein Ācārya, der sich dem Unpersönlichen hingab und der lehrte, daß das Brahma-jyoti, die Ausstrahlung, die vom Körper Kṛṣṇas ausgeht, das Allerhöchste ist. Obgleich er kein Anhänger des Persönlichen war, gab er doch zu, daß Nārāyaṇa und Kṛṣṇa eins sind und daß Nārāyaṇa der höchste persönliche Gott ist, transzendental gegenüber den stofflichen Erscheinungsformen sich befindend. Śānta – Die überweltliche Beziehung der Ruhe, die neutrale Beziehung zwischen Gott und Seinen Ihn liebenden Beigesellten wie den vier Kumāras, die unablässig über die Herrlichkeit Gottes meditierten. Sinnesgenuß – Ein Leben der Illusion, in dem man versucht, mit dem Körper zu genießen, ohne sich dem Vollkommenen Ganzen hinzugeben. Śrīla Bhaktivinode Ṭhākur – Ein großer Ācārya in der Nachfolge Caitanya Mahāprabhus, Wegbereiter des Kṛṣṇa-Bewußtseins in der heutigen Zeit. Vater von Bhakti Siddhānta Sarasvatī, des geistigen Meisters von A.C. Bhaktivedānta Swāmī. Srīmatam – Ein Vaiśya, Angehöriger des Kaufmannsstandes. Stoffliche Natur – Unerbittliche Gesetze, denen all die, die in dieser stofflichen Welt geboren werden, unterliegen. Aufgrund dieser Gesetze durchwandern sie die verschiedenen Arten des Lebens (sich von einer zur anderen entwickelnd) und leiden in dem sich wiederholenden Kreislauf der Geburten und Tode. Die vedischen Schriften sagen, daß die einzige Hoffnung, diese stoffliche Welt für immer zu verlassen, in der bedingungslosen Hingabe an Kṛṣṇa, die Absolute Wahrheit, liegt. Śuci – Ein geistig fortgeschrittener Brahmane. Śuddham – Der Reinste. Name des höchsten Herrn. Śukadeva Gosvāmī – Der große geistige Meister, der das Śrīmad-Bhāgavatam zum ersten Mal dem Mahārāj Parīkṣit verkündete. Er ist der Sohn Vyāsadevas. Sura – Göttlich. Jemand, der die Verantwortung des Gottesbewußtseins kennt und ausführt. Tri-pāda vibhūti – Die transzendentale Natur, die sich jenseits des Zuständigkeitsbereiches Brahmās befindet. Die höhere Kraft Gottes. Auch Parā Prakṛti genannt. Vaikuṇtha-lokas – Planeten, die sich in der transzendentalen Welt befinden. Die Planeten der Reiche des höchsten gestalthaften Gottes. Die einzigen Orte der Beständigkeit, ohne jede Angst und Beunruhigung. Vātsalya – Beziehung mit Gott in elterlicher Zuneigung, wie sie in Nanda und Yaśodā bestand, die sich der transzendentaler Spiele der Kindheit Kṛṣṇas als Sein Vater und Seine Mutter in Vṛndāvana erfreuten. Vedabādaratā – Diejenigen, die die Veden studieren, um irgendwelche Ergebnisse zu erlangen, wie das Eingehen in den Himmel. Sie werden auch Vidyārata genannt. Die Īśopaniṣad verurteilt sie, weil sie die Veden auf eine nicht-autorisierte Art und Weise studieren, ohne das Ziel der Veden, den persönlichen Gott zu erkennen. Vedisches Wissen – Transzendentale Erkenntnis, von Gott gesprochen und in Form der heiligen Schriften niedergelegt. Vollkommenes Wissen, das durch die lückenlose Nachfolge der geistigen Meister zu uns kommt. Vidyā – Erkenntnis, Wissen. Vikarma – Tun, das unter Mißbrauch unserer Freiheit verrichtet wird. Auch verbotenes Tun, das uns in die unteren Regionen des Lebens führt. Vināśa – Vergängliche stoffliche Manifestation. Virāta-Form – Die universelle Form Gottes. Diese Form ist hauptsächlich für den Anfänger bestimmt, der Kṛṣṇa als höchstes geistiges Wesen nicht verstehen kann. Die Virāṭa-Form ist aus den gesamten stofflichen Bestandteilen des Universums zusammengesetzt und sie wird als der Körper des Herrn wahrgenommen. Sie ist aber nicht Seine unvergängliche Form. Viṣṇu-tattva – Ein uneingeschränkter Teilaspekt Gottes. Diese Erweiterungen Kṛṣṇas sind gleichwertig an Kraft, aber Kṛṣṇa ist der ursprüngliche persönliche Gott. Es können beispielsweise viele Kerzen von einer Kerze entzündet werden und sie sind der ursprünglichen Kerze an Leuchtkraft gleich, aber trotzdem sind sie nicht die ursprüngliche Kerze. Die ursprüngliche göttliche Person, der Ursprung aller Viṣṇu-tattvas, ist Śrī Kṛṣṇa. Vollkommenes Ganzes – Bezieht sich auf den persönlichen Gott. Vṛndāvana – Ort in Indien, an dem vor 5.000 Jahren Kṛṣṇa Seine transzendentalen Spiele offenbarte. Auch Kṛṣṇas Reich im höchsten transzendentalen Planeten, Goloka, wird Vṛndāvana genannt. Der geläuterte Gottgeweihte kann erkennen, daß Vṛndāvana in dieser stofflichen Welt sich nicht vom Vṛndāvana im transzendentalen Reich unterscheidet. Kṛṣṇas Reich Vṛndāvana ist von Ihm Selbst nicht verschieden. Vyāsadeva – Inkarnation Kṛṣṇas, die das gesamte vedische Schrifttum zusammenstellte. Yogīs – Diejenigen, die Yoga (sich mit dem Höchsten verbinden) praktizieren. Der Sinn des Haṭha- und Aṣṭānga-yoga-Systems – Sitzstellungen, Atemkontrolle, Meditation – besteht darin, die Sinne zu meistern und die Form der göttlichen Person im Herzen wahrzunehmen. Yoga-bhraṣṭas – Die Seelen, die von dem Pfad der Selbsterkenntnis abgekommen sind.