- Die Lehren Śrī Kṛṣṇa Caitanyas -    
Original Version - Erste Auflage 1975
HTML Version - zum Online Lesen

von Seiner Göttlichen Gnade A.C Bhaktivedanta Swami Prabhupāda

Gründer und ācārya der Internationalen Gesellschaft für Kṛṣṇa-Bewußtsein


Die Lehren
Śrī Kṛṣṇa Caitanyas

von
Seine Göttliche Gnade
A.C. Bhaktivedanta Swami Prabhupāda

Gründer-Ācārya der Internationalen Gesellschaft
für Kṛṣṇa-Bewußtsein e.V.

Inhalt

Geleitwort ....................................................................
Vorwort .......................................................................
Prolog...........................................................................
Einleitung.....................................................................
Die Botschaft Śrī Kṛṣṇa Caitanyas - Śrī Śiksāṣṭaka.......
Die Unterweisung Rūpa Gosvāmīs..................................
Sanātana Gosvāmī........................................................
Die Unterweisung Sanātana Gosvāmīs...........................
Der Weise ...................................................................
Wie man Gott näherkommt..........................................
Kṛṣṇas unzählige Formen sind eins ..............................
Die unzähligen Formen Gottes .....................................
Die Avatāras ...............................................................
Die unermeßlichen Füllen Kṛṣṇas..................................
Die Schönheit Kṛṣṇas..................................................
Der Dienst für den Herrn ..............................................
Der Gottgeweihte.........................................................
Hingebungsvolles Dienen in transzendentaler Anhaftung..
Die Ekstase des Herrn und Seiner Geweihten .................
Erklärung des ātmārāma-Verses aus dem Bhāgavatam ..
Śrī Caitanya beendet Seine Unterweisung Sanātanas ......
Śrī Kṛṣṇa Caitanya, der Ursprüngliche Persönliche Gott ...
Gespräche mit Prakāṣānanda Sarasvatī..........................
Das Ziel des Vedānta ....................................................
Die Māyāvādī-Philosophen werden überzeugt ................
Weitere Gespräche mit Prakāṣānanda Sarasvatī.............
Prakāṣānanda Sarasvatī gibt sich hin..............................
Das Śrīmad-Bhāgavatam ..............................................
Gespräche mit Sārvabhauma Bhaṭṭācārya .....................
Persönliche und unpersönliche Verwirklichung.................
Sārvabhauma Bhaṭṭācārya ist überzeugt ......................
Śrī Caitanya und Rāmānanda Rāya ...............................
Die Erhabenheit des hingebungsvollen Dienens ..............
Die transzendentale Beziehung Rādhā und Kṛṣṇas ........
Reine Liebe zu Kṛṣṇa...................................................
Die höchste Vollkommenheit ........................................
Schlußfolgerung............................................................
Erklärung wichtiger Sanskritwörter und Eigennamen ......
16 farbige Bildtafeln aus dem Buch

 








6
7
10
16
42
44
55
60
63
66
70
72
75
80
84
87
92
98
103
109
115
124
129
135
140
145
150
154
164
168
172
178
181
185
188
192
202
208
---

Die Lehren
Śrī Kṛṣṇa Caitanyas

Eine Abhandlung
über wirkliches spirituelles Leben

THE BHAKTIVEDANTA BOOK TRUST BBT

Titel der Originalausgabe:
Teachings of Lord Caitanya

Für die Übersetzung aus dem Englischen verantwortlich:

Vedavyāsa dāsa brahmacārī (Christian Jansen)
Śacīnandana dāsa brahmacārī (Thorsten Pettersson)
Nikhilānanda dāsa brahmacārī (Nikolay Jankowsky)

1. Auflage 1.-10. Tausend

BBT-Logo

Copyright © THE BHAKTIVEDANTA BOOK TRUST
Alle Rechte vorbehalten

Herausgeber:
Internationale Gesellschaft für Kṛṣṇa-Bewußtsein e.V.
6241 Schloß Rettershof/i. Ts.
Tel.: 06174/21357

Gesamtherstellung: Clausen & Bosse, Leck

Für seine unersetzliche Hilfe bei der Herausgabe
dieses Werkes gilt unser besonderer Dank
Prof. Dr. W. H. Wolf-Rottkay

Associate Professor Emeritus of German and
Linguistics at the University of Southern California.
Die Übersetzer


Gewidmet

dem heiligen Dienst
Śrīla Sac-cid-ānanda Bhaktivinoda Ṭhākuras
der die Lehren Śrī Kṛṣṇa Caitanyas im Jahre 1896
dem Jahr meiner Geburt
in die westliche Welt brachte
(McGill University, Canada)

A. C. Bhaktivedanta Swami    



Die Lehren Śrī Kṛṣṇa Caitanyas:  PDF (5,0 MB) PDF
Die Lehren Śrī Kṛṣṇa Caitanyas:  html (0,3 MB) ZIP


29. KAPITEL

Caitanya

Die transzendentale Beziehung zwischen Rādhā und Kṛṣṇa

Als Caitanya die Ausführungen Rāmānanda Rāyas bestätigte und ihn aufforderte, noch weiter zu gehen, sagte dieser, die freundschaftliche Beziehung zu Śrī Kṛṣṇa befinde sich auf einer noch höheren Stufe als die Beziehung als Diener des Höchsten, denn wenn die freundschaftliche Beziehung enger und liebevoller werde, lasse das Gefühl der Ehrfurcht und Scheu, das im Bewußtsein über die erhabene Stellung des Höchsten Persönlichen Gottes vorherrsche, allmählich nach, so daß Vertrauen entstehen könne. Dieses Vertrauen wird Freundschaft genannt. In der freundschaftlichen Beziehung herrscht eine Art Gleichheit zwischen Kṛṣṇa und Seinen Geweihten.

In diesem Zusammenhang führte Rāmānanda einen treffenden Vers aus dem Śrīmad-Bhāgavatam an, der im 12. Kapitel des Zehnten Cantos zu finden ist. Dort beschreibt Śukadeva Gosvāmī, wie Sich Kṛṣṇa, vom Spielen mit den Kälbern müde geworden, auf einer Waldlichtung niederließ und gemeinsam mit seinen Freunden zu Mittag aß. »Alle Hirtenjungen«, so heißt es im Bhāgavatam, »die mit Kṛṣṇa in den Wald gingen, hatten eine transzendentale freundschaftliche Beziehung zum Höchsten Persönlichen Gott, der von den großen Weisen als das unpersönliche Brahman, von den Gottgeweihten als die Höchste Person und von den Unwissenden als ein gewöhnlicher Mensch angesehen wird.« Als Śrī Caitanya dies hörte, lobte Er das tiefe Verständnis Rāmānanda Rāyas, doch bat Er ihn, trotzdem zu versuchen, noch weiter zu gehen. Rāmānanda Rāya erklärte daraufhin, daß sich die elterliche Beziehung, bei der Kṛṣṇa der Sohn und der Gottgeweihte der Vater oder die Mutter Kṛṣṇas sei, auf einer noch viel höheren Ebene befinde. Die freundschaftliche Beziehung kann sich also zu einer elterlichen Beziehung entwickeln, wenn die Liebe des Gottgeweihten zunimmt.

Rāmānanda Rāya führte in diesem Zusammenhang einen Vers aus dem 8. Kapitel des Zehnten Cantos an, in dem König Parīkṣit Śukadeva Gosvāmī fragt: »Kannst du mir sagen, welche und wie viele unvorstellbar fromme Taten Yaṣodā ausgeführt hat, daß der Höchste Persönliche Gott sie mit »Mutter« anredete und von ihrer Brust trank?« Als nächstes zitierte Rāmānanda Rāya einen Vers aus dem 9. Kapitel des Zehnten Cantos, in dem es heißt: »Yaṣodā, die Frau des Kuhhirten Nanda Mahārāja, wurde vom Höchsten Persönlichen Gott mit einer solch großen Gnade gesegnet, wie sie nicht einmal Brahmā, dem ersten Lebewesen, noch Śiva, noch der Glücksgöttin Lakṣmī zuteil wurde, die immer an der Brust Śrī Viṣṇus weilt.

Śrī Caitanya bat Rāmānanda Rāya nunmehr, die Ebene der innigen Liebe zu Kṛṣṇa zu beschreiben. Rāmānanda Rāya, der erkannte, worauf der Herr hinaus wollte, antwortete: »Die innige Liebe zu Kṛṣṇa ist die höchste Stufe der Existenz. Mit anderen Worten: Diese intime Beziehung zu Kṛṣṇa bildet den Höhepunkt der Entwicklung des Gottverständnisses. Der allmähliche Entwicklungsvorgang beginnt mit dem gewöhnlichen Verständnis vom Höchsten Persönlichen Gott, wird dann zur dienenden Beziehung, entwickelt sich zur Freundschaft, dann zur elterlichen Beziehung und in manchen Fällen schließlich zur höchsten Stufe, der Stufe der vertrauten Liebesbeziehung zum Höchsten. »Hierzu trug Rāmānanda einen anschaulichen Vers aus dem 47. Kapitel des Zehnten Cantos vor, in dem es heißt, daß selbst die Glücksgöttin, die im spirituellen Reich von Vaikuṇṭha immer an der Brust des Herrn ruht, niemals die transzendentale Ekstase erfährt, wie sie Kṛṣṇa und die gopīs beim rāsa-Tanz erfahren. Rāmānanda Rāya erklärte weiter, wie man allmählich reine Liebe zu Kṛṣṇa entwickeln kann. Er sagte, daß sich jeder, der mit dem Höchsten Persönlichen Gott in einer der fünf transzendentalen Beziehungen verbunden sei, in seiner wesenseigenen Position befinde und daher völlig zufrieden sei, und so gebe es im Grunde keinen

Unterschied zwischen den einzelnen Beziehungen, da sie sich alle auf der absoluten spirituellen Ebene befänden, doch lasse sich zugleich sagen, daß die neutrale Beziehung die Anfangsstufe darstelle, die sich zur dienenden Beziehung entwickle, dann zur Freundschaft, dann zur elterlichen Liebe und schließlich zur innigen Liebe. Für jeden ist seine individuelle Beziehung zum Höchsten Herrn die für ihn schönste Beziehung, doch wenn wir die verschiedenen Nuancen der transzendentalen Empfindungen vergleichend untersuchen, werden wir feststellen, daß die brahma-bhūta-Stufe, die neutrale Beziehung zum Höchsten Herrn, die niedrigste Ebene bildet. Wenn man den Herrn als Meister und sich selbst als Seinen Diener sieht, befindet man sich auf einer qualitativ besseren Stufe; die freundschaftliche Beziehung befindet sich noch darüber, dann folgt die elterliche Liebe, und die höchste Beziehung ist die innige Liebe zum Höchsten Herrn.

Jemand, der selbstverwirklicht ist und sich als ewiger Diener des Herrn sieht, hat zweifellos die transzendentale Ebene erreicht; doch wenn diese Zuneigung für den Herrn stärker wird, entwickelt sich daraus Freundschaft, elterliche Liebe und auf der erhabensten Stufe eine innige Liebesbeziehung. In diesem Zusammenhang zitierte Rāmānanda Rāya einen Vers aus dem Bhakti-rasāmṛta-sindhu, in dem gesagt wird, daß die spirituelle Liebe für den Herrn in jeder der fünf Beziehungen völlig transzendental ist, und daß jeder Gottgeweihte an seiner individuellen Beziehung zu Kṛṣṇa mehr Freude findet als an allen anderen.

Eine solche transzendentale Beziehung zum Höchsten Herrn richtet sich jedoch nicht nach den Einbildungen eines Pseudo-Gottgeweihten. Dazu erklärte Rūpa Gosvāmī im Bhakti-rasāmṛta-sindhu, daß hingebungsvolles Dienen, das unter Mißachtung der in den Veden vorgeschriebenen Prinzipien ausgeführt wird, nicht gutgeheißen werden kann. Śrīla Bhaktisiddhānta Sarasvatī Gosvāmī bemerkte hierzu einmal, daß die professionellen geistigen Meister, die professionellen Bhāgavatam-Sprecher, die professionellen Kīrtangruppen und die Menschen, die nach ihren eigenen Vorstellungen hingebungsvolles Dienen praktizieren, unter allen Umständen gemieden werden müssen. Es gibt viele Menschen, die sich auf eine dieser Arten ihren Lebensunterhalt verdienen. Auch die Mitglieder der sogenannten Gosvāmī-Kaste, die von sich behaupten, Nachfolger der sechs Gosvāmīs zu sein, die sogenannten Gottgeweihten, die sich ihre eigenen Gesänge über Śrī Caitanya zusammendichten, die professionellen Priester und die bezahlten Sprecher des Bhāgavatam, sind nicht als autorisiert zu akzeptieren. Wer die Prinzipien des Pañcarātra nicht befolgt, die Unpersönlichkeitslehre vertritt oder der Sexualität verfallen ist, kann niemals mit einem Menschen verglichen werden, der sein Leben Kṛṣṇa geweiht hat. Ein reiner Gottgeweihter, der Kṛṣṇa unentwegt in Liebe und Hingabe dient, ist bereit, alles für den Dienst des Herrn zu opfern. Alle, die ihr Leben dem geistigen Meister und Śrī Caitanya bzw. Kṛṣṇa hingegeben haben, und entweder als unverheiratete brahmacārīs dem geistigen Meister dienen, als gṛhastas die Prinzipien des Haushälterlebens befolgen oder sich als sannyāsīs an das Vorbild Śrī Caitanyas halten, beschäftigen sich völlig im hingebungsvollen Dienen und können daher niemals mit den professionellen Pseudo-Gottgeweihten auf eine Stufe gestellt werden.

Wenn man von aller materiellen Verunreinigung befreit ist, kann man in jeder der fünf Beziehungen transzendentale Glückseligkeit erfahren. Unglücklicherweise wissen Menschen, die nicht mit dieser transzendentalen Wissenschaft vertraut sind, die verschiedenartigen Beziehungen zum Höchsten Herrn nicht zu schätzen und halten sie für māyā, Illusion. Doch der Autor des Caitanya-caritāmṛta hat diese Beziehungen an einem einfachen Beispiel erläutert: »Die fünf groben materiellen Elemente Erde, Wasser, Feuer, Luft und Äther gehen in umgekehrter Reihenfolge auseinander hervor. Im Äther z. B. ist die Eigenschaft Klang enthalten. Die Luft trägt Äther (Klang) und Berührung; im Feuer gibt es Äther (Klang), Luft (Berührung) und Form; beim Wasser kommt als vierte Eigenschaft Geschmack hinzu, und die Erde besitzt insgesamt fünf Eigenschaften, nämlich Klang, Berührung, Form, Geschmack und Geruch. Wie in der Erde alle vier Eigenschaften der anderen Elemente vorhanden sind, so sind auch in der innigen Liebesbeziehung zu Kṛṣṇa die Merkmale aller anderen Beziehungen enthalten. Deshalb ist die innige Liebe tatsächlich die höchste Stufe der Liebe zu Gott.

Ein Vers im 82. Kapitel des Zehnten Canto des Śrīmad-Bhāgavatam lautet: »Hingebungsvolles Dienen für den Höchsten Persönlichen Gott ist das Leben und die Seele eines jeden Lebewesens.« Als der Herr einmal mit den Mädchen von Vraja sprach, erklärte Er ihnen, daß ihre Liebe zu Ihm, dem Höchsten Persönlichen Gott, der einzige Grund dafür sei, daß sie die Möglichkeit erhielten, mit Ihm zusammenzusein. Kṛṣṇa nimmt von Seinen Geweihten die verschiedensten Dienste entgegen und erwidert ihre Liebe je nach ihren Wünschen. Für jemanden, der Sein Diener sein möchte, nimmt Er die Rolle des vollkommenen Meisters an; für einen Gottgeweihten, der den Wunsch hat, Ihn als Sohn zu haben, spielt Er die Rolle des vollkommenen Sohnes, und wenn eine hingegebene Seele Ihm in inniger Liebe dienen will, spielt Er die Rolle des vollkommenen Gemahls oder Geliebten. Doch wie Kṛṣṇa Selbst erklärte, ist Seine vertraute Liebesbeziehung zu den Mädchen von Vraja die höchste Ebene der Transzendenz. Im 32. Kapitel des Zehnten Cantos sagt Kṛṣṇa zu den gopīs: »Eure Liebesbeziehung zu Mir ist völlig transzendental, ja, eure Liebe zu Mir ist so einzigartig, daß es Mir unmöglich erscheint, sie jemals in gleichem Maße zu erwidern. Ihr habt alle Anhaftung an materiellen Genuß aufgegeben und nur noch Meine Gegenwart gesucht. Ich fühle Mich außerstande, Mich für eure Liebe erkenntlich zu zeigen, und so muß Ich euch bitten, mit eurer eigenen Hingabe zufrieden zu sein.«

Śrīla Bhaktisiddhānta Sarasvatī Gosvāmī erklärte einmal, daß es eine gewisse Gruppe von Menschen gebe, die behaupten, jeder könne den Höchsten Herrn nach seinen eigenen Vorstellungen verehren und werde auf diese Weise dennoch den Höchsten erreichen. Ihrer Ansicht nach ist es völlig gleichgültig, ob man versucht, sich dem Höchsten Persönlichen Gott durch gewinnbringende Tätigkeiten, durch Spekulieren, durch Meditation oder durch das Aufsichnehmen von Bußen zu nähern, denn, so behaupten sie, durch jede dieser Methoden könne man die höchste Vollkommenheit erreichen. Oft hört man von ihnen in diesem Zusammenhang den Ausspruch, »Alle Wege führen zum gleichen Ziel.« Ebenso könne man, wie sie sagen, die Absolute Wahrheit auch als die Göttin Kālī oder Durgā, als Śiva, als Ganges, als Rāma, Hari oder Brahmā, kurz, als alles, was auf die Absolute Wahrheit hinweise, verehren, denn letzten Endes sei alles eins. Häufig führen sie auch das Beispiel des Mannes an, der verschiedene Namen hat und auf jeden einzelnen antwortet.

Solche Erklärungen mögen in den Ohren törichter Menschen angenehm klingen, doch sie beweisen im Grunde nur, wie wenig diese Unwissenden über transzendentales Leben wissen. Wer, von materiellen Wünschen getrieben, lediglich die Halbgötter verehrt, kann unmöglich den Höchsten Persönlichen Gott erreichen. Wie in der Bhagavad-gītā erklärt wird, muß er sich mit einem vergänglichen, materiellen Ergebnis begnügen. Es heißt dort: »Wer den Höchsten Persönlichen Gott nicht direkt verehrt, kann auch nicht durch die Verehrung der Halbgötter Seine Gemeinschaft erreichen.« Das Ergebnis von hingebungsvollem Dienen, das im vollkommenen Kṛṣṇa-Bewußtsein ausgeführt wird, ist nicht mit dem Ergebnis zu vergleichen, das man durch die Verehrung der Halbgötter, durch gewinnbringendes Handeln oder durch intellektuelle Spekulationen erhält.

30. KAPITEL

Caitanya

Reine Liebe zu Kṛṣṇa

Es besteht ein gewaltiger Unterschied zwischen gewöhnlichen religiösen Vorgängen und gottgeweihtem Dienen. Wenn man nur religiöse Rituale vollzieht, kann man vielleicht materiellen Reichtum, wirtschaftlichen Fortschritt, Sinnenfreude oder Befreiung erlangen, doch das Ergebnis von hingebungsvollem Dienen ist ein völlig anderes. Hingebungsvolles Dienen verliert niemals seine transzendentale Frische, und die Freude, die man dabei erfährt, wächst ständig. Die mächtige jagathari-Energie, die auch als Kontrollierende der materiellen Welt oder mahā-māyā bezeichnet wird, die Halbgötter und alle anderen Manifestationen der materiellen Energie sind nichts als eine schattenhafte Reflexion der unermeßlichen Füllen des Höchsten Herrn. Die Halbgötter sind Diener des Herrn und verwalten die materielle Schöpfung. In der Brahma-saṁhitā wird gesagt, daß sich die mächtige Oberaufseherin der materiellen Manifestation, Durgā, wie ein Schatten des Herrn bewegt, daß die Sonne wie Sein Auge ist und Brahmā wie eine Reflexion Seiner Ausstrahlung. Letztlich sind alle Halbgötter und sogar die äußere Energie, Durgā-devi, im Dienst des Höchsten Herrn beschäftigt.

In der spirituellen Welt wirkt eine andere Energie, - die spirituelle, höhere bzw. innere Energie, auch yoga-māyā genannt. Sie wird von Kṛṣṇa direkt kontrolliert. Wenn sich das Lebewesen statt von mahā- māyā von yoga-māyā leiten läßt, wird es allmählich, und ohne irgendeine materielle Ursache, zu einem Geweihten Śrī Kṛṣṇas. Wenn es jedoch nur nach materiellem Genuß und materiellen Gütern begehrt, vertraut es sich der materiellen Energie, mahā-māyā, oder den Halbgöttern an. Aus dem Śrīmad-Bhāgavatam erfahren wir, daß die gopīs zur spirituellen Energie yoga-māyā beteten, weil sie sich Kṛṣṇa als ihren Gemahl wünschten, und in der sapta-sati wird beschrieben, wie König Suratha und ein Kaufmann namens Sarnadi mahā-māyā verehrten, um materiellen Reichtum zu gewinnen. An diesen Beispielen wird der große Unterschied zwischen yoga-māyā und mahā-māyā deutlich.

Weil Sich der Höchste Herr auf der Absoluten Ebene befindet, besteht zwischen Seinem Namen und Ihm Selbst kein Unterschied. Er hat unzählige Namen wie Paramātma (die Überseele), Brahman (das Höchste Absolute), Śriṣṭikarta (der Schöpfer), Nārāyaṇa (der transzendentale Herr), Rukmiṇī-ramaṇa (der Ehemann Rukmiṇīs), Gopīnātha (der Geliebte der gopīs) und Kṛṣṇa (der Alles-Anziehende). All diese Namen bezeichnen verschiedene Aspekte des Höchsten Gottes. So unterscheidet Sich der Herr z.B. in Seinem Aspekt als Schöpfer alles Existierenden von Seinem Nārāyaṇa-Aspekt.

Solange man den Höchsten Persönlichen Gott nur als den Schöpfer sieht, kann man nicht Sein wirkliches Wesen erkennen, denn die materielle Schöpfung ist nur eine Manifestation Seiner äußeren Energie. Und wenn man den Höchsten Herrn nur als unpersönliches Brahman sieht, kann man nicht die sechs Füllen des Höchsten verstehen. Deshalb bildet auch die Erkenntnis des Brahman-Aspekts keine vollständige Erkenntnis. Die Erkenntnis der Überseele befindet sich ebenfalls noch nicht auf der höchsten Stufe des spirituellen Wissens, denn das alldurchdringende Wesen des Höchsten ist nur ein Teil Seiner gesamten Qualitäten. Die höchste transzendentale Erkenntnis ist die Verwirklichung Kṛṣṇas, denn Kṛṣṇa ist der Ursprung aller anderen Gottesaspekte. Nicht einmal ein Geweihter Nārāyaṇas in Vaikuṇṭha kann das transzendentale Wesen der Beziehungen zu Kṛṣṇa in Goloka Vṛndāvana verstehen. Und die Geweihten Śrī Kṛṣṇas haben auch gar kein Verlangen, Nārāyaṇa zu dienen, denn der Dienst für Kṛṣṇa ist so anziehend, daß sie sich zu keiner anderen Form des Herrn hingezogen fühlen und Ihn auch nicht bei anderen Namen nennen. Die gopīs in Vṛndāvana z. B. würden Kṛṣṇa niemals »Rukmiṇī-ramaṇa« nennen, denn sie denken nicht gern daran, daß Kṛṣṇa auch der Gemahl Rukmiṇīs ist. Vielmehr wird Kṛṣṇa in Vṛndāvana mit »Rādhā-Kṛṣṇa« angesprochen, was soviel bedeutet, wie »Kṛṣṇa, das Eigentum Rādhārāṇīs«. Obwohl im Grunde zwischen dem Gemahl Rukmiṇīs und Rādhās Kṛṣṇa kein Unterschied besteht, sind sie im spirituellen Sinne nicht auf der gleichen Ebene, und die verschiedenen Namen bezeichnen verschiedene Aspekte der gleichen transzendentalen Persönlichkeit. Differenziert man nicht zwischen Rukmiṇī-ramaṇa und Rādhā-ramaṇa und den anderen Namen und Aspekten des Höchsten, so macht man sich einer Inkorrektheit schuldig, die technisch »rasa-bhāsa« genannt wird. Die erfahrenen Gottgeweihten lehnen eine solche Vermischung der verschiedenen Aspekte und Namen des Höchsten Persönlichen Gottes ab, denn es widerspricht den Erkenntnissen des reinen hingebungsvollen Dienens, die unterschiedlichen Empfindungen in den transzendentalen Beziehungen außer acht zu lassen. Auch sollte man sich, wenn man von Kṛṣṇas verschiedenen Aspekten und Namen hört, vor dem Irrtum hüten, es handle sich hierbei um mehrere Götter.

Obgleich Śrī Kṛṣṇa, der Höchste Persönliche Gott, bereits in anderen Aspekten von einzigartiger Vortrefflichkeit und Schönheit ist, ist Er doch als Gopī-jana-vallabha (als Geliebter der gopīs) für die Gottgeweihten am anziehendsten. Die Gottgeweihten, die eine innige Liebesbeziehung zu Ihm haben, können sich bei keinem anderen Aspekt des Herrn mehr an Seiner Schönheit erfreuen als bei dieser Form. Im Śrīmad-Bhāgavatam wird im 33. Kapitel des Zehnten Canto gesagt: »Obwohl Kṛṣṇa als der Sohn Devakīs von einzigartiger Lieblichkeit ist, scheint Er doch in der Gemeinschaft der gopīs noch schöner zu sein, so daß Er in ihrer Mitte einem funkelnden Juwel gleicht, der in eine goldene Halskette gefaßt ist.«

Śrī Caitanya stimmte den Erklärungen Rāmānanda Rāyas zu, daß die innige Liebesbeziehung zum Höchsten Herrn die höchste Stufe der Selbstverwirklichung darstelle, doch bat Er ihn gleichzeitig, trotzdem noch weiterzugehen. Ein wenig erstaunt, denn es war das erste Mal, daß er gebeten wurde, eine Erklärung über Kṛṣṇa abzugeben, die über dessen Beziehung zu den gopīs hinausging, sagte Rāmānanda Rāya schließlich: »Zweifellos haben alle Mädchen von Vraja ein sehr inniges Verhältnis zu Kṛṣṇa, doch die liebevolle Beziehung Rādhārāṇīs zu Kṛṣṇa ist die höchste und vollkommenste Stufe der Gottesliebe.« Ein gewöhnlicher Mensch kann weder die Ekstase der Liebe zwischen Rādhā und Kṛṣṇa noch das Wesen der transzendentalen Beziehung zwischen Kṛṣṇa und den gopīs verstehen. Doch wer aufrichtig versucht, dem Beispiel der gopīs zu folgen, kann selbst auf die Stufe ihrer Liebe zu Kṛṣṇa gelangen. Jeder, der die höchste Stufe der Vollkommenheit erreichen will, sollte daher als Diener der gopīs von ihnen lernen.

Śrī Caitanya entfaltete manchmal die Gemütsverfassung Rādhārāṇīs, als diese von Kṛṣṇa aus Dvārakā fortgeschickt wurde; doch einem gewöhnlichen Sterblichen ist es nicht möglich, solche transzendentale Liebe zu empfinden, und er sollte auch nicht versuchen, diese hohe Stufe der Liebe zu Gott nachzuahmen. Wenn jedoch jemand den aufrichtigen Wunsch verspürt, an dieser Liebe teilzuhaben, sollte er dem Beispiel der gopīs folgen.

Im Padma Purāṇa wird gesagt, daß Kṛṣṇa Rādhārāṇī sehr liebt, und daß deshalb auch der Rādhā-kuṇḍa, der Badeplatz Rādhārāṇīs, Kṛṣṇa sehr lieb ist. Rādhārāṇī ist die einzige gopī, die Kṛṣṇa mehr liebt als alle anderen. Im Śrīmad-Bhāgavatam wird im 30. Kapitel des Zehnten Cantos festgestellt, daß Rādhārāṇī und die gopīs dem Herrn in völliger Liebe vollkommen dienen, und daß Kṛṣṇa so sehr an ihnen hängt, daß Er niemals von ihnen fortgehen oder die Gesellschaft Rādhārāṇīs verlassen möchte.

Als Śrī Caitanya von der Liebe zwischen Rādhā und Kṛṣṇa hörte, bat Er Rāmānanda Rāya, noch mehr darüber zu berichten. Er sagte zu Rāmānanda: »Es bereitet Mir große Freude, von dir über die Liebe zwischen Kṛṣṇa und den gopīs zu hören, denn deine Worte sind wie reiner Nektar.« Und zur Bestätigung der einzigartigen Stellung Rādhārāṇīs sagte Śrī Caitanya: »Als Kṛṣṇa einmal mit den gopīs tanzte, bedauerte Er, daß Er Rādhārāṇī in Gegenwart all der anderen gopīs keine besondere Aufmerksamkeit schenken konnte, und so führte er Sie aus der Mitte der Tanzenden fort.«

Rāmānanda Rāya sagte daraufhin: »Ja, laß uns nun über die transzendentalen Liebesspiele von Rādhā und Kṛṣṇa meditieren, die mit nichts in der materiellen Welt vergleichbar sind: Einmal verließ Śrīmatī Rādhārāṇī ganz plötzlich den rāsa-Tanz, da Sie ärgerlich geworden war, weil Kṛṣṇa Ihr nicht Seine besondere Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Als Kṛṣṇa Ihre Abwesenheit bemerkte, wurde Er sehr traurig, denn der rāsa-Tanz hatte für Ihn ohne Rādhārāṇī keine Bedeutung; deshalb machte Er Sich sogleich auf die Suche nach Ihr. Verzweifelt lief Er am Ufer der Yamunā entlang und durchstreifte dann, als Er sie dort nicht finden konnte, das Walddickicht von Vṛndāvana, während Er klagend Ihren Namen rief.« Rāmānanda Rāya sagte, daß man den erhabensten Nektar der Liebesbeziehung zwischen Rādhā und Kṛṣṇa kosten könne, wenn man über diese beiden Verse des Śrīmad-Bhāgavatam spreche.

Obwohl es viele andere wunderschöne gopīs gab, mit denen Kṛṣṇa tanzen konnte, bevorzugte Er dennoch Rādhārāṇī. Kṛṣṇa tanzte im rāsa-Tanz zwar mit jeder einzelnen gopī, aber Er war ganz besonders für Rādhārāṇī da. Rādhārāṇī jedoch war nicht immer so recht mit Kṛṣṇas Verhalten zufrieden; der Grund hierfür wird in der Ujjala-nilmoni angegeben: »Liebesangelegenheiten gleichen den Bewegungen einer Schlange, denn unter den jungen Liebenden gibt es zwei Gemütsstimmungen: grundlose und begründete.« Als Rādhārāṇī also, aus Verärgerung darüber, daß Sie nicht besonders beachtet wurde, den Tanzplatz verließ, tat es Kṛṣṇa sehr leid, denn der rāsa-Tanz war nur durch die Anwesenheit Rādhārāṇīs vollkommen. Kṛṣṇa fand, daß die Atmosphäre des Tanzes durch Rādhās Fortgehen gestört sei, und verließ deshalb ebenfalls den Tanzplatz, um Sie zu suchen. Nachdem Kṛṣṇa an vielen Stellen erfolglos gesucht hatte, wurde Er sehr bekümmert. Daran erkennen wir, daß der Herr Seine Freuden-Energie nicht allein inmitten der gopīs genießen konnte, sondern nur zusammen mit Rādhārāṇī.

Als Rāmānanda Rāya die transzendentale Liebe zwischen Rādhārāṇī und Kṛṣṇa beschrieb, bekannte Śrī Caitanya: »Alle Meine Fragen stellte Ich dir im Grunde nur, weil ich durch deine Erklärungen die transzendentale Liebesbeziehung zwischen Rādhā und Kṛṣṇa verstehen wollte, und deine ausführlichen Beschreibungen haben Mir tatsächlich große Freude bereitet. Du hast Mir zuletzt begreiflich gemacht, daß die höchste Stufe transzendentaler Liebe die Beziehung zwischen Rādhā und Kṛṣṇa ist, doch möchte Ich dich nun noch bitten, Mir die transzendentalen Merkmale Rādhārāṇīs und Kṛṣṇas zu erklären. Beschreibe Mir bitte auch den Austausch Ihrer Gefühle und das Wesen Ihrer Liebe. Ich wäre dir wirklich dankbar, wenn du Mir all diese spirituellen Geheimnisse mitteilen würdest, denn Ich weiß, daß außer Dir niemand über solche vertrauten Themen sprechen kann.«

Rāmānanda Rāya entgegnete mit aller Demut: »Im Grunde weiß ich nichts über diese Dinge, doch versuche ich Dir, so gut es geht, zu sagen, was Du hören möchtest. Ich weiß, daß Du Kṛṣṇa Selbst bist, doch seltsamerweise scheinst Du es zu genießen, aus meinem Mund von Kṛṣṇa zu hören. Ich kann Dich also nur bitten, meine fehlerhaften Erklärungen zu entschuldigen, und Dir versichern, daß ich mein Bestes versuche, das zu sagen, was Du mir eingibst.«

Śrī Caitanya erwiderte jedoch sogleich: »Ich bin nur ein gewöhnlicher Māyāvādī-sannyāsī, der nicht das geringste von den transzendentalen Aspekten des hingebungsvollen Dienens weiß. Durch die Gnade Sārvabhauma Bhaṭṭācāryas ist Mein Geist ein wenig geläutert worden, so daß Ich nun versuche, das Wesen des hingebungsvollen Dienens für Kṛṣṇa zu verstehen. Sārvabhauma empfahl Mir, dich aufzusuchen, um von dir über Kṛṣṇa zu hören. Er sagte Mir, du seist der Einzige, der wirklich etwas über die Liebe zu Kṛṣṇa wisse. So bin Ich also nun zu dir gekommen, und bitte dich, nicht zu zögern, Mir alle Geheimnisse über Rādhā und Kṛṣṇa zu offenbaren.«

Der Herr nahm also, um durch Sein Beispiel zu lehren, gegenüber Rāmānanda Rāya eine untergeordnete Position ein. Śrī Caitanyas Verhalten ist von größter Wichtigkeit, denn jeder, der ernsthaft darum bemüht ist, das transzendentale Wesen Kṛṣṇas zu verstehen, sollte sich in ergebener Haltung an einen Menschen wenden, der Kṛṣṇa-bewußt ist. Man sollte nicht auf Herkunft, Reichtum, Erziehung oder Schönheit stolz sein oder gar versuchen, mit solchen materiellen Qualitäten einen fortgeschrittenen Gottgeweihten für sich einzunehmen. Wer zu einem fortgeschrittenen Gottgeweihten mit der Absicht geht, ihn zu beeindrucken, macht sich von der transzendentalen Wissenschaft des Kṛṣṇa- Bewußtseins völlig falsche Vorstellungen. Man sollte sich einem Kṛṣṇa-bewußten Menschen in Demut nähern und ihm ernsthafte Fragen stellen, ihn aber niemals herausfordern. Wenn man nämlich zu einem erleuchteten Gottgeweihten geht, um ihn herauszufordern, kann man nichts von ihm lernen. Ein provozierender und hochnäsiger Mensch wird aus der Gesellschaft eines Kṛṣṇa-bewußten Menschen keinerlei Nutzen ziehen können und deshalb weiter der materialistischen Lebensauffassung verhaftet bleiben. Obwohl Śrī Caitanya in einer brāhmaṇa-Familie geboren war und Sich auf der höchsten Stufe des sannyāsa befand, zeigte Er durch Sein Beispiel, das selbst die höchstgestellte Persönlichkeit nicht zögern sollte, sich von einem Gottgeweihten wie Rāmānanda Rāya unterweisen zu lassen, obgleich dieser vom sozialen Standpunkt aus gesehen nur ein kṣatriya und Haushälter war.

Śrī Caitanya machte somit deutlich, daß sich ein ernsthafter Schüler nicht darum kümmert, ob sein geistiger Meister aus einer angesehenen brāhmaṇa-Familie oder einer kṣatriya-Familie stammt. Es ist ihm gleichgültig, ob er ein großer sannyāsī oder nur ein brahmacārī ist oder sich auf irgendeiner anderen Lebensstufe befindet. Jeder, der es versteht, die Wissenschaft von Kṛṣṇa zu lehren, ist guru.

31. KAPITEL

Caitanya

Die höchste Vollkommenheit

Jeder, der mit der Wissenschaft von Kṛṣṇa vertraut ist, kann ein echter geistiger Meister und Lehrer dieser erhabenen Wissenschaft werden, ganz gleich, wo er geboren wurde, und in welcher Position er sich befindet. Mit anderen Worten: Ob ein Mensch geistiger Meister werden kann, hängt nur davon ab, inwieweit er mit der Wissenschaft von Kṛṣṇa, dem Kṛṣṇa-Bewußtsein, vertraut ist. - Eine besondere Stellung innerhalb der Gesellschaft oder eine hohe Abstammung sind nicht ausschlaggebend. Diese Lehre Śrī Caitanyas steht in völliger Übereinstimmung mit den vedischen Anweisungen, und so ist es zu verstehen, daß z. B. Śrī Rasikānanda, ein großer ācārya, Śrī Śyāmānanda, der nicht in einer brāhmaṇa-Familie geboren war, als geistigen Meister annahm, und daß sogar ein Jäger mit Namen Dharma der geistige Meister von vielen Schülern wurde. Im Mahābhārata und im Śrīmad-Bhāgavatam (Siebter Canto, 11. Kapitel) stehen eindeutige Anweisungen, die besagen, daß man einen Menschen nicht nach Seiner Herkunft als brāhmaṇa, kṣatriya, vaiṣya oder ṣūdra einstufen sollte, sondern nach seiner Qualifikation. Und sollte er andere Eigenschaften aufweisen, als man aufgrund seiner Geburt von ihm erwartet, so muß er tatsächlich nach diesen Eigenschaften beurteilt werden. Wer z. B. in einer Familie von brāhmaṇas geboren wurde, doch die Eigenschaften eines ṣūdra zeigt, muß auch als ṣūdra betrachtet werden. Auf der anderen Seite muß natürlich auch ein Mensch, der in einer ṣūdra-Familie geboren wurde, doch die Merkmale eines brāhmaṇa aufweist, als brāhmaṇa eingestuft werden. Alle Unterweisungen der ṣāstras, die Aussagen der großen Weisen und Autoritäten und ihr praktisches Beispiel bestätigen, daß ein echter geistiger Meister nicht unbedingt aus einer brāhmaṇa-Familie zu stammen braucht. Die einzige Qualifikation, die er aufweisen muß, besteht, wie gesagt, darin, daß er die Wissenschaft von Kṛṣṇa kennt. Erfüllt er diese Voraussetzung, ist er als geistiger Meister anzuerkennen. So lautet die Schlußfolgerung, zu der Śrī Caitanya Mahāprabhu in Seinen Gesprächen mit Rāmānanda Rāya gelangte.

Im Hari-bhakti-vilāsa heißt es in diesem Zusammenhang: »Wenn man zwischen einem autorisierten geistigen Meister aus einer Familie von brāhmaṇas und einem aus einer Familie von ṣūdras die Wahl hat, sollte man sich für den geistigen Meister aus der brāhmaṇa-Familie entscheiden.« Doch diese Aussage ist lediglich ein Zugeständnis zur Einteilung der Gesellschaft - im spirituellen Sinne hat sie keine Gültigkeit. Der Vers richtet sich daher nur an diejenigen, die der sozialen Ordnung mehr Bedeutung beimessen als der spirituellen, und nicht an jene, die ernsthaft bemüht sind, Fortschritte im spirituellen Leben zu machen. Für diese lehrte Śrī Caitanya Mahāprabhu, daß jeder, der mit der Wissenschaft von Kṛṣṇa vertraut ist, ungeachtet seiner sozialen Stellung als geistiger Meister anerkannt werden muß.

Im Padma-Purāṇa gibt es viele Textstellen, die Śrī Caitanya recht geben; eine lautet z. B.: »Ein erleuchteter, im spirituellen Leben fortgeschrittener Geweihter des Herrn ist in jedem Fall als erstklassiger Transzendentalist zu betrachten und muß daher als geistiger Meister anerkannt werden. Wer jedoch kein Geweihter des Herrn ist, kann niemals, auch wenn er eine noch so angesehene Persönlichkeit ist oder aus einer brāhmaṇa-Familie stammt, geistiger Meister werden. Der Sohn eines brāhmaṇa mag vielleicht alle in den vedischen Schriften vorgeschriebenen Rituale kennen, doch solange er kein reiner Gottgeweihter ist, kann er auch kein geistiger Meister sein. In allen ṣāstras wird als wesentliche Qualifikation eines geistigen Meisters angegeben, daß er die Wissenschaft von Kṛṣṇa verstanden haben muß. Śrī Caitanya bat Rāmānanda Rāya also, ihn weiter mit der Wissenschaft vom Höchsten Herrn zu erleuchten und nicht zu zögern, über die transzendentalen Geschichten von Rādhā und Kṛṣṇa zu sprechen, nur weil Er ein sannyāsī auf der Lebensstufe der Entsagung sei. Rāmānanda Rāya entgegnete darauf in aller Demut: »Da Du mich bittest, Dir von den transzendentalen Spielen des Göttlichen Paares zu berichten, will ich Deinen Wunsch nach bestem Vermögen erfüllen, denn ich sage, was immer Du von mir zu hören begehrst. Ich bin wie eine Marionette in Deinen Händen, und Du bist wie der Puppenspieler. Mein einziger Wunsch ist es, nach Deinem Willen zu sprechen, und meine Zunge soll ein Saiteninstrument sein, auf dem Du spielst.« Rāmānanda Rāya gab somit nur die Worte wieder, die Śrī Caitanya von ihm erwartete.

Er begann also, von Kṛṣṇa, dem Höchsten Persönlichen Gott, als der Quelle aller Inkarnationen und der Ursache aller Ursachen zu sprechen. Es existieren in der materiellen Welt unzählige Universen, und in der transzendentalen Welt gibt es unzählige Vaikuṇṭha-Planeten, auf denen die zahllosen Inkarnationen und Erweiterungen des Herrn residieren. All diese gewaltigen Manifestationen haben ihren Ursprung in Kṛṣṇa, dessen transzendentaler Körper ewig, allglückselig und allwissend ist. Er ist bei den Gottgeweihten als der Sohn Nanda Mahārājas bekannt und lebt auf dem höchsten Planeten im spirituellen Himmel, Goloka Vṛndāvana. Außerdem birgt Er alle sechs Füllen in Sich - nämlich allen Reichtum, alle Kraft, alle Schönheit, allen Ruhm, alles Wissen und alle Entsagung.

In der Brahma-saṁhitā wird im 1. Vers des Fünften Kapitels bestätigt, daß Kṛṣṇa, der Höchste Herr, die Ursache aller Ursachen ist, und daß Seine transzendentale Gestalt sac-cid-ānanda ist - ewiges Sein, ewiges Wissen und ewige Glückseligkeit. Kṛṣṇa hat keinen Ursprung; vielmehr ist Er der Ursprung alles Existierenden. Er ist die höchste Ursache aller Ursachen; Er hält Sich immer in Vṛndāvana auf und ist so anziehend wie ein Liebesgott. Weiter wird in der Brahma-saṁhitā eine ausführliche Beschreibung von Vṛndāvana gegeben: »Das transzendentale Land von Vṛndāvana ist ewig und spirituell, und dort leben unzählige Glücksgöttinnen als gopīs, die alle zu Kṛṣṇa, ihrem einzigen Geliebten, eine vertraute Liebesbeziehung haben. In jenem spirituellen Land wachsen Bäume, kalpa-vṛkṣas genannt, die jeden Wunsch erfüllen können. Das Land selbst besteht aus dem Stein der Weisen, das Wasser ist Nektar, jedes Wort ist Gesang und jeder Schritt ein Tanz, und überall kann man den wunderschönen Klang von Kṛṣṇas Flöte vernehmen. Alles, was dort existiert, strahlt aus sich selbst heraus - ähnlich wie die Sonne in der materiellen Welt.

Die menschliche Form des Lebens ist einzig als Voraussetzung bestimmt, dieses transzendentale Land von Vṛndāvana kennenzulernen, und deshalb wird sich der Glückliche Wissen über das Reich von Vṛndāvana und seine Bewohner aneignen.

In diesem Reich übergießen die surabhi-Kühe das Land mit ihrer Milch, und da die Bewohner nicht einmal einen Augenblick verschwenden, gibt es dort weder Vergangenheit noch Gegenwart, noch Zukunft.

In Indien existiert eine Erweiterung von Vṛndāvana, dem Höchsten Reich Śrī Kṛṣṇas, und fortgeschrittene Gottgeweihte verehren dieses Land von Vṛndāvana wie das Vṛndāvana in der spirituellen Welt, da sie wissen, daß im Grunde kein Unterschied zwischen den beiden besteht. Niemand kann Vṛndāvana jedoch richtig würdigen, ohne mit dem spirituellen Wissen des Kṛṣṇa-Bewußtseins erleuchtet zu sein. Vṛndāvana sieht, mit gewöhnlichen Augen betrachtet, genau so aus wie jeder andere Landstrich, doch in den Augen der fortgeschrittenen Gottgeweihten ist es dem ursprünglichen Vṛndāvana gleich, Śrīla Narottama dāsa Ṭhākura, ein großer Heiliger und ācārya, schrieb einmal in einem Lied: »Wann werde ich endlich von allen unreinen Gedanken frei sein und Vṛndāvana sehen, wie es wirklich ist? Und wann werde ich die Schriften verstehen, die die Gosvāmīs schrieben, so daß ich die transzendentalen Spiele von Rādhā und Kṛṣṇa begreifen kann?«

Die Liebesbeziehungen zwischen Kṛṣṇa und den gopīs sind natürlich völlig transzendental. Sie mögen zwar in den Augen eines materialistischen Menschen wie gewöhnliche Liebesbeziehungen erscheinen, doch in Wirklichkeit liegen Abgründe zwischen den transzendentalen Empfindungen in Vṛndāvana und den Lustgefühlen in der materiellen Welt. Die Lust in der materiellen Welt wird für kurze Zeit erweckt und verschwindet dann wieder nach ihrer sogenannten Befriedigung; doch in der spirituellen Welt ist die Liebe zwischen Kṛṣṇa und den gopīs ewig und steigert sich mit jedem Augenblick. Das ist der wesentliche Unterschied zwischen der Liebe in der transzendentalen Welt und der sogenannten Liebe, der Lust, in der materiellen Welt. Die Lust, die aus dem Körper entsteht, ist vergänglich wie der Körper selbst; doch die Liebe in der spirituellen Welt befindet sich auf der spirituellen Ebene, und weil die spirituelle Seele ewig ist, ist auch die spirituelle Liebe ewig. Aus diesem Grund wird Kṛṣṇa auch »der ewig jugendliche Liebesgott« genannt.

Śrī Kṛṣṇa wird durch das Chanten des kāma-gāyatrī-mantras verehrt, der die letzte Zeile des Gāyatrī-mantras bildet. In den vedischen Schriften wird folgende Erläuterung zum Gāyatrī-mantra gegeben: »Unter dem Gāyatrī-mantra versteht man die Klangschwingung, die einen von intellektueller Spekulation befreien kann.« Der kāma-gāyatrī-mantra besteht aus vierundzwanzigeinhalb Silben und hat folgenden Wortlaut: »Klīṁ kāmadevāya vidmahe puṣpabānāya dhīmahi tan no 'nangaḥ pracodayāt.« Wenn ein Schüler im Chanten des HareKṛṣṇa-mantras fortgeschritten ist, wird er von seinem geistigen Meister in das Chanten des Gāyatrī-mantras eingeweiht. Mit anderen Worten: Sowie der geistige Meister sieht, daß einer seiner Schüler Fortschritte im spirituellen Wissen gemacht hat, gibt er ihm den Gāyatrī-mantra und unterzieht ihn der saṁskāra-Zeremonie (der Umwandlung in einen vollkommenen brāhmaṇa). Doch im Grunde genügt schon das Chanten des Hare Kṛṣṇa-mantras völlig, einen Menschen zur spirituellen Ebene zu erheben.

In der Brahma-saṁhitā wird eine sehr vertrauliche Information über Kṛṣṇas Flöte gegeben: »Als Kṛṣṇa auf Seiner Flöte zu spielen begann, drangen diese Klänge als der vedische mantra »oṁ« in das Ohr Brahmās. Dieses oṁ besteht aus den drei Lauten A, U und M, die unsere Beziehung zum Höchsten Herrn ausdrücken. Das oṁ bezieht sich auf die Vorgänge, mit deren Hilfe wir die höchste Vollkommenheit der Gottesliebe erreichen und unsere ursprüngliche liebevolle Beziehung zu Kṛṣṇa auf der spirituellen Ebene wiederaufnehmen können. Als Brahmā die Klänge von Kṛṣṇas Flöte hörte, faßte er sie sogleich in Worte, und so entstand der Gāyatrī-mantra. Brahmā, das höchste und erste Lebewesen in der materiellen Welt, wurde somit durch die Töne aus Kṛṣṇas Flöte als Erster zum brāhmaṇa geweiht. Diese Aussage der Brahma-saṁhitā wird auch von Śrīla Jīva Gosvāmī bestätigt: »Nachdem der Höchste Herr durch Sein Flötenspiel Brahmā den Gāyatrī-mantra offenbart hatte, war dieser mit dem gesamten vedischen Wissen erleuchtet. Er war Kṛṣṇa sehr dankbar für diese Segnung, durch die er zum ursprünglichen geistigen Meister aller Lebewesen im Universum wurde.« In der Brahma-saṁhitā wird weiter erklärt, daß das Wort »klīṁ«, welches zum Gāyatrī-mantra hinzugefügt wird, den Samen des kāmagāyatrī-mantras, d. h. den transzendentalen Samen der Liebe zu Gott bildet. Das Objekt dieser Liebe ist Kṛṣṇa, der ewig jugendliche Liebesgott, der durch das Chanten des mantras »klīṁ« verehrt wird. In der Gopal-tapaṇi Upaniṣad wird in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß man, wenn von Kṛṣṇa als Liebesgott die Rede ist, nicht den Fehler machen sollte, Ihn mit einem Liebesgott der materiellen Welt zu verwechseln. Wie wir bereits erklärt haben, weilt Kṛṣṇa ewiglich in Seinem spirituellen Reich Vṛndāvana, und daher hat auch das Wort »Liebesgott« eine spirituelle Bedeutung. Man sollte also nicht fälschlich denken, der materielle Liebesgott und Kṛṣṇa seien identisch. Unter weltlicher Liebe, die durch den weltlichen Liebesgott Amor verkörpert wird, versteht man die Zuneigung zu einem materiellen Körper, der aus Fleisch, Blut, Kot usw. besteht, doch die spirituelle Liebe ist die Zuneigung zwischen der Überseele und der individuellen Seele.

Lust und Sexualität gibt es auch im spirituellen Leben, doch weil die spirituelle Seele im bedingten Zustand in einen materiellen Körper eingeschlossen ist, wird dieser ehemals spirituelle Trieb durch die Materie in verzerrter, pervertierter Form zum Ausdruck gebracht. Wer mit der Wissenschaft des Kṛṣṇa-Bewußtseins vertraut ist, versteht, daß die Neigung zu Sexualität auf der materiellen Ebene zu verabscheuen ist, wohingegen die spirituelle Sexualität durchaus wünschenswert ist.

Es gibt zwei Arten von spiritueller Sexualität: Die erste entspricht dem wesenseigenen Zustand des Selbst, und die zweite richtet sich nach dem Objekt der Zuneigung. Wenn man das materielle Leben durchschaut hat, aber noch nicht völlig frei ist von der materiellen Verunreinigung, kann man noch nicht im transzendentalen Reich von Vṛndāvana leben, obwohl man schon ein gewisses Verständnis vom spirituellen Leben haben mag. Erst wenn man von jeglichem körperlichen Drang nach Sexualität frei wird, weilt man tatsächlich im höchsten Reich von Vṛndāvana, und erst dann kann man den kāma-gāyatrī-mantra richtig chanten.

Rāmānanda Rāya erklärte als nächstes, daß Kṛṣṇa sowohl für Männer als auch für Frauen, sowohl für die sich bewegenden als auch für die sich nicht bewegenden Geschöpfe - kurz, für alle Lebewesen - anziehend ist. Aus diesem Grund wird Er »der transzendentale Liebesgott« genannt. Um diese Aussage zu belegen, zitierte Rāmānanda Rāya einen Vers aus dem 32. Kapitel des Zehnten Cantos, in dem es heißt, daß der Herr einem Liebesgott glich, als Er vor den Mädchen von Vraja erschien und lächelnd auf Seiner Flöte spielte.

Die verschiedenen Gottgeweihten haben unterschiedliche Beziehungen zum Höchsten Herrn. Jede dieser Beziehungen zum Herrn ist jedoch so gut wie jede andere, denn immer ist Kṛṣṇa das Zentrum der Liebe. Im Bhakti-rasāmṛta-sindhu gibt es hierzu einen wunderschönen Vers, der wie folgt lautet: »Kṛṣṇa ist der Quell aller Freude, und Seine spirituelle Ausstrahlung übt eine starke Anziehungskraft auf die gopīs aus, besonders auf Tarakā, Śyāmā, Palī und Lalitā. Am meisten aber liebt Ihn Rādhārāṇī, die führende gopī.« Wenn die Gottgeweihten über die transzendentalen Spiele Kṛṣṇas sprechen, preisen sie nicht nur Kṛṣṇa allein, sondern auch die gopīs. Denn jeder, der sich zu Kṛṣṇa hingezogen fühlt und mit Ihm in einer der transzendentalen Beziehungen Gefühle der Liebe austauscht, ist verehrenswert. Kṛṣṇa ist so schön, so transzendental und so anziehend, daß Er Sich manchmal sogar zu Sich Selbst hingezogen fühlt. In der Gītā-govinda findet man hierzu einen sehr schönen Vers: »Meine liebe Freundin, sieh nur wie Kṛṣṇa zu dieser Frühlingszeit Seine transzendentalen Spiele genießt, indem Er die unvergleichliche Schönheit Seines Körpers noch mehr vergrößert! Gleich dem sanften Mond liebkost Er mit Seinen köstlichen Händen die Körper der gopīs und umarmt sie auf verschiedenste Weise. Kṛṣṇa ist so bezaubernd, daß Sich nicht nur Nārāyaṇa, sondern auch Lakṣmī, die Glücksgöttin, die immer an der Seite des Herrn von Vaikuṇṭha weilt, zu Ihm hingezogen fühlt.«

Im Śrīmad-Bhāgavatam gibt es in diesem Zusammenhang einen treffenden Vers, in dem Mahā-Viṣṇu zu Kṛṣṇa und Arjuna sagt: »Lieber Kṛṣṇa und lieber Arjuna, nur um Euch zu sehen, habe ich die Söhne des brāhmaṇa entführt.«

Die Vorgeschichte hierzu ist folgende: Arjuna hatte geschworen, die Söhne eines brāhmaṇa aus Dvārakā zurückzubringen, die gleich nach ihrer Geburt auf mysteriöse Weise verschwunden waren. Als jedoch alle Bemühungen erfolglos blieben, hatte Kṛṣṇa schließlich Mitleid mit Seinem Freund und begab Sich persönlich mit ihm zu Mahā-Viṣṇu, der ihnen auch tatsächlich sofort die Söhne des brāhmaṇa übergab, die gesund und munter waren. Als Mahā-Viṣṇu die gestohlenen Kinder auslieferte, sagte Er zu den Beiden: »Ihr seid in dieser Welt erschienen, um die religiösen Prinzipien zu erhalten und die Dämonen zu vernichten. - Weil Ich das wußte, habe Ich diese List angewandt.« Selbst Mahā-Viṣṇu fühlte Sich also zu Kṛṣṇa hingezogen, denn Er hatte die Söhne des brāhmaṇa nur entführt, um auch einmal die Gelegenheit zu erhalten, Kṛṣṇa zu sehen. Im 16. Kapitel des Zehnten Cantos findet man ebenfalls einen sehr schönen Vers, der hier angeführt werden kann: »Nachdem die dämonische Schlange Kāliya von Kṛṣṇa besiegt worden war, sagten Kāliyas Frauen zu Kṛṣṇa: »Lieber Herr, wir können uns schwerlich vorstellen, warum diese zutiefst gefallene Schlange die Gunst erhielt, von Deinen Lotosfüßen getreten zu werden, denn selbst die Glücksgöttin mußte jahrelang strenge Bußen auf sich nehmen, um sie berühren zu dürfen.«

In der Lalita-mādhava wird im 20. Vers des Achten Kapitels beschrieben, wie Sich Kṛṣṇa zu Seiner eigenen Schönheit hingezogen fühlte. Als Kṛṣṇa einmal ein Bild von Sich sah, seufzte Er: »Wie unbeschreiblich schön dieser Jüngling ist! Ich fühle Mich genau so stark zu ihm hingezogen wie Rādhika.« Kṛṣṇa war also ebenso sehr wie Rādhārāṇī von Seinem Bild angezogen.

So schilderte Rāmānanda Rāya zusammenfassend Kṛṣṇas unvergleichliche Schönheit. Als nächstes sprach er über Kṛṣṇas spirituelle Energie, deren erhabenste Manifestation Rādhārāṇī ist. Kṛṣṇa verfügt über unzählige Energien, von denen drei am wichtigsten sind: 1) die innere Energie, 2) die äußere Energie und 3) die mittlere Energie, die Lebewesen. Dies wird auch im 6. Kapitel des Viṣṇu Purāṇa bestätigt, wo es heißt: Viṣṇus Energie ist spirituell und manifestiert sich in drei Hauptformen. Wenn sie von Unwissenheit überdeckt wird, bezeichnet man sie als »materielle Energie«. Da Kṛṣṇas Körper aus Ewigkeit, Glückseligkeit und Wissen besteht, ist auch Seine spirituelle Energie in drei Formen manifestiert. Sein Glückseligkeits-Aspekt manifestiert die freudengebende Kraft, Sein Ewigkeits-Aspekt die alles-erhaltende Energie und Sein Wissens-Aspekt die spirituelle Vollkommenheit. Im 12. Kapitel des Viṣṇu Purāṇa wird gesagt: »Die Freuden-Energie Kṛṣṇas bereitet dem Höchsten Herrn transzendentale Glückseligkeit.« Wenn Sich Kṛṣṇa daher erfreuen will, entfaltet Er Seine als hlādinī- ṣakti bekannte spirituelle Energie.

Kṛṣṇa genießt in Seiner spirituellen Gestalt Seine spirituelle Energie. - Dieses Prinzip bildet die Grundlage für die transzendentalen Spiele von Rādhā und Kṛṣṇa. Ihr göttlicher Liebesaustausch kann jedoch nur von erleuchteten Gottgeweihten verstanden werden, und deshalb sollte man nicht den Fehler begehen, die Spiele von Rādhā und Kṛṣṇa und ihre Liebesbeziehung mit gewöhnlichen Maßstäben zu messen, denn das würde leicht dazu führen, daß man sie für materiell und weltlich hält.

Wenn sich die Freuden-Energie konzentriert, wird sie »mahā-bhāva« genannt. Diese mahā-bhāva personifiziert sich in Śrīmatī Rādhārāṇī, der ewigen Gefährtin Śrī Kṛṣṇas. Ihre Persönlichkeit wird von Śrīla Rūpa Gosvāmī in seinem Buch Ujjala-nilmoni näher beschrieben. Dort heißt es im 2. Vers des Zweiten Kapitels: »Candrāvalī und Rādhārāṇī wetteifern um Kṛṣṇas Liebe; doch Rādhārāṇī ist eindeutig die bessere von beiden; Sie ist die mahā-bhāva svarūpa.« Hier wird gesagt, daß Śrīmatī Rādhārāṇī im Unterschied zu allen anderen gopīs die mahā-bhāva svarūpa, d. h. die Verkörperung der mahā-bhāva ist, welche völlig von der Freuden-Energie durchdrungen ist. Da Rādhārāṇī die Verkörperung der höchsten Liebe zu Kṛṣṇa ist, verehrt man Rādhārāṇī überall als die vertrauteste Geliebte Kṛṣṇas, und Ihr Name wird immer zusammen mit dem Namen Kṛṣṇas genannt - »Rādhā-Kṛṣṇa«.

In der Brahma-saṁhitā wird dies ebenfalls bestätigt; es heißt dort nämlich: »Kṛṣṇa erweitert Sich in der spirituellen Welt durch Seine Freuden-Energie, und weil Er absolut ist, sind Seine Energien nicht verschieden von Ihm. Obwohl Er ständig persönlich die Gemeinschaft mit den Erweiterungen Seiner Freuden-Energie genießt, ist Er zur gleichen Zeit alldurchdringend.« Daher bringt Brahmā Ihm, Govinda, der Ursache aller Ursachen, seine respektvollen Ehrerbietungen dar.

So wie Kṛṣṇa der Inbegriff der höchsten spirituellen Vollkommenheit ist, so ist Rādhārāṇī der Inbegriff der höchsten spirituellen Freuden-Energie, deren Bestimmung darin liegt, Kṛṣṇa zu erfreuen. Und da Kṛṣṇa unbegrenzt ist, ist auch Rādhārāṇī unbegrenzt, und auch die Freude, die Sie Ihm schenkt. Wenn Kṛṣṇa Rādhārāṇī sieht, freut Er Sich in höchstem Maße, und sowie Rādhārāṇī Kṛṣṇas Freude bemerkt, verschönert Sie Sich noch mehr, so daß Kṛṣṇa noch stärker von Ihr angezogen wird. Weil Kṛṣṇa außerstande war, Rādhārāṇīs Freuden-Energie zu ermessen, nahm Er Ihre Rolle an, um Sie ein wenig zu begreifen. Diese Verbindung von Rādhā und Kṛṣṇa ist Śrī Caitanya Mahāprabhu.

»Aus diesem Grund«, so sagte Rāmānanda Rāya, »ist Rādhārāṇī der höchste Inbegriff der Freuden-Energie Kṛṣṇas.« Sie erweitert Sich in verschiedene Formen wie Lalitā, Viṣākhā und anderer vertrauter Gefährtinnen. Śrīla Rūpa Gosvāmī beschreibt in der Ujjala-nilmoni auch die transzendentalen Merkmale von Śrīmatī Rādhārāṇī, die wie folgt lauten: Rādhārāṇīs Körper ist eine Entfaltung transzendentaler Freude. Er ist mit Blumen geschmückt, von Wohlgeruch umgeben und völlig von Liebe zu Kṛṣṇa durchdrungen. Dieser transzendentale Körper nimmt dreimal Geburt: Zuerst im Wasser der Barmherzigkeit, dann im Wasser der Schönheit und schließlich im Wasser der jugendlichen Ausstrahlung. Nach dieser dreifachen Geburt wird er in strahlende Gewänder gekleidet, mit Kṛṣṇas persönlicher Schönheit als Kosmetikum geschmückt, und nachdem Rādhārāṇīs Schönheit somit die höchste Vollendung erreicht hat, verschönert Sie Sich immer noch durch die Ornamente der spirituellen Ekstase wie Zittern, Weinen, Bewegungslosigkeit aus transzendentaler Freude, Stillstand aller Körperfunktionen, Schweißausbruch, Brechen der Stimme, rasender Herzschlag, Verrücktheit und Taumel.

Weiterhin treten bei Ihr zuweilen auch neun Symptome der »verschönernden Freuden-Energie« auf. Fünf dieser Symptome werden durch Ihre überaus schöne Gestalt hervorgerufen, die mit Blumengirlanden bekränzt ist. Ihre geduldige Ruhe wird mit einem Kleid aus Tüchern verglichen, die mit Kampfer gereinigt wurden; der Knoten in Ihrem Haar weist auf Ihre heftige Sehnsucht nach Kṛṣṇa hin, und das tilaka-Zeichen auf Ihrer Stirn bedeutet transzendentales Glück. Rādhārāṇī hört ununterbrochen Kṛṣṇas Namen und Kṛṣṇas Ruhm. So wie die Lippen rötlich gefärbt sind, wenn man Betelnüsse gekaut hat, so sind die Augenlider Rādhārāṇīs aufgrund ihrer starken Zuneigung für Kṛṣṇa schwarz getönt, als habe die Natur sich mit Rādhā und Kṛṣṇa einen freundlichen Scherz erlaubt. Ihr Lächeln erinnert an den Geschmack von Kampfer, und wenn Sie Sich in dem Raum der lieblichen Düfte auf dem Bett des Stolzes niederläßt, bewegt sich die Blumengirlande der Sehnsucht aus Trennung von Kṛṣṇa auf Ihrem Körper hin und her. Ihre Brust ist dabei mit der Bluse des Ärgers bedeckt, der von Ihrer ekstatischen Zuneigung zu Kṛṣṇa hervorgerufen wird. Rādhārāṇī besitzt ein besonderes Saiteninstrument, als Zeichen, daß Sie die beste aller Freundinnen Kṛṣṇas ist. Wenn Sie mit Ihm zusammen ist, liebt Sie es, Ihre Hand auf Seine anmutige Schulter zu legen. Obwohl Sie so viele transzendentale Eigenschaften besitzt, ist Sie ständig darum bemüht, Kṛṣṇa zu dienen.

Śrīmatī Rādhārāṇīs Schönheit erhöht sich außerdem durch suddipta-sattvika-Empfindungen, die sich manchmal in Form von Klagen und ein anderes Mal in Form von Beschwichtigung zeigen. Suddipta-sattvikaGefühle sind Emotionen, die den Liebenden überwältigen, ohne daß er ihnen Einhalt gebieten kann. All diese Formen transzendentaler Ekstase sind Symptome Ihres Körpers. Rādhārāṇī erfährt auch zuweilen eine Emotion, die kilakiñcita genannt wird. Diese kilakiñcita-Emotion äußert sich auf zwanzig verschiedene Arten und tritt zum Teil im Körper, teils im Geist und teils in der Handlungsweise auf. Die körperlichen Emotionen äußern sich in Rādhārāṇīs Haltung und in Ihren Bewegungen; die Emotionen Ihres Geistes kommen in der Entfaltung Ihrer Schönheit, in Ihrer Ausstrahlung, in Ihrer Hautfärbung, in Ihren Gefühlsäußerungen, in Ihren Worten, in Ihrer Großherzigkeit und in Ihrer Geduld zum Ausdruck. Unter gewohnheitsmäßigen Emotionen versteht man Spiele, Genuß, Vorbereitung und Vergessen.

Śrīmatī Rādhārāṇīs Stirn ist mit dem glückverheißenden tilaka geschmückt, und sie trägt ein Medaillon aus premvaicittya um den Hals. Premvaicittya nennt man das Symptom, das bei Liebenden auftritt, wenn sie sich treffen, doch zur gleichen Zeit befürchten, wieder voneinander getrennt zu werden.

Śrīmatī Rādhārāṇī, die fünfzehn Tage jünger ist als Kṛṣṇa, spricht und meditiert ständig über Ihre Spiele mit Kṛṣṇa. Mit Ihren süßen Worten bietet Sie Kṛṣṇa ständig eine Art von Berauschung an, und stets ist Sie bereit, Ihm jeglichen Wunsch zu erfüllen. Mit anderen Worten: Sie ist die Erfüllerin aller Verlangen des Herrn, und somit besitzt Sie übernatürliche und ganz und gar ungewöhnliche Eigenschaften. In der Govinda-lilāmṛta findet man hierzu einem sehr schönen Vers:

Wer erweckt Kṛṣṇas Zuneigung? Die Antwort lautet: Śrīmatī Rādhika. Und wer ist Kṛṣṇa am liebsten? Die Antwort lautet: Es ist ganz allein Śrīmatī Rādhārāṇī. Strahlendes Haar, tränengefüllte Augen und Festigkeit der Brust - dies sind persönliche Merkmale Śrīmatī Rādhikas. Sie besitzt alle guten Qualitäten, und daher kann nur Sie, und niemand sonst, alle Wünsche Kṛṣṇas erfüllen.

Sottabhama, eine der vortrefflichsten gopīs, wetteifert zwar mit Śrīmatī Rādhārāṇī um Kṛṣṇas Gunst, doch auch sie sehnt sich danach, es Rādhārāṇī gleichzutun. Śrīmatī Rādhārāṇī ist in allem, was sie tut, so kunstfertig, daß alle Mädchen von Vraja zu Ihr kommen, um von Ihr zu lernen. Sie ist so bezaubernd schön, daß sich selbst Lakṣmī, die Glücksgöttin, und Pārvatī, die Frau Śivas, wünschen, wie Sie zu werden. Selbst Arundhutī, die als die keuscheste Frau im Universum gilt, möchte von Rādhārāṇī lernen, was wirkliche Keuschheit ist. Die Vortrefflichkeit Ihrer zahllosen transzendentalen Eigenschaften ist so einzigartig, daß sie nicht einmal von Śrī Kṛṣṇa ermessen werden können, geschweige denn von einem gewöhnlichen Lebewesen.

Nachdem Śrī Kṛṣṇa Caitanya von Rāmānanda Rāya über Śrīmatī Rādhārāṇīs und Kṛṣṇas transzendentale Eigenschaften gehört hatte, wollte Er auch etwas über den Liebesaustausch zwischen Rādhā und Kṛṣṇa erfahren. Kṛṣṇa wurde von Rāmānanda Rāya als Dhīra-lalita beschrieben, da Er Sich stets mit Rādhārāṇī an transzendentalen Liebesspielen erfreut. Unter Dhīra-lalita versteht man jemanden, der jugendlich, immer zu zwanglosen Scherzen aufgelegt und schlau ist und sich stets bemüht, seine Freundin zu erfreuen. Kṛṣṇa vergnügt Sich ständig mit Rādhārāṇī in den Hainen von Vṛndāvana in lustvollen Liebeständeleien und genießt vollkommen Seine Neigung zur spirituellen Sexualität.

Im Bhakti-rasāmṛta-sindhu heißt es in einem sehr schönen Vers über die Liebesspiele von Rādhā und Kṛṣṇa: »Kṛṣṇa sprach so unverblümt und offen über sexuellen Freuden, daß Śrīmatī Rādhika nicht anders konnte, als schamhaft Ihre Augen schließen. Sogleich nahm Er die Gelegenheit wahr und malte schnell einige Bilder auf Ihre Brüste, die den Freundinnen Rādhārāṇīs später manchen Anlaß zu Scherzen gaben. Kṛṣṇa ging stets solchen lustvollen Vergnügungen nach und erfreute Sich so Seiner frühen Jugend.«

Nachdem Śrī Caitanya diese Beschreibungen vernommen hatte, sagte Er: »Mein lieber Rāmānanda, alles, was du über die transzendentalen Spiele von Rādhā und Kṛṣṇa erklärt hast, trifft völlig zu, doch es muß noch etwas geben, das du noch nicht erwähnt hast. Bitte verschweige es Mir nicht!«

Rāmānanda Rāya erwiderte Ihm darauf: »Es fällt mir offen gesagt sehr schwer, etwas zu sagen, was über all diese Themen hinausgeht, doch mir ist noch eine weitere Empfindung bekannt, die »prema-vilāsa« genannt wird. Ich will versuchen, Dir diese premā-vilāsa zu beschreiben, doch bin ich mir nicht sicher, ob Du mit meinen Erklärungen einverstanden sein wirst: Bei der premā-vilāsa-Erfahrung gibt es zwei emotionale Ereignisse, nämlich Trennung und Zusammentreffen. Das transzendentale Trennungsgefühl ist so heftig, daß diese Emotion noch ekstatischer ist als das Gefühl beim Zusammentreffen.« Wie diese Beschreibung deutlich zeigt, hatte Rāmānanda Rāya tatsächlich ein sehr hohes Verständnis von den überaus vertraulichen Beziehungen zwischen Rādhā und Kṛṣṇa, und so hatte er ein wunderbares Gedicht verfaßt, das er dem Herrn nun vortrug:

»Bevor Sich die beiden Liebenden treffen, rufen Sie durch den Austausch Ihrer transzendentalen Liebesäußerungen eine Gemütsbewegung hervor, die »rāga« (Anziehung) genannt wird. Hierzu sagte Rādhārāṇī einmal: »Die Anziehung und Zuneigung zwischen Uns hat nun ihren Höhepunkt erreicht und kann nicht mehr größer werden. Ganz gleich, wer oder was die Ursache ist - diese Zuneigung hat Uns eins werden lassen. Nun da die Zeit der Trennung gekommen ist, kann Ich Mich nicht mehr daran erinnern, wie diese Liebe zwischen Dir und Mir entstanden ist. Es gab keinen besonderen Anlaß für diese Zuneigung. - Die einzige Ursache war Unser Zusammentreffen und Unsere Blicke, mit denen Wir Uns Unsere Gefühle füreinander mitteilten.« Dieser Austausch von Gefühlen zwischen Rādhārāṇī und Kṛṣṇa ist sehr schwer zu verstehen, solange man nicht die Ebene der absoluten spirituellen Reinheit erreicht hat. Selbst diejenigen, die sich auf der Ebene der materiellen Reinheit befinden, können diesen Austausch nicht begreifen. Man muß also auch die materielle Reinheit transzendieren, um diese spirituelle Liebe verstehen zu können, denn der Gefühlsaustausch zwischen Rādhā und Kṛṣṇa kann mit nichts in der materiellen Welt verglichen werden. Selbst die größten weltlichen Philosophen sind außerstande, in die Geheimnisse dieser transzendentalen Liebe einzudringen. Handlungen und Gefühle in der materiellen Welt werden entweder vom grobstofflichen Körper oder vom feinstofflichen Geist genossen, doch der liebevolle Austausch zwischen Rādhā und Kṛṣṇa befindet sich jenseits des materiellen Sinnengenusses und der intellektuellen Spekulation. Diese ganz und gar transzendentale Angelegenheit kann man ausschließlich mit gereinigten Sinnen verstehen, d. h. wenn man von allen materiellen Illusionen frei geworden ist. Die Anhänger der Unpersönlichkeitslehre, die nichts von spirituellen Sinnen wissen, können nur innerhalb der Grenzen ihrer materiellen Sinne denken und sind daher völlig außerstande, den spirituellen Austausch zwischen Rādhā und Kṛṣṇa oder überhaupt spirituell-sinnliches Tun zu begreifen. Menschen, die sich lediglich mit experimentellem Wissen befassen, kennen nichts anderes, als ihre stumpfen materiellen Sinne zu befriedigen - sei es durch grobe körperliche Tätigkeiten oder durch intellektuelle Spekulationen. Alles, was von Körper und Geist geschaffen wird, ist unvollkommen und vergänglich. Spirituelle Handlungen dagegen sind vollkommen und ewig freudvoll. Die reine Liebe auf der transzendentalen Ebene bildet die Vollkommenheit der Reinheit, denn sie ist völlig frei von aller materieller Lust und daher ganz und gar spirituell. Die Zuneigung zu materiellen Dingen ist vergänglich und leidbringend, und deshalb ist die unreine Sexualität in der materiellen Welt Illusion, doch in der spirituellen Welt gibt es solche Unzulänglichkeit nicht. Leid in der materiellen Welt bedeutet, bei dem Versuch, die Sinne zu befriedigen, enttäuscht zu werden, aber dieses Leid kann keinesfalls mit dem spirituellen Trennungsschmerz verglichen werden. Eine Trennung in der transzendentalen Welt hat, im Gegensatz zu einer Trennung in der materiellen Welt, nichts mit Unzulänglichkeit oder Enttäuschung zu tun.«

Als Rāmānanda geendet hatte, bestätigte Śrī Caitanya, daß die spirituellen Trennungsgefühle die höchste Ebene des liebevollen Austausches bilden und sagte dann: »Nur durch deine Gnade konnte Ich von dieser höchsten Stufe der transzendentalen Liebe erfahren, doch Ich weiß auch, daß man sich nicht auf diese Ebene erheben kann, ohne spirituelle Vorgänge zu praktizieren. Sei also bitte so gütig und erkläre Mir, was Ich tun muß, um auf diese transzendentale Stufe zu gelangen.«

Rāmānanda Rāya antwortete: »Es wird mir kaum möglich sein, Dich diese Dinge zu lehren, da Du schon alles weißt, doch werde ich versuchen, das zu sagen, was Du von mir hören willst. Denn letztlich geschieht alles nach Deinem Willen, gegen den sich niemand stellen kann. Es scheint zwar so, als spräche ich zu Dir, doch in Wirklichkeit bist Du es, der aus Mir spricht, und somit bist Du sowohl der Sprecher als auch der Zuhörer. Doch nun will ich ganz nach Deinem Willen über die Bemühungen reden, die man unternehmen muß, um die höchste Ebene der Transzendenz zu erreichen.« Rāmānanda Rāya erklärte also: »Die transzendentalen Liebesangelegenheiten zwischen Rādhā und Kṛṣṇa sind sehr vertraulich. Sie können nicht einmal von den Gottgeweihten verstanden werden, die eine dienende, eine freundschaftliche oder eine elterliche Beziehung zum Höchsten Herrn haben. Dieses vertrauliche Thema kann man nur auf der Ebene der gopīs verstehen, denn die Liebesspiele von Rādhā und Kṛṣṇa entstehen aus ihren Empfindungen und Emotionen. Ohne die Gemeinschaft der Mädchen von Vraja kann daher niemand den transzendentalen Austausch zwischen Rādhā und Kṛṣṇa verstehen. Mit anderen Worten: Die vertraulichen Spiele von Rādhā und Kṛṣṇa sind durch die Gnade der gopīs möglich geworden, und daher können diese Spiele auch nur durch die Gnade der gopīs verstanden werden. Es ist also unbedingt notwendig, ihrem Beispiel zu folgen. Erst wenn man dies verwirklicht, kann man in das Geheimnis der vertraulichen Spiele von Rādhā und Kṛṣṇa eindringen; eine andere Möglichkeit gibt es nicht. In der Govinda-lilāmṛta wird dies wie folgt bestätigt: »Obwohl der glückselige Austausch von Liebesgefühlen zwischen Rādhā und Kṛṣṇa unendlich und unbegrenzt ist, kann er nur von den Mädchen in Vraja und ihren Nachfolgern verstanden werden.« So wie niemand die unzähligen spirituellen Energien des Herrn ohne dessen gütige Hilfe ergründen kann, so kann auch niemand die transzendentalen Liebesbeziehungen zwischen Rādhā und Kṛṣṇa ohne die Gnade der Mädchen von Vraja begreifen. Die Gefährtinnen Rādhārāṇīs werden nach ṣaktis (persönliche Freundinnen) und mañjāris (nahestehende Dienerinnen) unterschieden. Es ist sehr schwierig, das Verhalten der gopīs gegenüber Kṛṣṇa zu erklären, denn sie haben nicht den Wunsch, mit Ihm persönlich zusammenzusein oder Ihn zu genießen, sondern sind immer bemüht, Rādhārāṇī dabei zu helfen, Kṛṣṇa zu erfreuen. Ihre Zuneigung für Kṛṣṇa und Rādhārāṇī ist so rein, daß sie die größte transzendentale Freude und Zufriedenheit erfahren, wenn sie Rādhā und Kṛṣṇa zusammen sehen. In der Govinda-lilāmṛta gibt es in diesem Zusammenhang einige herrliche Verse, in denen es heißt: »Rādhārāṇī gleicht einer Schlingpflanze, die den Baum Kṛṣṇa mit ihren Armen umfängt: Die Mädchen von Vraja, die Gefährtinnen Rādhārāṇīs, sind wie ihre Blätter und Blüten, und wenn die Pflanze den Baum umarmt, nehmen natürlich auch die Blätter und Blüten an der Umarmung teil.« Wenn Rādhārāṇī und Kṛṣṇa also miteinander genießen, erfahren die Mädchen von Vraja dabei mehr Freude als Rādhārāṇī Selbst. Und Rādhārāṇī wiederum mag Ihre Freundinnen so gern, daß sie besondere Treffen zwischen ihnen und Kṛṣṇa arrangiert, obwohl die gopīs dies niemals erwarten. Rādhārāṇī versucht dann mit allen erdenklichen transzendentalen Kunstgriffen, Ihre Freundinnen mit Kṛṣṇa zusammenzubringen, und gelingt Ihr dies, so freut Sie Sich mehr darüber, als wenn Sie Selbst mit dem Herrn zusammenkäme. Und wenn Kṛṣṇa Seinerseits sieht, daß Rādhārāṇī und Ihre Gefährtinnen Seine Gesellschaft so sehr lieben, nimmt Seine Zufriedenheit mehr und mehr zu. Dieser Austausch von Liebesbezeigungen hat nicht das geringste mit materieller Lust zu tun, doch weil diese reine, spirituelle Liebe gewisse Ähnlichkeiten mit der Beziehung zwischen Mann und Frau in der materiellen Welt aufweist, wird sie von den Gottgeweihten manchmal auch »transzendentale Lust« genannt.

Im Gautamiya-tantra werden die Treffen Rādhārāṇīs mit Kṛṣṇa und ihre Beziehung zu Ihm folgendermaßen erklärt: »Lust bedeutet, die eigenen Sinne befriedigen zu wollen, doch Rādhārāṇī und die gopīs hegen nicht das geringste Verlangen nach persönlicher Befriedigung. Ihr einziger Wunsch ist es, Kṛṣṇa zu erfreuen.« Im Śrīmad-Bhāgavatam wird im 31. Kapitel des Zehnten Cantos das gleiche bestätigt, wo die gopīs sagen: »O lieber Kṛṣṇa, nun wanderst du mit Deinen bloßen Lotosfüßen, mit denen Du manchmal unsere Brüste berührtest, durch den Wald. Wenn wir Deine Füße auf unseren Brüsten fühlten, dachten wir oft, sie seien viel zu hart für Deine zarten Fußsohlen, doch nun streifst Du im Wald umher und wirst dabei gewiß über viele Steine und Dornen laufen müssen. Wir sind wirklich sehr besorgt um Dich, und wenn wir daran denken, daß Dir die spitzen Steine Schmerzen bereiten, leiden wir große Qualen, denn Du bist unser Leben und unsere Seele.« Diese Gefühle der Mädchen von Vraja zeugen von der höchsten Ebene des Kṛṣṇa-Bewußtseins, und jeder, der sich aufrichtig Kṛṣṇa-Bewußtsein wünscht, kann die gleiche Stufe erreichen wie die gopīs.

Durch die ständige und gewissenhafte Ausübung des hingebungsvollen Dienens kann man die gleiche bedingungslose Hingabe erreichen wie die gopīs. Die Zuneigung der gopīs wird rāgānuga genannt, was »bedingungslose Liebe zu Kṛṣṇa« bedeutet, und jemand, der diese Stufe erreicht hat, ist nicht mehr an die vedischen Regeln und Vorschriften gebunden.

Die Gottgeweihten in der transzendentalen Welt haben unterschiedliche persönliche Beziehungen zum Herrn: Raktaka und Bhadraka z. B. sind ebenso wie Śrīdāmā und Subala enge Freunde von Kṛṣṇa, und andere wie Nanda Mahārāja und Mutter Yaṣodā sind Seine Eltern. Wer in das höchste Reich Kṛṣṇas zurückkehren will, sollte sich einen dieser transzendentalen Diener zum Vorbild nehmen und sich so mit Entschlossenheit im hingebungsvollen Dienen beschäftigen. Auf diese Weise wird er ohne Zweifel das höchste Ziel, nämlich transzendentale Liebe zu Kṛṣṇa, erreichen. Mit anderen Worten: Jeder Gottgeweihte, der dem Beispiel eines dieser ewigen Diener folgt, kann, nachdem er so die Vollkommenheit erlangt hat, die gleiche Position wie sein Vorbild einnehmen.

Die Weisen von Daṇḍakāraṇya z. B., die in den Upaniṣaden, im Bhāgavatam und in der ṣruti erwähnt werden, strebten danach, die gleiche Stufe wie die gopīs zu erreichen und folgten daher ihrem Beispiel. Im Śrīmad-Bhāgavatam wird dies im 86. Kapitel des Zehnten Cantos bestätigt: Viele Weise praktizieren prāṇāyāma, d. h., sie versetzen sich in Trance, indem sie Atmung, Sinne und Gedanken durch mystischen yoga unter Kontrolle bringen, und versuchen auf diese Weise, in das Brahman einzugehen oder mit dem Höchsten eins zu werden. Doch die unbelehrbaren Atheisten, die die Existenz Gottes bekämpfen, können auch ohne diese Anstrengungen das gleiche Ziel erreichen, denn wenn sie von einer Inkarnation des Höchsten Persönlichen Gottes getötet werden, gehen auch sie in das Brahman ein oder werden eins mit der Energie des Höchsten Herrn. Die Mädchen von Vṛndāvana jedoch verehren Śrī Kṛṣṇa mit Liebe und Hingabe, da sie von Ihm wie von einer Schlange gebissen wurden. Kṛṣṇa wird mit einer Schlange verglichen, weil Seine Gestalt dreifach geschwungen ist, und Sein liebevoller Biß, der die gopīs mit transzendentaler Hingabe zu Ihm erfüllte, gilt als die größte Segnung. Liebe zu Kṛṣṇa bildet die höchste Stufe der Vollkommenheit, und daher befinden sich die gopīs in einer viel besseren Lage, als die mystischen yogīs und die Māyāvādīs, die in das unpersönliche Brahman, die leuchtende Ausstrahlung Kṛṣṇas, eingehen wollen. Aus diesem Grund folgten die Weisen von Daṇḍakāraṇya dem Beispiel der Mädchen von Vraja. Um auf ihre Stufe zu gelangen ist es nämlich unbedingt notwendig, seine Handlungsweise nach den Prinzipien auszurichten, die die gopīs durch ihr Verhalten festlegten. Im Śrīmad-Bhāgavatam heißt es dazu im 9. Kapitel des Zehnten Cantos: »Śrī Kṛṣṇa, der Sohn Yaṣodās, kann nicht von Menschen erreicht werden, die ihren eigenen Spekulationen nachhängen. Die Gottgeweihten jedoch, die Ihm hingegeben und mit Liebe dienen, können mit Leichtigkeit zu Ihm gelangen.« Leider gibt es in Indien einige Sekten von Pseudo-Gottgeweihten, die von sich behaupten, Nachfolger Śrī Caitanya Mahāprabhus zu sein, und die sich wie die gopīs kleiden. Solche Maskeraden, die niedrigen Motiven entspringen, werden von wirklichen Gottgeweihten niemals gebilligt, denn das Verkleiden des äußeren, materiellen Körpers ist ein Zeichen von Verblendung, die ihre Ursache in der falschen Vorstellung hat, der Körper sei mit dem Selbst (der Seele) identisch. Die besagten Pseudo-Gottgeweihten glauben, die spirituellen Körper von Kṛṣṇa, Rādhārāṇī und den gopīs seien von materieller Natur, doch das ist ein Irrtum. - Alles in der transzendentalen Welt ist sac-cid-ānanda, ewig, voller Erkenntnis und voller Glückseligkeit. Folglich sind auch die Körper der gopīs, ihre Gewänder, ihr Schmuck und ihr Tun ganz und gar spirituell, d. h., sie haben nichts mit der materiellen Welt zu tun. Die Mädchen von Vṛndāvana sind auch nicht zur Freude gewöhnlicher Sterblicher bestimmt; vielmehr ist es ihre Bestimmung, die Zuneigung des Höchsten, Alles-Anziehenden auf sich zu lenken. »Kṛṣṇa« bedeutet »der Alles-Anziehende«, aber die Mädchen von Vraja sind sogar für Kṛṣṇa anziehend, und daher können sie natürlich nicht zur materiellen Welt gehören.

Wer aber die falsche Auffassung vertritt, der materielle Körper sei ebenso vollkommen wie der spirituelle Körper, und ihn als transzendental verehrt, indem er die gopīs nachahmt, bekennt sich damit indirekt zur Māyāvāda-Philosophie. Die Anhänger der Unpersönlichkeitslehre empfehlen einen Verehrungsvorgang, der allgemein als »ahaṁ grahapasana« bekannt ist; dabei wird der eigene Körper als das Höchste verehrt. Mit dieser Absicht verkleiden sich die Māyāvādīs manchmal auch als gopīs. Solche Pseudo-Transzendentalisten können jedoch nicht als Gottgeweihte angesehen werden.

Śrīla Jīva Gosvāmī, der als direkter Schüler Śrī Caitanya Mahāprabhus der authentischste ācārya der Gauḍīya-sampradāya ist, hat solches Nachahmen zu Recht aufs Schärfste verurteilt, denn wenn man eine echte transzendentale Verwirklichung erfahren will, muß man zwar dem Beispiel der Gefährten des Herrn folgen, doch darf man nicht versuchen, sie zu imitieren. Die autorisierten Prinzipien der Vaiṣṇavas empfehlen also, daß man sich einen bestimmten Gottgeweihten zum Vorbild nimmt und ihm nachfolgt, doch zugleich warnen sie auch eindringlich davor, sich selbst für einen dieser vertrauten Gefährten Śrī Kṛṣṇas zu halten.

Śrī Rāmānanda Rāya riet daher, die Geisteshaltung der Mädchen von Vraja anzunehmen. Im Caitanya-caritāmṛta wird ebenfalls unmißverständlich gesagt, daß man zwar die Empfindungen der gopīs entwickeln soll, daß es aber keinen Sinn hat, ihr Äußeres zu imitieren. Es ist völlig unsinnig, nur seine Kleider zu wechseln; man sollte vielmehr ständig über die Spiele von Rādhā und Kṛṣṇa in der transzendentalen Welt meditieren, d. h. vierundzwanzig Stunden am Tag an das Göttliche Paar denken, und Ihnen nach bestem Vermögen dienen. Diese Haltung entspricht der eines Gottgeweihten, der sich ständig bemüht, dem Beispiel der Gefährtinnen Rādhārāṇīs zu folgen. Tut er dies mit Vertrauen und Entschlossenheit, kann er letzten Endes die Vollkommenheit erreichen und nach Goloka Vṛndāvana, dem transzendentalen Reich Śrī Kṛṣṇas, gelangen. Diese Haltung, dem Beispiel der gopīs zu folgen, wird als siddha-deha bezeichnet. Siddha-deha bezieht sich auf den reinen spirituellen Körper, der sich jenseits der Sinne, des Geistes und der Intelligenz befindet, d. h. die reine Seele. Der spirituelle Körper ist eigens dazu bestimmt, dem Herrn zu dienen. Niemand kann Kṛṣṇa als Gefährte dienen, ohne Seine spirituelle, reine Identität wiedergewonnen zu haben. Diese ist völlig frei von allen materiellen Verunreinigungen. In der Bhagavad-gītā wird festgestellt, daß die bedingte Seele nur durch Ihr materiell-verunreinigtes Bewußtsein gezwungen ist, von Körper zu Körper zu wandern. Wenn sie zur Zeit des Todes an etwas Materielles denkt, wird sie in einen dementsprechenden materiellen Körper gesetzt, doch wenn sie ihre reine spirituelle Identität wiedererlangt hat und beim Tod an die spirituellen, liebevollen Dienste denkt, die sie während ihres Lebens dem Höchsten Herrn dargebracht hat, wird sie in die spirituelle Welt erhoben, um sich dort Kṛṣṇas Gefährten anzuschließen. Mit anderen Worten: Um in das transzendentale Reich gelangen zu können, muß man ständig über Kṛṣṇa und Seine Gefährten meditieren. Doch niemand kann nur noch über Kṛṣṇa und Seine Geweihten im spirituellen Reich meditieren, d. h. stets in Gedanken in sie versunken sein, ohne sich seiner reinen spirituellen Identität bewußt zu sein. Daher sagte Rāmānanda Rāya, daß jemand, der seine siddha-deha noch nicht wiedergewonnen habe, auch kein Gefährte der gopīs werden oder dem Höchsten Persönlichen Gott Kṛṣṇa und Seiner ewigen Gespielin Rādhārāṇī direkt dienen könne. Um diese Aussage zu belegen, zitierte er folgenden Vers aus dem Śrīmad-Bhāgavatam, der im 47. Kapitel des Zehnten Cantos steht: »Weder die Glücksgöttin Lakṣmī, noch die Feen des himmlischen Königreiches sind so gesegnet wie die Mädchen von Vrajabhūmi, ganz zu schweigen also von anderen.«

Śrī Caitanya freute Sich sehr, als Er diese Worte von Rāmānanda Rāya hörte, und umarmte ihn. Dann begannen beide aus transzendentaler Erkenntnis vor Ekstase zu weinen, und die ganze Nacht hindurch sprachen sie noch über die transzendentalen Spiele von Rādhārāṇī und Kṛṣṇa. Am Morgen trennten sie sich schließlich, und Rāmānanda Rāya kehrte zu seiner Residenz zurück, während der Herr an den Fluß hinunterging und Sein Bad nahm.

Bei ihrem Abschied fiel Rāmānanda Rāya Śrī Caitanya zu Füßen und betete: »Mein lieber Herr, Du bist zu mir gekommen, um mich aus dem Sumpf der Unwissenheit zu befreien, und so möchte ich Dich bitten, wenigstens noch zehn Tage hier zu verweilen und meinen Geist von aller materiellen Unreinheit zu befreien, denn außer Dir gibt es niemanden, der transzendentale Liebe zu Gott verschenkt.« Der Herr entgegnete: »Ich bin in Wirklichkeit nur deshalb hierher gekommen, weil ich Mich durch deine Schilderungen der transzendentalen Spiele von Rādhā und Kṛṣṇa läutern lassen wollte. Ich schätze Mich überaus glücklich, dich getroffen zu haben, denn du bist der Einzige, der Einblick in solche vertraulichen Themen gewähren kann. Ich kenne niemanden außer dir, der den vertrauten Liebesaustausch zwischen Rādhā und Kṛṣṇa verstanden hat. Du bittest Mich, zehn Tage lang hierzubleiben, doch Ich möchte am liebsten den Rest Meines Lebens mit dir verbringen. Bitte komm daher nach Jagannātha Purī, so daß wir bis an das Ende Meines Lebens zusammenbleiben können und Ich die Gelegenheit habe, in Meinen letzten Tagen ein Verständnis von Rādhā und Kṛṣṇa zu entwickeln.«

32. KAPITEL

Caitanya

Schlußfolgerung

Rāmānanda Rāya suchte den Herrn am Abend des nächsten Tages erneut auf, um weiter mit Ihm über die transzendentale Beziehung zwischen Rādhā und Kṛṣṇa zu sprechen. Im Verlauf des Gesprächs fragte ihn Śrī Caitanya: »Was ist die höchste Form der Erziehung?« Rāmānanda antwortete: »Die Wissenschaft von Kṛṣṇa ist die höchste und beste Erziehung.« Materielle Erziehung bedeutet zu lernen, wie man seine Sinne am besten befriedigen kann, doch durch spirituelle Erziehung lernt man die Wissenschaft von Kṛṣṇa und wie man Ihn erfreut. Im Śrīmad-Bhāgavatam (Vierter Canto, 29. Kapitel, 47. Vers) wird gesagt, daß das Tun, das den Höchsten Persönlichen Gott zufriedenstellt, die höchste Form des Tuns ist, und daß das Wissen, das einen Menschen völlig Kṛṣṇa-bewußt macht, das höchste Wissen darstellt.

Als Prahlāda Mahārāja seine Schulkameraden über den Sinn des Lebens belehrte, erklärte er ihnen, daß das höchste spirituelle Wissen darin bestehe, über den Herrn zu hören und zu chanten, sich an Ihn zu erinnern, Ihn zu verehren, zu Ihm zu beten, Ihm zu dienen, Freundschaft mit Ihm zu schließen und Ihm alles zu opfern.

Als nächstes fragte Śrī Caitanya: »Was ist der höchste Maßstab für Ruhm?« Rāmānanda Rāya antwortete, ohne zu zögern: »Wenn ein Mensch für sein Kṛṣṇa-Bewußtsein berühmt ist, ist er der berühmteste Mensch der Welt.« Mit anderen Worten: Wenn jemand völlig Kṛṣṇa-bewußt ist, kennt sein Ruhm keine Grenzen. - Der Ruhm eines Gottgeweihten ist unvergänglich.

In der materiellen Welt strebt jeder Mensch nach drei Dingen: 1) Er möchte seinen Namen verewigen 2) er möchte, daß sein Ruhm über die ganze Welt verbreitet wird, und 3) er möchte aus seinem Tun Profit schlagen. Doch niemand ist sich dessen bewußt, daß sich ein guter Name, Ruhm und materieller Reichtum nur auf den vergänglichen Körper beziehen und vergehen, wenn der Körper stirbt. Nur aufgrund von Unwissenheit jagt jeder hinter diesen Trugbildern her. Jemand, der wegen materieller Kriterien berühmt ist oder als ein philosophisch hochstehender Mensch bekannt wird, ohne etwas vom Höchsten Spirituellen Wesen, Śrī Viṣṇu, zu wissen, verdient kein Lob. Man ist erst dann wirklich berühmt, wenn man Kṛṣṇa-bewußt ist.

Im Śrīmad-Bhāgavatam werden zwölf wirklich berühmte Persönlichkeiten genannt, von denen jeder eine Autorität im hingebungsvollen Dienen ist: Brahmā, Nārada, Śiva, Kapila, Manu, Prahlāda, Janaka, Bhīṣma, Śukadeva Gosvāmī, Bali Mahārāja, Yamarāja und die vier Kumāras. Diese Persönlichkeiten sind alle große Gottgeweihte, und deshalb spricht man ewiglich von ihnen.

Im Garuḍa Purāṇa findet man folgenden Vers: »Im Zeitalter des Kali wird so selten jemand ein Gottgeweihter, daß jemand eher ein Halbgott wie Brahmā oder Śiva wird als ein Geweihter des Herrn. Wie rühmenswert ist also jemand, der sich dem Herrn hingibt!« Mahārāja Yudhiṣṭhira sagte in diesem Zusammenhang: »Wenn jemand nach vielen Geburten zu der Erkenntnis kommt, daß er der ewige Diener Vāsudevas ist, erlangt er wirklichen Ruhm und die Fähigkeit, jeden von der Illusion zu befreien.« Die Bhagavad-gītā erklärt hierzu: »Jeder, der einsieht, daß Vāsudeva alles ist, und sich Ihm hingibt, muß als weise angesehen werden. (Bg. 7.19) Im Agni-Purāṇa gibt es einen Vers mit folgender Aussage: »Die Geweihten des Höchsten Herrn erwartet Befreiung und ein transzendentales Leben.« Im Bṛhan-Naradīya Purāṇa wird gesagt: »Selbst so große Persönlichkeiten wie Brahmā und andere bekannte Halbgötter können nicht ermessen, wie wertvoll ein Geweihter des Höchsten Persönlichen Gottes ist.« Und im Garuḍa Purāṇa heißt es: »Unter vielen Tausenden von brāhmaṇas gibt es vielleicht einen, der dafür berühmt ist, sehr erfahren in der Durchführung von Opferzeremonien zu sein; unter Tausenden solcher brāhmaṇas mag einer sein, der alle anderen an Ruhm übertrifft, weil er sich sehr gut im Vedānta-sūtra auskennt; von all diesen Vedānta-Gelehrten ist ein Geweihter Śrī Viṣṇus am rühmenswertesten, und von vielen solcher Gottgeweihten kann nur derjenige, der stetig ist und sich durch nichts beirren läßt, in das Reich Gottes, d. h. in die transzendentale Welt gelangen.« Im Śrīmad-Bhāgavatam wird im 13. Kapitel des Dritten Cantos gesagt, daß es zwar viele Gelehrte gibt, die eingehend die Veden studieren, daß aber jemand, der ständig in seinem Herzen an den Höchsten Persönlichen Gott denkt, weit fortgeschrittener ist als der Beste von ihnen. In der Nārāyaṇīya heißt es, daß selbst ein Brahmā, der kein Geweihter des Herrn ist, keine Bedeutung hat, wohingegen selbst die kleinste Ameise berühmt ist, wenn sie ihr Leben Gott geweiht hat.

Śrī Caitanya stellte Rāmānanda Rāya daraufhin die nächste Frage: »Was ist das höchste Gut?« Rāmānanda Rāya erwiderte: »Wenn jemand Liebe für Rādhā und Kṛṣṇa empfindet, so kann er den wertvollsten Juwel sein eigen nennen. Wer jedoch am Genuß der materiellen Sinne oder am materiellen Besitz haftet, hat niemals Zugang zu diesem Schatz. Wer Kṛṣṇa-bewußt wird, d. h. auf die spirituelle Ebene erhoben wird, kann verstehen, daß es nichts Kostbareres gibt, als die Liebe zu Rādhā und Kṛṣṇa.« Im Śrīmad-Bhāgavatam wird beschrieben, wie Dhruva Mahārāja nach dem Höchsten Herrn suchte, um Ihn um das Königreich seines Vaters zu bitten; doch als Sich Kṛṣṇa ihm schließlich offenbarte, sagte er: »Lieber Herr, da ich Dich nun vor mir sehe, bin ich völlig zufrieden und begehre nichts mehr.« Auch in der Bhagavad-gītā wird gesagt, daß jemand, der beim Höchsten Persönlichen Gott Zuflucht sucht und die höchste Stufe der Liebe zu Gott erreicht, nichts mehr begehrt. Obwohl solche reinen Geweihten alles vom Höchsten Persönlichen Gott erhalten können, bitten sie Ihn niemals um irgendetwas.

Als Śrī Caitanya Rāmānanda Rāya nach dem leidvollsten Zustand fragte, antwortete Ihm dieser: »Keine Gemeinschaft mit reinen Gottgeweihten zu haben ist das Schmerzlichste, was es gibt.« Mit anderen Worten: Dort wo keine Gottgeweihten sind, wird das Zusammenleben mit anderen Menschen zur Hölle. Im Śrīmad-Bhāgavatam wird im 30. Kapitel des Dritten Cantos erklärt, daß jemand zu bedauern ist, der nur mit Gesellschaft, Freunden und Familie - also ohne Kṛṣṇa-Bewußtsein und ohne Gottgeweihte - glücklich zu werden versucht.

Śrī Caitanyas nächste Frage lautete: »Welche von den vielen sogenannten befreiten Seelen sind nun wirklich befreit?« Rāmānanda erwiderte, daß diejenigen, die von transzendentaler Liebe zu Rādhā und Kṛṣṇa erfüllt seien, als die Besten unter den befreiten Seelen angesehen werden müßten. Im Fünften Canto des Śrīmad-Bhāgavatam wird gesagt, daß die Gemeinschaft mit reinen Gottgeweihten noch erstrebenswerter ist als das Leben selbst, und daß man ohne die Gottgeweihten nicht einmal eine Sekunde lang glücklich sein kann. Weiterhin heißt es im 6. Kapitel des Sechsten Cantos: »Ein Geweihter Nārāyaṇas ist so selten, daß man großes Glück hat, wenn man unter Millionen und Abermillionen von Menschen einen findet.«

Caitanya Mahāprabhu fragte dann: »Es gibt viele berühmte Lieder, doch welches hältst du für das beste?« Rāmānanda Rāya antwortete: »Ein Lied, das die Spiele von Rādhā und Kṛṣṇa beschreibt, ist unvergleichlich. Für die bedingte Seele ist Sexualität das ein und alles, und so haben fast alle weltlichen Dichtungen die Liebe zwischen Mann und Frau zum Thema. Weil sich die Menschen so sehr zu solcher Literatur hingezogen fühlen, erscheint Kṛṣṇa in der materiellen Welt und offenbart Seine liebevollen transzendentalen Spiele mit den gopīs. Es gibt eine Vielzahl literarischer Werke über Seine Spiele mit den gopīs, und jeder, der sich in diese Erzählungen vertieft, kann einen Geschmack davon bekommen, was wirkliches Glück bedeutet. Im Śrīmad-Bhāgavatam wird im 33. Kapitel des Zehnten Cantos gesagt, daß der Herr Seine Spiele in Vṛndāvana offenbarte, um uns zu zeigen, wie man wirklich mit Ihm im transzendentalen Dasein zusammenlebt. Jeder intelligente Mensch, der sich bemüht, die Spiele von Rādhā und Kṛṣṇa zu verstehen, ist wirklich glücklich zu nennen, denn die Lieder und Geschichten, die von diesen Spielen berichten, sind von höchster transzendentaler Qualität.

Die nächste Frage Śrī Caitanyas lautete: »Was ist am segensreichsten in dieser Welt - was ist das glücklichste Ereignis?« Rāmānanda erklärte, daß nichts so segensreich sei, wie die Gesellschaft von reinen Gottgeweihten, und daß einem nichts Besseres widerfahren könne, als die Begegnung mit einem reinen Geweihten des Herrn.

Dann fragte der Herr: »Woran sollte man ständig denken?« Rāmānanda gab zur Antwort, daß man sich in Gedanken ständig mit Kṛṣṇas Spielen beschäftigen sollte. Es gibt unzählige solcher transzendentalen Spiele, die größtenteils in den vedischen Schriften beschrieben werden, und sich unentwegt an diese Spiele zu erinnern bedeutet die höchste Ekstase. Im Śrīmad-Bhāgavatam bestätigt Śukadeva Gosvāmī im 2. Kapitel des Zweiten Cantos, daß man stets an den Höchsten Persönlichen Gott denken soll, was bedeutet, auch ständig Seinen Namen, Seinen Ruhm und Seine Herrlichkeit zu hören und zu chanten.

Śrī Caitanya fragte weiter: »Was ist die beste Art der Meditation?« Rāmānanda antwortete: »Ständig über die Lotosfüße von Rādhā und Kṛṣṇa zu meditieren ist zweifellos die Vollkommenheit der Meditation. Das Śrīmad-Bhāgavatam bestätigt diese Aussage im 2. Kapitel des Ersten Cantos, wo es heißt: »Es ist ganz allein der Höchste Persönliche Gott, der Beschützer der Ihm Hingegebenen, dessen Narben wir ständig chanten, über den wir immer meditieren, und den wir unentwegt verehren sollen.

Śrī Caitanya fragte als nächstes: »Wo soll ein Mensch leben, der alle materiellen Freuden aufgegeben hat?« Rāmānanda Rāya antwortete: »Er soll in Vṛndāvana leben, wo Kṛṣṇa Seine transzendentalen Spiele offenbarte.«

Im Śrīmad-Bhāgavatam sagt Uddhava im 14. Kapitel des Zehnten Cantos etwas Ähnliches: »Es ist das beste, in Vṛndāvana zu leben- und wenn auch nur als Grashalm oder Käfer-, denn Kṛṣṇa verläßt Vṛndāvana niemals, und bei Ihm weilen die gopīs und verehren den Höchsten Herrn, der das endgültige Ziel allen vedischen Wissens ist.«

Śrī Caitanyas nächste Frage lautete: »Worüber soll man hören?« »Über die transzendentalen Spiele von Rādhā und Kṛṣṇa« erwiderte Rāmānanda Rāya. »Wenn man von der richtigen Quelle über diese Spiele hört, wird man mit Sicherheit befreit.« Doch manchmal geschieht es, daß einige Menschen nicht von einer selbstverwirklichten Seele hören und daher in die Irre geführt werden. Im Śrīmad-Bhāgavatam wird im 30. Kapitel des Zehnten Cantos gesagt, daß jeder, der von Kṛṣṇas Spielen mit den gopīs hört, die höchste Stufe des hingebungsvollen Dienens erreicht und von der materiellen Lust befreit wird, die in den Herzen aller bedingten Seelen brennt. Mit anderen Worten: Wenn man über die transzendentalen Spiele von Rādhā und Kṛṣṇa hört, wird man als erstes frei von materieller Lust. Bei wem dies nicht eintritt, der sollte nicht weiter von diesen vertraulichen Spielen hören. Solange wir nicht von der richtigen Quelle hören, erhalten wir mit Sicherheit eine falsche Darstellung der Spiele von Rādhā und Kṛṣṇa, so daß wir sie unweigerlich auf die Ebene gewöhnlicher Beziehungen zwischen Mann und Frau herabziehen.

Als Śrī Caitanya daraufhin fragte, was das eigentliche Ziel aller Verehrung sei, antwortete Rāmānanda Rāya sogleich: » Es ist das transzendentale Paar Śrī Śrī Rādhā und Kṛṣṇa!«

Es gibt viele Objekte, die verehrt werden, wie z. B. das brahmajyoti, das die Anhänger der Unpersönlichkeitsphilosophie anstreben. Als Ergebnis ihrer Verehrung werden sie jedoch jeglicher Aktivität beraubt und im nächsten Leben gezwungen, in den Körper eines Baumes oder eines anderen sich nicht bewegenden Lebewesens einzugehen. Diejenigen, die das »Nichts« verehren, erwartet das gleiche Schicksal. Und wer nach bhukti (materiellem Genuß) strebt und die Halbgötter verehrt, gelangt zu den höheren Planeten, wo er in einem himmlischen Körper materielle Freuden genießen kann.

Śrī Caitanya fragte dann: »Welches Schicksal erwartet die nach materiellem Glück Strebenden, und was geschieht mit denen, die von der materiellen Bedingtheit befreit werden wollen?« Rāmānanda Rāya entgegnete: »Die einen gehen zu den Planeten der Halbgötter und haben dort Teil an himmlischen Freuden; die anderen werden inaktiv wie die Bäume.« Er sagte weiter: »Die unglücklichen, in Spekulationen verlorenen Unpersönlichkeitsphilosophen, die keinen Geschmack am Kṛṣṇa-Bewußtsein oder am spirituellen Leben finden, sind wie Krähen, denen es großes Vergnügen bereitet, die bittere margosa-Frucht zu fressen, wohingegen die Gottgeweihten, die Rādhā und Kṛṣṇa über alles lieben, Kuckucken gleichen, die sich am köstlichen Samen der Mango erfreuen.« Rāmānanda Rāya gab dieses Beispiel, weil die Geweihten von Rādhā und Kṛṣṇa die glücklichsten Menschen der Welt sind. Intellektuelle Spekulationen, die mit der bitteren margosa-Frucht verglichen werden, sind völlig ungenießbar, und nur krähengleiche Philosophen beschäftigen sich mit ihnen. Mango-Samen dagegen sind sehr köstlich, und daher verglich Rāmānanda die Gottgeweihten, die Rādhā und Kṛṣṇa in transzendentaler Liebe dienen, mit Kuckucken, die sich an Mango-Samen erfreuen.

Rāmānanda Rāya und Caitanya Mahāprabhu sprachen die ganze Nacht hindurch miteinander; manchmal sprangen sie auf und begannen zu singen und zu tanzen, und dann wieder saßen sie einfach nur da und weinten in Ekstase. Als schließlich der Tag anbrach, kehrte Rāmānanda Rāya zu seinem Palast zurück. Schon am gleichen Abend jedoch suchte er den Herrn erneut auf, und nachdem sie einige Zeit über Kṛṣṇa gesprochen hatten, fiel er Śrī Caitanya zu Füßen und betete: »Lieber Herr, Du bist sehr gütig, da Du mir die Wissenschaft von Rādhā und Kṛṣṇa, Ihre liebevollen Spiele beim rāsa-Tanz und Ihre anderen transzendentalen Aktivitäten offenbart hast. - Ich hätte niemals gedacht, daß es mir einmal möglich sein würde, über diese Dinge zu sprechen. Doch in Deiner Barmherzigkeit warst Du so gütig, mich zu erleuchten, wie einst Brahmā, dem Du das vedische Wissen verkündetest.« Brahmā wurde von Kṛṣṇa durch das Herz erleuchtet, denn auf diese Weise erteilt Kṛṣṇa als die Überseele Unterweisungen. Man kann Ihn zwar nicht mit den groben materiellen Sinnen wahrnehmen, doch spricht Er, wie in der Bhagavad-gītā erklärt wird, von innen her, aus dem Herzen, mit dem Gottgeweihten. Jedem, der sich aufrichtig und mit Entschlossenheit im hingebungsvollen Dienen beschäftigt, gibt der Herr von innen her Anweisungen, und leitet ihn auf solche Weise, daß er schließlich das höchste Ziel des Lebens erreicht. Als Brahmā geboren wurde, gab es niemanden außer dem Herrn, der ihm Unterweisungen geben konnte. Die vedischen Schriften erklären daher, daß der Höchste Persönliche Gott Brahmā durch das Herz mit dem vedischen Wissen erleuchtete. Śukadeva Gosvāmī bestätigt diese Tatsache im Śrīmad-Bhāgavatam (Zweiter Canto, 4. Kapitel), wo er sagt, daß der Höchste Herr den Gāyatrī-mantra zum ersten Mal dem Herzen Brahmās offenbarte. Im selben Kapitel bringt Śukadeva Gosvāmī dem Herrn auch Gebete dar, in denen er Ihn bittet, ihn die rechten Worte finden zu lassen, um Mahārāja Parīkṣit das Śrīmad-Bhāgavatam vorzutragen.

Der 1. Vers im Ersten Canto des Śrīmad-Bhāgavatam beschreibt Śrī Kṛṣṇa, den Sohn Vasudevas, als die Höchste Absolute Wahrheit. Śrīla Vyāsadeva, der Autor des Bhāgavatam, sagt dort: »Ich bringe Vāsudeva, dem Höchsten Persönlichen Gott, der die Ursache, der Erhalter und der Zerstörer der kosmischen Schöpfung ist, meine respektvollen Ehrerbietungen dar.« Wenn wir ernsthaft versuchen, die Höchste Wahrheit zu verstehen, werden wir erkennen, daß der Höchste Sich sowohl direkt wie auch indirekt über alles bewußt ist. Er ist die höchste Persönlichkeit, die völlig unabhängig ist, und Er allein war es, der Brahmā als Überseele erleuchtete. Selbst die größten Gelehrten geraten bei dem Versuch, den Herrn zu erfassen, in Verwirrung, denn die gesamte kosmische Manifestation ruht in Ihm. Obwohl die materielle Welt nur eine zeitweilige Schöpfung aus Erde, Wasser, Feuer, Luft usw. ist, scheint sie durch Seinen Willen Wirklichkeit zu sein. Er allein ist es, in dem nicht nur die spirituelle Welt, sondern auch die materielle Manifestation und die Lebewesen - alles Existierende - ruhen. Daher ist Er die Höchste Wahrheit.

Als die Nacht schon weit fortgeschritten war, hielt Rāmānanda Rāya plötzlich inne und sagte: »Lieber Herr, erst sah ich Dich als sannyāsī, dann als Kuhhirtenjunge, und nun sehe ich sogar eine goldene Puppe vor Dir, die Deine Haut golden erscheinen läßt. Aber zur gleichen Zeit behältst Du auch die schwärzliche Hautfarbe des Hirten. Würdest Du mir bitte erklären, wie diese Phänomene zu verstehen sind?« Śrī Caitanya wich dieser Frage jedoch aus und erklärte nur: »Es ist ein Merkmal der weit fortgeschrittenen Gottgeweihten, Kṛṣṇa in allem zu sehen. Mit anderen Worten: Sie sehen nie die äußere Hülle, sondern immer nur Kṛṣṇa.« Dies wird auch im Śrīmad-Bhāgavatam im 2. Kapitel des Elften Cantos bestätigt, wo es heißt: »Ein Mensch, der im hingebungsvollen Dienen weit fortgeschritten ist, sieht Kṛṣṇa, die Seele aller Seelen, überall.« Einem ähnlichen Vers begegnet man im 35. Kapitel des Zehnten Cantos: »Alle Sträucher und Bäume von Vṛndāvana, die voller Blüten und Früchte hingen, verneigten sich in ekstatischer Liebe vor Kṛṣṇa, der Seele ihrer Seelen.« Śrī Caitanya sagte also: »Weil du bereits die höchste Stufe der Gotteserkenntnis erreicht hast, siehst du Rādhā und Kṛṣṇa in allem.«

Doch Rāmānanda wollte sich nicht mit Śrī Caitanyas Antwort zufrieden geben und entgegnete Ihm: »Lieber Herr, bitte versuche nicht, Dich zu verstecken. Ich weiß, daß Du die Hautfarbe und das Gemüt Śrīmatī Rādhārāṇīs angenommen hast, um Dich Selbst mit Ihren Augen zu sehen und Dich auf diese Weise zu verstehen. Das ist der Hauptgrund für Dein Erscheinen; doch gleichzeitig verschenkst Du an die ganze Welt reine Liebe zu Kṛṣṇa, und so bist Du auch zu mir gekommen, um mich zu befreien. Ich flehe Dich daher inständig an, nicht zu versuchen, mich zu täuschen.«

Als Śrī Caitanya diese Worte hörte, war Er so erfreut, daß Er Rāmānanda Rāya lächelnd Seine wirkliche Form zeigte, in der Sich Śrīmatī Rādhārāṇī und Śrī Kṛṣṇa vereinigt hatten. Mit anderen Worten: Der Herr erweiterte Sich vor den Augen Seines Geweihten in zwei Formen, nämlich Rādhā und Kṛṣṇa, die nach einiger Zeit wieder eins wurden. Diese Offenbarung, die Rāmānanda Rāya als erstem gezeigt wurde, ist ein eindeutiger Beweis dafür, daß Śrī Caitanya Kṛṣṇa Selbst ist, der das Wesen Śrīmatī Rādhārāṇīs annahm. Wer so glücklich ist, Śrī Caitanyas Erscheinen und die Spiele von Rādhā und Kṛṣṇa in Vṛndāvana als gleichbedeutend zu verstehen, kann durch die Gnade Rūpa Gosvāmīs die wirkliche Identität Śrī Kṛṣṇa Caitanya Mahāprabhus erkennen.

Sowie Rāmānanda Rāya diese einzigartige Gestalt erblickte, fiel er ohnmächtig zu Boden. Doch der Herr erweckte ihn sogleich wieder, indem Er ihn einfach berührte. Als Rāmānanda zu sich gekommen war, bemerkte er zu seiner Überraschung, daß Śrī Caitanya nun wieder im Gewand des Bettelmönchs vor ihm stand. Der Herr umarmte ihn und sagte dann, nachdem sich Rāmānanda Rāya etwas beruhigt hatte: »Niemandem außer dir habe Ich Mich bis jetzt in dieser Gestalt offenbart. Du weißt, warum Ich erschienen bin, und deshalb hattest du das Recht, auch diesen Aspekt Meiner Persönlichkeit zu sehen. Mein lieber Rāmānanda, Ich bin der gleiche Kṛṣṇa, der auch als der Sohn Nanda Mahārājas bekannt ist. Du mußt wissen, daß Ich durch die Verbindung mit Śrīmatī Rādhārāṇī, die niemand außer Mir je berührte, als Gaura Puruṣa erschienen bin. Sie hat Mich mit Ihrer Ausstrahlung, Ihren Worten und Ihren Gedanken beeinflußt, so daß Ich nun versuche, den transzendentalen Geschmack der Liebe, die Sie für Mich empfindet, zu kosten.«

Es ist also ein großer Fehler, Śrī Kṛṣṇa Caitanya von Kṛṣṇa zu trennen. Kṛṣṇa wie auch Śrī Caitanya ist der Ursprüngliche Höchste Persönliche Gott. In Seiner Form als Śrī Kṛṣṇa ist Er der Höchste Genießende, und in Seiner Form als Śrī Caitanya ist Er der Höchste Genossene. Niemand kann anziehender sein als Śrī Kṛṣṇa, und außer Ihm kann sich niemand am Inbegriff aller Hingabe, Śrīmatī Rādhārāṇī, erfreuen. Selbst Seinen direkten Erweiterungen fehlt diese Eigenschaft. In der Govinda-Beschreibung des Caitanya-caritāmṛta wird gesagt, daß Śrīmatī Rādhārāṇī die Einzige ist, die Śrī Kṛṣṇa mit transzendentaler Freude erfüllen kann. Aus diesem Grunde zieht Kṛṣṇa Rādhārāṇī allen anderen gopīs vor.

Der Herr fuhr fort: »Bitte glaube mir, daß Ich nichts vor dir verberge; selbst wenn Ich es wollte, wäre es Mir unmöglich, denn du bist ein solch fortgeschrittener Gottgeweihter, daß dir das Geheimnis Meines Erscheinens nicht verborgen bleiben könnte. Ich muß dich jedoch bitten, dieses Geheimnis für dich zu behalten, und es nicht jedem mitzuteilen, denn was Ich dir eben offenbart habe, kann kein materialistischer Mensch verstehen. Sprich also mit niemandem darüber; man würde Mich nur auslachen und für verrückt erklären. Śrī Caitanya und Rāmānanda Rāya sprachen zehn Nächte lang über die transzendentalen Spiele von Rādhā und Kṛṣṇa, und die Themen, die sie dabei austauschten, befanden sich auf der höchsten Stufe der Liebe zu Kṛṣṇa. In den letzten Kapiteln wurden einige Ausschnitte aus ihrem Gespräch wiedergegeben, doch der größte Teil ist nicht zu beschreiben.

Im Caitanya-caritāmṛta wird für dieses transzendentale Gespräch ein treffender Vergleich aus der Metallkunde gegeben. Bei dieser Wissenschaft werden nacheinander Kupfer, Bronze, Silber, Gold und schließlich der Stein der Weisen studiert; ebenso wurde auch das Gespräch zwischen Śrī Caitanya und Rāmānanda Rāya auf immer höheren Ebenen geführt. Die einleitenden Worte werden mit Kupfer verglichen, die darauffolgenden mit Bronze usw. Das letzte Stadium dieser Gespräche endlich wird als »der Stein der Weisen« bezeichnet. Es ist jedoch unerläßlich, zunächst einmal den Unterschied zwischen Kupfer und Bronze zu verstehen, bevor man beginnt, höhere Metalle wie Silber und Gold zu studieren. Wenn man also wirklich bemüht ist, immer weiter Fortschritte zu machen, kann man im Laufe der Zeit auch die vertraulichsten Themen erfassen.

Am nächsten Tag bat Śrī Caitanya Rāmānanda Rāya, Ihm zu erlauben, nach Jagannātha Purī zurückzukehren. Dabei sagte Er: »Bitte folge Mir so schnell wie möglich, so daß wir für den Rest unseres Lebens über Rādhā und Kṛṣṇa sprechen können.« Dann trafen sie sich ein letztes Mal am Flußufer, dort, wo ein Tempel mit einer Bildgestalt Hanumāns steht. Nachdem der Herr Sich den Tempel angeschaut hatte, machte Er Sich auf den Weg nach Purī. Als Er nach Kabur kam, suchten Ihn viele Menschen auf, die alle durch Seine Gnade zu Gottgeweihten wurden.

Nachdem Śrī Caitanya Rāmānanda Rāya verlassen hatte, wurde dieser von heftigem Trennungsschmerz überwältigt, und so legte er schon nach kurzer Zeit sein hohes Regierungsamt nieder und zog nach Jagannātha Purī. Die Gespräche zwischen Śrī Caitanya und Rāmānanda Rāya bilden die Essenz des hingebungsvollen Dienens, und jeder, der sich näher mit ihnen befaßt, kann die transzendentalen Spiele von Rādhā und Kṛṣṇa und die vertrauliche Rolle Śrī Caitanyas verstehen. Und wenn man so glücklich ist und sein Vertrauen in diese Gespräche setzt, findet man sogar Einlaß in die transzendentale Gemeinschaft von Rādhā und Kṛṣṇa.

Caitanya

Erklärung der wichtigsten Sanskritwörter und Eigennamen

A

Ācārya - geistiger Meister, der durch sein eigenes Beispiel lehrt.

Acintya - unbegreiflich.

Acintya-bhedābheda tattva - Śrī Kṛṣṇa Caitanyas Lehre, nach der die Absolute Wahrheit »unvorstellbar gleichzeitig eins und verschieden ist«, d. h. sowohl persönlich als auch unpersönlich.

Acyuta - (wörtl. einer, der niemals herunterfällt) unfehlbar, eine Eigenschaft Kṛṣṇas.

Advaita - nicht verschieden (auf den Herrn bezogen weist es darauf hin, daß zwischen Seinem Körper und Ihm Selbst kein Unterschied besteht).

Advaitācārya - einer der vier vertrauten Gefährten Śrī Kṛṣṇa Caitanya Mahāprabhus; eine Inkarnation Mahā-Viṣṇus.

Ānanda - transzendentale Glückseligkeit.

Anubhāva - Stufe der Gottesliebe, auf der körperliche Ekstase sichtbar werden.

Arjuna - einer der fünf Pāṇḍavas, ein Freund Kṛṣṇas; Kṛṣṇa offenbarte ihm die Bhagavad-gītā vor der Schlacht von Kurukṣetra.

Ātma - das Selbst (bezieht sich manchmal auf den Körper, den Geist, die Seele oder die Sinne).

Avatāra - (wörtl. jemand, der herabsteigt) eine Inkarnation des Herrn, die mit einer ganz bestimmten Botschaft, die in den Schriften beschrieben wird, von der spirituellen Welt in die materielle Welt herabsteigt.

Avyakta - unmanifestiert.

B

Bhagavān - (bhaga - Fülle + vān - besitzen) der Besitzer aller Füllen - Reichtum, Kraft, Ruhm, Schönheit, Wissen und Entsagung; ein Beiname der Höchsten Person.

Bhagavad-gītā - Essenz der vedischen Schriften; von Kṛṣṇa zu Arjuna gesprochen vor der Schlacht von Kurukṣetra.

Bhakta - ein Gottgeweihter; jemand, der sich Kṛṣṇa hingibt.

Bhakti - Liebe zu Gott; Dienen mit gereinigten Sinnen für die Zufriedenstellung der Sinne Kṛṣṇas. Bhaktisiddhānta Sarasvatī Gosvāmī Mahārāja Prabhupāda - der geistige Meister von Seiner Göttlichen Gnade A. C. Bhaktivedanta Swami Prabhupāda.

Bhaktivinoda Ṭhākura - ein geistiger Meister in der guru paramparā; der Vater von Bhaktisiddhānta Sarasvatī Gosvāmī Mahārāja Prabhupāda.

Bhakti-yoga - die Methode, bhakti, reines, hingebungsvolles Dienen zu entwickeln, das frei von Sinnenbefriedigung oder philosophischer Spekulation ist.

Bhāva - die erste Stufe der transzendentalen Liebe zu Gott.

Bilvamaṅgala Ṭhākura - großer Vaiṣṇava-ācārya.

Brahmā - das erste erschaffene Lebewesen.

Brahmacārī - ein Schüler, der sich unter der Aufsicht eines echten geistigen Meisters befindet und im Zölibat lebt.

Brahmajyoti - (brahma - spirituell + jyoti - Licht) die unpersönliche Ausstrahlung, die vom Körper Kṛṣṇas ausgeht.

Brahman - 1. die winzig kleine Seele, 2. der alldurchdringende unpersönliche Aspekt Kṛṣṇas; 3. der Höchste Persönliche Gott; 4. die gesamte materielle Substanz.

Brāhmaṇa - nach dem System der vier sozialen und spirituellen Einteilungen die intelligente Gruppe der Menschen.

Brahmānanda - Glücksgefühl, das im brahmajyoti erfahren wird.

Brahma-saṁhitā - eine sehr alte Sanskritschrift mit den Gebeten Brahmās zu Govinda, die von Śrī Kṛṣṇa Caitanya in einem Tempel in Südindien wiederentdeckt wurde.

C

Caitanya-caritāmṛta - die autoritative Schrift von Kṛṣṇadāsa Kavirāja, die die Lehre und das Leben Śrī Kṛṣṇa Caitanyas beschreibt.

Caitanya Mahāprabhu - eine Inkarnation Kṛṣṇas, die im 15. Jahrhundert in Navadvīpa, Bengalen, erschien. Er führte das gemeinsame Chanten des Hare Kṛṣṇa-mahā-mantras ein, und Sein Leben war das vollkommenste Beispiel dafür, wie man die Lehren der Bhagavad-gītā praktizieren kann.

Caṇḍālas - Hunde-Esser, die niedrigste Gruppe der Menschen.

Caraṇāmṛta - wohlriechendes Wasser, mit dem die Bildgestalten Gottes im Tempel gebadet wurden.

D

Dāsya - die Beziehung zum Herrn als Diener.

Devakī - die Mutter Śrī Kṛṣṇas. Wenn Kṛṣṇa in der materiellen Welt erscheint, sendet Er einige Seiner Geweihten voraus, die die Rolle Seines Vaters, Seiner Mutter usw. spielen.

Dvāpara-yuga - das dritte Zeitalter im Kreislauf eines mahā-yugas. Es dauert 864 000 Jahre. Dvārakā - Festungsstadt Kṛṣṇas im Meer.

E

Ekādaṣī - ein besonderer Tag, der dazu dient, sich mehr an Kṛṣṇa zu erinnern, indem man fastet und von den Herrlichkeiten des Herrn hört und sie lobpreist. Die Gottgeweihten feiern diesen Tag zweimal im Monat.

G

Gadādhara - einer der vertrauten Gefährten Śrī Caitanyas.

Ganges - der heilige Fluß, der den Lotosfüßen Viṣṇus entspringt und durch das gesamte Universum fließt. Es wird empfohlen, im Ganges zu baden, um sich zu läutern.

Garbhodakaṣāyī Viṣṇu - die Viṣṇu-Erweiterung des Höchsten Herrn, die in jedes Universum eingeht, um dort Mannigfaltigkeit zu erschaffen.

Gāyatrī - eine transzendentale Klangschwingung, die von den wahrhaft qualifizierten Zweitgeborenen

(brāhmaṇas) zur spirituellen Verwirklichung gechantet wird.

Goloka - ein Name für Kṛṣṇas Planeten.

Gopī - (wörtl. »Kuhhirtenmädchen«) Gottgeweihte in der Beziehung als vertraute Geliebte zum Herrn. Gopīnātha Miṣra - der Bruder Sārvabhauma Bhaṭṭācāryas.

Gosvāmī - (go - Sinne + svāmī - Meister) Meister der Sinne.

Govinda - »einer, der das Land, die Kühe und die Sinne erfreut«, ein Name Kṛṣṇas.

Gṛhasta - Haushälter. Ein Mann, der Gottes-bewußt und zu gleicher Zeit verheiratet ist und eine Familie im Kṛṣṇa-Bewußtsein aufzieht.

Guṇa - eine materielle Erscheinungsweise. Es gibt drei Erscheinungsweisen: Unwissenheit, Leidenschaft und Reinheit.

Guṇāvatāras - die drei Inkarnationen, die die drei Erscheinungsweisen der materiellen Natur kontrollieren. Brahmā kontrolliert die Leidenschaft, Viṣṇu die Reinheit und Śiva die Unwissenheit. Guru - der geistige Meister.

H

Hlādinī - die innere Energie Kṛṣṇas, Seine Freuden-Energie.

Hanumān - ein berühmter Gottgeweihter in der Gestalt eines Affen, der dem Höchsten Herrn in Seiner Inkarnation als Rāmacandra diente und Ihm dabei half, den Dämonen Rāvaṇa zu besiegen.

Hare Kṛṣṇa Mantra - Hare Kṛṣṇa, Hare Kṛṣṇa, Kṛṣṇa Kṛṣṇa, Hare Hare - Hare Rāma, Hare Rāma, Rāma Rāma, Hare Hare - der mahā-mantra, der Gesang der Befreiung. Kṛṣṇa und Rāma sind Namen des Herrn und Hare richtet sich an die innere Energie des Herrn. Das Chanten dieser Namen wird besonders für das gegenwärtige Zeitalter empfohlen.

Hari-bhakti-vilāsa - Buch von Sanātana Gosvāmī.

Haribol - (Hari- Name Kṛṣṇas + bol- singen) Jubelruf, auffordernder Ausruf: Singt den Namen Kṛṣṇas, Hari!

Haridāsa Ṭhākura - ein großer Gottgeweihter, der von Śrī Kṛṣṇa Caitanya zum nāmācārya (ein Lehrer, der das Chanten des heiligen Namens lehrt) ernannt wurde.

Hṛṣīkeṣa - »der Meister aller Sinne«, ein Name Kṛṣṇas.

I

Īṣvara - Kontrollierender. Kṛṣṇa ist parameṣvara, der Höchste Kontrollierende.

J

Jagannātha Miṣra - der Vater Śrī Caitanyas.

Jagannātha Purī - Stadt in Südindien; der Hauptaufenthaltsort Śrī Caitanyas.

Jīva (jīvātmā)- die Seele, das winzig kleine Lebewesen.

Jñāna - Wissen. Materielles jñāna geht nicht über die Grenzen des materiellen Körpers hinaus. Transzendentales jñāna unterscheidet zwischen Materie und spiritueller Natur. Vollkommenes jñāna ist das Wissen vom Körper, von der Seele und vom Höchsten Herrn.

Jñāna-kāṇḍa - der Teil der Veden, der das forschende Spekulieren über die Wahrheit beinhaltet. Jñāna-yoga - der Vorgang, durch den man sich hauptsächlich durch Forschung mit dem Höchsten verbindet. Er wird von einem Menschen praktiziert, der immer noch an gedanklichen Spekulationen haftet.

Jñānī - jemand, der damit beschäftigt ist, sein Wissen zu erweitern (besonders durch philosophische Spekulation). Wenn ein jñānī die Vollkommenheit erreicht, gibt er sich Kṛṣṇa hin.

K

Kali-yuga - das Zeitalter des Streites; das vierte und letzte Zeitalter im Kreislauf eines mahā-yugas. Es ist das Zeitalter, in dem wir jetzt leben. Es währt 432 000 Jahre, von denen 5000 Jahre bereits vergangen sind.

Kalpa - ein Tag in der Zeitrechnung Brahmās.

Kapila - eine Inkarnation Kṛṣṇas, die im Satya-yuga als der Sohn Devahūtis und Kardama Munis erschien und die sāṅkhya-Philosophie der Hingabe aufstellte. (Es gibt auch einen Atheisten namens Kapila, der aber keine Inkarnation des Herrn ist.)

Kāraṇodakaṣāyī Viṣṇu (Mahā-Viṣṇu) - die Erweiterung Śrī Kṛṣṇas, von der alle materiellen Universen ausgehen.

Karma - 1. materielle Handlungen, die nach den Regulierungen der Schriften ausgeführt werden; 2. die Handlungen, die mit der Entwicklung des materiellen Körpers zusammenhängen; 3. jede materielle Handlung, die eine Reaktion nach sich zieht; 4. die materielle Reaktion, die man aufgrund fruchtbringender Aktivitäten erhält.

Karma-yoga - 1. Handlungen im hingebungsvollen Dienen; 2. Handlungen eines Mannes, der weiß, daß Kṛṣṇa das Ziel des Lebens ist, der sich aber von den Früchten seiner Aktivitäten nicht lösen kann.

Keṣava Bhāratī - weiht Śrī Caitanya zum sannyāsī.

Kīrtana - die Ruhmpreisung Śrī Kṛṣṇas.

Kṛṣṇa - (wörtl. » der Alles-Anziehende«) der ursprüngliche Name des Höchsten Herrn in Seiner ursprünglichen transzendentalen Gestalt; die Höchste Göttliche Person, der Sprecher der Bhagavad-gītā.

Kṛṣṇadāsa Kavirāja Gosvāmī - der Verfasser des Caitanya-caritāmṛta.

Kṛṣṇaloka - der Planet in der spirituellen Welt, auf dem Kṛṣṇa weilt.

Kṣatriya - nach dem System der vier sozialen und spirituellen Einteilungen die verwaltende Klasse.

Kṣetrajña - (kṣetra - Feld oder Körper + jña - wissend) jemand, der sich des Körpers bewußt ist. Sowohl die Seele als auch die Überseele sind kṣetrajña, denn die individuelle Seele ist sich ihres eigenen Körpers bewußt, und die Überseele ist sich der Körper aller Lebewesen bewußt.

Kṣīrodakaṣāyī Viṣṇu - Die Viṣṇu-Erweiterung des Höchsten Herrn, die in jedes Atom und zwischen jedes Atom des Universums und in das Herz jedes Lebewesens eingeht. Sie wird auch die Überseele genannt.

Kumāras - die vier bedeutenden Weisen und Söhne Brahmās, die Anhänger des Unpersönlichen waren, doch später große Geweihte des Herrn und bedeutende Autoritäten im hingebungsvollen Dienen wurden.

L

Lakṣmī - die Göttin des Glücks, die Gefährtin des Höchsten Herrn.

Lakṣmī-devī - die erste Frau Śrī Caitanyas.

Līlā - transzendentales Spiel Kṛṣṇas.

Līlāvatāras - Inkarnationen Kṛṣṇas wie Matsya, Kṛṣṇa, Rāma und Nṛsiṁha, die in der materiellen Welt erscheinen, um die spirituellen Spiele des Höchsten Persönlichen Gottes zu offenbaren. Loka - Planet.

M

Madana-mohana - (wörtl. » anziehender als tausend Liebesgötter«), ein Name Kṛṣṇas. Madhūrya-rasa - die Beziehung zum Höchsten als vertraute Geliebte.

Mahābhārata - ein großes Epos, das von Vyāsadeva aufgezeichnet wurde und die Abenteuer der Pāṇḍavas beschreibt. Die Bhagavad-gītā ist ein Teil des Mahābhārata.

Mahābhāva - höchste Ekstase der Gottesliebe, Stufe der gopīs.

Mahā-mantra - der große Gesang der Befreiung: »Hare Kṛṣṇa, Hare Kṛṣṇa, Kṛṣṇa Kṛṣṇa, Hare Hare - Hare Rāma, Hare Rāma, Rāma Rāma, Hare Hare.«

Mahat-tattva - die gesamte materielle Energie.

Mahā-Viṣṇu - siehe Kāraṇodakaṣāyī Viṣṇu.

Mantra (man - Geist + tra - Befreiung) eine reine Klangschwingung, die den Geist von seinen materiellen Neigungen reinigt.

Manu - ein verwaltender Halbgott, der Vater der Menschheit.

Manvantarāvatāras - die Manu-Inkarnationen; an einem Tag Brahmās erscheinen vierzehn von ihnen.

Māyā - ( - nicht + - dieses) Illusion; eine Energie Kṛṣṇas, die die Lebewesen verwirrt, so daß sie den Höchsten Herrn vergessen.

Māyāpura - Erscheinungsort Śrī Caitanyas.

Māyāvādī - die Unpersönlichkeitsanhänger oder Anhänger der Lehre vom Nichts. Sie vertreten die Auffassung, daß Gott formlos und unpersönlich ist.

Mukti - Befreiung, Freisein vom materiellen Bewußtsein. Mukunda - »derjenige, der Befreiung gewährt«, ein Name Kṛṣṇas. Muni - ein Weiser bzw. eine selbstverwirklichte Seele.

N

Nadia - Stadtteil von Māyāpura, in dem Śrī Caitanya erschien.

Nanda Mahārāja - der Pflegevater Śrī Kṛṣṇas.

Nārada Muni - ein großer Geweihter des Höchsten Herrn, der in jeden beliebigen Teil der spirituellen oder materiellen Welt reisen kann, um die Herrlichkeiten des Herrn zu verbreiten.

Nimāi - Name Śrī Caitanyas vor Seiner Weihung zum sannyāsī.

Nityānanda Prabhu - einer der vertrautesten Gefährten Śrī Caitanya, eine Inkarnation Balarāmas. Nirguṇa - (nir - ohne + guṇa - Eigenschaft) ohne Eigenschaften (wenn es sich auf Gott bezieht, bedeutet

nirguṇa, ohne materielle Eigenschaften).

Nṛsiṁha - eine Inkarnation Kṛṣṇas in einer Halb-Menschen-, Halb-Löwengestalt.

O

omkāra - oṁ, die transzendentale Silbe, die Kṛṣṇa repräsentiert und zur Erlangung des Höchsten von Transzendentalisten gechantet wird, wenn sie Opfer darbringen, Spenden geben und sich Bußen auferlegen.

om tat sat - die brāhmaṇas verwenden diese drei transzendentalen Silben, während sie Opfer darbringen oder vedische Hymnen chanten, um auf diese Weise den Höchsten zufriedenzustellen. Diese drei Silben weisen auf die Absolute Wahrheit, den Höchsten Persönlichen Gott hin.

P

Paramahaṁsa - die höchste Gruppe der selbstverwirklichten Transzendentalisten.

Paramātmā - die Überseele; der lokalisierte Aspekt des Höchsten Herrn im Herzen aller Lebewesen.

Paramparā - die Nachfolge der geistigen Meister, durch die das spirituelle Wissen überliefert wird.

Parā-prakṛti - die höhere, spirituelle Energie des Höchsten Herrn.

Patañjali - eine große Autorität des aṣṭāṅga-yoga-Systems und der Verfasser des Yoga-sūtra.

Prahlāda Mahārāja - ein großer Geweihter des Herrn. Sein atheistischer Vater trachtete ihm nach dem Leben, doch der Herr beschützte ihn.

Prakāṣānanda Sarasvatī - Führer der Māyāvādī-sannyāsīs von Benares.

Prākṛta-sahajiyās - Pseudo-Gottgeweihte, welche Rādhā und Kṛṣṇa, die gopīs und den rāsa-Tanz nachahmen.

Prakṛti - Natur (wörtl. das, was beherrscht wird). Es gibt zwei prakṛtis - aparā prakṛti, die materielle Natur, und parā prakṛti, die spirituelle Natur (die Lebewesen) -, die beide vom Höchsten Persönlichen Gott beherrscht werden.

Praṇāva omkāra - siehe omkāra.

Prasāda - zu Kṛṣṇa geopferte Speise, die durch die Opferung spirituell wird und somit das Lebewesen läutern kann.

Premā - reine Liebe zu Gott, die am höchsten vervollkommnete Stufe des Lebens.

Purāṇas - die achtzehn sehr alten Bücher, die die Geschichte unseres und anderer Planeten beinhalten. Puruṣam - der höchste Genießende.

Puruṣāvatāras - die ursprünglichen Viṣṇu-Erweiterungen Śrī Kṛṣṇas, die die Schöpfung, Erhaltung und Zerstörung der materiellen Welt bewirken.

R

Rajo-guṇa - die Erscheinungsweise der Leidenschaft in der materiellen Natur.

Rāma - 1. der Name der Absoluten Wahrheit als die Quelle unendlicher Freude für die Transzendentalisten; 2. die Inkarnation des Höchsten Herrn als vollkommener König (Rāmacandra).

Rāmānanda Rāya - großer Geweihter Śrī Caitanyas.

Rasa - die Beziehung zwischen dem Herrn und den Lebewesen. Es gibt fünf grundlegende Arten: die neutrale Beziehung (ṣānta-rasa), die Beziehung als Diener (dāsya-rasa), als Freund (sākhya-rasa), als Elternteil (vātsalya-rasa) und als vertraute Geliebte (mādhurya-rasa).

Rasābhāsa - unvereinbare Vermischung von rasas.

Rūpa Gosvāmī - das Oberhaupt der sechs großen geistigen Meister aus Vṛndāvana, die von Śrī Kṛṣṇa Caitanya Mahāprabhu ermächtigt wurden, die Philosophie des Kṛṣṇa-Bewußtseins niederzuschreiben und zu verbreiten.

S

Sac-cid-ānanda vigraha - (sat - ewiges Sein + cit - Wissen + ānanda - Glückseligkeit; vigraha - Gestalt) die ewige Gestalt des Höchsten Herrn, die voller Glückseligkeit und Wissen ist; oder, die ewige transzendentale Gestalt des Lebewesens.

Śacī-devi - die Mutter Śrī Caitanyas.

Sādhana-bhakti - hingebungsvolles Dienen nach regulierenden Prinzipien.

Sākhya-rasa - die Beziehung zum Höchsten als Freund.

Samādhi - Trance, Versenkung in des Gottesbewußtsein.

Sanātana Gosvāmī - einer der sechs großen geistigen Meister aus Vṛndāvana, die von Śrī Kṛṣṇa Caitanya Mahāprabhu ermächtigt wurden, die Philosophie des Kṛṣṇa-Bewußtseins niederzuschreiben und zu verbreiten.

Śaṅkarācārya - eine Inkarnation Śivas, die im 8. Jahrhundert erschien, um die Unpersönlichkeitsphilosophie zu verkünden, mit dem Ziel, den Buddhismus aus Indien zu vertreiben und die Autorität der Veden wiederherzustellen.

Sāṅkhya - 1. der yoga - Vorgang der Hingabe, der von Kapila im Śrīmad-Bhāgavatam beschrieben wird; 2. das analytische Verstehen des Körpers und der Seele.

Saṅkīrtana-yajña - das Opfer, das für das Zeitalter des Kali vorgeschrieben ist, nämlich das gemeinsame Chanten des Namens, des Ruhmes und der Spiele des Höchsten Persönlichen Gottes.

Sannyāsa - die Lebensstufe der Entsagung, auf der man alle Familienbeziehungen aufgegeben hat und alle Aktivitäten vollständig Kṛṣṇa geweiht werden.

Śānta-rasa - passive, neutrale Beziehung zum Höchsten.

Sārvabhauma Bhaṭṭācārya - Gelehrter in Jagannātha Purī; wurde ein Geweihter Śrī Caitanyas.

Śāstras - die offenbarten Schriften.

Sattva - die Erscheinungsweise der Reinheit in der materiellen Natur.

Satya-yuga - das erste der vier Zeitalter eines mahā-yugas. Das Satya-yuga wird durch Tugend, Weisheit und Religion gekennzeichnet und währt 1 728 000 Jahre.

Sītā - die Gefährtin Rāmacandras, einer Inkarnation Kṛṣṇas.

Śiva - der Halbgott, der für die Erscheinungsweise der Unwissenheit und die Zerstörung des materiellen Universums verantwortlich ist.

Smṛti - die Schriften, die von Lebewesen unter transzendentaler Anleitung zusammengestellt wurden. Śrīmad-Bhāgavatam - die Schrift, die von Vyāsadeva verfaßt wurde, um die Spiele Kṛṣṇas zu beschreiben und zu erklären.

Śruti - die Schriften, die direkt von Gott empfangen wurden.

Śūdra - nach dem System der vier sozialen und spirituellen Einteilungen die dienstleistende Klasse der Menschen.

Śukadeva Gosvāmī - ein großer Gottgeweihter, der König Parīkṣit das Śrīmad-Bhāgavatam vortrug, als der König nur noch sieben Tage zu leben hatte.

Surabhi - die Kühe in Kṛṣṇaloka. Sie können unbegrenzte Mengen Milch geben.

Svāmī - jemand, der Geist und Sinne kontrollieren kann.

Svarūpa - (sva - eigene + rūpa - Gestalt) Dienen; die ewige Beziehung des Lebewesens zum Herrn, die wirkliche Gestalt der Seele.

Svarūpa-dāmodara - einer der engen Gefährten Śrī Caitanyas in Jagannātha Purī.

Svarūpa-siddhi - die Vollkommenheit der wesenseigenen Position.

Śyāmasundara - (ṣyama - schwarz + sundara - wunderschön) ein Name der ursprünglichen Gestalt Śrī Kṛṣṇas.

T

Tamo-guṇa - die Erscheinungsweise der Unwissenheit in der materiellen Natur.

Tapasyā - das freiwillige Aufsichnehmen von Unbequemlichkeiten, um Fortschritt in spirituellem Leben zu machen.

Tilaka - Zeichen der Vaiṣṇavas an verschiedenen Stellen des Körpers.

Tretā-yuga - das zweite Zeitalter im Kreislauf eines mahā-yugas. Es währt 1 296 000 Jahre.

Tulasī - eine große Gottgeweihte in der Gestalt einer Pflanze. Diese Pflanze ist dem Herrn sehr lieb, und ihre Blätter werden Seinen Lotosfüßen geopfert.

U

Upaniṣaden - der philosophische Teil der Veden, wie zum Beispiel Īṣa Upaniṣad, Kaṭha Upaniṣad usw. Es gibt 108 Upaniṣaden.

V

Vaikuṇṭhas - (wörtl. ohne Angst) die ewigen Planeten im spirituellen Himmel.

Vaiṣṇava - ein Geweihter des Höchsten Herrn Viṣṇu bzw. Kṛṣṇa.

Vaiṣya - nach dem System der vier sozialen und spirituellen Einteilungen die Kaufleute und Bauern. Vallabha Bhaṭṭa - der jüngere Bruder Rūpa Gosvāmīs.

Vānaprastha - das zurückgezogene Leben, bei dem man sein Heim verläßt und von einem heiligen Ort zum anderen reist, um sich auf die Lebensstufe der Entsagung vorzubereiten.

Varāha - die Inkarnation Kṛṣṇas als riesiger Eber.

Vasudeva - der Vater Kṛṣṇas.

Vāsudeva - 1. Śrī Kṛṣṇa, »der Sohn Vasudevas«; 2. der Zustand transzendentaler Reinheit, durch den man die materiellen Erscheinungsweisen der Natur überwinden und den Höchsten Herrn verstehen kann.

Vātsalya-rasa - die Beziehung zum Höchsten als Vater, Mutter, Verwandter oder Lehrer Vedānta-sūtra (Brahmā-sūtra) - eine philosophische Abhandlung, die von Vyāsadeva geschrieben wurde, um die Schlußfolgerung aller Veden zu geben.

Veden - die vier vedischen Schriften (Ṛg-, Yayur-, Sāma- und Atharva-veda) und ihre Ergänzungen wie die Upaniṣaden, die Purāṇas, das Mahābhārata, das Vedānta-sūtra usw.

Vibhāva - die Stufe, von der aus sich ekstatische Liebe zu Gott entwickelt.

Viṣṇu - der alldurchdringende Persönliche Gott (eine vollständige Erweiterung Kṛṣṇas), der vor der Schöpfung in jedes materielle Universum eingeht.

Viṣṇu-priyā - die zweite Frau Śrī Caitanyas.

Viṣṇu-tattva - ursprüngliche Viṣṇu-Erweiterung Kṛṣṇas; es gibt Ihrer unzählige.

Viṣvarūpa - der ältere Bruder Śrī Caitanyas.

Vṛndāvana - der Ort, an dem Kṛṣṇa Seine transzendentalen Spiele offenbarte, als Er vor 5000 Jahren auf der Erde erschien.

Vyāsadeva - der bedeutendste Philosoph aller Zeiten. Er war eine Inkarnation Viṣṇus und zu literarischer Tätigkeit ermächtigt; er stellte die Veden, die Upaniṣaden, die Purāṇas, das Mahābhārata, das Vedānta sūtra usw. zusammen.

Y

Yajña - Opfer.

Yajñeṣvara - »Herr des Opfers«, ein Name Kṛṣṇas.

Yamarāja - der Halbgott, der die sündigen Lebewesen nach dem Tode bestraft.

Yamunācārya - ein bedeutender geistiger Meister in der Śrī-sampradāya.

Yaṣodā - Kṛṣṇas Pflegemutter.

Yoga - der Vorgang, das Bewußtsein des winzig kleinen Lebewesens mit dem höchsten Lebewesen, Kṛṣṇa, zu verbinden.

Yogeṣvara - »der Meister aller mystischen Kräfte«, ein Name Kṛṣṇas.

Yuga - eines der vier Zeitalter, die sich in ihrer Dauer voneinander unterscheiden und sich wie Jahreszeiten abwechseln. Siehe auch Satya-yuga, Tretā-yuga, Dvāpara-yuga und Kali-yuga.

Yugāvatāras - die Inkarnationen des Herrn, die in jedem einzelnen der vier verschiedenen Zeitalter erscheinen, um die geeignete Form der spirituellen Verwirklichung für das jeweilige Zeitalter zu lehren.

 

Ende von
Die Lehren Śrī Kṛṣṇa Caitanyas