- Christus, Krischto, Kṛṣṇa -    
Original Version - Erste Auflage 1975
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von Seiner Göttlichen Gnade A.C Bhaktivedanta Swami Prabhupāda

Gründer und ācārya der Internationalen Gesellschaft für Kṛṣṇa-Bewußtsein


Christus Krischto Krishna Krnsa

Vorwort .................................................................... 7

Zen, christliche Lehre und Kṛṣṇa-Bewußtsein ............... 9

Morgenspaziergang .................................................. 45

Von Christus zu Kṛṣṇa ............................................... 49

Das Chanten der heiligen Namen Gottes in der Bibel ... 58

Die Prinzipien des Gottesbewußtseins ........................ 74

Die Friedensevangelien .............................................. 81

Wie man meditiert .................................................. 113

Anhang .................................................................. 119


 

Das Chanten der heiligen Namen Gottes in der Bibel

In den Vaiṣṇava-Schriften Indiens findet man zahllose Anweisungen, die zum saṅkīrtana, zum Chanten, d. h. Singen  und  Sprechen  der  heilige  Namen  Gottes  auffordern  als  einem  wirkungsvollen  Mittel  zur Gottesverwirklichung  wie  auch  erstrebenswerten  Ziel  an  sich.  Viele  Menschen,  vor  allem  solche  mit christlichem Hintergrund, werden, vielleicht zu recht, skeptisch einwenden: „Wenn das Chanten der heiligen Namen so allumfassend, mächtig und wirkungsvoll ist, warum wird dann nicht auch in der  Bibel  davon gesprochen?"

Doch schon ein flüchtiges Lesen der Bibel wird jeden davon überzeugen daß saṅkīrtana unter den alten Juden und frühen Christen weitverbreitet war, ja, daß König David sogar großen Wert darauf legte. „Doch das ist nicht der saṅkīrtana, wie er heute von der Bewegung für Kṛṣṇa-Bewußtsein praktiziert wird", mag man weiter einwenden, „Moses und David chanteten doch bestimmt nicht ‘Hare Kṛṣṇa, Hare Kṛṣṇa,  Kṛṣṇa Kṛṣṇa, Hare Hare - Hare Rāma, Hare Rāma, Rāma Rāma, Hare Hare’." Es wäre schwierig zu beweisen, daß sie es taten, wahrscheinlicher ist, daß sie es nicht taten, doch diese Frage ist nicht so wichtig, denn saṅkīrtana ist nicht nur auf das Chanten des Hare Kṛṣṇa-mantras beschränkt. Im Gegenteil, Śrī Kṛṣṇa Caitanya, der das Chanten von Hare Kṛṣṇa auf universaler Basis einführte, schrieb in Seinem Śrī Śikṣāṣṭaka:

O mein Herr, Dein heiliger Name allein kann den Lebewesen allen Segen spenden, und deshalb hast Du Millionen und Abermillionen von Namen, wie Kṛṣṇa, Govinda und Vāsudeva. In diese transzendentalen Namen hast Du all Deine transzendentalen Energien eingehen lassen. Es gibt nicht einmal starre Regeln für das Chanten dieser Namen. O Mein Herr, in Deiner Güte hast Du es uns durch Deine heiligen Namen so leicht gemacht, Dir näher zu kommen, aber unglückselig wie Ich bin, verspüre Ich keine Anziehung zu ihnen. (Śrī Śikṣāṣṭaka, 2)


Jeder Name Gottes führt zum Ziel

Saṅkīrtana beschränkt sich demnach nicht auf die Namen „Kṛṣṇa" und „Rāma". Theoretisch eignet sich jeder Name des absoluten Gottes zum Chanten. Wichtig ist nur das Verständnis, daß im gegenwärtigen Zeitalter des Kali, des Streites und der Heuchelei, das vor 5000 Jahren begann, das Chanten und Singen der Namen Gottes und das Lobpreisen Seiner Herrlichkeit der sicherste Weg zur spirituellen Befreiung ist. „Chante den Namen Gottes", empfiehlt Śrī Kṛṣṇa Caitanya, „im Zeitalter des Kali gibt es keinen anderen Weg." „Chantet man den heiligen Namen", so erklärte Śrī Caitanya weiter, „wird in der Seele bald  transzendentale Liebe zu Gott erwachen." Warum wird nun der Name Kṛṣṇa allen anderen Namen Gottes vorgezogen? Die Antwort lautet: Obwohl jeder Name Gottes gleich gut ist, ist der Name Kṛṣṇa der wichtigste, weil er der Name der urersten, ursprünglichen Person ist. Gott ist Einer, doch Seine Erweiterungen sind zahllos. Man mag z. B. noch so viele Kerzen an einer bestimmten Kerze entzünden - trotzdem bleibt die erste Kerze immer dieselbe. Ebenso gibt es unzählige Erweiterungen Gottes. Der ādi puruṣa, die ursprüngliche Person, jedoch ist und bleibt, wie in den Veden festgestellt wird (govindam ādi-puruṣam tam ahaṁ bhajāmi)1  immer derselbe, Kṛṣṇa. Aus Ihm gehen zahllose Erweiterungen, Inkarnationen, avatāras  usw. hervor. In der Bhagavad-gītā (10.8) erklärt Śrī Kṛṣṇa Selbst:

ahaṁ sarvasya prabhavo
mattaḥ sarvaṁ pravartate
iti matvā bhajante māṁ
budhā bhāva-samanvitāḥ

„Ich bin der Ursprung der spirituellen und der materiellen Welt. Alles geht von Mir aus. Die Weisen, die dies wissen, dienen Mir in Hingabe und verehren Mich von ganzem Herzen."

Das kann keine der biblischen Gestalten von sich behaupten, nicht einmal Christus. In diesem Zusammenhang ist es gewiß von Interesse, zu wissen, daß zwischen den Namen „Christus" und „Kṛṣṇa" eine enge Beziehung besteht. „Christus" stammt vom grch. „Christos", und „Krischto" ist eine andere Form der Aussprache des Wortes „Kṛṣṇa". Christus ist also eine andere Weise, Kṛṣṇa anzurufen.

1 Brahma-saṁhitā

Offene Fragen

Die Bibel spricht von dem Höchsten als Gott, Jehovah und Christus, und die vedischen Schriften, wie die Bhagavad-gītā, die Brahmā-saṁhitā, und das Śrīmad-Bhāgavatam, weisen darauf hin, daß Er Kṛṣṇa heißt, was übersetzt soviel wie „allesanziehend" bedeutet. „Rāma"bedeutet „der Freudvolle" und „Hare" bezieht sich auf „die Energie, an der Er Sich erfreut". Die Bibel handelt im wesentlichen von drei Dingen: 1) den Gesetzen Gottes, 2) wie die Juden diese Gesetze brechen und 3) der Strafe Gottes. Christus verkündete, daß denen, die wirklich bereuen, verziehen würde, und fügte als neues Element bhakti oder Liebe zu Gott hinzu, die er als Mittel, den Höchsten zu erreichen, lehrte. In der Bibel jedoch wird Gott immer nur als „groß", „zornig", „unbarmherzig", „einer, vor dem man sich fürchten muß", „allmächtig", „der immer währende Vater", „Alpha und Omega" usw. beschrieben - nirgends ist eine Beschreibung der allesanziehenden Persönlichkeit Gottes zu finden. Wer ist Gott überhaupt? Wie groß ist Er? Was sind Seine Merkmale? Seine Füllen? Seine Taten? Wie sieht Sein Reich genau aus? Wie sieht Er aus? Welche verschiedenen Manifestationen hat Er? Auf welche Weise erschafft Er? Wie durchdringt Er Seine Schöpfung? Welche Beziehung hat das individuelle Lebewesen zu Gott? Welche Rolle spielt das Individuum in der Welt? Wie ist es in die materielle Welt gekommen und wie kann es sie transzendieren? Diese und viele andere Fragen werden in der Bibel weder gestellt noch beantwortet, denn die alte jüdische Kultur war nicht fortgeschritten genug, die Antworten zu verstehen. Christus selbst sagte einmal zu seinen Jüngern:

„Noch vieles hätte ich euch zu sagen, doch könnt ihr es jetzt noch nicht ertragen." (Joh. 16:12)2

2  Alle Bibelstellen stammen aus der 1934 im Matthias-Grünewald-Verlag, Mainz, erschienenen
„Heiligen Schrift des Alten und Neuen Bundes", übersetzt von Paul Rießler und Rupert Storr

Zwar wird im Alten Testament beschrieben, wie die Juden Gottes Stimme vom Himmel hören, doch sie sehen nicht Sein Gesicht. Er erscheint als brennender Busch, als Heiliger Geist, als Taube, als Feuersäule in der Nacht, als Wolke am Tag, aber niemals wie Er wirklich ist. Christus erschien als Gottgeweihter, doch er offenbarte seinen Jüngern nicht den Vater. Der Vater verkündet mit lauter Stimme vom Himmel, Christus sei Sein geliebter Sohn, und Christus selbst sagte:

„Der Vater, der mich gesandt hat, ist es auch, der selber Zeugnis über mich gegeben hat. Ihr freilich habt Seine Stimme nie gehört, Seine Gestalt nie gesehen."
„Nicht, als ob je einer den Vater gesehen hätte. Nur der, der bei Gott ist, hat den Vater gesehen." (Joh. 5:37 + 6:46)

Die vedischen Schriften, die lange Zeit vor der Bibel niedergeschrieben wurden, entstanden in einer hochentwickelten spirituellen Kultur und zeichnen sich ganz besonders dadurch aus, daß sie Gottes Gestalt, Seine Merkmale, Seine transzendentalen Spiele und Seine Persönlichkeit offenbaren. Natürlich sind Gottes Eigenschaften unbegrenzt, und Worte können nur einen kleinen Hinweis auf Seine Herrlichkeit geben, doch die Veden versorgen den Geist des Menschen mit mehr Informationen als er bis zu seiner Erleuchtung erfassen kann - dann sind auch die Veden für ihn nicht mehr wert als „ein Teich bei einer Überschwemmung". (Bg. 2.46) Auf dieser Stufe sieht der geläuterte Mensch Gott überall. (Diese Verwirklichung sollte natürlich nicht vorgetäuscht werden.) Die Veden geben also eine bis in alle Einzelheiten gehende Beschreibung Gottes und Seiner transzendentalen Tätigkeiten und bezeichnen den Höchsten Persönlichen Gott als Kṛṣṇa. Sie begnügen sich jedoch nicht damit festzustellen, daß Śrī Kṛṣṇa Gott ist, sondern beschreiben ausführlich, wie Er aussieht und erzählen von Seinen transzendentalen Taten.

Śrī Kṛṣṇa Selbst offenbarte Arjuna auf dem Schlachtfeld von Kurukṣetra die Bhagavad-gītā, in der Śrī Kṛṣṇa die Merkmale der mahātmās, der großen Seelen, wie folgt erklärt:

satataṁ kīrtayanto māṁ
yatantaś ca dṛḍha-vratāḥ
namasyantaś ca māṁ bhaktyā
nitya-yuktā upāsate

„Ohne Unterlaß preisen sie Meine Herrlichkeit, bemühen sich mit großer Entschlossenheit und bringen Mir ihre Ehrerbietungen dar. So verehren Mich die großen Seelen unaufhörlich mit Hingabe." (Bg. 9.14)

In der Bibel begegnen wir vielen großen Seelen, wie Moses, David und Paulus, von denen man mit gutem Gewissen sagen kann, daß sie niemals die universale Gültigkeit des saṅkīrtana in Zweifel gezogen haben. Dies läßt sich anhand zahlloser Textstellen aus den Büchern der Propheten und der Apostel belegen.

 

DAS ALTE TESTAMENT

Die fünf Bücher Moses

Nachdem die Kinder Israels sicher das Rote Meer durchquert hatten und somit gerettet waren, da das Heer des Pharao in den Fluten umgekommen war, begannen Moses und seine Anhänger zum Lobpreis Gottes zu singen:

Damals sang Moses mit den Israeliten dieses Lied dem Herrn. Sie sprachen also: „Dem Herrn will ich lobsingen. Er hat gesiegt, ins Meer gestürzt das Roß und seinen Reiter. Dem Herrn mein Lobgesang! Zur Rettung ward Er mir. So ist mein Gott; Ihn preise ich. Ich rühme meines Vaters Gott ... " (Exodus 15:1-2)

Nachdem Moses dem jüdischen Volk die zehn Gebote verkündet hatte, hielt er eine Ermahnungsrede, in der er die Grundsätze erklärte, die der bhakti oder dem hingebungsvollen Dienst zugrunde liegen und die zugleich die Wurzel der saṅkīrtana-Philosophie bilden. In dieser Ansprache betont Moses die Bedeutsamkeit des Dienstes für Gott und der Lobpreisung Seines Namens.

„Höre Israel! Der Herr ist unser Gott, der Herr allein. Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft!" (Deuter. 6:4-5)
„Den Herrn, deinen Gott, sollst du fürchten! Ihm sollst du dienen! An Ihm sollst du hängen und mit Seinem Namen schwören! Er ist dein Ruhm. Er ist dein Gott, der an dir jenes Große und Furchtbare getan, das du mit eigenen Augen gesehen." (Deuter. 10:20-21)

Das Wissen von der Größe Gottes macht es, wie Moses erklärt, notwendig, daß man den Namen des Herrn „bekanntmacht", und Seinen Ruhm verbreitet. In seinem zweiten Gesang verkündet Moses deshalb:

„Dem Regen gleich ergieße meine Botschaft sich! Wie Tau, so träufle meine Rede, wie Regengüsse auf das junge Grün, wie Regentropfen auf das Gras! Denn ich verkündige des Herren Ruhm: ‘Gebt unserm Gott die Ehre!’" (Deuter. 32:2-3)

Nach der Vaiṇava-Philosophie ist der Name Gottes mit Gott identisch. Natürlich befindet Sich Gott  kraft Seiner Allgegenwart - in unpersönlicher Form - in jedem Klang; die Namen Gottes indessen sind in  völlig anderer Weise mit Ihm identisch: sie sind śabda, Seine Klang-Inkarnation, in der Er persönlich anwesend ist. Die Namen Gottes werden daher von allen religiösen Traditionen angerufen und gepriesen - im Osten wie im Westen. (Das engl. god z. B. stammt von dem europäischen Grundwort ghawa und dem sanskr. havate, was so viel bedeutet wie ausrufen, anrufen, von dem Gedanken ausgehend, daß Gott derjenige ist, den man sowohl in Freude als auch in Leid anruft.) Moses, der große Gesetzgeber und Vater der Juden, führte  also mit dem Lobpreis des Herrn keine neue Tradition ein, sondern hielt sich genau an die überlieferten Bräuche des Judentums.

Richter

Nachdem Debora und Barak das israelitische Volk aus der Gewalt Jabins und Siseras befreit hatten, priesen sie den Herrn:

Da sang Debora mit Abinoams Sohne, Barak, jenes Tages also: „Stimmt an in Israel, ihr Führer! Einfalle, Volk, beim Loblied auf den Herrn! ... " (Richter 5:1-2)

Zweites Buch Samuel

Nachdem David aus den Händen seines Feindes Saul befreit worden war, sang er in seinem Dankeslied:

„Dafür lobpreise ich Dich bei den Heiden, Herr, und singe also Deinen Namen." (II Samuel, 22:50)

Erstes Buch der Chronik

Von allen Persönlichkeiten, die uns in der Bibel begegnen, ist David zweifelsohne der eifrigste Verkünder des saṅkīrtana. David brachte auch die Bundeslade, die ähnlich wie die Bildgestalten der Vaiṣṇavas verehrt wurde, nach Jerusalem und tanzte, in
weiße Linnen gekleidet, vor ihr.

So brachte ganz Israel die Bundeslade des Herrn hinauf unter Jubel und lautem Posaunenschall, mit Trompeten und Zymbeln. Sie ließen Harfen und Zithern ertönen. So kamen des Herrn Bundeslade in die Davidstadt. Sauls Tochter Mikal aber beugte sich durch das Fenster. Da sah sie den König hüpfen und tanzen. Und sie verachtete ihn in ihrem Herzen. (I Chron. 15:28-29)

David bestimmte einige Leviten, die Bundeslade zu bewachen, ähnlich wie in Indien pūjarīs (Priester) dazu bestimmt werden, den transzendentalen Bildgestalten Gottes zu dienen:

Vor die Lade des Herrn aber bestellte er einige Leviten als Diener, daß sie den Herrn, Israels Gott, priesen, Ihm dankten und Ihn rühmten:
Asaph, das Oberhaupt und Zakarja, den Zweiten im Range nach ihm, sodann Jeiel, Semiramot, Jechiel, Mattitja, Eliab, Benajahu, Obededom, Jeiel mit Harfen und Zithern. Asaph aber sollte die Zymbeln ertönen lassen, ebenso die Priester Banajahu und Zachaziel beständig die Trompeten vor der Bundeslade Gottes. (I Chron. 16:4-6)

Dann unterwies David das jüdische Volk, wie die Bundeslade zu verehren sei. Im Prinzip entspricht dies der Botschaft der Bewegung für Kṛṣṇa-Bewußtsein: kīrtana, Lobpreisung Gottes durch Singen,  Verherrlichung Seines Namens, Erzählen Seiner Spiele und das Suchen Seiner persönlichen Gegenwart.

Damals übertrug David zuerst Asaph und seinen Brüdern den Lobpreis des Herrn:
Dem Herrn sagt Dank! Verherrlicht Seinen Namen! Kund machet Seine Taten den Nationen! Lobsinget Ihm! Lobt Ihn! Erzählt von allen Seinen Wundern! In Seinem heiligen Namen rühmet euch. Wer da den Herrn sucht, freue sich von Herzen! Verlanget nach dem Herrn und Seiner Herrlichkeit. Sein Antlitz suchet immerfort! (I Chron. 16:7-11)

Diese Botschaft sprengt die Mauern Jerusalems, ebenso wie die Botschaft Śrī Kṛṣṇa Caitanyas über die Grenzen Indiens hinausgeht.

Die ganze Welt lobsinge dem Herrn! Kundtut Sein Heil von Meer zu Meer! Verkündet bei den Heiden Seinen Ruhm, bei allen Völkern Seine Wunder, ist doch der Herr so groß und hoch zu preisen, vor allen Göttern ehrfurchtswert! (I Chron. 16:23-25)

In den Kṛṣṇa-Tempeln Indiens werden die transzendentalen Bildgestalten Gottes verehrt. In ähnlicher Weise ließ David die Bundeslade verehren:

Dann überließ er dort vor des Herrn Bundeslade dem Asaph mit seinen Brüdern ständig den Dienst, vor der Lade zu dienen, Tag für Tag nach Vorschrift.
Bei ihnen waren; Heman und Jedutun und die übrigen Auserlesenen, die mit Namen genannt sind, um den Herrn zu preisen, daß Seine Gnade ewig währe. Bei ihnen waren auch Trompeten und Zymbeln für die Musiker und Spielgeräte für die Gotteslieder. Jedutuns Söhne waren für die Pforte da.
Diese alle standen unter ihrem Vater beim Gesange im Hause des Herrn, mit Zymbeln, Harfen und Zithern beim Dienst im Gotteshause unter dem König, Asaph, Jedutun und Heman. Ihre Zahl nebst der ihrer Brüder, die in des Herrn Liedern wohlerfahren waren, insgesamt Meister, betrug 288." (I Chron. 16:37, 41-42; 25:6-7)

Zweites Buch der Chronik

König Salomon, der Sohn Davids, der heute noch für seine Weisheit und seinen Reichtum berühmt ist, folgte dem Beispiel seines Vaters, indem er auf dem Berg Moriah bei Jerusalem einen gewaltigen, mit purem Gold überzogenen Tempel errichten ließ und dafür sorgte, daß dort ständig zum Lob des Herrn gesungen wurde. Es scheint, daß die kīrtana damals sehr beliebt gewesen sind, denn sie veranlaßten die Herrlichkeit Gottes, im Tempel zu erscheinen:

Die levitischen Sänger alle aber, Asaph, Heman, Jedutun mit ihren Brüdern und Söhnen standen, in Linnen gekleidet, mit Zymbeln, Harfen und Zithern östlich vom Altare und bei ihnen hundertzwanzig Priester, die Trompeten bliesen. Die Trompeter aber und die Sänger hoben zugleich einstimmig an, den Herrn zu preisen und ihm zu danken. Und als der Gesang erscholl mit Trompeten, Zymbeln und den anderen Musikgeräten und mit dem Lobpreise des Herrn: „Er ist gütig; denn ewiglich währet Seine Huld", ward das Haus von einer Wolke erfüllt, aber nur das Haus des Herrn. Die Priester aber konnten wegen der Wolke nicht hinzutreten, Dienst zu tun. Denn des Herrn Herrlichkeit hatte das Gotteshaus erfüllt. (II Chron. 5:12-14)

Josaphat, der Herrscher über Juda, folgte ebenfalls der alten Tradition des saṅkīrtana. Es ist beachtenswert, daß auch in der Bibel besonders erwähnt wird, wie sich die Einwohner vor Gott verbeugten, Seine Schönheit priesen und sich von Seiner Gnade abhängig fühlten, denn dies ist bezeichnend für die Vaiṇavas:

Da neigte Josaphat das Antlitz bis zur Erde und ganz Juda mit Jerusalems Einwohnern war vor dem Herrn niedergefallen, den Herrn anzubeten. Dann erhoben sich die Leviten von den Kehatiter- und Korachsöhnen, um den Herrn, Israels Gott, mit überlauter Stimme zu preisen. Am andern Morgen in der Frühe aber zogen sie nach der Steppe von Tekoa. Bei ihrem Auszuge trat Josaphat auf; dann sprach er:
„Hört mich an, Juda und ihr Insassen Jerusalems! Vertrauet auf den Herrn, euren Gott, und ihr habt Beistand! Vertrauet auf Seine Propheten und ihr habt Glück!" Dann beriet er sich mit dem Volke und bestellte für den Herrn Sänger, die im heiligen Schmucke jubelten. Sie sollten vor den Kampfgerüsteten herziehen und sprechen: „Dankt dem Herrn; denn ewig währet Seine Huld!" (II Chron. 20:18-21)

Ezechias, Davids Enkel, folgte dem Pfad seines Ahnherrn. Er öffnete alle Tempel, die sein gottlästernder Vater Achaz hatte schließen lassen. Die Eröffnungszeremonie, die darauf unter seiner persönlichen Leitung abgehalten wurde, hätte eine Vaiṣṇava-ārātrika3 sein können:

Hierauf stellte er die Leviten am Hause des Herrn auf mit Zymblen, Harfen und Zithern, nach dem Befehle Davids, des königlichen Sehers Gad und des Propheten Natan. Denn durch den Herrn war das Gebot durch seine Propheten ergangen. So standen die Leviten mit Davids Musikgeräten da und die Priester mit Trompeten. Ezechias gebot nun, das Brandopfer auf den Altar zu bringen. Als das Opfern anfing, begann der Gesang auf den Herrn und die Trompeten, und zwar unter Begleitung der Musikgeräte Davids, des Königs von Israel. Die ganze Gemeinde aber warf sich nieder, der Gesang erklang und die Trompeten schmetterten. Das alles, bis das Brandopfer fertig war. Als man mit dem Opfern fertig war, knieten der König und alle bei ihm und beteten an. Dann hieß der König Ezechias samt den Obersten die Leviten dem Herrn lobsingen mit den Gesängen Davids und des Sehers Asaph. Da sangen sie mit Freude den Lobpreis, neigten sich und beteten an. (II Chron. 29:25-30)

3  ārātrika - Zeremonie, in welcher der Allerhöchste mit kīrtana gepriesen wird, während Ihm vielerlei Opfergaben dargebracht werden.

Erstes Buch Esdras

Unter den Israeliten, die aus der Gefangenschaft in Babylon nach Jeruasalem zurückkehrten, befanden sich „zweihundert Sänger und Sängerinnen." (Esdras 2:65)
Nachdem die Gefangenen in Jerusalem angekommen waren, begannen sie einen neuen Tempel zu bauen. Während der Grundsteinlegung hielten sie saṅkīrtana ab:

Die Bauleute richteten nun den Tempel für den Herrn auf. Dann stellten sich die Priester in Amtstracht mit Trompeten hin. Die Leviten und die Asaphsöhne priesen mit Zymbeln den Herrn in der Weise Davids, des Königs von Israel. In ihrem Lobgesange machten sie den Vers zum Kehrvers: „Lobpreist den Herrn! Denn Er ist gut. Ewig währet Seine Huld für Israel!" Beim Lobe des Herrn jubelte das ganze Volk überlaut, weil das Haus des Herrn errichtet war. (Esdras 3:10-11)

Die Psalmen

Von allen Büchern der Bibel legen die Psalmen Davids am meisten Nachdruck auf den kīrtana. Die Psalmen machen vier wichtige Aussagen:

1) Weil der Mensch nur durch Gottes Gnade existiert, ist der Höchste seine einzige Zuflucht, und er muß Ihm völlig vertrauen:

So wird der Herr der Bedrückten Hort, ein Hort in Trübsalszeiten. - Darum vertrauen die Bekenner Deines Namens Dir; denn Du verläßt nicht die, die, Herr, Dich suchen. (Psalm 9:10-11)

2) Die Namen Gottes haben große Macht, und es ist die Pflicht, das dharma der Menschen, Ihm zu danken und Ihn zu preisen:

Der Herr ist groß und hochzupreisen ob unserer Gottesstadt, ob Seines heiligen Berges. (Psalm 48:2) Gar köstlich ist's, dem Herrn zu danken und Deinem Namen, Höchster, zu lobsingen. (Psalm 92:2) Alleluja! Des Herrn Knechte, preist, lobpreist des Herren Namen! Des Herren Name sei gepriesen von nun an  bis  in Ewigkeit! Vom Sonnenaufgang bis zum Niedergang sei hoch gelobt des Herrn Name. (Psalm 113:1-3)

3) Es bereitet große Freude, Ihn zu preisen:

Lobsinget dem Herrn, ihr Seine Holden! Lobpreiset Seinen heiligen Namen!
Verwandle Du in Reigen meine Trauer! Befreie mich vom Bußgewand! Umgürte mich mit Freude! Dann singt ein lebevolles Wesen Dir und wird nie wieder still. Dann preise ich Dich, Herr, mein Gott, auf immer. (Psalm 30:5,12-13)
Verehrt den Herrn mit Fröhlichkeit! Mit Jubel tretet vor Sein Angesicht! Bekennt: Der Herr ist Gott! Er unser Schöpfer, wir sind Sein, Sein Volk, die Schäflein Seiner Weide. Zu Seinen Toren ziehet dankend ein, mit Lobgesang in Seine Höfe! Ihm dankt! Lobpreiset Seinen Namen! (Psalm 100:2-4)
Ich sing dem Herrn. Solang ich lebe, singe ich dem Herrn und preise meinen Gott, so lang ich bin. (Psalm 104:33-34)
Lobpreist den Herrn! Weil Er so gut, ist unser Gott des Lobes wert; weil Er so liebevoll, des Ruhmes würdig. (Psalm 147:1)

4) Alle Nationen - ja, die gesamte Schöpfung wird den Herrn lobpreisen und so wird das Chanten der Namen Gottes, wie Sri Caitanya es vorhersagte, zur Weltreligion werden:

Alleluja! Lobpreist den Herrn im Himmel! Lobpreist Ihn in den Höhen! Lobpreist Ihn, alle Seine Engel. Lobpreist Ihn, alle Seine Scharen! Lobpreiset Ihn, du Sonne und du Mond. Lobpreist Ihn, all ihr hellen Sterne! Du höchster Himmel, preise Ihn und ihr Gewässer überm Himmel! Des Herren Namen sollen sie lobpreisen! Denn Er gebot; da waren sie geschaffen. (Psalm 148:1-5)

Es  war  auch  David,  der  bestimmte,  daß  das  Chanten  der  heiligen  Namen  -  wie  in  der  Bewegung  für Kṛṣṇa-Bewußtsein - von Musikinstrumenten und Händeklatschen begleitet werden solle:

Entgegenjauchze alle Welt dem Herrn! Frohlocket! Jubelt! Singet! Lobsingt dem Herrn mit Zitherklang, mit Zitherklang und mit Gesang! Mit Hörnern und Posaunenschall, mit Jubel vor dem Könige, dem Herrn! (Psalm 98:4-6)
Ihr Stämme all, klatscht in die Hände! Mit Jubelschalle singet Gott! (Psalm 47:2)

Das Chanten darf niemals zum „leeren Geleier" werden oder zu lärmenden Festen ausarten. Nicht umsonst erklärt David:

Lobsinget unserm König! Singt! Lobsinget unserm König! Singt! Denn Gott wird König auf der ganzen Erde: Nun singet herrlich! (Psalm 47:7-8)

Gottes Reich kann nicht im Sturm eingenommen werden, denn Er ist nicht von dieser Welt, und so kann man sich Ihm niemals durch Fanatismus oder intellektuelle Spekulationen nähern. Sein Reich liegt jenseits des Himmels, und der einfachste Weg zu Ihm besteht darin, Ihn zu lobpreisen und dabei fest im Wissen verankert zu sein:

Aus Herzensgrunde, Gott, aus Herzensgrunde singe ich und juble: „Erwache, du mein Stolz! Erwache, Harfe du und Zither! Ich singe wach das Morgenrot." Ich preise Herr, Dich bei den Völkern, und ich besinge Dich bei den Nationen, daß Deine Huld bis an den Himmel reicht, bis zu den Wolken Deiner Treue. Erhebe Dich, soweit der Himmel, Gott, und Deinen Ruhm, so weit die Erde reicht! (Psalm 57:8-12)

Das Chanten der heiligen Namen und das Erzählen Seiner großartigen Taten bilden wichtige Faktoren auf der Suche des Menschen nach dem Höchsten:

Dem Herrn sagt Dank! Verherrlicht Seinen Namen! Kund machet Seine Taten den Nationen! Lobsingt von Ihm! Lobt Ihn! Erzählt von Seinen Wundern all! In Seinem heiligen Namen rühmet euch! Von Herzen freue sich, wer nach dem Herren sucht! Verlanget nach dem Herrn und Seiner Herrlichkeit! Stets sucht Sein Angesicht! (Psalm 105: 1-4)

David erklärte sogar, man solle Gott sein ganzes Leben lang preisen:

Ein Loblied von David. Erheben will ich Dich, mein Gott, Du König, und Deinen Namen immerdar und ewig preisen. Ich will Dich jeden Tag lobpreisen und immer und auf ewig Deinen Namen rühmen: -
„Groß ist der Herr und hoch zu preisen und unerforschlich Seine Größe." - Daß ein Geschlecht dem andern Deine großen Taten künde. Vom wundervollen Glanze Deiner Majestät, von Deinen Wundertaten will ich singen. (Psalm 145:1-5)
Alleluja! Lobpreis den Herrn, du, meine Seele! So lang ich lebe, preise ich den Herrn und singe meinem Gott, solang ich bin. (Psalm 146:1-2)

Die letzten fünf Psalme Davids (146-150) sind wahre Meisterwerke der Dichtkunst. In ihnen fordert David nicht nur die Menschen, sondern alle Geschöpfe auf, Gott zu preisen. Mit ihrem lyrischen Nachdruck - Nachdruck, nicht Wiederholung - ähneln sie stilistisch sehr stark einem mantra. Der 150. Psalm lautet:

Alleluja! Lobpreist den Herrn in Seinem Heiligtume. Lobpreist Ihn in Seiner starken Feste! Lobt Ihn ob Seiner großen Taten. Lobt Ihn gemäß der Größe Seiner Majestät! Lobpreist Ihn mit Posaunenklange! Lobt Ihn mit Zithern und mit Harfen! Lobt Ihn mit Pauken und mit Reigen! Lobt Ihn mit Saitenspiel und Flöten! Lobt Ihn mit leisen Zymbeltönen! Lobt Ihn mit lauten Zymbeltönen! Ein jeder Atemzug lobpreise den Herrn! Alleluja!

Die Psalmen Davids zeugen sowohl von tiefem lyrischem Empfinden als auch von großer Hingabe. Die letzten Worte Jesu am Kreuz („Mein Gott, mein Gott, was hast Du mich verlassen") bilden den Anfang des 22. Psalms, der schließt:

Vertrocknet ist wie Lehm mein Schlund; am Gaumen haftet mir die Zunge und wie mit Todesfarbe überzieht es mich. Denn Hunde haben mich umringt, der Frevler Rotte mich umgeben; sie machen Löcher mir an Händen und an Füßen. Ich spüre Pein in allen meinen Gliedern; sie schauen zu und weiden sich an mir. Sie teilen meine Kleider unter sich und werfen über mein Gewand das Los. Herr, sei nicht ferne! Zu Hilfe, meine Stärke; schnell! Errette vom Verderben meine Seele, aus der Gewalt der Hunde jetzt mein Leben! Entreiße mich der Löwen Rachen! Aus Wildochsen Gehörne rette mich! Dann kündige ich meinen Brüdern Deinen Ruhm, und preise Dich in der Gemeinde also: „Die ihr den Herren fürchtet, preiset Ihn! Ihr all von Jakobs Stamme ehret Ihn! Ihr all von Israels Geschlechte fürchtet Ihn! Denn Er verachtet und verschmäht es nicht, den Armen zu erhören, verhüllt Sein Antlitz nicht vor ihm und wenn er zu Ihm ruft, erhört Er ihn." Abtrage ich dann meine Dankesschuld in großer Volksgemeinde; darbringe ich gelobte Opfer dann vor denen, die Ihn fürchten. Dann sollen satt die Armen werden, den Herren rühmen, die Ihn suchen: „Auflebe euer Herz für immer!" Dann kehren sich zum Herrn die Erdenenden all und alle Heidenstämme beten vor Dir an, bedenkend, daß nur dem Herrn das Königtum gebührt und daß Er auch den Heiden Herrscher ist. Nur Ihn alleinig beten dann auf Erden alle die Gesunden an. Ihm beugt sich, wer zur Grube fährt und dessen Seele nicht mehr lebenskräftig ist. Die Nachwelt derer, die Ihm dienen, sie rühmt vom Herrn dem kommenden Geschlechte und kündet einem nachgeborenen Volke seine Liebe, und das, was Er getan. (Psalm 22:19-32)

Somit  schlagen  die  Psalme  die  Brücke  von  der  jüdischen  zur  christlichen  Tradition  und  empfehlen  den saṅkīrtana stärker als jedes andere Buch der Bibel.


Der Prophet Jsaias

Jsaias, der vorhersah, daß der Herr die Juden aus Syrien, Ägypten und anderen Ländern befreien würde, prophezeite:

Mit Jubel schöpfet aus des Heilborns Wasser und ruft dabei an jenem Tage: „Dem Herrn sei Dank!" Mit Stolz nennt Seinen Namen! Kundtut den Völkern Seine Taten! Verkündet, daß Sein Name hoch erhaben! Lobsingt dem Herrn! Denn große Dinge hat Er ausgeführt. Dies werde aller Welt bekannt! (Jsaias 12:3-5)

Und als Jsaias die zukünftigen Taten des Herrn erzählte, berichtete er, wie Gott zu Jakob und Israel sprach:

Dem Herrn singt ein neues Lied, sein Lob bis an der Erde Rand, ihr Fahrer auf dem Meer und seiner Fülle, ihr Inseln und die sie besiedeln! Die Wüste juble auf mit ihren Triften, den Dörfern, worin Kedar wohnt! Die auf den Feldern siedeln, sollen jauchzen und von der Berge Gipfel her laut jubilieren! Dem Herrn sollen sie die Ehre geben und auf den Inseln Seinen Ruhm verkünden! (Jsaias 42:10-12)

In Seiner Ansprache an Jakob und Sein Volk, ersucht Gott schließlich die gesamte Schöpfung, darunter selbst die unbeseelten Objekte, von Seinem Ruhm zu singen:

Ihr Himmel jauchzet! Der Herr vollbringt's. Frohlocket laut, ihr Erdenklüfte! Ihr Berge, brecht in Jubel aus, du Wald und alle Bäume dein! Der Herr erlöset Jakob und prangt mit Israel. (Jsaias 44:23)
Ihr Himmel jauchzt! Frohlocke, Erde! Ihr Berge brecht in lauten Jubel aus! Annimmt der Herr Sich Seines Volkes, erbarmt Sich Seiner Armeen. (Jsaias 49:13)

 

DAS NEUE TESTAMENT

Jesus Christus befahl seinen Jüngern, in alle Städte und Dörfer zu gehen und den Menschen zu verkünden:

„Das Gottesreich hat sich euch genaht." (Luk. 10:9, 11). Diese Art zu predigen ist ebenfalls kīrtana denn ob man nun sagt „bereut, das Reich Gottes ist nahe" oder „Hare Kṛṣṇa" chantet - die Botschaft ist im Prinzip die gleiche, da in beiden Fällen Gott den Menschen nahe gebracht wird. Als Christus gefragt wurde, wann das Königreich Gottes komme, antwortete er, Gott sei weder durch intellektuelle Spekulationen noch durch Erforschen der äußeren Erscheinungswelt zu erreichen, sondern nur durch spontane Liebe, die aus dem Individuum selbst aufsteigen müsse:

Da fragten ihn die Pharisäer: „Wann kommt das Gottesreich?" Er sprach zu ihnen: „Das Gottesreich kommt nicht mit äußerem Geprange; man kann nicht sagen: Hier ist es oder dort. Nein, seht, das Gottesreich ist in euerm Innern." (Luk. 17:20-21)

Gott und Sein Reich können also sehr schnell erreicht werden, wenn man sich nur stark genug danach sehnt, d.h., wenn bhakti in der Seele entsteht.

Auch im Neuen Testament wird dem heiligen Namen viel Bedeutung beigemessen, denn Christus warnt seine Jünger: „Von allen werdet ihr um meines Namens Willen gehaßt werden, doch wer ausharrt bis zum Ende, der wird gerettet werden." (Mark. 13:13) Christus betonte ebenfalls die Macht des heiligen Namens: „Wo zwei oder drei in meinem Namen beieinander sind, da bin ich mitten unter ihnen." (Matth. 18:20)

In einem der mystischsten Abschnitte des Johannesevangeliums, in dem das Gebet Jesu an seinen Vater in der Nacht vor der Kreuzigung enthalten ist, sagt Jesus, daß der Name Gottes die vereinigende Kraft ist, daß er (Christus) diesen Namen seinen Jüngern offenbart habe, und daß Gottes Name sie zusammenhalten werde. Christus betete:

„Ich habe Dich auf Erden verherrlicht; ich habe das Werk vollbracht, das Du mir aufgetragen hast, daß ich es vollenden soll. Und nun, Vater, verherrliche Du mich bei Dir mit jener Herrlichkeit, die ich bei Dir hatte, bevor die Welt entstand! Ich habe Deinen Namen den Menschen kundgetan, die Du mir aus der Welt gegeben hast. Dein waren sie, und Du hast sie mir anvertraut und sie haben Dein Wort beachtet." (Joh. 17:4-6)
„Ich bin zwar nicht mehr in der Welt - ich gehe zu Dir. Heiliger Vater, erhalte sie in Deinem Namen, den Du mir gegeben, damit sie eins seien, so wie wir! Solange ich bei ihnen war, habe ich sie in Deinem Namen erhalten, den Du mir gegeben hast: Ich wachte, und kein einziger aus ihnen ist verloren gegangen, als einzig der Sohn des Verderbens, damit die Schrift erfüllt würde." (Joh. 17:11-12)

Die Jünger Jesu führten diese Tradition fort. Als Paulus und Silas in Philippi in Mazedonien mit Ruten geschlagen und ins Gefängnis geworfen wurden, chanteten beide zum Ruhm Gottes:

Um Mitternacht sangen nun Paulus und Silas betend Gott ein Loblied. Die Gefangenen hörten ihnen zu. (Apostelg. 16:25)

Es war auch Paulus, der den Römern schrieb:

„Wird doch jeder, der den Namen des Herren anruft, gerettet werden." (Römer 10:13)
„... damit ihr einmütig mit einem Mund Gott und den Vater unseres Herren Jesus Christus verherrlichet!" Und noch einmal: „Ihr Heiden alle, lobt den Herrn! Alle Völker sollen ihn preisen." (Römer 15:6,11)

Der heilige Paulus betonte noch einmal die Macht des heiligen Namens in seinem Brief an die Philipper:

„Darum hat ihn Gott auch so hoch erhoben und ihm den Namen gnädiglich verliehen, der über alle Namen ist: Im Namen Jesu sollen sich alle Knie beugen im Himmel, auf der Erde und in der Unterwelt und alle Zungen sollen laut bekennen zu Gottes, des Vaters, Herrlichkeit: Der Herr ist Jesus Christus." (Philipper 2:9-11)
„Freut euch alle Zeit im Herrn! Ich wiederhole es: Freut euch!" (Phil. 4:4)

Ähnliche Anweisungen schrieb Paulus den Thessalonichern und Hebräern:

„Der Name unseres Herrn Jesus wird dann in euch verherrlicht werden und ihr in ihm in Kraft der Gnade unseres Gottes und des Herrn Jesus Christus." (2. Thessal. 1-12)
„Deinen Namen will ich meinen Brüdern künden, inmitten der Gemeinde will ich Dich lobpreisen." (Heb. 2:12)

Und der Apostel Jakobus verstand es in seinem Brief, mit geschickten Worten die Menschen zum Chanten zu bringen: „Und leidet jemand unter euch, so soll er beten. Geht es einem gut, alsdann lobsinge er!" (Jak. 5:13) In seinen apokalyptischen Offenbarungen beschreibt der heilige Johannes eine Vision der Zerstörung und Errettung des Universums, die in vieler Hinsicht an die im Elften Kapitel der Bhagavad-gītā gegebenen Beschreibung der universalen Form erinnert. Johannes sieht in seiner Vision, wie das Lamm (Christus) von Tausenden von Gottgeweihten gepriesen wird, die die Namen Gottes auf ihre Stirn geschrieben haben (ein Brauch, der unter den Vaiṇavas üblich ist). Die Gottgeweihten stehen auf einem Meer aus Glas und Feuer, dem Meer der kosmischen Vernichtung, und chanten die Namen Gottes. Erneut wird vorhergesagt,  daß alle Menschen den Allmächtigen Gott verehren und Seinen Namen preisen werden:

„Ich hatte ein Gesicht und sieh, das Lamm stand auf dem Berge Sion und bei ihm hundertvierzigtausend, die seinen Namen und den Namen seines Vaters auf ihrer Stirne geschrieben trugen. Ich hörte eine Stimme aus dem Himmel, gleichwie das Tosen vieler Wasser und wie das Rollen gewaltiger Donner; die Stimme, die ich hörte, klang wie die von Harfenspielern, die ihre Harfen schlagen. Sie sangen vor dem Thron und den vier Lebewesen und vor den Ältesten ein neues Lied. Ihr Lied vermochte niemand zu erlernen, die hundertvierundvierzigtausend ausgenommen, die von der Erde erkauft sind." (Geh. Offenb. 14:1-3)

„Ich sah da etwas wie ein gläsernes Meer, gemischt mit Feuer, und wie die Sieger über jenes Tier und dessen Bild und seines Namens Zahl am gläsernen Meer mit Gottesharfen standen. Sie sangen das Lied des Gottesknechtes Moses, sowie das Lied des Lammes: ,Groß und wunderbar sind Deine Werke, Herr Gott, Du Allbeherrscher! Gerecht sind Deine Wege und wahrhaftig, du Völkerkönig! ... " (Geh. Offenb. 15:2-4)

Von Moses bis hin zur Offenbarung - die ganze Bibel hindurch - wird also an vielen Stellen und mit Nachdruck zum Chanten der heiligen Namen Gottes aufgefordert. Die Botschaft der Bibel und die Śrī Kṛṣṇa Caitanyas (der Vaiṣṇava-Philosophie) sind im wesentlichen also die gleichen: daß alle Menschen, ja alle Lebewesen, Brüder von dem Einen Vater sind, kann verwirklicht werden im gemeinsamen Lobpreisen des Vaters. Die einfachste, für jeden praktizierbare Form der Ruhmpreisung ist das gemeinsame Singen der heiligen Namen Gottes: „Hare Kṛṣṇa, Hare Kṛṣṇa, Kṛṣṇa Kṛṣṇa, Hare Hare - Hare Rāma, Hare Rāma, Rāma Rāma, Hare Hare." » weiter



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